08.01.2010 · IWW-Abrufnummer 236446
Finanzgericht München: Beschluss vom 20.11.2000 – 7 V 4362/00
1. Führt ein gemeinnütziger Verein in Hotels Fortbildungsveranstaltungen durch und erhält er von Firmen, die in diesem Rahmen zu Werbungszwecken ihre Produkte ausstellen, von der Teilnehmerzahl abhängende Zahlungen, unterhält er insoweit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dass nicht der Verein, sondern die werbende Firma jeweils den Mietvertrag betreffend die Ausstellungsflächen mit den jeweiligen Veranstaltungshotel abgeschlossen hat, ist insoweit auch im Hinblick darauf unbeachtlich, dass die ausstellenden Firmen zuvor vom Verein selbst ausgewählt worden sind.
2. Bei der Ermittlung des Gewinns aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dürfen solche Ausgaben nicht abgezogen werden, die auch ohne den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entstanden wären.
3. Ein Verein verliert seine Gemeinnützigkeit nicht, wenn er sich die für die Steuerzahlung hinsichtlich eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs benötigten Mittel zur Vermeidung einer Existenzgefährdung durch Zuwendungen von Seiten seiner Mitglieder beschafft.
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des …
und der Richter am Finanzgericht …
ohne mündliche Verhandlung am 20. November 2000 beschlossen:
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der (als gemeinnützig anerkannte) Antragsteller einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten hat.
Wegen des Sachverhalts sowie der gestellten Anträge wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die Akten Bezug genommen.
Gründe
II.
Der Antrag ist nicht begründet.
An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 3, 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Beteiligten gehen (für die Streitjahre) übereinstimmend davon aus, daß der Antragsteller die formellen und materiellen Voraussetzungen der §§ 52 ff der Abgabenordnung (AO 1977) erfüllt hat. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist eine Körperschaft, die nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient, von der Körperschaftsteuer befreit. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG ist die Steuerbefreiung jedoch insoweit ausgeschlossen, als die Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält.
Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die keine bloße Vermögensverwaltung ist (§ 14 Satz 1 AO 1977).
Als Gegenstand einer selbständigen Tätigkeit in diesem Sinne kommen sämtliche Tätigkeiten (ebenso auch ein Dulden oder Unterlassen) in Betracht, aus denen Einnahmen erzielt werden können. Voraussetzung ist, daß die betreffende Betätigung vom steuerbegünstigten Wirkungsbereich der Körperschaft abgrenzbar ist.
Danach ist es als eine selbständige Tätigkeit zu werten, wenn der Antragsteller den bei seinen Veranstaltungen ausstellenden Firmen die Adressen der Teilnehmer überlassen hat. Davon kann für das vorliegende Verfahren ausgegangen werden. Zwar gilt die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang angesprochene Beweislastverteilung auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung. Wegen der Beschränkung des Prozeßstoffs auf die präsenten Beweismittel reicht es aber schon aus, wenn das Finanzamt (FA) die steuerbegründenden Tatsachen, zu denen auch die tatsächlichen Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gehören, glaubhaft macht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Oktober 1986 VII B 30/86, BFH/NV 1987, 44).
Diesen Anforderungen hat das FA genügt. Es hat ein Schriftstück vorgelegt, in dem eine der ausstellenden Firmen (…) im Zusammenhang mit der Begleichung einer Rechnung „für HH 15./16.5.93” die Übersendung der Adressen der Teilnehmer an der bezeichneten Veranstaltung angemahnt hat (Anlage 2 der Stellungnahme des FA zur Antragsbegründung). Dies legt die Annahme nahe, daß auch sonst in dieser Weise verfahren worden ist.
Unabhängig davon ist es aber auch als eine selbständige Tätigkeit i.S. des § 14 AO 1977 anzusehen, wenn der Antragsteller den daran interessierten Firmen gestattet, auf den Fortbildungsveranstaltungen für ihre Produkte zu werben. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt stellt auch der Antragsteller nicht in Frage. Diese rechtliche Beurteilung liegt auch dem vom Antragsteller angeführten BFH-Urteil vom 13. März 1991 I R 8/88 (BStBl II 1992, 101) zugrunde. Darin ist bei der Vermietung von Werbeflächen in Sportstätten in der Gestattung der Werbung der entscheidende Grund für die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gesehen worden.
Nach Auffassung des Antragstellers ist diese Rechtsprechung im Streitfall nicht anwendbar, weil nicht der Antragsteller, sondern das Veranstaltungshotel den Mietvertrag mit den ausstellenden Firmen abgeschlossen habe und somit die Gestattung zur Werbung allein vom Veranstaltungshotel erteilt worden sei.
Im Streitfall bedurfte es gleichwohl einer Gestattung des Antragstellers, weil die Veranstaltungshotels bei ihren Mietverträgen mit den ausstellenden Firmen von der Zustimmung des Antragstellers abhingen. Dazu ist davon auszugehen, daß die Veranstaltungshotels im Rahmen ihres Mietvertrags mit dem Antragsteller gemäß § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf die berechtigten Interessen des Antragstellers Rücksicht nehmen mußten (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 59. Aufl., § 242 Anm. 31).
Für die bei den Veranstaltungen des Antragstellers ausstellenden Firmen beruhte der Erfolg ihrer Werbemaßnahmen – wie dies auch der Antragsteller dargelegt hat – im wesentlichen darauf, daß der gute Ruf, den der Antragsteller bei den Teilnehmern der Veranstaltungen genoß, auf die ausgestellten Produkte ausstrahlte. Aus Sicht des Antragstellers ist es legitim, selbst darüber zu entscheiden, welche Firmen er an seinem guten Ruf teilhaben lassen wollte. Darauf muß auch das Veranstaltungshotel Rücksicht nehmen, das nur auf der Grundlage der Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen durch den Antragsteller an die ausstellenden Firmen vermieten kann. Den berechtigten Belangen des Antragstellers haben die Vertragshotels auch Rechnung getragen. Tatsächlich ist in der Weise verfahren worden, daß dem Antragsteller die Auswahl der ausstellenden Firmen überlassen worden ist. Nach den vorliegenden Unterlagen hat er die nach seiner Auffassung in Betracht kommenden Firmen selbst angeschrieben und ihnen die Möglichkeit der Teilnahme angeboten. Damit hat der Antragsteller die Gestattung zur Werbung bei seinen Veranstaltungen, von der das Veranstaltungshotel beim Abschluß der Mietverträge mit den ausstellenden Firmen abhing, diesen unmittelbar erteilt. Damit hat er sich den ausstellenden Firmen gegenüber selbständig betätigt, wie dies auch die – einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründende – Mitwirkung an den Werbemaßnahmen im Sinne des sog. Sponsoring-Erlasses (BStBl I 1998, 212) darstellt.
Ist aufgrund eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ein zu versteuerndes Einkommen zu ermitteln, so sind hierbei die Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen, die durch den Geschäftsbetrieb veranlaßt sind (zu Aufwendungen s. § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes – EStG – i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Steuerlich abzugsfähig sind danach (nur) solche Ausgaben, die ihre Ursache im Unterhalten des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs haben. Wären die Ausgaben auch ohne den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entstanden, so können sie bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 27. März 1991 I R 31/89, BStBl II 1992, 103).
Im Streitfall gehören danach die von den ausstellenden Firmen geleisteten Zahlungen zu den Einnahmen des Antragstellers aus seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Diese Zahlungen stellen sich als ein Entgelt für die Zulassung durch den Antragsteller zu seinen Veranstaltungen dar. Diesen Zusammenhang verdeutlicht auch, daß Rechnungen gestellt wurden und die Rechnungsbeträge – unter Berücksichtigung des Werts der Zulassung – nach der Zahl der Teilnehmer an den Veranstaltungen bemessen worden sind. Eine solche Abwägung von Leistung und Gegenleistung kennzeichnet den (entgeltlichen) Leistungsaustausch.
Die mit den Einnahmen zusammenhängenden Ausgaben hat das FA auf 50 % der Einnahmen geschätzt. Diese Schätzung ist keinesfalls zu niedrig. Der vom Antragsteller hilfsweise vorgelegten Berechnung der angefallenen Aufwendungen kann nicht gefolgt werden. Diese beziehen sämtliche Kosten für die Durchführung der Fortbildungsveranstaltung ein und berücksichtigen damit zu Unrecht auch solche Aufwendungen, die auch ohne den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entstanden wären. Soweit ersichtlich sind im. Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs des Antragstellers nur Kosten für die Antrage bei den ausstellenden Firmen bezüglich ihres Interesses an einer Werbung für ihre Produkte angefallen.
Im Streitfall kann auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen der geltend gemachten unbilligen Härte nicht gewährt werden. Nach ständiger Rechtsprechung kommt diese Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung – ungeachtet der persönlichen finanziellen Verhältnisse – nur in Betracht, wenn auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Sind – wie dies hier nach Auffassung des Senats der Fall ist – derartige Zweifel fast ausgeschlossen, scheidet eine Aussetzung der Vollziehung selbst dann aus, wenn die Vollziehung tatsächlich eine unbillige Härte zur Folge hätte (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1999 III B 16/99, BFH/NV 2000, 885 m.w.N.). Dadurch werden auch keine irreparablen Nachteile geschaffen, wie sie mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren wären. Diesen Folgen kann nämlich auch durch eine Stundung (§ 222 AO 1977) oder die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 258 AO 1977) begegnet werden.
Im übrigen würde der Antragsteller – entgegen seiner Auffassung – die Gemeinnützigkeit nicht dadurch verlieren, daß er sich die für die Steuerzahlung benötigten Mittel zur Vermeidung seiner Existenzgefährdung durch Zuwendungen von Seiten seiner Mitglieder beschafft. Wenn dies auch aus Rechtsgründen (u.a. auch des Fehlens einer satzungsmäßigen Grundlage) nicht im Wege der Umlage geschehen kann, so verbleibt dem Antragsteller doch die Möglichkeit von Zuschüssen seitens seiner Mitglieder.
Zwar dürfen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 Mittel der Körperschaft nur (also ausschließlich) für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Rechtsprechung hat es aber zugelassen, daß Mittel des ideellen Bereichs der Körperschaft vorübergehend zur Abdeckung eines Bedarfs des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verwendet werden dürfen, um ansonsten drohende Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden und die Fortführung der steuerbegünstigten Betätigung nicht zu gefährden. Dadurch soll der Körperschaft Gelegenheit gegeben werden, sich die zur Abdeckung des Bedarf des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs benötigten Mittel auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse in einer ordentlichen Mitgliederversammlung zu beschaffen (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1996 I R 152/93, BStBl II 1996, 711; vgl. auch BMF-Schreiben vom 19. Oktober 1998, BStBl I 1998, 1423). Wenn danach der Einsatz solcher Mittel – nach vorübergehender Abdeckung aus dem ideellen Bereich – unschädlich ist, kann nichts anderes gelten, wenn die für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb benötigten Mittel – ohne den Umweg über die vorübergehende Zuweisung von Mitteln des ideellen Bereichs – unmittelbar durch entsprechende Beschlußfassung in einer Mitgliederversammlung beschafft werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.