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  • 27.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121294

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 23.02.2012 – 6 K 1868/10

    Die Besteuerung von Lotterielosen mit einem Umsatzsteuersatz von 7% setzt nicht voraus, dass der Losverkauf als solcher der Verwirklichung des steuerbegünstigten Zweckes dient. Voraussetzung ist vielmehr, dass der erzielte Reinertrag unmittelbar zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke dient.


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 23.02.2012

    6 K 1868/10

    Tatbestand
    Streitig ist, ob die Einnahmen aus dem Verkauf von Lotterielosen dem allgemeinen oder dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a Umsatzsteuergesetz unterliegen.

    Die Klägerin ist ein eingetragener, als gemeinnützig anerkannter Verein. Nach § 2 der Satzung fördert sie ausschließlich und unmittelbar mildtätige, kirchliche, religiöse und wissenschaftliche sowie als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke (Bl. 22 d. PrA.). Einen Großteil der Fördermittel erzielt die Klägerin im Streitjahr wie in den Vorjahren durch den Verkauf von Adventskalendern, die mit individuellen Gewinnnummern versehen sind und jeweils zugleich ein individuelles Gewinnlos darstellen. Die Ausspielung umfasste im Streitjahr 7.000 Adventskalender bzw. Gewinnlose. Mit dem Verkauf der Kalender wurden Gewinnchancen für teils hochwertige Preise eingeräumt, welche von Personen und Unternehmen gestiftet wurden. Insgesamt standen knapp über 400 Gewinne im Gesamtwert von rund 25.000 Euro zur Verlosung an. Zur Veranschaulichung wird auf Anlage 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 9. August 2010 hingewiesen, die beispielhaft einen Kalender mit der Losnummer 3250 enthält (Bl. 27 d. PrA.). Die Klägerin verkaufte die Kalender zu einem Einzelpreis von 5,00 Euro und erzielte hieraus Einnahmen von 39.176 Euro. Vom Reinertrag in Höhe von 25.501,79 Euro wurde ein Teilbetrag in Höhe von 25.000 Euro dem Klinikum W, das als gemeinnützige GmbH geführt wird (gGmbH), zum Kauf eines Navigationsgeräts für den Einsatz bei Hüftgelenkoperationen zugewandt, die restlichen 501,79 Euro dem gemeinnützigen Verein ”...” zur Schüler­förderung. Mit Bescheid vom 21. Juni 2007 erteilte die Stadtverwaltung die Erlaubnis zur Durchführung der Lotterie (Bl. 25 d. PrA.). Das Finanzamt bescheinigte im Januar 2008, dass der Adventskalenderverkauf 2007 die Voraussetzungen für die Freistellung von der Lotteriesteuer erfüllt (Bl. 26 d. PrA.).

    Am 12. Februar 2008 reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung beim Beklagten ein und erklärte insgesamt Umsätze in Höhe 40.372 Euro (brutto) bzw. 37.730 Euro (netto) zum ermäßigten Steuersatz von 7% (Bl. 12 d. Umsatzsteuerakte), wobei auf den Adventskalenderverkauf 39.176 Euro (brutto) entfielen und auf den Verkauf von Motivkarten 1.196 Euro (brutto) (Bl. 1 d. Umsatzsteuerakte).

    Mit Umsatzsteuerbescheid vom 15. Januar 2010 (Bl. 33 d. Umsatzsteuerakte) setzte der Beklagte Umsatzsteuer in Höhe von 5.076 Euro fest, wobei er die Einnahmen aus dem Verkauf der Lotterielose in Höhe von 39.176 Euro (brutto) nicht wie erklärt dem ermäßigten, sondern dem allgemeinen Steuersatz unterwarf. Dadurch ergab sich eine Nach­zahlungsaufforderung in Höhe von 3.692,08 Euro.

    Die Klägerin erhob am 17. Februar 2010 Einspruch, den sie in der Folge begründete (Bl. 36 und Bl. 40 d. Umsatzsteuerakte). Der Beklagte wies mit Entscheidung vom 9. Juni 2010 den Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 47 d. Umsatzsteuerakte). In seiner Einspruchsentscheidung führte er aus, dass die Einnahmen aus der Lotterie dem allgemeinen Steuersatz unterlägen, da die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG nicht erfüllt seien (Bl. 50 d. Umsatzsteuerakte). Der Losverkauf sein kein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 Abgabenordnung, so dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz nicht zur Anwendung komme. Ein Zweckbetrieb setze voraus, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu diene, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden könnten und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht im größeren Umfang in Wettbewerb trete, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar sei. Liege nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, entfalle die Zweckbetriebseigenschaft. Ein Zweckbetrieb liege nur vor, wenn die Tätigkeit selbst, nicht die Entgelterhebung als solche für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke erforderlich sei. Auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz gehe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 29. Januar 2009 (6 K 1351/06) davon aus, dass Erlöse aus den Verkäufen eines Museumsshops durch einen gemeinnützigen Verein zur ideellen und materiellen Unterstützung des Museums nicht dem ermäßigten Steuersatz unterlägen (Bl. 51 d. Umsatzsteuerakte). Denn diese Betätigung erfülle nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs, sondern diene allein der Erzielung zusätzlicher Einnahmen. Zwar könne mit der Klägerin davon ausgegangen werden, dass mit der Lotterie kein schädlicher Wettbewerb ausgeübt werde (Bl. 51 d. Umsatzsteuerakte). Andererseits stehe aber fest, dass die Klägerin selbst keine mildtätigen, kirchlichen oder gemeinnützigen Zwecke verfolge, also nicht unmittelbar i.S.v. § 57 Abs. 1 Abgabenordnung tätig sei. Ein Zweckbetrieb liege im Fall der Durchführung von Lotterien nur vor, wenn sie von den zuständigen Behörden genehmigt seien und der Reinertrag unmittelbar und ausschließlich zur Förderung mildtätiger, kirchlicher oder gemeinnütziger Zwecke verwendet werde (§ 68 Nr. 6 Abgabenordnung). „Unmittelbar” im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts könne sich nur aus § 57 Abs. 1 Abgabenordnung ableiten, so dass die Körperschaft ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen müsse, was im Streitfall nicht erfolge (Bl. 51 d. Umsatzsteuerakte). In einem solchen Fall diene die Lotterie in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen ( Abschnitt 170 Abs. 14 S. 1 UStR ) und sei damit kein Zweckbetrieb. Die Vereinfachungsregelung des Abschnitt 170 Abs. 14 S. 2 UStR greife vorliegend nicht, weil die Einnahmen aus dem Verkauf der Adventskalender die dort festgelegte Grenze von 17.500 Euro überschritten.

    Mit ihrer am 7. Juli 2010 beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die Einnahmen aus dem Adventskalenderverkauf. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei nicht erforderlich, dass ein Zweckbetrieb i.S.d. § 65 Abgabenordnung vorliege. Ausreichend sei, dass ein solcher i.S.d. § 68 Nr. 6 Abgabenordnung gegeben sei. Nach der am 19. Dezember 2006 in Kraft getreten geänderten Fassung des § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 3 UStG sei für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes zunächst Voraussetzung, dass ein Zweckbetrieb vorliege, wobei es unbeachtlich sei, ob sich die Zweckbetriebseigenschaft aus § 65 Abgabenordnung oder aus § 68 Abgabenordnung ergebe. Daneben dürfe der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch Umsätze dienen, die im unmittelbaren Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer stünden bzw. die Körperschaft müsse mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen. Letztere beiden Voraussetzungen müssten nicht kumulativ erfüllt sein. Die Klägerin sei ein Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 6 Abgabenordnung, da die Lotterie von der zuständigen Behörde genehmigt worden sei und der Reinertrag unmittelbar und ausschließlich der Förderung mildtätiger, kirchlicher oder gemeinnütziger Zwecke diene. Der Gesetzeswortlaut erfordere nicht, dass bei einem Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6 Abgabenordnung ein gemeinnütziger Zweck selbst verwirklicht werde. Dies wäre bei einer Lotterieveranstaltung auch schlechterdings unmöglich. Das Wort „unmittelbar” sei im Zusammenhang mit den Worten „verwendet” zu lesen und müsse im Sinne eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der Reinertragsverwendung zu den begünstigten Zwecken gesehen werden. Diese Auffassung werde auch durch die historische Gesetzesentwicklung gestützt. § 68 Nr. 6 Abgabenordnung habe in der vorherigen, vor dem Jahr 2000 geltenden Fassung, einen Zweckbetrieb bei einer Lotterie bejaht, wenn die Lotterie von der zuständigen Behörde genehmigt und die Lotterie von einer steuerbegünstigten Körperschaft zu ausschließlich gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken veranstaltet worden sei. Zudem hätten pro Jahr höchstens zwei solcher Veranstaltungen stattfinden dürfen. Durch das Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 sei einer Änderung des Wortlauts erfolgt (Bl. 21 d. PrA.). Die Aufhebung der zahlenmäßigen Begrenzung der Lotterieveranstaltungen auf zwei pro Jahr habe dazu gedient, Lotterieveranstaltungen wie „Aktion Sorgenkind” unter die gesetzliche Zweckbetriebsfiktion fallen zu lassen. Eine weitergehende Änderung sei ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt. Zweifellos seien die vorgenannten Fernsehlotterien keine Einrichtungen, die gemeinnützige Zwecke in eigener Person verwirklichten. Maßgebend für die Zweckbetriebseigenschaft sei daher auch in diesen Fällen nach der Gesetzesänderung nur die unmittelbar und ausschließliche Verwendung des Lotteriereinertrages zu begünstigen Zwecken (Bl. 21 d. PrA.).

    Die Klägerin beantragt,

    den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 15. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Einnahmen aus dem Verkauf von Lotterielosen in Höhe von 39.176 Euro nicht mit dem Regelsteuersatz von 19% nach § 12 Abs. 1 UStG, sondern mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% nach § 12 Abs. 1 Nr. 8a UStG versteuert werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist hinsichtlich seiner Klageerwiderung vollumfänglich auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung (Bl. 33 d. PrA.).

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.



    Gründe
    Die Klage ist begründet. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 15. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung).

    I.

    Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer für Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verfolgen, auf 7%. Was im Einzelnen als steuerbegünstigter Zweck einzuordnen ist, ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen der §§ 52 bis 58 Abgabenordnung. Der ermäßigte Steuersatz gilt grundsätzlich für alle Leistungen der begünstigen Unternehmen, es sei denn, sie werden im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt (§ 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 2 UStG). Liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 Abgabenordnung vor, bleibt gemäß § 64 Abs. 1 Abgabenordnung die Steuervergünstigung nur erhalten, wenn es sich bei dem in Frage stehenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb um einen Zweckbetrieb handelt. Die wirtschaftliche Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft in einem Zweckbetrieb ist daher steuerbegünstigt. Nach der Begriffbestimmung des § 65 Abgabenordnung liegt ein Zweckbetrieb vor, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als dies bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Daneben definiert bzw. fingiert die Abgabenordnung in den §§ 66 bis 68 Abgabenordnung weitere Einrichtungen und Veranstaltungen als Zweckbetriebe, ohne dass die Voraussetzungen des § 65 Abgabenordnung und hierbei insbesondere das Merkmal der Wettbewerbswirkung erforderlich sind. Diese in §§ 66 bis 68 Abgabenordnung bestimmten sogenannten Katalog-Zweckbetriebe gehen der allgemeinen Regelung des § 65 Abgabenordnung als leges speciales vor (BFH Urteil vom 29. Januar 2009, V R 46/06, BStBl. II 2009, 560). Es handelt es sich hierbei u.a. um Grenzfälle, für die durch die gesetzliche Regelung eine eindeutige Rechtslage geschaffen wurde (Widmann, in Pfückebaum/Malitzky/Widmann, Kommentar zum UStG, § 12 Abs. 2 Rn. 1322).

    Einen solchen Zweckbetrieb stellen nach § 68 Nr. 6 Abgabenordnung die von den zuständigen Behörden genehmigten Lotterien und Ausspielungen dar, die eine steuerbegünstigte Körperschaft veranstaltet, wenn der Reinertrag unmittelbar und ausschließlich zur Förderung für mildtätige, kirchliche oder gemeinnützige Zwecke verwendet wird.

    Während bis zum Jahr 2006 solchen Zweckbetrieben automatisch die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG zugesprochen wurde, ist durch Artikel 7 Nr. 5 des Jahressteuergesetzes 2007 die Steuerermäßigung durch einen neu eingeführten Satz 3 in § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht worden ( JStG 2007 vom 18. Dezember 2006, BGBl 2006 I S. 2895). Ziel der Gesetzesänderung war es, ungerechtfertigte Steuer- und weitreichende Wettbewerbvorteile durch Gestaltungsmodelle zu verhindern, die in erster Linie der Erzielung von Steuervorteilen und weniger der Förderung des steuerbegünstigten Zwecks dienten (Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 , BT-Drs. 16/2712, S. 75). Beispielhaft werden in diesem Zusammenhang Integrationsprojekte im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX genannt, welche zwar nur wenige Schwerbehinderte beschäftigten, aber bedeutende Umsätze durch Lieferung hochwertiger Wirtschaftsgüter erwirtschaften (siehe dazu ausführlich: Leisner, DB 2007, 1047 - 1053).

    Danach gilt die Steuerermäßigung nunmehr nur noch, wenn

    ■der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit den, dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden (Satz 3 Alternative 1) oder,

    ■wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in §§ 66 bis 68 Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht (Satz 3 Alternative 2).

    Der Zweckbetrieb darf folglich nicht in erster Line dazu bestimmt sein, der Körperschaft zusätzliche Einnahmen durch solche Leistungen zu verschaffen, die auch andere, nicht steuerbegünstigte Unternehmer ausführen könnten, es sei denn, dass Körperschaft die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke mit ihren Leistungen selbst verwirklicht (BT-Drs. 16/3368, S. 3).

    Da nach der Regelung des § 65 Nr. 3 Abgabenordnung das Vorliegen eines Zweckbetriebs bereits voraussetzt, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht zu anderen, nicht begünstigen Betrieben in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, ist der Anwendungsbereich von Satz 3 bereits vom Sinn und Zweck nur auf die sogenannten Katalog -Zweckbetriebe im Sinne der §§ 66 bis 68 Abgabenordnung beschränkt. Zudem wird in der zweiten Alternativen des Satzes 3 ausdrücklich auf die Katalogzweckbetriebe Bezug genommen. Entsprechend äußert sich auch der Finanzausschuss des Bundestages zur Gesetzesänderung (BT-Drs. 16/3368, S. 23).

    Die im Streitjahr erstmals zur Anwendung kommende Neuregelung der Vorschrift § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 3 UStG lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: Soweit eine Körperschaft mit den Leistungen ihrer in §§ 66 bis 68 Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklicht, kommt der ermäßigte Steuersatz uneingeschränkt zu Anwendung, anderenfalls nur, wenn die damit erzielten steuerbegünstigten Einnahmen nicht den eigentlichen (und alleinigen) Zweck verfolgen, im Wettbewerb mit nicht steuerbegünstigten Unternehmen einen Vorteil zu haben (Widmann in: Pfückebaum/Malitzky/Widmann, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 12 Nr. 1214/4).

    II.

    1. Der Verkauf der Adventskalenderlotterielose ist eine steuerbare, steuerpflichtige Leistung. Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 9b UStG der im Streitjahr geltenden Fassung kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da ausweislich des Schreibens des Finanzamts Koblenz die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung von der Lotteriesteuer vorliegen.

    2. Bei den Umsätzen aus dem Verkauf von Adventskalenderlosen ermäßigt sich der Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 3 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung auf 7%, da es sich um Einnahmen aus einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6 Abgabenordnung handelt, die nicht mit der Zielsetzung vorgenommen wurden, in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer zu stehen.

    a. Führt wie vorliegend, ein gemeinnütziger Verein eine Lotterie durch, deren Erlös gemeinnützigen Zwecken zugute kommen soll, handelt es sich zwar dem Grunde nach bei diesen Einnahmen um solche aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 Abgabenordnung). Unter den Voraussetzungen des § 68 Nr. 6 Abgabenordnung können solche Einnahmen jedoch im Rahmen eines Zweckbetriebes erfolgen, mit der Folge, dass der Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG eröffnet ist.

    aa. Nach § 68 Nr. 6 Abgabenordnung ist ein Zweckbetrieb auch eine Lotterie und Ausspielung, wenn sie zum einen von der zuständigen Behörde genehmigt wurde und zum anderen, wenn der Reinertrag unmittelbar und ausschließlich zur Förderung mildtätiger, kirchlicher oder gemeinnütziger Zwecke verwendet wird.

    Beim Verkauf der Adventskalender mit individueller Losnummer handelt es sich um eine Lotterie, die durch die damals zuständige Behörde, der Stadt Worms, mit Bescheid vom 21. Juni 2007 genehmigt wurde (Bl. 25 d. PrA.). Der aus der Lotterie erzielte Reinertrag wurde auch unmittelbar und ausschließlich zur Förderung mildtätiger, kirchlicher oder gemeinnütziger Zwecke verwendet. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann das Wort „unmittelbar” i.S.d. § 68 Nr. 6 Abgabenordnung nicht i.S.d. § 57 Abgabenordnung ausgelegt werden. Dies würde voraussetzen, dass die Klägerin mit diesen Einnahmen ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklichen müsste. Dies ist jedoch, wie die Klägerin zutreffend ausführt, für eine Lotterie schlechterdings nicht denkbar. Vielmehr dient der Verkauf der Lose nur mittelbar dem steuerbegünstigten Zweck, als der Reinertrag unmittelbar weiteren Förderprojekten zugewandt wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung für die Neufassung des § 68 Nr. 6 Abgabenordnung durch das Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 sollte durch eine Überarbeitung der Vorschrift sichergestellt werden, dass Fernsehlotterien wie z.B. „Aktion Sorgenkind” und „Die goldene Eins” mit wöchentlichen und monatlichen Ziehungen und Einnahmen in Millionenhöhe als Zweckbetriebe i.S.d. § 68 Nr. 6 Abgabenordnung angesehen werden. Diese Fernsehlotterien verwirklichen durch den Verkauf der Lose regelmäßig nicht den gemeinnützigen Zweck eines Zweckbetriebs unmittelbar, sondern geben den Reinerlös weiter an als gemeinnützig anerkannte Veranstaltungen und Einrichtungen. Insofern spricht auch der Wille des historischen Gesetzgebers dafür, das Wort „unmittelbar” in § 68 Nr. 6 Abgabenordnung im Sinne von zeitlich unmittelbar zu verstehen ist.

    Entgegen der Auffassung des Beklagten ist daher nicht erforderlich, dass der Losverkauf als solcher unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten Satzungszwecks dient. Entscheidend ist vielmehr, dass der durch den Lotterieverkauf erzielte Reinertrag (zeitlich) unmittelbar zur Förderung von mildtätigen, kirchlichen oder gemeinnützigen Zwecken verwendet wird (so auch Koss, UVR 2008, 155). Dies ist vorliegend der Fall, da der Reinerlös aus dem Lotterieverkauf im Januar 2008 dem Klinikum W und damit einer als gemeinnützig geführten GmbH zum Kauf eines Navigationsgeräts für den Einsatz bei Hüftgelenkoperationen bzw. dem gemeinnützigen Verein ”...” zur Schülerförderung zur Verfügung gestellt wurde. Da der Verkauf der Adventskalenderlose damit einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6 Abgabenordnung darstellt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen des § 65 Abgabenordnung gegeben sind. Wie bereits dargestellt, geht die Vorschrift des § 68 Abgabenordnung der Regelung des § 65 Abgabenordnung als lex specialis vor. Insoweit kann auch nicht auf die Ausführung des Urteils des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Januar 2009 (6 K 1351/06, DStRE 2010, 549) zurückgegriffen werden, da dort das Vorliegen eines Zweckbetriebs nach § 65 Abgabenordnung in Frage stand.

    bb. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 3 UStG setzt in seiner im Streitjahr gültigen Fassung neben dem Vorliegen eines Zweckbetriebs voraus, dass der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb zu Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen oder, dass die Körperschaft mit ihren Leistungen ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht.

    Wie bereits dargestellt, kann die Klägerin durch den Verkauf von Losen ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nicht selbst verwirklichen. Erst der Reinertrag kann für solche Zwecke eingesetzt werden. Insofern kommt die Gewährung der Steuerermäßigung nur in Betracht, soweit der Verkauf der Lose nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu anderen Lotterien steht, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen. Vorliegend wird von beiden Beteiligten eingeräumt, dass der Verkauf der Adventskalenderlose nicht im Wettbewerb zu Leistungen anderer Unternehmer steht, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen. Eine solche Wettbewerbswirkung ist auch für den erkennenden Senat nicht ersichtlich, zumal Lotterien in der Regel nach § 4 Nr. 9b UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, sofern sie der Lotteriesteuer unterliegen. Eine Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes ist daher nicht ersichtlich. Allein das ist jedoch die Voraussetzung für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 3 1. Alternative UStG. Soweit der Beklagte den Gesetzeswortlaut dahingehend verkürzt, dass die Lotterie nicht der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dienen dürfe, entspricht dies weder dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 3 1. Alternative UStG noch der Intention des Gesetzgebers. Die Vorschrift soll - wie oben dargestellt - klarstellen, dass eine Steuerermäßigung nur gewährt wird, wenn der Zweckbetrieb in erster Linie nicht dazu bestimmt ist, der Körperschaft zusätzliche Einnahmen durch solche Leistungen zu verschaffen, die auch andere, nicht steuerbegünstigte Unternehmer ausführen können (Heider in: Bunjes/Geist, Kommentar zum UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rn. 5). Das eröffnet auch Zweckbetrieben, deren Leistungen nur mittelbar dem steuerbegünstigten Zweck dienen, die diesen aber zum Beispiel mit der Verwendung des erwirtschafteten Gewinns verwirklichen, die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung (Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf, BT-Drs. 16/2712, S. 75; Heider in: Bunjes/Geist, Kommentar zum UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rn. 5). Sofern jedoch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen nicht droht, bestehen keine Beschränkungen.

    Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu der (für das Streitjahr geltenden) Verwaltungsvorschrift Abschnitt 170 Abs. 14 S. 2 UStR . Abschnitt 170 UStR setzt nicht voraus, dass die vom Zweckbetrieb ausgeführten Leistungen selbst die steuerbegünstigten Zwecke verwirklichen. Vielmehr betrifft Abschnitt 170 Abs. 14 UStR nur solche Fälle, in denen die Ausführung der Leistungen selbst nicht steuerbegünstigte Zwecke erfüllt werden. Die Vorschrift liefert lediglich eine Auslegungshilfe für das Vorliegen von zusätzlichen Einnahmen. Danach dienen Umsätze des Zweckbetriebs nicht in erster Linie der Erzielung von Einnahmen, wenn die Umsätze je Lotterie den Betrag von 17.500 Euro nicht übersteigen. Im Umkehrschluss kann jedoch bei Überschreiten dieser Grenze nicht automatisch gefolgert werde, dass die Leistungen im Wettbewerb zu Leistungen anderer Unternehmer stehen, die dem allgemeinen Steuersatz unterworfen werden. Soweit die Einspruchsentscheidung davon auszugehen scheint, dass das Vorliegen eines Zweckbetriebs zu verneinen sei, wenn die Einnahmen aus jeder einzelnen genehmigten Lotterie 17.500 Euro übersteigen, kann dem nicht gefolgt werden. Entscheidend sind nicht die zusätzlichen Einnahmen isoliert betrachtet, sondern, dass der Zweckbetrieb mit diesen zusätzlichen Einnahmen nicht in erster Linie Umsätze anstrebt, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Leistungen anderer Unternehmen stehen, die dem allgemeinen Steuersatz unterworfen sind. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da normale Lotterien der Lotteriesteuer unterworfen werden und die Umsätze damit nach § 4 Nr. 9 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

    RechtsgebieteUStG, AOVorschriftenUStG § 12 Abs. 2 Nr. 8a AO § 68 Nr. 6