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  • · Arbeitsrecht

    Probearbeit: Diese Punkte muss der Praxisinhaber beachten

    Bild: ©denisismagilov - stock.adobe.com

    von RA, FA MedR Dr. Christian Freund, München, zahnarztanwalt-bayern.de

    | In vielen Zahnarztpraxen, zahntechnischen Laboratorien und anderen Betrieben wird mit potenziellen Mitarbeitern nach einem ersten Vorstellungsgespräch ein sogenanntes Probearbeiten vereinbart. Dieses Probearbeiten soll regelmäßig dem Bewerber und dem zukünftigen Arbeitgeber die Gelegenheit geben, sich näher kennenzulernen und dem Anzustellenden die Möglichkeit geben, sich über Praxis, Abläufe und Tätigkeiten, Vorgesetzte und Kollegen etc. im täglichen Geschehen einen Überblick zu verschaffen. Erst dann wird über eine Anstellung entschieden. |

    Probearbeiten ist etwas anderes als Probezeit!

    „Schnuppertage“ ohne Arbeitsverhältnis, also ein reines Probearbeiten sind von einem Anstellungsverhältnis mit einer Probezeit zu unterscheiden:

     

    • Die Rechtsprechung lässt grundsätzlich ein Probearbeiten unter dem juristischen Fachterminus eines „Einfühlungsverhältnisses“ zu (Einfühlungsverhältnis als unbezahlte Kennenlernphase: Landesarbeitsgericht [LAG] Bremen, Urteil vom 25.07.2002, Az. 3 Sa 83/02, dejure.org).
    • Bei einem Einfühlungsverhältnis übernimmt der potenzielle Arbeitnehmer keine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten und es besteht kein Direktionsrecht des Arbeitgebers, sondern nur dessen allgemeines Hausrecht.

     

    Außerdem muss ein Einfühlungsverhältnis zeitlich auf nur einige wenige Tage beschränkt sein, die Obergrenze wird bei längstens einer Woche angenommen. Jedenfalls sollte der potenzielle Arbeitgeber nach einem Vorstellungsgespräch klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, nur einen Einfühlungsvertrag schließen zu wollen.

     

    PRAXISTIPP | Im Zweifel trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Arbeitsverhältnis, sondern nur ein „Einfühlungsvertrag“ geschlossen werden sollte. Dies gilt in besonderem Maß, wenn bei einem Vorstellungsgespräch schon über konkrete Tätigkeiten, Arbeitszeiten, Vergütung etc. gesprochen worden ist (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2007, Az. 13 Sa 129/05, dejure.org). Formulieren Sie deshalb ein „Einfühlungsschreiben“ und versenden oder händigen Sie dieses vor Beginn des l„Einfühlungsverhältnisses“ aus (siehe Musterschreiben).

     

    Grundsätzlich wird keine Vergütung geschuldet

    Bei einem Einfühlungsverhältnis besteht grundsätzlich keine Vergütungspflicht, da der potenzielle Mitarbeiter gerade keine Arbeitsverpflichtung übernimmt. Es gilt also grundsätzlich auch nicht das Mindestlohngesetz.

     

    Etwas anderes kann nach der juristischen Literatur aber dann gelten, wenn der Bewerber während der Schnupperzeit eine wirtschaftlich erhebliche Leistung erbringt. Fehlt in diesem besonderen Fall eine wirksame Vergütungsvereinbarung, richtet sich die Vergütung nach der sonst für die geleistete Arbeit üblichen Vergütung (§ 612 Bürgerliches Gesetzbuch) und der gesetzliche Mindestlohn ist zu beachten. Praxisinhaber sollten also überlegen, ob und ggf. in welchem Umfang dem Bewerber während der „Schnuppertage“ wirtschaftlich erhebliche Leistungen übertragen werden, die er eigenständig erledigen soll. Ansonsten ist davon eher abzuraten, um keine Vergütungsverpflichtungen zu begründen.

    Aktueller Fall: Unfallversicherungsschutz fürs Probearbeiten

    Bislang war umstritten, ob ein Arbeitsuchender, der einen Probearbeitstag verrichtet, gesetzlich unfallversichert ist. Dazu liegt nun eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vor (Urteil vom 20.08.2019, Az. B 2 U 1/18 R, dejure.org). Danach ist ein Arbeitsuchender, der in einem Unternehmen einen Probearbeitstag verrichtet und sich dabei verletzt, gesetzlich unfallversichert.

     

    Der Bewerber in dem vorliegenden Fall stand zwar nicht als Beschäftigter unter Versicherungsschutz, als er sich an dem Probearbeitstag bei einem Entsorgungsunternehmen verletzte. Es lag kein Beschäftigungsverhältnis vor, weil er noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert war. Da er aber eine dem Unternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht hatte, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich ist, war der Bewerber als „Wie-Beschäftigter“ gesetzlich unfallversichert. Insbesondere lag die Tätigkeit nicht nur in seinem eigenen Interesse, eine dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Der Probearbeitstag sollte gerade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen und hatte damit auch für diesen einen objektiven wirtschaftlichen Wert.

     

    Musterschreiben / Einfühlungsverhältnis

    Sehr geehrte(r) Frau/Herr ...,

     

    es freut uns, dass Sie sich für ein Probearbeiten (sogenanntes Einfühlungsverhältnis) in unserer Zahnarztpraxis entschieden haben. Der guten Ordnung halber weisen wir auf Folgendes hin:

     

    Das Probearbeiten soll im Zeitraum von drei Arbeitstagen während unserer Praxiszeiten stattfinden, und zwar vom ... bis zum ... Durch das Einfühlungsverhältnis mit Ihnen wird kein Anstellungsvertrag begründet; über eine Anstellung wird erst nach dem Probearbeiten entschieden. Für Ihre Tätigkeiten im Rahmen des Probearbeitens erhalten Sie keine Vergütung; dies schließt auch eventuelle Fahrtkosten etc. ein. Für etwaige Fragen stehe ich gern zur Verfügung.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Praxisinhaber

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 3 | ID 46127877