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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Landesarbeitsgericht Köln: Wann sind Entwicklungshelfer abhängig Beschäftigte?

    | Viele Organisationen der Entwicklungshilfe beschäftigen ausländische Helfer. Für sie ist eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln von hohem Interesse. Das LAG hat sich darin u. a. mit der Frage befasst, ob solche Entwicklungshelfer Arbeitnehmer der Organisation sind. |

    Um diesen Fall ging es beim LAG Köln

    Im konkreten Fall ging es um einen gemeinnützigen deutschen Verein, dessen Zweck u. a. darin bestand, die medizinische Infrastruktur und Versorgungsmöglichkeiten in Entwicklungsländern wieder aufzubauen. Der Helfer war dabei für den Verein in verschiedenen Ländern tätig. Er erhielt eine feste monatliche Vergütung und war über den Verein unfallversichert. Als für den Helfer „keine Arbeit mehr da war“, hatte der Verein die Zahlungen eingestellt. Der Helfer klagte daraufhin auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses und ausstehende Vergütungen.

    Die Entscheidung des LAG

    Das LAG gab ihm Recht (LAG Köln, Beschluss vom 29.12.2021, Az. 9 Ta 174/21, Abruf-Nr. 226884).

     

    Deutsches Gericht war zuständig

    Zunächst stellte das LAG fest, dass für die Klage deutsche Gerichte zuständig sind, auch wenn die Tätigkeit ausschließlich im Ausland erfolgt war und der Entwicklungshelfer kein deutscher Staatsbürger ist. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ‒ so das LAG ‒ folgt, soweit sie nicht staatsvertraglich anders geregelt ist, grundsätzlich der örtlichen Zuständigkeit. Da der Verein seinen Sitz in Köln hat, ergibt sich die örtliche und damit auch die internationale Zuständigkeit des ArbG Köln mangels anderweitiger staatsvertraglicher Regelung aus § 17 Abs. 1 ZPO und § 46 Abs. 2 ArbGG.

     

    Verein war kein anerkannter Träger der Entwicklungshilfe

    Die Besonderheiten des Entwicklungshelfergesetzes greifen in diesem Fall nicht. In dem ist geregelt, dass Entwicklungshelfer zum Träger des Helferdienstes nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Der Verein war aber kein anerkannter Träger der Entwicklungshilfe. Er gehörte nicht zu den sieben Trägern, die sich in der Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste zusammengeschlossen haben und vom BMZ anerkannt werden.

     

    Einbindung in den Betrieb bei Tätigkeiten im Ausland

    Ein allgemeines Kriterium für eine abhängige Beschäftigung ist die Einbindung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers. Da der Verein im Ausland keinen klassischen Betrieb unterhielt, konnte der Helfer auch nicht in dem Maße in die Betriebsabläufe eingegliedert sein, wie es etwa ein Arbeitnehmer in der Verwaltung am Sitz des Vereins typischerweise ist. In diesem Fall ‒ so das LAG ‒ ist maßgeblich, ob die Auslandstätigkeit dem Betriebszweck des im Inland gelegenen Betriebs dient und darüber hinaus die Weisungsgebundenheit ‒ wenn auch nur rudimentär ‒ vorhanden ist. Daran dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.

     

    Dass der Helfer mit seiner Tätigkeit dem Betriebszweck des Vereins gedient hatte, ergab sich für das LAG schon unmittelbar daraus, dass er mit anderen Mitarbeitern an der Verwirklichung der vom Verein verfolgten Projekte eingesetzt war. Als nicht unwichtiger Aspekt kam hinzu, dass der Helfer vom Verein autorisiert war, nach außen in dessen Namen tätig zu werden. Auch wurde er in Publikationen des Vereins als Teil des Personals bezeichnet und mit Ausweisen versehen, die seine Zugehörigkeit zum Verein dokumentierten.

     

    Weisungsbindung

    Ob der Helfer ständigen Anweisungen des Vereins unterlag oder ob der ihm lediglich projektbezogene Hinweise erteilte, war nach Auffassung des LAG für die Arbeitnehmereigenschaft nicht entscheidend. Sowohl die fachliche als auch die Weisungsgebundenheit nach Ort und Zeit der Arbeitsleistung seien nur ein Indiz für die Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft.

     

    Der Annahme einer persönlichen Abhängigkeit stehe es nicht entgegen, dass sich die Tätigkeit eines Mitarbeiters nicht nach Zeit und Ort festlegen lässt. Es genüge, dass die Beschäftigten „aus anderen Gründen fremdbestimmte Arbeit leisten“. Dies sei bei einer Tätigkeit in Krisengebieten und Entwicklungsländern der Fall, weil sie nur unter Zuhilfenahme Einheimischer möglich sei. Diesen Mitarbeitern können weitgehend nur projektbezogene Anweisungen erteilt werden.

     

    Helfer trug kein Unternehmerrisiko

    Als wichtiges Kriterium für eine abhängige Beschäftigung wertete das LAG, dass der Entwicklungshelfer kein für Selbstständige typisches unternehmerisches Risiko trug. Er musste nicht auf eigene Gefahr mit einem vom Verein zur Verfügung gestellten Budget arbeiten und daraus den Verdienst für seine Tätigkeit ziehen. Stattdessen erhielt er einen „Monatslohn“, den der Verein auch ausdrücklich als solchen bezeichnete. Das spricht nach Auffassung des Gerichts entscheidend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

     

    Zwar seien die Modalitäten der Entgeltzahlung nicht maßgeblich für die Frage der persönlichen Abhängigkeit. So können auch Arbeitnehmer eine am Umfang der Arbeitsleistung orientierte Vergütung (Stücklohn) erhalten. Aus den monatlichen Entgeltzahlung ergab sich aber, dass die vergüteten Tätigkeiten des Helfers keine im Voraus bestimmten, abgegrenzten Einzelleistungen darstellten. Bei dem Monatslohn handelte es sich um Festbeträge, also nicht um das Entgelt für eine projektbezogene selbstständige Tätigkeit.

     

    FAZIT | Den Ausschlag gab für das LAG erkennbar die feste Vergütung. Werden stunden- oder projektbezogene Vergütungen bezahlt, lässt sich das sicher anders bewerten, wenn zudem der Helfer nicht nach außen als Mitarbeiter der Einrichtung auftritt.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 18 | ID 48113639