· Fachbeitrag · QM-Refresher (Teil 10)
Für maximale Patienten- und Mitarbeitersicherheit ‒ Risiken erfolgreich managen
von Jutta Oischinger, QM für Zahnarztpraxen, Dachau, qm-oischinger.de
| Standen im letzten Beitrag die Themen „Beschwerde- und Fehlermanagement“ im Fokus, widmen wir uns hier den wichtigen Stellschrauben „Risikomanagement“ im Allgemeinen und dem „Hygienemanagement“ und „Notfallmanagement“ im Besonderen. Auch hier ist es das Ziel, Mängel oder Defizite im Vorfeld zu identifizieren, um maximale Qualität zu sichern. |
Risikomanagement ‒ warum eigentlich?
Laut G-BA dient Risikomanagement „dem Umgang mit potenziellen Risiken, der Vermeidung und Verhütung von Fehlern und unerwünschten Ereignissen und somit der Entwicklung einer Sicherheitskultur. Dabei werden ‒ unter Berücksichtigung der Patienten- und Mitarbeiterperspektive ‒ alle Risiken in der Versorgung identifiziert und analysiert sowie Informationen aus anderen QM-Instrumenten, insbesondere die Meldungen aus Fehlersystemen, genutzt. Eine individuelle Risikostrategie umfasst das systematische Erkennen, Bewerten, Bewältigen und Überwachen von Risiken sowie die Ableitung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Ein relevanter Teil der Risikostrategie ist eine strukturierte Risikokommunikation.“
Dieser Satz kann einen erschlagen, dabei ist es ganz einfach! Die Frage lautet: Warum beschäftigen wir uns mit Praxisrisiken?
- Zum Schutz des Personals und der Patienten.
- Zur Identifikation von Showstoppern und zur Einleitung von präventiven Maßnahmen.
- Um bestmöglich vorbereitet sein.
- Zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben.
- Zur Sensibilisierung des Teams für Risiken und deren Konsequenzen.
Gehen Sie nun pragmatisch vor: Machen Sie sich bewusst, welche (gesetzlichen) Anforderungen an Ihre Praxis gestellt werden. Dann identifizieren Sie medizinische, technische, organisatorische und finanzielle Risiken und bewerten deren individuelles Risiko.
- Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit und wie hoch schätzen Sie das Schadensausmaß für das jeweilige Risiko ein? Darauf basierend können Sie ermessen, ob es sich um ein niedriges, mittleres oder (sehr) hohes Risiko handelt.
- Eruieren Sie die Ursachen, die dem jeweiligen Risiko zugrunde liegen und ergreifen Sie dann die nötigen Maßnahmen zur Risikominimierung oder -beseitigung.
- Anschließend prüfen Sie die Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen. Risiken können sich ändern, deshalb sollten Sie hier regelmäßig überprüfen und dokumentieren.
Hygiene- und Notfallmanagement
Zwei Bereiche in der Praxis bergen ein hohes Risikopotenzial und werden explizit von der QM-Richtlinie des G-BA gefordert: das Hygiene- und Notfallmanagement. Aufgrund der Komplexität kann hier nicht im Detail darauf eingegangen werden, ich möchte zumindest die wichtigsten Punkte darlegen.
Hygienemanagement
Laut G-BA umfasst Hygienemanagement „den sachgerechten Umgang mit allen Hygiene-assoziierten Strukturen und Prozessen einer Einrichtung und dient der Verhütung und Vorbeugung von Infektionen und Krankheiten. Dazu gehören z. B. auch der sachgerechte Einsatz antimikrobieller Substanzen sowie Maßnahmen gegen die Verbreitung multiresistenter Erreger.“
Sorgen Sie für eine optimale Hygienekette in Ihrer Praxis. Richtig aufgestellt, können Sie offensichtliche Risiken minimieren und enorm Zeit und Ressourcen einsparen. Vielmehr als um eine vollständige Auflistung der Maßnahmen geht es mir hier um die Sensibilisierung. Anstatt zu basteln und zu hoffen, empfehle ich, dieses überaus relevante Alltagsthema professionell in Angriff zu nehmen.
Ein korrektes Hygienemanagement beinhaltet u. a. die Risikobewertung und Einstufung Ihrer Instrumente, einen Hygiene- und Reinigungsplan, die korrekte Aufbereitung der Medizinprodukte, notwendige Routineprüfungen, die korrekte Dokumentation & Freigabe, Validierungen sowie die Berücksichtigung der Vorgaben der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV). Bedenken Sie die regelmäßige Schulung Ihres Personals ‒ auch der Reinigungsfachkraft. Ein korrekter Reinigungsplan für Ihre Reinigungsfachkraft ist unabdingbar für eine durchgehende Hygienekette. Bedenken Sie auch die Organisation einer vorschriftsgemäßen Wäscheaufbereitung. Diese beginnt bei einem VAH-gelisteten Waschmittel, falls die Wäsche in Ihrer Praxis bleibt und endet bei der Beauftragung einer zertifizierten Wäscherei mit entsprechenden Verträgen und der organisierten Wäscheübergabe. Sie haften als Betreiber und sind verpflichtet, für alle notwendigen organisatorischen oder technischen Voraussetzungen wie Filter, Adapter etc. zu sorgen. Widmen Sie sich diesem Thema professionell. Eine effiziente Organisation vermittelt Sicherheit und zahlt sich aufgrund des täglich hohen Zeitaufwands für die Aufbereitung vielfach aus.
Notfallmanagement
Ein weiteres Risiko, das präventiv durchdacht und organisiert werden möchte, ist das Notfallmanagement. Dieses umfasst medizinische Risiken, aber auch Brandschutz, Wasserschäden, Einbruch oder IT-Sicherheitsvorfälle. Es gilt, im Falle eines Notfalls so organisiert und aufgestellt zu sein, dass jeder weiß, was konkret zu tun ist.
Der G-BA fordert, „eine dem Patienten- und Leistungsspektrum entsprechende Notfallausstattung und Notfallkompetenz, die durch regelmäßiges Notfalltraining aktualisiert wird. Die Mitarbeiter sind im Erkennen von Notfallsituationen geschult.“
Um vorbereitet und handlungsfähig sein gilt es, Abläufe und Zuständigkeiten zu definieren und das notwendige Notfallequipment funktionstüchtig parat zu haben. Ein Einstieg in die Materie kann z. B. wie folgt aussehen:
- Ermitteln Sie zunächst den Status quo, sowohl für medizinische Notfälle als auch für den Brandschutz oder andere Notfälle, z. B. IT-Notfälle oder Stromausfall bzw. Wasserschaden. Halten Sie die Kontaktdaten für den Notfall offline parat, sodass Sie stets darauf zugreifen können.
- Prüfen Sie, welche Anforderungen Sie bereits erfüllen:
- Vollständigkeit und Aktualität der Notfallausstattung (Materialien & Geräte komplett, haltbar und funktionstüchtig?). Hier lohnt unbedingt die Erstellung einer Checkliste!
- Sind genügend Erst-/Brandschutzhelfer vorhanden?
- Wie steht es um die Mitarbeiterunterweisungen? Sind diese regelmäßig und zielführend?
- Ist der Umgang mit dem Verbandbuch bekannt? Bedenken Sie, dass die Einträge für Rehamaßnahmen oder spätere Rentenansprüche bei Berufsunfähigkeit relevant sein können.
- Haben Sie einen Alarmplan bzw. die Rettungskette beschrieben und sind alle Mitarbeiter über ihre Rolle im Notfall informiert?
- Sind alle notwendigen Kontaktdaten jederzeit griffbereit? Elektriker, Stadtwerke, Giftnotruf, D-Arzt, BG-Klinik etc.
- Ist das Vorgehen bei Nadelstichverletzungen, Betriebs- oder Wegeunfällen bekannt?
- Im Folgeschritt leiten Sie entsprechende Maßnahmen ein und schulen Sie Ihr Personal regelmäßig. Es ist essenziell, die Rettungskette Schritt für Schritt zu definieren und die Zuständigkeiten festzulegen. Der Alarmplan ist an die individuellen Gegebenheiten anzupassen. Üben Sie praktisch die Evakuierung. Die Wahrscheinlichkeit, dass es brennt, ist gar nicht so gering. 32 Prozent aller Brände sind auf mangelhafte Elektrizität zurückzuführen. Hier können Sie vorbeugen, indem Sie regelmäßig Ihre E-Checks (DGUV 3 Prüfungen) von einem Elektriker durchführen lassen. Diese sind gefordert und auch im Versicherungsfall relevant.
- So legt das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in § 81 fest, dass der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
- Behalten Sie deshalb Ihre Termine im Blick. Wer hier strukturiert und durchdacht vorgeht, kann Leben retten und durch die effiziente Organisation von Wartungen bares Geld sparen.
Weiterführender Hinweis
- Lesen Sie zum Thema auch den Beitrag „Risikomanagement umsetzen: kein Grund zur Sorge!“ unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 46291968 (PPZ 01/2020, Seite 2)