· Nachricht · Beschädigter Zahnarztstuhl
Patient beschädigt Praxisausstattung: Wer zahlt den Schaden?
| Unverhofft kommt oft: Ein Patient beschädigt versehentlich einen Teil der Praxisausstattung. So auch geschehen in einer Münchner Zahnarztpraxis: der Patient nahm auf dem Behandlungsstuhl Platz und als er sich auf dem Stuhl bewegte, war ein Knacken im Stuhl zu hören. Muss der Patient nun für den Schaden aufkommen? Und wie hoch ist der Schadenersatzanspruch? Wie fordere ich als Praxisinhaber rechtskonform Schadenersatz? |
Der Fall
Nach Auffassung des Zahnarztes habe der Patient durch seine Größe und sein ungeschicktes Bewegen fahrlässig die Kopfstütze des Zahnarztstuhls beschädigt. Der Zahnarzt forderte seinen Patienten auf, den Schaden in Höhe der Reparaturkosten von 1.707 Euro zu ersetzen. Sowohl der Patient als auch dessen Haftpflichtversicherung verweigerten jedoch eine Zahlung, weshalb der Zahnarzt seinen Patienten vor dem Amtsgericht München auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 1.707 Euro verklagte.
Die Entscheidung
Das Amtsgericht München wies die Klage mit Urteil vom 12.08.2025 ab und begründete dies wie folgt (Az. 2yi83 C 4126/25): Der Patient hat nichts falsch gemacht. Er hat sich ganz normal auf dem Behandlungsstuhl bewegt, um es sich bequem zu machen ‒ so wie andere Patienten auch, nicht ruckartig oder ungewöhnlich. Der klagende Zahnarzt konnte auch kein vorsätzliches oder fahrlässiges Fehlverhalten benennen. Der Patient durfte davon ausgehen, dass der Stuhl für ihn geeignet ist und normale Bewegungen aushält, auch bei seiner Körpergröße. Eine besondere Extra-Vorsicht musste er nicht beachten. Deshalb kommt es am Ende nicht einmal darauf an, ob der Stuhl wegen seiner Bewegung oder wegen Alter und Verschleiß kaputtging ‒ ein Verschulden liegt nicht vor, also keine Haftung des Patienten.
Wann sind Patienten schadenersatzpflichtig?
Ein Schaden ist allgemein definiert als Nachteil, der durch Minderung oder Verlust an materiellen oder immateriellen Gütern entsteht. Ein ersatzfähiger Schaden liegt vor, wenn der „Nachteil“ über die gewöhnliche Abnutzung hinausgeht und mit einer unfreiwilligen Einbuße am geschützten Rechtsgut ‒ d. h. an Ihrer Praxisausstattung ‒ einhergeht. Vereinfacht gesagt, liegt ein Schaden immer vor, wenn der betroffene Gegenstand nach dem Vorfall nicht mehr so aussieht wie vorher. Aber nicht jeder Schaden ist ersatzfähig!
Rechtsgrundlage für Ansprüche bei Sach- und Personenschäden ist § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist jeder, der vorsätzlich oder fahrlässig u. a. das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, dem Geschädigten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet:
- Fahrlässig handelt jeder, der die übliche Sorgfalt bei seinem Tun nicht einhält,
- vorsätzlich handelt jeder, der absichtlich eine Sache beschädigt.
Ein Patient, der einen Gegenstand Ihrer Praxisausstattung oder Gegenstände eines anderen Patienten beschädigt, ist nach § 823 BGB grundsätzlich verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Für die Frage, ob der Schädiger dem Grunde nach haftet, ist nur entscheidend, ob er für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist.
- Nicht verantwortlich ist ein Patient/Kursteilnehmer für einen Schaden, wenn ihn kein Verschulden trifft, z. B. wenn er einen Spiegel von der Wand reißt, weil er einen Schwindelanfall hat, er von einem Dritten gestoßen wird oder er auf dem noch feuchten Boden der Praxis ausrutscht.
- Auch ein Mitverschulden des Praxisinhabers kann die Schadenersatzpflicht des Patienten mindern oder ganz ausschließen. Ein solches Mitverschulden kann z. B. vorliegen, wenn wie im o. g. Beispiel der Spiegel an einer Stelle aufgehängt ist, die so eng ist, dass man fast zwangsläufig daran hängenbleibt.
- Kinder oder betreuungspflichtige Personen sollten nie ohne Aufsichtsperson sein, da auch sie grundsätzlich für verursachte Schäden haftbar gemacht werden können. In Anspruch genommen wird in diesen Fällen die aufsichtspflichtige Person, wenn diese den Eintritt des Schadens hätte verhindern können. Haftungsgrund ist dann die Verletzung der Aufsichtspflicht.
Höhe des Schadenersatzanspruchs
I. d. R. gibt es zur Beseitigung des konkreten Schadens mehr als eine Möglichkeit. Die Spannbreite reicht von einer kleinen Lösung in Form der Minimalreparatur bis hin zur großen Lösung in Form des Austauschs des beschädigten Gegenstands durch einen gleichwertigen neuen Gegenstand. Auf einen solchen Austausch haben Sie aber nicht immer einen Rechtsanspruch! Sie haben nur Anspruch auf Beseitigung der Beschädigung. Kann diese durch eine Reparatur (noch wirtschaftlich sinnvoll) beseitigt werden, können Sie auf die Reparatur verwiesen werden. Ist die Reparatur unmöglich oder wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, besteht ein Anspruch auf Ersatz.
Bei einer Reparatur muss der Schädiger grundsätzlich für alle Kosten aufkommen, bei einem Ersatz der beschädigten Sache nicht immer. War die beschädigte Sache schon länger im Einsatz und entsprechend abgenutzt oder „gealtert“, besteht Anspruch nur auf den Zeitwert oder Wiederbeschaffungswert, nicht auf den Preis für eine Neuanschaffung.
Wie gehe ich vor, wenn ich Schadenersatz fordern will?
Im Schadensfall ist es ratsam, den Schädiger konkret auf den wegen seines Verhaltens eingetretenen Schaden anzusprechen und gemeinsam mit ihm den Schaden zu begutachten. Aus der Reaktion des Schädigers können Sie u. U. schon entnehmen, ob er zur Schadensregulierung bereit ist. In manchen Fällen können oder wollen Sie nicht sofort entscheiden, ob Sie Schadenersatz fordern werden. Informieren Sie dann den Schädiger, dass Sie sich vorbehalten, ihn für die Kosten der Schadensbeseitigung in Anspruch zu nehmen, dass Sie zunächst aber die Höhe dieser Kosten klären.
Fotografieren Sie auf jeden Fall die Beschädigungen und schreiben Sie eine Aktennotiz, wie der Schaden eingetreten ist. Sie haben keinen Anspruch gegen den Schädiger, dass dieser seine Haftung schriftlich anerkennt. Erklärt er freiwillig, dass er für die Kosten aufkommt, können Sie sich das jedoch schriftlich bestätigen lassen. Hat der Patient eine private Haftpflichtversicherung und will den Schaden über diese regulieren lassen, ist ein derartiges Anerkenntnis für die Versicherung nicht bindend.
Holen Sie zeitnah zum Schadenereignis einen Kostenvoranschlag über die voraussichtlichen Reparaturkosten ein. War die beschädigte Sache neu oder noch neuwertig, können Sie für die Schadenshöhe die Rechnung über die Anschaffung heranziehen. Haben Sie die Kosten für die Schadensbeseitigung auf diese Weise annähernd beziffert, können Sie Ihre Schadenersatzansprüche schon schriftlich gegenüber dem Schädiger geltend machen und ihn auffordern, die Haftung anzuerkennen. Hat der Schädiger eine private Haftpflichtversicherung, wird er diese jetzt vermutlich einschalten. Die Versicherung wird daraufhin mit Ihnen Kontakt aufnehmen und alles Weitere klären.
Hat der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung die Haftung anerkannt, prüfen Sie, ob das Anerkenntnis auch schon die Höhe des Schadens umfasst. Wenn ja, können Sie den Schaden beseitigen lassen, ohne für die Kosten in Vorlage zu treten. Anschließend reichen Sie die Rechnung zur Bezahlung beim Patienten oder dessen Versicherung ein.
Ohne Schadensanerkennnis ist es Ihre Entscheidung, ob Sie den Schaden zunächst auf eigene Kosten beseitigen lassen und anschließend abrechnen oder zunächst „ausstreiten“, in welcher Höhe Schadensbeseitigungskosten übernommen werden. Letzten Endes hängt diese Entscheidung aber davon ab, ob der Schaden zwingend sofort beseitigt werden muss, damit Sie weiterarbeiten können, oder ob die Schadensbeseitigung grundsätzlich aufgeschoben werden kann.
Kommt es zu keiner Einigung mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung, bleibt Ihnen noch der Weg zum Gericht, wie ihn der Zahnarzt aus dem Urteilsfall gewählt hat. Bei einem hohen Sachschaden kann es ratsam sein, von Anfang an einen Anwalt einzuschalten. Ob 1.707 Euro Schaden den Weg zum Gericht inklusive der Anwalstkosten lohnen, muss jeder für sich entscheiden. Im Fall des Zahnarztes dürfte dieser am Ende deutlich mehr gezahlt haben als nur die Reparatur seines Behandlungsstuhls.