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  • Behandlungspflicht

    Die zahnärztliche Behandlungspflicht und ihre Ausnahmen

    von Rechtsanwältin Catharina von Ziegner, Sozietät Dr. Rehborn, Dortmund/Leipzig/Potsdam/Köln

    Muss ein Zahnarzt die Therapie durchführen, die sich der Patient von ihm wünscht? Muss er jeden Patienten behandeln oder kann er die Behandlung bei Vorliegen bestimmter Gründe ablehnen? Diese und weitere Fragen sollen im folgenden Beitrag beantwortet werden.

    Der Grundsatz der Behandlungsfreiheit

    Nach § 1 Abs. 1 der Musterberufsordnung der Zahnärzte (MBO-ZÄ) sowie den entsprechenden Vorschriften der Länderberufsordnungen ist der Zahnarzt – ebenso wie der Arzt – in der Ausübung seines Berufes frei. Dieser Grundsatz der Behandlungsfreiheit betrifft einerseits die Therapiefreiheit und andererseits die Freiheit, nicht jeden Patienten behandeln zu müssen.

    1. Die Freiheit der Wahl der Behandlungsmethode und Therapie

    Der Grundsatz der Behandlungsfreiheit billigt dem Zahnarzt das Recht zu, die Behandlungsmethode und Therapie zu wählen, die ihm im konkreten Fall am besten geeignet erscheint. Der Zahnarzt ist daher nicht verpflichtet, die Therapie durchzuführen, die sich der Patient von ihm wünscht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die vom Patienten gewünschte Therapie medizinisch vertretbar oder gar indiziert ist – vorausgesetzt natürlich, dass die vom Zahnarzt favorisierte Therapie nicht minder indiziert und erfolgversprechend ist. Eben so wenig kann dem Zahnarzt ein Behandlungsfehler unterstellt werden, wenn die von ihm nach gewissenhafter Abwägung gewählte Therapiemethode nicht zum gewünschten Heilerfolg geführt hat. Dies gilt allerdings nicht, wenn er statt einer von mehreren gleichwertigen und anerkannten Methoden eine vergleichsweise unsichere Therapie oder gar eine so genannte „Außenseitermethode“ gewählt hat.

    2. Die Freiheit, nicht jeden Patienten behandeln zu müssen

    Der Grundsatz der Behandlungsfreiheit betrifft auch die Person des Patienten. Der (zahn-)ärztliche Behandlungsvertrag ist inzwischen einheitlich in der Rechtsprechung als ein „Dienstvertrag höherer Art“ qualifiziert worden, da zu Recht erkannt worden ist, dass die Grundlage eines Behandlungsvertrages das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien – das heißt dem Zahnarzt und dem Patienten - ist.

    Ist der Zahnarzt der Auffassung, dass dieses notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht, so ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, den Patienten zu behandeln. Ausgenommen hiervon ist die Verpflichtung des Zahnarztes, in Notfällen zu helfen (diese Verpflichtung soll nachstehend nicht weiter vertieft werden). Entsprechend wurde auch von einer Ärztekammer die Weigerung eines Arztes, den Vorsitzenden eines Kreisverbandes der NPD über die Behandlung akuter Erkrankungen hinaus ärztlich zu behandeln, als „vollkommen korrekt“ beurteilt, da der Arzt vortrug, angesichts seiner ausländischen Frau, seiner ausländischen Sprechstundenhilfe und seiner ausländischen Patienten könne das erforderliche Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden.

    Die allgemeine Berufspflicht zur Übernahme erbetener Behandlungen kann der Behandlungsfreiheit entgegenstehen

    Im Gegensatz zu der privatrechtlichen Vertragsautonomie des Zahnarztes steht allerdings die allgemeine Berufspflicht zur Übernahme erbetener Behandlungen. Diese Pflicht überwiegt gegenüber der grundsätzlich bestehenden Freiheit des Zahnarztes, einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten seiner Wahl abzuschließen, in den Fällen, in denen der Patient im Fall einer Ablehnung zahnärztlicher Behandlung ohne Hilfe bleiben würde.

    Weiterhin würde es dieser Berufspflicht widersprechen, wenn der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten willkürlich ablehnt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er es ablehnt, ganze Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel Homosexuelle, HIV-Infizierte, Sektenangehörige etc. – zu behandeln. Das fehlende Vertrauensverhältnis, das – wie dargelegt – für die Ablehnung einer Behandlung erforderlich ist, kann stets nur einen einzelnen Patienten, nicht aber ganze Gruppen betreffen.

    Die Behandlung von Kassenpatienten kann nur sehr eingeschränkt abgelehnt werden

    Weiteren Einschränkungen unterliegt der Vertragszahnarzt hinsichtlich der Behandlung von Kassenpatienten. Auf Grund der aus § 95 Abs. 3 S.1 SGB V resultierenden Versorgungsverpflichtung hat der Vertragszahnarzt kraft Zulassung alle Kassenpatienten im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften zu behandeln, um so den Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Allerdings bedeutet diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung keineswegs einen Kontrahierungszwang; vielmehr verbietet sie dem Vertragszahnarzt in Ergänzung zu der allgemeinen Berufspflicht zur Übernahme von Behandlungen, gesetzlich versicherte Patienten willkürlich von der Behandlung auszuschließen. Es muss daher auch bei Vertragszahnärzten ein triftiger Grund für die Ablehnung der Behandlung eines Kassenpatienten vorliegen, das heißt die Behandlung muss für den Zahnarzt unzumutbar sein.

    Wichtigster Ablehnungsgrund ist erneut das fehlende Vertrauensverhältnis – beispielsweise dann, wenn der Patient bereits bei vorangegangenen Behandlungen die zahnärztlichen Anordnungen nicht befolgt hat. Beispiele für einen begründeten Vertrauensverlust sind weiterhin die Vernachlässigung der Mundhygiene trotz intensiver Aufklärung (insbesondere dann, wenn langfristig die Versorgung mit Zahnersatz geplant ist) oder wenn sich der Patient querulatorisch verhält, zum Beispiel durch üble Nachrede über den Zahnarzt.

    Weitere triftige Gründe für die Ablehnung der Behandlung eines gesetzlich versicherten Patienten liegen vor, wenn der Patient zahnärztlich nicht indizierte und damit unwirtschaftliche Behandlungsmaßnahmen – so beispielsweise nicht indizierte Extraktionen – oder Wunschrezepte verlangt oder der Zahnarzt nachweisbar zeitlich überlastet ist. Kein Ablehnungsgrund ist die Nichtvorlage der Krankenversichertenkarte. In solchen Fällen kann der Zahnarzt aber die Privatvergütung verlangen, die dann zurückzuzahlen ist, wenn der Patient innerhalb von zehn Tagen nach der ersten Inanspruchnahme des Zahnarztes die Versichertenkarte nachreicht.

    Quelle: Zahnärzte-Wirtschaftsdienst - Ausgabe 07/2001, Seite 13

    Quelle: Ausgabe 07 / 2001 | Seite 13 | ID 108846