28.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243482
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 05.07.2024 – 8 W 15/24
1. Bei der Einsetzung einer unabhängigen „Kommission zur Aufarbeitung und Prävention von Gewalt“ durch einen Dachverband von Sportvereinen handelt es sich um eine Vereinsmaßnahme, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
2. Ein Vereinsmitglied hat einen Anspruch auf Einstellung der Tätigkeit einer solchen unabhängigen Kommission, soweit sie gegen ihn umfangreiche Ermittlungen wegen konkreter Pflichtverletzungen zur Vorbereitung etwaiger Disziplinarmaßnahmen durchführt und hierbei elementare rechtstaatliche Verfahrensgrundsätze wie die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht beachtet, obwohl die Verbandsstatuten ein internes Disziplinarverfahren zur Aufklärung von Pflichtverletzungen vorsehen.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 19.06.2024 (Az.: 17 O 19/24) abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die den Antragsteller betreffende Arbeit der „Kommission H." bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache N. ./. O. e. V., Landgericht Dortmund, Az. 17 O 18/24, einzustellen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
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A.
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Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch die der Antragsgegner verpflichtet werden soll, die Arbeit „der Kommission H.“ bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache N. ./. O. e.V., Landgericht Dortmund, Az. 17 O 18/24 (vormals 1 O 107/24) einzustellen.
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Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Der Antragsgegner ist die Vereinigung und Vertretung aller in der Bundesrepublik Deutschland (..)sport betreibenden Verbände und Vereine. Der Antragsteller ist professioneller (..)trainer und Inhaber einer sog. „S.-Licence.“ Er war zuletzt als Chef-Trainer bei dem Verein V. e.V. I. angestellt und bekleidete in Nebentätigkeit bei dem Antragsgegner die Funktion des Nationaltrainers der (..)mannschaft der (..). Der Antragsgegner beendete beide Tätigkeiten Anfang des Jahres 2023 aus gesundheitlichen Gründen.
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Während der Tätigkeit des Antragstellers für den V. e.V. I. nahmen zwei Spielerinnen des Vereins Kontakt zur Leitung der (..)abteilung des Vereins und nachfolgend zu dem Verein U. e.V. auf, der die „Anlaufstelle gegen Gewalt“ führt, und beschwerten sich über den Antragsteller. Es kam in der Folgezeit zu einer medialen Berichterstattung über Verfehlungen des Antragstellers im Rahmen seiner Tätigkeit als Trainer.
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Am 00.00.2022 setzte der Antragsgegner eine „Kommission H.“ ein und teilte in einer Pressemitteilung u.a. mit, er habe die Vorwürfe gegen den Antragsteller zum Anlass genommen, die Vorkommnisse von einer unabhängigen Kommission aufarbeiten zu lassen, und erhoffe sich von der Kommission Erkenntnisse, welche Umfelder gewaltanfällig seien und wie Strukturen im Sinne einer bestmöglichen Prävention und eines Frühwarnsystems weiterentwickelt werden könnten. Nach einer Neubesetzung nahm die Kommission ihre Tätigkeit auf.
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Die Vorsitzende der Kommission F. nahm mit E-Mail vom 18.03.2024 (Anlage N02) Kontakt zu dem Bevollmächtigten des Antragstellers auf und bat um Mitteilung, ob der Antragsteller bereit sei, ein Gespräch mit der Kommission zu führen. Beigefügt war die Anlage „N01_Informationen und Einverständnis_Anhörungen.pdf“ (Anlage N03), in der die Ziele und Vorgehensweise der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im (..)sport“ beschrieben werden.
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Der Antragsteller betreibt wegen der Tätigkeit der Kommission gegen den Antragsgegner ein Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Dortmund, das nach gerichtsinterner Abgabe nunmehr unter dem Aktenzeichen 17 O 18/24 geführt wird.
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Mit seiner am 23.05.2024 bei dem Landgericht Dortmund eingegangenen Antragsschrift hat der Antragsteller zudem den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem eingangs genannten Inhalt beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, der Verfügungsanspruch ergebe sich mit Blick auf die hier vorliegende Streitigkeit zwischen einem mit Monopolstellung ausgestatteten Sportdachverband (Antragsgegner) und einem dessen Verbandsmacht unterworfenem Mitglied bzw. (..)trainer (Antragsteller) daraus, dass es wahrscheinlich sei, dass der Antragsteller sich im genannten Hauptsacheverfahren Landgericht Dortmund, Az. 1 O 107/24 im Recht und der Antragsgegner sich im Unrecht befinde. Das rechtswidrige Handeln des Antragsgegners liege darin, dass er eine in seiner Satzung an keiner Stelle vorgesehene „Kommission" privatrechtlich beauftragt habe, vermeintliches Fehlverhalten aufzuarbeiten und danach öffentlich zu dokumentieren, ohne ein in seinem Regelwerk dafür vorgesehenes eigenes Verbandsverfahren einzuleiten und durch die in der Satzung vorgesehenen Organe durchführen zu lassen. Dies geschehe unter Missachtung vereinsrechtlicher und vertragsrechtlicher Treuepflichten gegenüber dem Antragsteller.
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Durch den angefochtenen Beschluss vom 19.06.2024 hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle jedenfalls an dem erforderlichen Verfügungsgrund, denn der Antragsteller habe eine etwaige Dringlichkeit im Hinblick auf die Veröffentlichung des Kommissionsberichts durch längere Untätigkeit selbst widerlegt.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom 01.07.2024, mit der er seinen einstweiligen Verfügungsantrag weiterverfolgt.
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B.
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Senat hält den Antrag des Antragstellers nach § 938 Abs. 1 ZPO in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Fassung für gerechtfertigt.
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I.
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Der Antragsteller hat einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht, denn er wird durch die Tätigkeit der von dem Beklagten eingesetzten Kommission in seinen Rechten verletzt, deren Wahrung er mittels einstweiliger Verfügung (§§ 935, 940 ZPO) sichern lassen kann.
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1.
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Der Antragsteller ist zwar nicht selbst Mitglied des Beklagten (vgl. § 6 der P.-Satzung Stand 03.10.2021, Anlage N11), geht aber ausweislich der Antragsschrift davon aus, dass er über die Mitgliedschaft in einem verbandszugehörigen Verein und als Inhaber einer Trainerlizenz dessen Regelwerken und insbesondere der verbandsinternen Sanktionsordnung unterworfen ist, § 4 Abs. 1 und Abs. 5 der P.-Satzung (Anlage N11), § 12 der Trainerordnung P.-TRO Stand 03.10.2021 (Anlage N12). Der Antragsgegner teilt ausweislich der Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29.02.2024 (Anlage N04) und vom 15.05.2024 (Anlage N05) diese Einschätzung. Es ist hinreichend glaubhaft, dass daraus ein im Rechtsweg verfolgbarer Anspruch des Antragstellers folgt, von einem Vereinsorgan nicht gesetzes- oder satzungswidrig behandelt zu werden (vgl. Notz in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 15. Aufl., Kapitel 4 Rn. 88).
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2.
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Die Einsetzung der Aufarbeitungskommission stellt eine sonstige Maßnahme des Vereins dar, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Deckenbrock in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 15. Aufl., Kapitel 6, Rn. 130). Die summarische Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren führt zu dem Ergebnis, dass diese Maßnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, soweit sie die Ermittlung und Feststellung konkreten Fehlverhaltens des Antragstellers zum Ziel hat.
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a)
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Der Antragsteller und seine frühere Tätigkeit als (..)trainer sind Gegenstand einer Vereinsmaßnahme, die in der das Zusammenwirken der Vereinsmitglieder regelnden Verbandsordnung (vgl. Notz in: Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 15. Aufl., Kapitel 4 Rn. 1828) nicht vorgesehen ist und deren Tätigkeit daher keine satzungsmäßige Grundlage hat.
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aa)
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Entgegen der mit Schreiben vom 29.02.2024 (Anlage N04) mitgeteilten Auffassung des Antragsgegners sind die Einsetzung der Kommission und der erteilte Auftrag, das Fehlverhalten des Antragstellers aufzuarbeiten, voraussichtlich nicht durch § 35 Abs. 2 Satz 1 der P.-Satzung gedeckt. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass Gegenstand der Tätigkeit der Kommission nicht nur die Untersuchung allgemeiner Missstände und Gewaltstrukturen innerhalb des Beklagten ist, sondern dass die Kommission sich (auch) mit der Aufarbeitung der „Vorkommnisse“ rund um den Antragsteller befasst. Die Vorsitzende der Kommission teilte dem Bevollmächtigten des Antragstellers nämlich mit E-Mail vom 03.05.2024 (Anlage N06) mit, die Aufgabe der Aufarbeitungskommission bestehe darin, die Vorwürfe, die gegen Herrn N. geäußert worden seien, zu untersuchen. In den mit der E-Mail vom 18.03.2024 (Anlage N02) übersandten Hintergrundinformationen der Kommission (Anlage N03) heißt es u.a.:
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„(…)
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Ausgangspunkte und Ziele des Projektes:
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Um die vorgebrachten Vorfälle im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Trainer C. aufzuarbeiten, hat der P. (P.) Ende März 2023 ein unabhängiges Gremium eingesetzt, das die Gewalthandlungen und die Bedingungen, unter denen sie stattfanden, untersuchen soll. Es soll u. a. geklärt werden, welche Gewalt durch den Trainer C. stattgefunden hat, wer davon betroffen war, und welche Personen bzw. welche Bedingungen die Ausübung der Gewalt ermöglicht oder eventuell verdeckt haben. (…)“
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Der Antragsteller wird in diesem Schriftstück als „Tatperson“ bezeichnet, die anzuhörenden Personen sollen u.a. dazu befragt werden, „wie die Belästigungen/Übergriffe, die Sie selbst erlebt oder beobachtet haben, erfolgt sind.“ Die Kommission beabsichtigt demnach, Tatsachen zu konkreten Vorgängen festzustellen, indem Anhörungen durchgeführt und Betroffene als Zeugen befragt werden.
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bb)
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Die Kommission als von dem Beklagten eingesetztes und beauftragtes, aber von diesem unabhängiges Gremium übernimmt damit Aufgaben, die nach § 5 der P.-Satzung (Anlage N11), §§ 1, 27 ff. der P.-Rechtsordnung Stand 24.06.2023 (Anlage N07) und § 12 der P.-TRO Stand 03.10.2021 (Anlage N10) verbandsinternen Organen und Gremien zugewiesen sind. Namentlich bei Pflichtverletzungen von Trainern bzw. Trainerinnen (gem. § 12 Abs. 1 und Abs. 2 der P.-TRO) besteht nach § 12 Abs. 3 der P.-TRO eine Zuständigkeit des P.-Vorstandes, der P.-Ligaverbände und/oder Präsidien/Vorstände von Verbänden, Bezirken oder Vereinen, die die Lizenz ausgestellt oder verlängert haben oder in deren Zuständigkeitsbereich der oder die Trainerin tätig ist oder zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens tätig war. Es ist nicht vorgesehen, dass diese Aufgaben an eine privatrechtlich beauftragte Kommission ausgelagert werden kann.
30
b)
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Ungeachtet der zweifelhaften verbandsinternen Legitimation ist zudem glaubhaft gemacht, dass die Tätigkeit der Aufarbeitungskommission zu einer gegenwärtigen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Antragstellers führt, da er zum Objekt einer verbandsintern angeordneten Maßnahme wird. Die von der Kommission erarbeiteten Hintergrundinformationen (Anlage N03) und der Inhalt der E-Mail der Kommissionsvorsitzenden vom 03.05.2024 (Anlage N06) geben Anlass zu der Annahme, dass in diesem Zusammenhang elementare Verfahrensgrundsätze wie der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die auch bei Ermittlungen zur Vorbereitung verbandsinterner Maßnahmen mit Sanktionscharakter zu beachten sind (BGH, Urteil vom 03.03.1971, KZR 5/70, juris Rn. 43; Senat, Urteil vom 13.10.2021, 8 U 220/20, juris Rn. 128; Ellenberger in: Ellenberger, BGB, 83. Auf., § 25 Rn. 18; Leuschner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. § 25 BGB Rn. 83), nicht eingehalten werden. Denn die Kommission beabsichtigt nicht, dem Antragsteller die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugänglich zu machen, sondern die Anonymität der Personen, mit denen die Kommission bereits gesprochen hat, soll vollständig gewahrt werden. Der Antragsteller hat damit keine Möglichkeit, sich mit den gegen ihn erhobenen (konkreten) Vorwürfen auseinanderzusetzen. Der Verweis der Vorsitzenden der Kommission auf den Inhalt von Presseveröffentlichungen in der E-Mail vom 03.05.2024 (Anlage N06) ist ersichtlich unzureichend. Hierdurch wird dem Antragsteller die Wahrnehmung seiner Rechte unzumutbar erschwert.
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c)
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Diese Vorgänge begründen einen Anspruch des Antragstellers, den Antragsgegner anzuweisen, der Kommission die weitere Untersuchung von Vorgängen, die im Zusammenhang mit dem Antragsteller stehen, zu untersagen. Er muss nicht tolerieren, dass eine von dem Beklagten eingesetzte unabhängige Kommission im Verborgenen Ermittlungen gegen ihn führt. Denn die Kommission beabsichtigt, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen, wobei glaubhaft ist, dass in Bezug auf die Person des Antragstellers eine Anonymisierung angesichts der öffentlich gemachten Tätigkeit und Zielsetzung der Kommission (Aufarbeitung von Vorfällen im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den Trainer C.) nicht möglich ist. Zudem behält sich der Antragsgegner vor, auf der Grundlage der Arbeit der Kommission verbandsinterne Maßnahmen gegen den Antragsgegner zu ergreifen, wie sich aus dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29.02.2024 (Anlage N04) ergibt. Allerdings droht durch die Tätigkeit der Kommission eine Vorverurteilung des Antragstellers, die dieser nicht hinnehmen muss. Aus diesem Grund muss sich der Antragsteller nicht darauf verweisen lassen, die Arbeit der Kommission abzuwarten ‒ zu einer Teilnahme an der beabsichtigten Aufarbeitung ist er nicht verpflichtet ‒ und sich im Rahmen des ggf. anschließenden verbandsinternen Sanktionsverfahrens zu verteidigen.
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II.
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Es ist auch ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940, 920 Abs. 2, 936 ZPO glaubhaft gemacht. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes setzt bei verbandsinternen Streitigkeiten nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit voraus, die nicht schon aufgrund bloßer abstrakter Erwägungen angenommen werden kann, sondern konkret im Einzelfall begründet werden muss (Senat, Urteil vom 10.03.2021, 8 U 151/20, juris Rn. 6; Urteil vom 19.06.2024, 7 U 177/22, juris Rn. 105).
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1.
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Hier besteht die konkrete Besorgnis, dass die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers auf Einhaltung eines fairen Verfahrens durch die Fortsetzung der auf ihn bezogenen Tätigkeit der Aufarbeitungskommission vereitelt würde. Der Antragsteller muss konkret befürchten, dass die Kommission ihre Tätigkeit nach Maßgabe der Anlage N03 fortsetzt und einen Bericht erstellt und veröffentlicht, der Feststellungen zu seiner Person und von ihm begangenen Handlungen enthält, zu denen er nicht angemessen Stellung nehmen konnte. Die durch die mediale Berichterstattung ohnehin eingeleitete Vorverurteilung des Antragstellers würde dann möglicherweise durch ein von dem Beklagten legitimiertes Gremium perpetuiert.
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2.
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Die besondere Eilbedürftigkeit ist nicht durch eine längere Untätigkeit des Antragstellers widerlegt (sog. Selbstwiderlegung, vgl. G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 935 Rn. 12). Der Antragsteller wurde erstmals durch die Übersendung der Hintergrundinformation an seinen Bevollmächtigten mit E-Mail vom 18.03.2024 (Anlage N02) darüber informiert, welcher Methodik sich die Aufarbeitungskommission zum Zwecke der Aufarbeitung der gegen ihn gerichteten Vorwürfe bedient. Trotz seines allgemeinen Wissens von der Einsetzung der Kommission erhielt der Antragsteller erst dadurch konkrete Kenntnis von Umständen, die die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechtsstellung nahelegten. Es ist vor dem Hintergrund der durch die Anlage N08 (Bl. 185 f. eGA I) glaubhaft gemachten Erkrankung des Antragstellers unschädlich, dass dieser sich erst nach Beginn seines Klinikaufenthaltes am 17.04.2024 und im Rahmen des dort gebotenen geschützten Rahmens näher mit den nunmehr zu ergreifenden Maßnahmen befasste. Zudem durfte der Antragsteller zunächst versuchen, mit Hilfe seines Bevollmächtigten den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.06.2022, 5 W 18/22, juris Rn. 44). Etwaige tatsächliche Unsicherheiten waren frühestens nach der an den Bevollmächtigten des Antragstellers gerichteten E-Mail vom 03.05.2024 (Anlage N06) beseitigt. Ob die „Selbstanzeige“ vom 08.05.2024 (Anlage N09), die der Antragsgegner mit Schreiben vom 15.05.2024 (Anlage N05) beantworten ließ, ebenfalls einen notwendigen Zwischenschritt darstellte, kann dahinstehen. Denn jedenfalls leitete der Antragsteller innerhalb von drei Wochen nach Zugang der E-Mail vom 03.05.2024 das einstweilige Verfügungsverfahren ein. Dies stellt ‒ wiederum vor dem Hintergrund des fortdauernden Klinikaufenthaltes des Antragstellers ‒ kein zu langes Zuwarten dar.
40
3.
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Die Abwägung der wechselseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers der Vorzug zu geben ist. Das Interesse des Beklagten an einer verbandsinternen Aufarbeitung durch die Aufarbeitungskommission muss demgegenüber jedenfalls bis zu einer Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren 17 O 18/24 Landgericht Dortmund zurückstehen. Der Beklagte kann bei Vorliegen der Voraussetzungen jederzeit ein verbandsinternes Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller einleiten und konkrete Pflichtverletzungen untersuchen lassen. Der Kommission ist es zudem unbenommen, sich allgemein mit den Strukturen innerhalb des Beklagten zu befassen.
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III.
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1.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ein Teilunterliegen des Antragstellers liegt nicht vor, denn dieser erreicht sein durch den Inhalt der Antragsschrift definiertes Rechtsschutzziel in vollem Umfang. Der Senat hat lediglich im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens (§ 938 Abs. 1 ZPO) die Beschlussformel anders gefasst, als von dem Antragsteller beantragt.
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2.
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Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es vor dem Hintergrund der §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO nicht.
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Der Senat weist darauf hin, dass ein gem. §§ 936, 924 ZPO statthafter Widerspruch gegen die vorliegende einstweilige Verfügung bei dem Landgericht Dortmund zu Az. 17 O 18/24 einzulegen wäre.