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  • 01.04.2006 | Spekulationssteuer

    Verfahrensflut gegen die Besteuerung von Kapitalanlagen: So profitieren Anleger

    Die Besteuerung von Kapitalanlagen wird zunehmend komplizierter, und immer mehr Streitpunkte landen vor den Finanzgerichten (FG). Anleger können von diesen Verfahren profitieren, wenn sie ihre Fälle mittels Einspruch offen halten, bis der Bundesfinanzhof (BFH) oder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Urteil gefällt haben. Bei positivem Ausgang profitieren sie dann vom Erfolg anderer. Was fehlt ist häufig ein Überblick über die mittlerweile zahlreichen bei den verschiedensten Gerichten bis hin zum BVerfG anhängigen Verfahren. Wir listen daher die für Anleger wichtigsten anhängigen Verfahren auf, zeigen Ihnen, um welche Streitpunkte es hierbei geht, und geben Tipps für die Praxis. Mit den in der Übersicht angegebenen Abrufnummern stehen Ihnen die jeweiligen Urteile im Onlineservice für Zahnärzte unter www.iww-onlineservice.de zur Verfügung.  

     

    Übersicht der anhängigen Rechtsfragen

    Der strittige Sachverhalt  

    Die aktuelle Verfahrenslage  

    Spekulationsgewinne seit dem Jahr 1999  

    Steuern auf Spekulationsgewinne dürfen für 1997/98 wegen struktureller Erhebungsdefizite nicht mehr erhoben werden (BVerfG, Urteil vom 9. März 2004, Az: 2 BvL 17/02.  

     

    Seit dem Jahr 1999 hat die Finanzverwaltung durch den Kontenabruf aber bessere Kontrollmöglichkeiten, so dass laut BFH kein Defizit mehr vorliegt (Az: IX R 49/04).  

    Steuerbescheide ergehen in Bezug auf Spekulationsgewinne ab 1999 nur vorläufig. Da gegen das Urteil des BFH Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde (Az: 2 BvR 294/06), ändert sich an diesem Zustand vorerst nichts. Sofern Anleger erfolgreich Aussetzung der Vollziehung beantragt und daher noch keine Steuer entrichtet haben, sollte dies mit Blick auf anfallende Zinsen für zu spät entrichtete Steuern eventuell rückgängig gemacht werden. Der Fall an sich sollte aber weiter offen gehalten werden.  

    Spekulationsgewinne für die Jahre 1996 und früher  

    Es ist noch nicht geklärt, wie in offenen Steuerfällen vor dem Jahr 1997 zu verfahren ist. Hier bestand eindeutig ein Erhebungsdefizit. Es muss noch endgültig entschieden werden, ob dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zu gewähren war. Zumindest vor 1993 ist dies wahrscheinlich, weil hier die Brisanz noch nicht erkannt wurde.  

    Tipp: Anleger müssen noch nicht bestandskräftige Bescheide für die Jahre 1996 und früher selbst offen halten. Anhängig sind Verfahren beim BVerfG (Az: 2 BvR 359/05, 2 BvL 8/05, 2 BvL 12/05) und beim BFH (Az: IX B 80/05). 1996 und wohl auch 1995 sind in der Tendenz wie die Jahre 1997/98 zu beurteilen. Die Erhebungen könnten also verfassungswidrig sein.  

    Spekulationsverluste für die Jahre 1997/98  

    Verluste aus den Jahren 1997/98 sind laut BFH (Urteil vom 14. Juni 2004, Az: IX R 13/01, Abruf-Nr. 042362) nicht mehr verrechenbar, weil das BVerfG für diesen Zeitraum Verfassungswidrigkeit festgestellt hat (siehe oben).  

    Hierzu liegt dem BVerfG noch eine Beschwerde (Az: 2 BvR 1935/04) vor. Die Frage ist somit noch nicht endgültig entschieden.  

    Spekulationsverluste seit dem Jahr 1999 

    Seit 1999 können Spekulationsverluste nach dem Gesetz zwar mit gleichen Gewinnen, aber nicht mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden.  

    Die FG sehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den begrenzten Verlustansatz. Dem BFH liegen zu der Frage aber noch fünf Revisionen vor (Az: IX R 45/04, IX R 31/04, IX R 28/05, IX R 42/05, IX R 43/05).  

    Garantiezertifikate  

    Sagt der Emittent auch nur eine teilweise Rückzahlung zu, liegen Finanzinnovationen und somit Kapitaleinnahmen vor. Ist diese Garantie aber nur geringfügig, soll das nach Auffassung des FG München nicht gelten.  

    Diese für Anleger günstige Auffassung muss nun vom BFH (Az: VIII R 53/05) bestätigt werden. Sparer plädieren daher bei Verkäufen außerhalb der Spekulationsfrist auf Steuerfreiheit.  

    Sonstige Einkünfte aus Stillhaltergeschäften  

    Erhaltene Optionsprämien sind Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG. Die Erfassung dieser Einnahmen könnte ähnlich den Spekulationsgewinnen nach § 23 EStG verfassungswidrig sein.  

    Hier muss das BVerfG (Az: BvL 8/05) noch urteilen.  

     

    Tipp: Bescheide ergehen bislang nicht vorläufig. Anleger müssen somit für alle offenen Jahre Einspruch einlegen.  

    Zulässigkeit einer gesetzlichen Rückwirkung bei GmbH-Anteilen  

    Die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze Ende 1998 und 2001 ist laut BFH nicht verfassungswidrig (Urteile vom 1. März 2005, Az: VIII R 92/03, Abruf-Nr. 051157; Az: VIII R 25/02, Abruf-Nr. 051156).  

     

    Die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze führte dazu, dass auch eingetretene Wertsteigerungen steuerlich belastet werden, die nach bis dahin geltendem Recht nicht als wesentlich galten.  

    Gegen beide Urteile ist Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az: 2 BvR 753/05, 2 BvR 748/05).  

     

    Tipp: GmbH-Gesellschafter und Aktionäre, die ihre Anteile ab 1999 veräußert haben und hierbei jeweils unter den vorherigen gesetzlichen Beteiligungsgrenzen von 25 oder 10 Prozent lagen, sollten ihre Bescheide weiter offen halten.  

    Ansatz von Verlusten bei einer wesentlichen Beteiligung  

    Verluste aus einer GmbH-Beteiligung können steuerlich nur berücksichtigt werden, sofern der Besitzer fünf Jahre lang wesentlich beteiligt war. Schuldzinsen sind nur dann als Werbungskosten absetzbar, wenn die Einkunftsquelle auch weiter noch besteht.  

    Der BFH muss klären, ob  

    • Verluste zu berücksichtigen sind, wenn der Besitzer zwar fünf Jahre, aber nur kürzer wesentlich beteiligt war (Az: VIII R 20/04) und
    • die Finanzierungskosten absetzbar sind, wenn die GmbH in eine andere eingebracht (Az: VIII R 28/04) oder verkauft wird (Az: VIII R 38/04).

    Spekulationsverluste nach Bestandskraft geltend machen  

    Wird der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig, können Anleger dennoch erstmals Veräußerungsverluste geltend machen. Denn in diesem Fall fehlt es an der Rechtsbehelfsbelehrung, so dass die Einspruchsfrist ein Jahr beträgt. Dies ist die Auffassung des FG Münster.  

    Dem BFH liegen zu diesem Sachverhalt zwei Revisionen vor (Az: IX R 50/05, IX R 21/04). Anleger sollten ihr Wertpapierminus noch geltend machen, wenn der Bescheid noch kein Jahr alt ist.  

    Ist die Besteuerung von Kapitaleinnahmen verfassungswidrig?  

    Das BVerfG hatte 1991 Erhebungsdefizite bei der Erfassung von Kapitaleinnahmen beanstandet und dem Gesetzgeber eine gleichmäßige Belastung aller Bürger auferlegt. Sollte der Gesetzgeber nicht nachbessern, wäre die gesamte Rechtsnorm nichtig und die Steuer dürfte nicht mehr erhoben werden.  

     

    Zwar wurde dann im Jahr 1993 der Zinsabschlag eingeführt, doch führte dies zu massiven Geldbewegungen über die Grenze. Zudem erklären Anleger, deren Progression über den 30 Prozent des Zinsabschlags liegt, nicht immer ihre Einnahmen. Zusätzlich könnte § 20 EStG mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar sein, weil steuerunehrliche Sparer im Rahmen der Amnestie deutlich weniger Abgaben leisten mussten als redliche.  

    Dem BVerfG liegen zu diesem Thema drei Verfahren (Az: 2 BVR 620/03, 2 BvL 14/05 und 2 BvR 2077/05) vor. So lange die Finanzverwaltung diesen Sachverhalt nicht vorläufig festsetzt, ist gegen alle noch offenen Steuerbescheide Einspruch einzulegen, sofern die Einnahmen über dem Sparerfreibetrag liegen.  

     

    Das BVerfG könnte in dieser Frage zu einer ähnlichen Entscheidung wie bei den Spekulationsgewinnen kommen. Zwar wurden in der Zwischenzeit vom Gesetzgeber einige Maßnahmen ergriffen. Aber die Kontrollmöglichkeiten des Finanzamts bei inländischen Banken waren ab 1993 durch die Beschränkungen in § 30a der Abgabenordnung weiterhin eingeschränkt. Der BFH hält die Kontrollmaßnahmen allerdings für ausreichend (Az: VIII R 90/04).  

    Folgen bei nacherklärten Schwarzgeldern aus einer Stiftung  

    Bei der Steueramnestie mussten lediglich die bisher verschwiegenen Einnahmen aus einer Auslandsstiftung nachgemeldet werden. Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14. März 2005, Az: 4 K 1590/03, Abruf-Nr. 051115) sieht im Einbringen der Gelder einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang.  

    Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens beim BFH (Az: II R 21/05) besteht kein Grund zur Beunruhigung. Ehemaligen Steuersündern gewährt die Finanzverwaltung Vertrauensschutz, so dass sich keine negativen Folgen ergeben werden (OFD Karlsruhe, Verfügung vom 1. August 2005, Az: S 1928 A – St 333, Abruf-Nr. 052642).  

    Kursverluste bei Finanzinnovationen durch Not leidende Schuldner  

    Werden als Finanzinnovationen eingestufte Anleihen Not leidend, weil der Schuldner die Tilgung aussetzt oder insolvent wird, akzeptiert die Finanzverwaltung keine Kursverluste mehr als negative Kapitaleinnahmen (Stichwort: Vermögensebene).  

    Nach dem Gesetzeswortlaut müsste ein Minus auch nach dem Eintritt negativer Ereignisse als negative Kapitaleinnahme gelten. Das letzte Wort hat der BFH in zwei Revisionen (Az: VIII R 48/04 und VIII R 62/04).  

    Müssen Kursgewinne bei Finanzinnovationen als Kapitaleinnahmen versteuert werden?  

    Bei Finanzinnovationen entstehen Kursgewinne bei Rating-Anleihen, deren Zinskupon ansteigt, wenn die Bonität des Emittenten schlechter eingestuft wird. Ähnliches geschieht bei Floatern, wenn der Referenzzins steigt. Dies könnte einen verfassungsrechtlich bedenklichen Systembruch darstellen, weil auch Wertänderungen ohne den Charakter eines Nutzungsentgelts als Kapitalertrag erfasst werden. Dies führt im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen zu einer Ungleichbehandlung.  

    Tipp: Die Auswirkung können Anleger zwar grundsätzlich durch den Ansatz der Emissionsrendite umgehen, aber nur bei Produkten wie Zerobonds, bei denen eine solche Messzahl berechnet werden kann. Ansonsten sollten Anleger auf die Revisionen beim BFH zu den Down-Rating-Anleihen (Az: VIII R 6/05) und Reverse-Floatern (Az: VIII R 97/02) verweisen.  

     

    Wichtig: Der BFH hatte bereits in früheren Urteilen Bedenken geäußert, was dann zu einer Gesetzesänderung führte.  

    Wie ist der Spin Off bei Aktien steuerlich zu behandeln?  

    Der „Spin-Off“, durch den die Anteilseigner der Muttergesellschaft die Aktien der Tochtergesellschaft unentgeltlich erhalten, ist bei inländischen Firmen kein steuerpflichtiger Vorgang. Bei ausländischen Firmen liegen aber nach gängiger Verwaltungspraxis Kapitaleinnahmen in Höhe des Börsenkurses vor (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Juni 2004, Az: 2 K 2223/02, Abruf-Nr. 052083). In jedem Fall gilt für alle erhaltenen Aktien eine neue Spekulationsfrist. Der Verkauf innerhalb der nächsten zwölf Monate ist steuerpflichtig, selbst wenn die Aktien der Muttergesellschaft bereits seit Jahren im Depot liegen.  

    Ob diese Verwaltungspraxis zutreffend ist, muss der BFH noch entscheiden (Az: I R 24/05):  

     

    • Es könnte gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, wenn Spin-Offs nur bei Auslandsfirmen als Kapitaleinnahmen gelten.
    • Die neuen Aktien könnten Aktionären auch wie bei einer verdeckten Gewinnausschüttung zufließen. Dann wäre der Kaufzeitpunkt der Altaktien weiter für alle Werte entscheidend.

    Dürfen ausländische Investmentfonds mit einer Pauschalsteuer bestraft werden?  

    Erfüllen Investmentfonds ihre Veröffentlichungspflichten nicht, erfolgt eine pauschale und zumeist deutlich überhöhte Besteuerung der Erträge. Dies galt bis Ende 2003 für schwarze oder graue Auslandsfonds. Mit dieser gesetzlichen Regelung wurden Auslandsfonds eindeutig schlechter behandelt als inländische. Ab 2004 herrscht zwar Chancengleichheit. Allerdings müssen ausländische Gesellschaften immer noch extra für den deutschen Fiskus einen Zwischengewinn ermitteln, um der Pauschalsteuer zu entgehen (FG Berlin, Urteil vom 8. Februar 2005, Az: 7 K 7396/02, Abruf-Nr. 051398).  

    Die Regel könnte EU-rechtswidrig sein, weil sie Auslandsfonds benachteiligt und damit gegen das Gebot des freien Kapitalverkehrs verstößt. Ob der Gesetzgeber dies darf oder ob diese Diskriminierung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, hat der BFH zu entscheiden (Az: VIII R 20/05). Immerhin hatte die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zu einer Gleichbehandlung aufgefordert, dem Deutschland 2004 dann gefolgt ist.  

     

    Bescheide sind auch hinsichtlich Fonds offen zu halten, die aus Drittländern stammen.  

    Anrechenbare Körperschaftsteuer bei Auslandsdividenden  

    Erhielt ein deutscher Anleger bis ins Jahr 2001 hinein Auslandsdividenden, fiel der Netto-Ertrag stets schlechter aus als bei Inlandsdividenden. Dies lag am bis dahin geltenden Anrechnungsverfahren. § 36 EStG erlaubte, die auf ausgeschüttete Gewinne entfallende Körperschaftsteuer auf die eigene Steuerschuld anzurechnen, sofern die AG ihren Sitz im Inland hatte. Bei Auslandsfirmen versagte das Gesetz die Anrechnung.  

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft, ob die Benachteiligung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (Az: C-292/04). In einem ähnlichen Fall wurde dies bereits für Finnland bejaht.  

     

    Tipp: Aktionäre sollten ihre Steuerbescheide bis 2001 offen halten. Seit 2002 gilt das Halbeinkünfteverfahren, das die Ungleichbehandlung beseitigt. Die nachträgliche Anrechnung könnte aber nur zeitlich begrenzt gelten. Das ergibt sich aus dem Schlussantrag beim EuGH.  

    Erstattungszinsen  

    Zu den Kapitaleinkünften gehören auch Zinsen auf Steuererstattungen. Nachzahlungszinsen hingegen dürfen schon seit Jahren nicht mehr als Sonderausgaben abgesetzt werden.  

    Hier prüft der BFH (Az: VIII R 105/03), ob mangels Einkunftserzielungsabsicht überhaupt Steuerpflicht besteht. Steuerzahler sollten ihre Zinsen vom Fiskus zwar angeben, Bescheide aber offen halten.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2006 | Seite 15 | ID 95245