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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Die Umsatzbesteuerung des Sports: EuGH-Urteil bringt neue Erkenntnisse

    von Ulrich Goetze, Steuerberater, Wunstorf

    | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bekräftigt, dass alle EU-Staaten verpflichtet sind, sportliche Leistungen entsprechend der Vorgabe der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer zu befreien. In der jüngsten Entscheidung ging es vor allem darum, wann und warum die Erlöse aus der Überlassung von Sportanlagen und Sportgeräten von der Umsatzsteuer befreit sind. |

    Der Blick ins deutsche Umsatzsteuerrecht

    Im deutschen Umsatzsteuerrecht gibt es nur eine Befreiungsvorschrift. Sie regelt, dass die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen steuerfrei ist (§ 4 Nummer 22b Umsatzsteuergesetz [UStG]).

     

    Entgeltliche Überlassung von Sportanlagen ist umsatzsteuerpflichtig

    Für die entgeltliche Überlassung von Sportgeräten und Sportanlagen existiert keine Befreiungsvorschrift. Die Überlassung ist umsatzsteuerpflichtig, zwei Fälle werden unterschieden:

     

    • Überlassung an Nichtmitglieder: Sie wird von der Finanzverwaltung dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet. Das hat zur Folge, dass der Umsatzsteuersatz 19 Prozent beträgt und die Entgelte außerdem ertragsteuerpflichtig sind.
    • Überlassung an Mitglieder: Sie gilt als Zweckbetrieb (keine Ertragsteuer) und wird mit 7 Prozent umsatzbesteuert.

     

    EuGH verwirft deutsches Umsatzsteuerrecht

    Der EuGH hat klargestellt, dass die Steuerbefreiung gleichermaßen für die Überlassung an Mitglieder und Nichtmitglieder gelten muss (EuGH, Urteil vom 19.12.2013, Rs. C-495/12 „Bridport“; Abruf-Nr. 140677).

     

    PRAXISHINWEIS | Wir nehmen die Entscheidung des EuGH „Bridport“ zum Anlass, die Besteuerung der Leistungen von Sportorganisationen - gemeinnützige Sportvereine, gewerbliche Sportanbieter und Sportverbände - systematisch aufzulisten und deren Umsatzbesteuerung nach deutschem Recht in Verbindung mit den Möglichkeiten der unmittelbaren Berufung auf die MwStSystRL darzustellen.

     

    Das Urteil des EuGH im Fall „Bridport“

    Der EuGH hat in seiner jetzigen Entscheidung im Fall eines englischen Golfclubs bestätigt, dass das Recht zur Nutzung eines Golfplatzes von der Umsatzsteuer befreit ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Leistungen an ein Mitglied des Clubs oder an ein Nichtmitglied als Gast erbracht wird.

    Grundlage der Umsatzsteuerbefreiung ist Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe m der MwStSystRL.

    MwStSystRL / Wortlaut Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe m

    „Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

    (…) m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.“

     

    Umsetzung der Vorschrift in nationales Recht

    Diese Befreiungsvorschrift kann von den einzelnen Mitgliedsstaaten von Bedingungen abhängig gemacht werden (Artikel 134). Dazu zählen:

     

    • 1. Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.
    • 2. Leitung und Verwaltung dieser Einrichtungen müssen im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen erfolgen, die weder selbst noch über zwischengeschaltete Personen ein unmittelbares oder mittelbares Interesse am wirtschaftlichen Ergebnis der betreffenden Tätigkeiten haben.
    • 3. Die Befreiungen dürfen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung gegenüber gewerblichen Unternehmen führen.

     

    EuGH macht zur Einhaltung von Kriterium Drei andere Vorgaben als BFH

    Die Frage, wann eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt und wann die Erzielung von zusätzlichen Einnahmen unzulässig ist (Punkt 3 oben), wird vom EuGH überraschend wie folgt beantwortet: Die Befreiung der sportlichen Leistungen in Artikel 132 MwStSystRL unterscheidet nicht zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern. Sie legt nur fest, dass Dienstleistungen an Personen steuerbefreit sind, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben. Daher spielt es für die Steuerbefreiung keine Rolle, ob die Leistungen in Form von Mitgliedsbeiträgen oder Entgelten vergütet werden.

     

    Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat dagegen darauf abgestellt, dass eine ungleiche Besteuerung der Leistungen im Sport (gemeinnütziger oder gewerblicher Anbieter) dadurch vermieden wird, dass die Leistungen gemeinnütziger Anbieter dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind und bei der Umsatzsteuer dem Regelsteuersatz unterliegen.

     

    PRAXISHINWEIS | Der EuGH aber stellt klar, dass durch die Festlegung der Mehrwertsteuerbefreiung anhand des Merkmals des „Leistungserbringers“ das gemeinsame Mehrwertsteuersystem impliziert, dass für verschiedene Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Wettbewerbsbedingen und steuerliche Vorgaben gelten. Es ist unzulässig, den Unterschied zwischen den Wirtschaftsteilnehmern zu beseitigen, weil sonst die durch die Richtlinie explizit vorgesehenen Steuerbefreiungen in Frage gestellt würden. Ausdrücklich gewollt ist somit, dass gleiche Dienstleistungen unterschiedlich besteuert werden; je nachdem, wer diese Dienstleistung durchführt.

     

    Sport und Gemeinnützigkeit

    Sport ist in § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO als förderungswürdige Tätigkeit im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts anerkannt. Sport erfüllt eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion, leistet bei der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen einen wichtigen Beitrag durch das Erlernen von Fairplay und Teamwork, dient der Gesundheitsförderung, hat eine große integrierende Wirkung und unterstützt die Völkerverständigung.

     

    Die Steuervergünstigung des Sports wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Sportverein neben dem unbezahlten auch den bezahlten Sport fördert (§ 58 Nr. 8 AO). Sportliche Veranstaltungen können auch dann als Zweckbetriebe behandelt werden, wenn in ihrem Rahmen Sportler bezahlt werden (§ 67a Abs. 1 bis 3 AO).

     

    Das deutsche Umsatzsteuerrecht privilegiert nur den Sport

    Wie schon erwähnt, befreit das deutsche Recht nur Einnahmen aus der Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen von der Umsatzsatzsteuer (§ 4 Nr. 22b UStG), nicht aber die Überlassung von Anlagen und Geräten. Letztere werden auch im Gemeinnützigkeitsrecht - in der AO - nicht wahrgenommen. Auch dort sind nur die sportlichen Veranstaltungen geregelt (§ 67a AO).

     

    Das europäische Umsatzsteuerrecht fördert auch die Körperertüchtigung

    Finanzverwaltung und Rechtsprechung grenzen den Sport ab von bloßen „Freizeitaktivitäten“. In der MwStSystRL werden aber Leistungen von Sport oder Körperertüchtigung befreit. Deshalb ist die Frage, inwieweit der Begriff Körperertüchtigung Eingang in die deutsche Gesetzgebung finden muss.

     

    Sport ist die konzentrierte körperliche Bewegung in einem Maß, wie es sich der Einzelne zutraut. Unterschieden wird nach Breitensport und Leistungssport, daneben sind weitere Begriffe wie Funsport, Mannschaftssport, Extremsport, Individualsport und Gesundheitssport geläufig. „Trendsportarten“ sprechen Interessierte an, die sich durch die Teilnahme an solchen Kursen zur Bewegung motiviert fühlen, ohne auf Wettkämpfe aus zu sein. Dennoch handelt es sich jeweils um eine Körperertüchtigung über das gewöhnliche alltägliche Maß hinaus.

     

    Diese Voraussetzung ist notwendig, weil nicht jede körperliche Ertüchtigung als Sport zu qualifizieren ist. Maßgebend ist, dass die Bewegung vorrangig mit dem Ziel ausgeübt wird, sich körperlich zu ertüchtigen. Deshalb stellt nach Auffassung des BFH zum Beispiel Wandern, auch wenn es unzweifelhaft der körperlichen Ertüchtigung dient, im Gegensatz zum Nordic Walking keinen Sport dar. Zu berücksichtigen ist bei dieser Definition auch, ob die körperliche Anstrengung gewollt ist oder nur eine Nebenerscheinung ist.

     

    Für den EuGH ist die deutsche „Sport“-Definition ohne Belang

    Für den EuGH ist die nationale Begriffsbestimmung „Sport“ mehrwertsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Folgerichtig hat er im Jahr 2013 auch die Zurverfügungstellung eines Freibads mit Freizeitanlagen an Besucher als Leistungen an Personen beurteilt, die Sport und Körperertüchtigung ausüben.Im konkreten Fall betrieb eine Stadt einen Aquapark, in dem sich auch ein Schwimmbecken mit mehreren Schwimmbahnen und Sprungbrettern, ein Kinderplanschbecken, Wasserrutschen, ein Massagebad, ein Naturschwimmbad, ein Beachvolleyball-Feld, Tischtennisplatten und weitere Sportgeräte befanden. Besucher hatten mit dem Kauf einer Eintrittskarte Zugang zu sämtlichen Einrichtungen.

     

    Der EuGH entschied, dass die Leistungen grundsätzlich als Leistungen für Sport oder Körperertüchtigung steuerbefreit sein könnten. Er wies aber auch darauf hin, dass es sich nicht um „Sport“ im Sinne der Vorschrift handelt, wenn die ausgeübte Tätigkeit „rein im Rahmen von Erholung oder Unterhaltung“ stattfindet (EuGH, Urteil vom 21.2.2013, Rs. C-18/12 - Mesto Zamberk; Abruf-Nr. 132045).

     

    Wie ist bei Leistungs-Mix „Sport“ und „Freizeit“ zu verfahren?

    Daher musste im konkreten Fall geprüft werden, inwieweit sich der Umstand auswirkt, dass der Aquapark seinen Besuchern nicht nur Sportanlagen zur Verfügung stellte, sondern auch Einrichtungen, die der Unterhaltung und Erholung dienen. Umsatzsteuerrechtlich müssten die Leistungen aufgeteilt werden. Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung ist dabei, dass nur ein einheitlicher Preis für die Nutzung sämtlicher Einrichtungen erhoben wird, ohne dass berücksichtigt wird, ob und wie lange einzelne Anlagen tatsächlich genutzt werden.

     

    Liegt eine einheitliche Leistung vor, muss laut EuGH unter Berücksichtigung sämtlicher Sachverhaltsumstände geprüft werden, welches die dominierenden Bestandteile der Leistung sind. Aus der (objektiven) Sicht des Durchschnittsverbrauchers muss festgestellt werden, ob die Zurverfügungstellung von Anlagen zur Ausübung von Sport und Körperertüchtigung der wesentliche Leistungsinhalt sei, oder sie eher der Erholung und Unterhaltung dienen.

     

    Hier muss die Konzeption des Aquaparks berücksichtigt werden; das heißt, welche Einrichtungen angeboten werden und welche Bedeutung ihnen im Rahmen des Aquaparks insgesamt zukommt (Anzahl, Anordnung). Beim Schwimmbecken sei beispielsweise zu prüfen, ob sich dieses für die Ausübung sportlichen Schwimmens eigne (Ausmaß, Tiefe, Startblöcke).

     

    Unerheblich sei hingegen, dass ein Teil der Besucher überhaupt nicht beabsichtige, sich sportlich zu betätigen, sondern allein zum Zweck der Erholung und Unterhaltung einkehre.

     

    FAZIT | Der EuGH fasst Sport sehr viel weiter, als das im deutschen Recht der Fall ist. Auch stark freizeitbezogene Aktivitäten sind eingeschlossen. Die Wettkampforientierung spielt bei der Abgrenzung von Sport und Freizeiterholung keine Rolle.

     

    Weiterführender Hinweis

    • In der April-Ausgabe lesen Sie „Mitgliedsbeiträge als umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch in Sportvereinen: Wann gilt der ermäßigte Steuersatz“
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 14 | ID 42555642