08.01.2010
Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 23.02.2005 – 4 K 1418/02
1. Ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen ist für eine an zwei unterschiedlichen Arbeitsstätten eingesetzte, dort den gleichen Verpflegungsbedingungen wie die „regulären” Arbeitnehmer unterliegende, als Fremdarbeitnehmerin für ein Wachunternehmen tätige Steuerpflichtige nicht möglich, weil er zu einem ungerechtfertigten Steuervorteil für die Steuerpflichtige führen würde.
2. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine Einsatzwechseltätigkeit ausübt, von der er jeweils abends in die Wohnung zurückkehrt, führt noch nicht ohne weiteres zur Anerkennung eines pauschalen Mehraufwands für Verpflegung.
3. Arbeitnehmer mit einer dauerhaft gleichbleibenden Arbeitsstätte einerseits und solche mit einer Einsatzwechseltätigkeit oder auf einer Dienstreise andererseits sind immer dann den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen, wenn die jeweilige wechselnde Einsatzstelle ein Ort ist, der für die übrigen dort tätigen Arbeitnehmer deren dauerhafte regelmäßige Arbeitsstätte ist, und wenn der vorübergehend dort tätige Arbeitnehmer Zugang zu den für die anderen Arbeitnehmer bestehenden Verpflegungsmöglichkeiten hat (z.B. Kantinennutzung). Dass der vorübergehend eingesetzte Arbeitnehmer z.B. für die Nutzung der Kantine mehr bezahlen muss (hier: Zuschlag), ändert daran nichts.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 2000
hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 4. Senat – auf Grund mündlicher Verhandlung vom 23. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht Brocks, den Richter am Finanzgericht Rätke, die Richterin am Finanzgericht Hinze, sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Frau Schröter-Poeschel und Frau Ambros
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist nunmehr nur noch, ob die von der Klägerin geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen steuerlich anzuerkennen sind.
Die Kläger waren im Streitjahr Arbeitnehmer der X. GmbH, der Rechtsnachfolgerin der Y. Sicherheitsgruppe. Der Kläger, der Ehemann, war als Wachmann im Fahrtendienst der X. GmbH tätig, während die Klägerin, die Ehefrau, als so genannte Hostess im Empfangsbereich der T. Bank eingesetzt wurde und bei Bedarf als Datenerfasserin im Serverbereich der Firma Z. tätig war. In Nr. 4 der gleichlautenden Arbeitsverträge der Kläger heißt es, dass Einsatzort und Dienstzeit durch die zuständige Einsatzleitung im Rahmen der jeweils gültigen Tarifbestimmung festgelegt würden. Ein rechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers, ständig in demselben Bewachungsobjekt/Revier oder stets als Revier- oder Separatwachmann eingesetzt zu werden, bestehe nicht.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger für 220 Arbeitstage jeweils DM 10,– Verpflegungsmehraufwendungen, zusammen DM 2.200,–, geltend. Die Klägerin machte für 230 Arbeitstage jeweils DM 10,– für Verpflegungsmehraufwand geltend, insgesamt DM 2.300,–.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 03. Juli 2001 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf DM 4.434,– fest und berücksichtigte hierbei weder Verpflegungsmehraufwendungen für den Kläger noch für die Klägerin. Er begründete dies damit, dass weder eine Einsatzwechseltätigkeit noch eine Fahrtätigkeit nachgewiesen worden sei. Des Weiteren erkannte der Beklagte nur zwei Drittel der geltend gemachten Reinigungskosten an.
Mit ihrem fristgerecht eingelegten Einspruch begehrten die Kläger die Berücksichtigung der Verpflegungsmehraufwendungen. Sie machten geltend, dass der Kläger als Wachmann Fahrten unternehme, die auf einer täglich wechselnden Planung beruhten. Die Tätigkeit der Klägerin hingegen ändere sich wöchentlich und erfolge täglich auf Abruf der Großkunden. Die vom Beklagten angeforderte Aufstellung über täglichen Arbeitsablauf bzw. die Dauer des Einsatzes bei den Großkunden erbrachten die Kläger während des Einspruchsverfahrens nicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2002 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf DM 4.406,– herab und berücksichtigte nunmehr die geltend gemachten Reinigungskosten vollständig. Bezüglich der Verpflegungsmehraufwendungen hielt der Beklagte an seiner bisherigen Entscheidung fest. Er führte aus, dass die Kläger nicht erläutert hätten, ob der Betriebssitz regelmäßig aufgesucht worden sei und an wie vielen Tagen die Klägerin bei welchen Kunden der X. GmbH gearbeitet habe.
Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen die Einspruchsentscheidung. Nachdem der Kläger im Klageverfahren seinen Arbeitsablauf dargestellt hat, hat der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von DM 2.200,– mit Änderungsbescheid vom 19. Dezember 2002 anerkannt und die Einkommensteuer auf EUR 1.964,38 (= DM 3.842,–) herabgesetzt.
Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger eine Bescheinigung der X. GmbH eingereicht, wonach die Klägerin in den Zeiten vom 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr im Empfang einer Großbank oder auf Abruf im Serverbereich eines Baustoffkonzerns tätig werde. Die zuletzt genannte Tätigkeit werde durch kurzzeitigen Abruf realisiert. Die Klägerin trägt vor, dass es ihr nicht mehr möglich sei, darzulegen, an welchen Tagen sie außerhalb des Firmensitzes der X. GmbH tätig geworden sei. Die entsprechende Aufforderung des Beklagten verstoße gegen das Datenschutzgesetz. In der Regel sei sie drei bis vier Wochen bei der T. Bank im Empfang tätig gewesen und anschließend in der Datenerfassung bei Z… Bei der Firma Z. habe es keine Kantine gegeben, und die Kantine der T. Bank habe von Fremdarbeitern höhere Preise verlangt, so dass ihr Verpflegungsmehraufwendungen entstanden seien. Sie habe sich nicht auf die Verpflegungssituation einstellen können, weil sich der Einsatzort meist kurzfristig geändert habe. Im weiteren Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, zwischen einem und 14 Tagen bei der T. Bank gearbeitet zu haben; diesbezüglich hat sie Beweis angeboten durch die Vernehmung des Zeugen Walter Beck, Salzufer 22, 10587 Berlin, dem Geschäftsführer der X. GmbH. Gleichermaßen hat sie Beweis durch Zeugenvernehmung des Geschäftsführers der Filiale der T. Bank AG angeboten für ihre Behauptung, dass Mitarbeiter von Fremdfirmen höhere Kantinenpreise bei der T. Bank hätten bezahlen müssen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 03. Juli 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2002 in Gestalt des Änderungsbescheides für 2000 vom 19. Dezember 2002 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 2.300,–(= EUR.1.175,97) berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beanstandet, dass eine Auflistung der Klägerin über die Anzahl der Tage, an denen sie bei den einzelnen Firmen im Streitjahr gearbeitet habe, immer noch fehle. Die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen beruhe auf dem Gedanken, dass der Arbeitnehmer, der eine Einsatzwechseltätigkeit ausübe, mehr Geld für seine Verpflegung ausgebe. Entscheidend sei danach, ob der Arbeitnehmer Zugang zu den für die anderen Arbeitnehmer bestehenden Verpflegungsmöglichkeiten habe. Dies sei bei der Klägerin zu verneinen, da sie bei der T. Bank und bei Z. auf die gleiche Verpflegungssituation treffe wie die übrigen Arbeitnehmer. Soweit sie geltend mache, dass sie höhere Kantinenpreise bei der T. Bank bezahlen müsse, könne sie dem dadurch entgegenwirken, dass sie ihr Essen und ihre Getränke von zu Hause mitbringe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Steuer- und Streitakten Bezug genommen, insbesondere auf die von den Klägern eingereichten Bescheinigungen ihrer Arbeitgeberin.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Zu den nach § 9 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – abziehbaren Aufwendungen gehören u.a. die Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit erwachsen. Eine Einsatzwechseltätigkeit im Sinne von § 9 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG, Abschnitt 37 Abs. 5 Lohnsteuerrichtlinien 2001 – LStR –, die zum Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen gemäß § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 in Verbindung mit Nr. 5 Satz 2 Buchstabe c) EStG in Höhe von DM 10,– pro Tag und zum Abzug der tatsächlichen Fahrtkosten berechtigt, liegt bei Arbeitnehmern vor, die bei ihrer individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt werden. Das Gericht kann dahingestellt lassen, ob es sich bei der Tätigkeit der Klägerin überhaupt um eine Einsatzwechseltätigkeit handelt. Denn jedenfalls ist ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendung im Streitfall nicht möglich, weil dies zu einem ungerechtfertigten Vorteil für die Klägerin führen würde. Dementsprechend hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Landes Brandenburg bereits in seinen Urteilen vom 17. April 2002 (2 K 697/01, nicht veröffentlicht) und vom 20. August 2003 (2 K 1903/01, nicht veröffentlicht) Verpflegungsmehraufwendungen eines Schlossers eines Energieversorgungsunternehmens, der an verschiedenen Tagebauen tätig ist, sowie mit Urteil vom 18. Februar 2004 (2 K 2187/02, nicht veröffentlicht) Verpflegungsmehraufwendungen eines Fremdarbeitnehmers, der auf verschiedenen Tagebauen eingesetzt wird, nicht anerkannt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an und wendet sie auch auf die als Fremdarbeitnehmerin für ein Wachunternehmen tätige Klägerin an, die an zwei unterschiedlichen Arbeitsstätten eingesetzt worden ist.
Die Klägerin kann Verpflegungsmehraufwendungen wegen einer Einsatzwechseltätigkeit nicht als Werbungskosten abziehen. Denn der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine Einsatzwechseltätigkeit ausübt, von der er jeweils abends in die Wohnung zurückkehrt, führt noch nicht ohne Weiteres zur Anerkennung eines pauschalen Mehraufwands für Verpflegung. Die Ausübung einer auswärtigen Tätigkeit allein ist dafür nämlich noch keine hinreichende Bedingung. Ob überhaupt ein Verpflegungsmehraufwand gegenüber den Arbeitnehmern mit einer gleichbleibenden Arbeitsstätte eintritt, hängt von der konkreten Verpflegungssituation an dem Ort der im Rahmen der Dienstreise oder Einsatzwechseltätigkeit aufgesuchten Tätigkeitsstätte ab. Arbeitnehmer mit einer dauerhaft gleichbleibenden Arbeitsstätte einerseits und solche mit einer Einsatzwechseltätigkeit oder auf einer Dienstreise andererseits sind aber immer dann den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen, wenn die jeweilige wechselnde Einsatzstelle ein Ort ist, der für die übrigen dort tätigen Arbeitnehmer deren dauerhafte regelmäßige Arbeitsstätte ist und wenn der vorübergehend dort tätige Arbeitnehmer Zugang zu den für die anderen Arbeitnehmer bestehenden Verpflegungsmöglichkeiten hat. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es sich bei dem vorübergehend aufgesuchten Ort um eine Betriebsstätte oder Zweigstelle des eigenen Arbeitgebers oder vergleichbare Einrichtungen handelt und diese nicht nur eine ganz kurze Zeit lang aufgesucht werden. Die vorübergehend dort tätigen Arbeitnehmer finden an diesen Tätigkeitsstätten die gleichen Verpflegungsverhältnisse vor wie alle anderen dort regelmäßig und dauerhaft tätigen Arbeitnehmer. Würde bei ersteren ein Verpflegungsmehraufwand steuermindernd berücksichtigt, würde eine privilegierende Regelung – die steuermindernde Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen – ohne rechtfertigenden Grund auf sie erstreckt. Ebenso wie es nicht erlaubt ist, durch eine Typisierung eine größere Zahl von Betroffenen ohne rechtlichen Grund stärker zu belasten, ist es nicht zulässig, eine privilegierende Regelung ohne rechtfertigenden Grund auf eine große Gruppe von Adressaten zu erstrecken; denn die Privilegierung büßt damit ihre Rechtfertigung vor der Gruppe der Benachteiligten ein, die ihren Anspruch auf Gleichbehandlung einfordert (vergleiche: BFH, Urteile vom 18. Februar 1994 VI R 65/92, BStBl. II 1994, 532, 533, mit weiteren Nachweisen; vom 07. Oktober 1994 VI R 76/89, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1995, 502, 503).
Tatsächlich suchte die Klägerin im Rahmen ihrer Beschäftigung bei der X. nur zwei unterschiedliche Arbeitsstätten auf, die für die übrigen dort tätigen Arbeitnehmer regelmäßige Arbeitsstätten waren. So war die Klägerin abwechselnd im Empfangsbereich bei der T. Bank oder bei der Firma Z. im Bereich der Datenerfassung tätig; in welchen zeitlichen Abständen die Klägerin zwischen diesen Arbeitsstätten wechselte, ist aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, da sie einerseits von drei-bis vierwöchigen, andererseits von ein-bis vierzehntätigen Zeiträumen gesprochen hat (vgl. die Schriftsätze der Kläger vom 23. Oktober 2002 und vom 16. Januar 2003). Sowohl bei der T. Bank als auch bei Z. traf die Klägerin auf die gleiche Verpflegungssituation wie die dort tätigen Arbeitnehmer der T. Bank bzw. der Firma Z., die nur an diesem Ort tätig waren und nicht zwischen einzelnen Arbeitsstätten wechselten. Einen erhöhten Verpflegungsmehraufwand hatte die Klägerin dadurch, dass sie abwechselnd bei der T. Bank und bei Z. tätig war, anstatt nur bei dem einen oder dem anderen Unternehmen, nicht. Die steuerliche Gewährung von Verpflegungspauschalen knüpft aber an einen Mehraufwand an, der dadurch entsteht, dass der Arbeitnehmer ständig die Arbeitsstätte wechselt und sich deshalb nicht auf eine bestimmte Verpflegungssituation einstellen kann, somit erhöhte Kosten tragen muss.
Ein Mehraufwand infolge einer Einsatzwechseltätigkeit ergibt sich auch nicht dadurch, dass Nicht-Arbeitnehmer der T. Bank in deren Kantinen einen Zuschlag entrichten mussten. Denn diese Mehraufwendungen sind nicht durch eine Einsatzwechseltätigkeit verursacht, sondern dadurch, dass der Kantinenbenutzer (hier: die Klägerin) nicht Arbeitnehmerin der T. Bank ist. Auch wenn die Klägerin ausschließlich bei der T. Bank als Fremdarbeitnehmerin der X. beschäftigt gewesen wäre, hätte sie – ähnlich wie Dritte, die ihre regelmäßige Arbeitsstätte in der Nähe der Filiale der T. Bank haben und deren Kantine aufsuchen, weil ihr eigener Arbeitgeber keine Kantine unterhält – einen Zuschlag in der Kantine der T. Bank entrichten müssen (vgl. hierzu Finanzgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18.Februar 2004 2 K 2187/02, nicht veröffentlicht). Aus diesem Grund brauchte der Senat eine Zeugenvernehmung bezüglich der höheren Kantinenpreise nicht vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Zwar hat die Klage insoweit Erfolg gehabt, als der Beklagte dem Klagebegehren durch Erlass des Änderungsbescheides vom 19. Dezember 2002 teilweise entsprochen hat. Dennoch tragen auch insoweit die Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß § 137 Satz 1 FGO, weil die Abhilfe auf Tatsachen und Unterlagen beruht, die die Kläger bereits im Einspruchsverfahren hätten vorlegen können und müssen.