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  • 13.06.2014

    Landesarbeitsgericht: Urteil vom 25.04.2014 – 10 Sa 1718/13

    1.Aus § 241 Abs. 2 BGB kann sich die Verpflichtung eines Arbeitnehmers ergeben, seinem Arbeitgeber ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a BRZG vorzulegen.

    2.Bei der Frage, ob ein erweitertes Führungszeugnis durch den Arbeitnehmer vorzulegen ist, sind die Informationsinteressen des Arbeitgebers und die Schutzinteressen des Arbeitnehmers bezogen auf seine persönlichen Daten gegeneinander abzuwägen.

    3.Soweit die Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 Ziffer 1 oder 2 BRZG erfüllt sind, ergibt sich regelmäßig ein Recht des Arbeitgebers auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses durch den Arbeitnehmer. Soweit die Voraussetzungen des § 30a BRZG dagegen nicht erfüllt sind, wird der Arbeitgeber in der Regel die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht verlangen können.

    4.Eine Vorlageverpflichtung auf der Grundlage des § 30a Abs. 1 Ziffer 2c BRZG erfordert einen Kontakt des Arbeitnehmers zu Minderjährigen, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann.

    5.Bei der Einschätzung der Frage, ob eine besondere Gefahrensituation entstehen kann, steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu.

    6.Die bloße Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer zukünftig mit minderjährigen Klienten, Praktikanten oder Auszubildenden in Kontakt treten könnte, rechtfertigt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses regelmäßig nicht.

    7.Die Tätigkeit in einer Mitarbeitervertretung oder einem Betriebsrat führt auch dann, wenn in einem Betrieb minderjährige Mitarbeiter beschäftigt werden, in aller Regel nicht zu einer besonderen Gefahrensituation, die die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses rechtfertigen könnte.


    Tenor:

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013, 3 Ca 1425/13 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Abmahnungen.

    Die Klägerin ist 1954 geboren. Sie war zunächst ab dem 01.10.1994 im Rahmen eines befristeten Dienstvertrags (Bl. 179 ff. d.A.) bei dem Beklagten als Berufspraktikantin tätig. Seit dem 01.10.1995 ist die Klägerin als Altenpflegerin bei dem Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein schriftlicher Dienstvertrag vom 01.10.1995 (Bl. 176 ff. d.A.). Die monatliche Bruttovergütung der Klägerin beläuft sich auf 3.558,00 €.

    Der Beklagte war seit dem Jahre 1970 korporatives Mitglied im Caritas-Verband der Stadt H e.V. und über diesen dem Deutschen Caritasverband e.V. in Freiburg angeschlossen. Bei dem Beklagten handelte es sich insofern um eine caritative Einrichtung der katholischen Kirche.

    Zweck des Beklagten ist nach § 2 Abs. 2 der Vereinssatzung die Förderung der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, der Altenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Erziehung, der Volks- und Berufsbildung und des Wohlfahrtswesens sowie die selbstlose Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Zur Erfüllung dieses Zwecks erbringt der Beklagte personenzentrierte Dienstleistungen, damit Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen und sozialen Schwierigkeiten selbstbestimmt leben können und ihnen somit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Der Beklagte begleitet und betreut Menschen mit Assistenzbedarf in Nordrhein-Westfalen und bietet ihnen Angebote in den Bereichen Wohnen und Leben, Arbeit und Beschäftigung, Alltag und Freizeit an. Er betreibt in verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens Behindertenheime, Außenwohnungen, Einrichtungen der tagesstrukturierten Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit geistigen Behinderungen. Der Beklagte betreibt staatlich anerkannte Werkstätten für Behinderte, Menschen mit autistischer Behinderung sowie ambulante Dienste für betreutes Wohnen und allgemeine und psychiatrische Pflegedienste.

    Die Klägerin wird bei dem Beklagten seit dem Jahr 2007 im Haus B in H eingesetzt. Es handelt sich um ein Haus mit sechs Wohngruppen zu je vier Bewohnern. Bei den Bewohnern handelt es sich um psychisch kranke Menschen im Alter von über 35 Jahren.

    Das Haus B ist eine stationäre Einrichtung des Wohnverbundes Q. Der Wohnverbund Q bietet Lebensraum für erwachsene Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankung auf umfassende Hilfen angewiesen sind. Zu dem Wohnverbund Q zählen im Übrigen das Haus 13/18, das Haus 38 sowie die Außenwohnungsbereiche. Die einzelnen Bereiche des Wohnverbundes Q liegen verteilt in H. Zwischen dem Haus am B und dem Haus 13/18 liegt eine Entfernung von mehreren Kilometern.

    Bei dem Beklagten besteht auch ein Fachbereich A. Im Fachbereich A gibt es ein Kinder- und Jugendwohnheim, in dem auf sechs stationären Plätzen Klienten im Alter zwischen 14 und 17 Jahren betreut werden. Örtlich befindet sich der Fachbereich A in der Nähe des Hauses 13/18 des Wohnverbundes Q.

    Bei dem Beklagten existierte eine Mitarbeitervertretung für den Bereich Ruhrgebiet. Die Klägerin war Mitglied dieser Mitarbeitervertretung. Eine eigene Jugend- und Auszubildendenvertretung existierte nicht.

    Die Deutsche Bischofskonferenz hat im Jahre 2002 Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch an Minderjährigen erlassen und diese am 01.09.2010 weiter fortgeschrieben (Amtsblatt des Bistums Essen vom 08.10.2010, Stück 12, Seite 156 ff). Am 23.09.2010 hat die Deutsche Bischofskonferenz eine Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen beschlossen (Amtsblatt des Bistums Essen vom 19.11.2010, Stück 14, Seite 156 ff). Diese Rahmenordnung enthält unter II. 4 folgende Regelung:

    4. Personalauswahl und -entwicklung

    Die Prävention von sexuellem Missbrauch ist Thema im Vorstellungsgespräch, während der Einarbeitungszeit sowie in weiterführenden Mitarbeitergesprächen. In der Aus- und Fortbildung ist sie Pflichtthema. Haupt- und nebenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen entsprechend den gesetzlichen Regelungen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Außerdem ist die Unterzeichnung einer Selbstverpflichtungserklärung verbindliche Voraussetzung einer Anstellung wie auch einer Beauftragung zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit im kinder- und jugendnahen Bereich.

    Im Anschluss an diese Rahmenordnung wurde mit Wirkung zum 01.04.2011 eine Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen (Präventionsordnung) im Bistum Essen erlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Präventionsordnung vom 21.03.2011 (Bl. 12 ff. d.A.) Bezug genommen.

    Im Frühjahr 2012 begann der Beklagte mit der Umsetzung der Präventionsordnung. Er forderte in diesem Zusammenhang seine Beschäftigten mit Schreiben vom 22.06.2012 auf, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis gemäß § 30a BZRG vorzulegen (Bl. 24 f. d.A.). Während die große Mehrzahl der Beschäftigten des Beklagten dieser Aufforderung nachkam, legte die Klägerin dem Beklagten kein Führungszeugnis vor. Sodann wurde die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 06.12.2012 erneut zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses unter Fristsetzung bis zum 10.01.2013 aufgefordert (Bl. 26 d.A.). Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 03.01.2013 Stellung (Bl. 23 d.A.).

    Mit Schreiben vom 03.05.2013 (Bl. 8 f. d.A.) erteilte der Beklagte der Klägerin die erste streitgegenständliche Abmahnung. Hierzu ließ die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 (Bl. 19 f. d.A.) eine Gegendarstellung abgeben. Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 27.06.2013 (Bl. 21 d.A.). Sodann erteilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 02.07.2013 (Bl. 10 f. d.A.) die zweite streitgegenständliche Abmahnung.

    Am 26.08.2013 erließ die Deutsche Bischofskonferenz neue Leitlinien und eine neue Rahmenordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (Amtsblatt des Bistums Essen vom 20.12.2013, Stück 14, Seite 129 ff).

    Bis zur Erteilung der zweiten Abmahnung wurden während der Beschäftigung der Klägerin im Bereich des Wohnverbundes Qs dort keine minderjährigen Praktikanten eingesetzt. In der Zeit ab dem 04.11.2013 wurde im Bereich des Hauses 13/18 eine minderjährige Praktikantin beschäftigt.

    Mit ihrer am 05.07.2013 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die erteilten Abmahnungen. Sie ist der Ansicht, die Abmahnungen seien zurückzunehmen und alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben aus der Personalakte zu entfernen. Sie habe keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen, indem sie die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses abgelehnt habe. Der Beklagte sei weder in Anwendung der Präventionsordnung des Bistums Essen noch in Anwendung des Bundeszentralregistergesetzes berechtigt, von ihr die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses zu verlangen.

    Die personelle Reichweite der Vorlagepflicht aus § 30a BZRG sei anhand einer Auslegung des Gesetzes zu ermitteln. Erforderlich sei, dass ein Beschäftigter kinder- oder jugendnah tätig sei. Dies setze eine regelmäßige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und nicht einen gelegentlichen Umgang mit ihnen voraus. Gegen eine uferlose Ausweitung der Vorlagepflicht spräche das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters sowie das datenschutzrechtliche Informationserhebungsverbot aus § 4 Abs. 1 BDSG.

    Ein Einsatz von Minderjährigen und Jugendlichen im Arbeitsbereich der Klägerin verbiete sich bereits nach § 8 JuSchG. Nach dieser Vorschrift dürften sich Kinder oder jugendliche Personen nicht an Orten aufhalten, von denen Gefahren für das körperliche, geistige oder seelische Wohl drohen können. Selbst schwangere Mitarbeiterinnen, die im Wohnverbund Q eingesetzt würden, werde zum Schutz des Ungeborenen ein Beschäftigungsverbot erteilt, da aufgrund der psychischen Erkrankung der betreuten Klienten eine Gefährdungslage bestehe. Schon insofern habe die Klägerin keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu minderjährigen Praktikanten, Auszubildenden und Bundesfreiwilligendienstleistenden. Die in ihrem Arbeitsbereich eingesetzten Bundesfreiwilligendienstleistenden seien sämtlich volljährig. Dies gelte auch für die Jahrespraktikanten aus Erziehungsberufen. Ihr obliege nicht die Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger. Sie gehe auch keiner Tätigkeit nach, die in vergleichbarer Weise geeignet sei, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.

    Zwar würden im Kinder- und Jugendwohnheim des Fachbereichs A Minderjährige betreut. Allerdings sei sie in diesem Fachbereich zu keiner Zeit eingesetzt worden. Ein zukünftiger Einsatz sei auch wegen einer fehlenden Ausbildung für den Fachbereich A nicht möglich.

    Eine besondere Kontaktnähe ergebe sich auch nicht aus ihrer Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung. Minderjährige Mitarbeiter würden nicht beschäftigt. Die Betreuung der im Fachbereich A eingesetzten Mitarbeiter durch die Klägerin als MAV-Mitglied erfolge durch Gespräche im Büro der Mitarbeitervertretung

    Die Klägerin hat beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, die ihr mit Schreiben vom 03.05.2013 und 02.07.2013 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben zu entfernen.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hat die Ansicht vertreten, gemäß § 3 der Präventionsordnung vom 21.03.2011 in Verbindung mit § 30a BZRG verpflichtet zu sein, ein erweitertes Führungszeugnis von der Klägerin abzufordern. Die Weigerung der Klägerin, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, stelle eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar.

    § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BZRG nenne mehrere Fallgruppen, bei denen die Erteilung eines erweiterten Führungszeugnisses in Betracht komme. Insbesondere aus der dritten Fallgruppe werde ersichtlich, dass dem Arbeitgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt werden müsse. Denn nur er könne einschätzen, ob und inwieweit Mitarbeiter mit Minderjährigen Kontakte aufnehmen könnten.

    Da bei dem Beklagten minderjährige Praktikanten, Auszubildende und Bundesfreiwilligendienstleistende tätig seien und minderjährige Klientinnen und Klienten begleitet würden, hätten grundsätzlich alle Mitarbeiter die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, weshalb alle Mitarbeiter verpflichtet seien, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen.

    Die Klägerin sei zudem in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung im gesamten Geschäftsbereich Ruhrgebiet unterwegs und habe so auch Kontakt mit Minderjährigen. Im Jahre 2012 seien im Geschäftsbereich Ruhrgebiet zwei Minderjährige eingesetzt gewesen. Eine zuverlässige Abgrenzung zu Jugendlichen könne die Klägerin schon deshalb nicht garantieren.

    Auch im Wohnverbund Q, in welchem die Klägerin eingesetzt sei, könnten minderjährige Praktikanten eingesetzt werden. Insbesondere im Rahmen einer aktuell beschlossenen "Bildungsoffensive" sollten vor allem solche Praktikanten vor Ort eingesetzt werden, die bislang keinen Ausbildungsplatz erhalten hätten. Im Hinblick auf den demographischen Wandel und den zu erwartenden Fachkräftemangel sollten Schülern ab 16 Jahren im Rahmen eines zweiwöchigen Praktikums die zentralen Aspekte der Einrichtungskonzeption in einem festgelegten Prozess erfahrbar gemacht werden. Jeder Praktikant erhalte eine feste Praktikumsbegleitung. Als eine solche komme auch die Klägerin in Betracht. Der Beklagte könne dabei mit der Anforderung des Führungszeugnisses nicht bis zum Einsatz eines Schülerpraktikanten zuwarten. Denn der Einsatz von Schülerpraktikanten erfolge kurzfristig. Schon bei Praktikumsantritt müsse das Führungszeugnis vorliegen. Über alle Fachbereiche des Tagesstättenverbundes und über ein Jahr betrachtet befänden sich dort bereits jetzt bis zu zwei jugendliche Kandidaten in je zweimal sechswöchigen Praktika, sieben bis acht Schüler in dreiwöchigen Schulpraktika sowie einmal jährlich eine Konfirmandengruppe von 10 bis 15 Kindern in Begleitung eines Pfarrers. Es sei für Mitarbeiter daher fast unmöglich, minderjährigen Praktikanten nicht zu begegnen. Auch im Wohnverbund Q könnten minderjährige Praktikanten eingesetzt werden. Der Beklagte verweist insofern auf die ab dem 04.11.2013 dort eingesetzte minderjährige Praktikantin. Zudem könnten auch minderjährige Klienten, die originär in Einrichtungen der Jugendhilfe betreut werden, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe "eingestreut" werden.

    Ein Einsatz von Minderjährigen im Haus am B sei auch nicht nach den Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes ausgeschlossen. Gerade die Klägerin als Fachkraft könne von dem Beklagten mit dem Schutz und der Aufsicht von Jugendlichen beauftragt werden.

    Selbst wenn es in der Vergangenheit nicht zu einem Kontakt zwischen der Klägerin und minderjährigen Praktikanten und Klienten gekommen sein sollte, so sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin entsprechend § 4 TVöD-B im gesamten Einrichtungsbereich des Beklagten eingesetzt werden könne und somit auch immer die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu Minderjährigen bestehe. Insofern verweist der Beklagte darauf, dass im Fachbereich A minderjährige Klienten betreut würden. Auch in diesem Fachbereich sei die Klägerin grundsätzlich einsetzbar.

    Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Deutschen Bischofskonferenz ihre Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch und die Rahmenordnung auf erwachsene Schutzbefohlene erweitert habe.

    Ein weiteres Bedürfnis zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses ergebe sich aus § 25 JArbSchG.

    Durch Urteil vom 13.11.2013 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 03.05.2013 und 02.07.2013, da der Beklagte zumindest zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnungen gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses gehabt habe. Ein solcher Anspruch habe sich weder aus den §§ 2, 3 der Präventionsordnung für das Bistum Essen noch aus § 30a BZRG ergeben. Ein erweitertes Führungszeugnis sei nach diesen Vorschriften nur von Beschäftigten vorzulegen, die im Rahmen ihrer dienstlichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit Kinder und Jugendliche betreuen oder mit diesen regelmäßig in sonstiger Weise Kontakt haben können. Der Beklagte habe aber nicht dargelegt, dass die Klägerin eine Tätigkeit ausübe, die geeignet sei, in diesem Sinne Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Im Haus am B würden nur Klienten betreut, die über 35 Jahre alt seien. Der Beklagte habe auch keinen einzigen Minderjährigen benannt, der in dem relevanten Zeitraum bei der Klägerin im Haus B eingesetzt gewesen sei. Auch die abstrakte Möglichkeit, dass die Klägerin an einen anderen Arbeitsplatz versetzt werde, rechtfertige nicht die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergebe sich auch nicht, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Mitarbeitervertretung in besonderer Weise Kontakt mit Kindern, jugendlichen Klienten oder Praktikanten aufnehmen könne.

    Das Urteil ist dem Beklagten am 09.12.2013 zugestellt worden. Er hat gegen das Urteil am 23.12.2013 Berufung eingelegt und diese am 05.02.2014 begründet.

    Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus:

    Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Deutsche Bischofskonferenz ihre Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch und die Rahmenordnung geändert habe. Erwachsene Schutzbefohlene würden ausdrücklich in den Schutzbereich mit einbezogen. Das Arbeitsgericht habe zudem den Vorrang des Kirchenrechts missachtet, indem es fehlerhaft die Voraussetzungen des § 30a BZRG auf die vorgenannten kirchenrechtlichen Bestimmungen einschränkend mit angewandt habe. Die kirchenrechtlichen Bestimmungen der Präventionsordnung seien aber bereits unter das Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Bestimmungen in § 30a Abs. 1 Nr. 1 BRZG zu subsumieren. Die Präventionsordnung stelle nicht auf eine konkrete Begegnung der Mitarbeiter mit den zu schützenden Personen ab. Es genüge vielmehr die abstrakte Begegnungs- bzw. Kontaktmöglichkeit. Die einschränkende Auslegung des § 30a BZRG könne auch deshalb nicht greifen, weil in dem Individualarbeitsvertrag darüber hinaus ein besonderer kirchenrechtlicher Bezug durch die Präambel verankert worden sei, der die vorrangige Anwendung des Kirchenrechts konstituiere.

    Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung regelmäßig in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen trete. Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Mitarbeitervertretungsordnung sehe nämlich für die Gruppe der Jugendlichen und Auszubildenden gerade keine eigenständige Jugend- und Auszubildendenvertretung vor. Inwieweit tatsächlich eine Begegnung zwischen der Klägerin und Minderjährigen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung stattfinde, unterliege nicht der Kontrolle des Beklagten. In den geschaffenen Vertrauensräumen könne gerade eine vertrauliche und vom Arbeitgeber nicht zu überprüfende Kontaktaufnahme stattfinden.

    Weiterhin habe das Arbeitsgericht nicht hinreichend gewürdigt, dass im Wohnbereich Q ab dem 04.11.2013 tatsächlich eine minderjährige Praktikantin eingesetzt worden sei. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Abmahnung seien auch nachgelagerte Tatumstände wie etwa der geplante Einsatz von Minderjährigen zu berücksichtigen.

    Der Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013, Az.: 3 Ca 1425/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe mit zutreffenden Erwägungen entschieden, dass der Beklagte nicht aus den §§ 2, 3 der Präventionsordnung einen Anspruch herleiten könne, von der Klägerin die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses zu verlangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten existiere ein besonderer Vorrang des Kirchenrechts gegenüber § 30a BZRG nicht. Soweit es um die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gehe, habe dies nichts mit irgendwelchen konfessionellen Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses zu tun. Dementsprechend seien die Bestimmungen der Präventionsordnung auch keine gesetzlichen Bestimmungen im Sinne des § 30a Abs. 1 BZRG. Letztendlich könne dies jedoch dahinstehen, da die Regelungen der Präventionsordnung den Regelungen von § 30a BZRG entsprächen.

    Ein erweitertes Führungszeugnis sei nur vorzulegen, wenn ein Mitarbeiter regelmäßigen Kontakt mit jugendlichen Schutzbefohlenen habe. Die Klägerin habe jedoch keinerlei Aufgaben, in deren Rahmen ihr minderjährige Schutzbefohlene anvertraut würden. Die bloße Kontaktmöglichkeit im Rahmen der Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung reiche nicht aus. Es komme auch nicht darauf an, ob es zum Einsatz einer minderjährigen Praktikantin gekommen sei. Ein Praktikumsverhältnis sei kein besonderes Betreuungsverhältnis. Zudem sei die Klägerin in keiner Weise mit der Unterweisung einer minderjährigen Praktikantin befasst gewesen.

    Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokollerklärungen ergänzend Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Berufung ist zurückzuweisen. Sie ist zulässig aber nicht begründet.

    I.

    Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b ArbGG. Der Beklagte hat seine Berufung gegen das am 09.12.2013 zugestellte Urteil auch form- und fristgerecht innerhalb der Monatsfrist nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 23.12.2013 eingelegt und am 05.02.2014 ordnungsgemäß nach den §§ 520 Abs. 3 i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG begründet.

    II.

    Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Klageanträgen in vollem Umfang entsprochen.

    Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die ihr erteilten Abmahnungen vom 03.05.2013 und 02.07.2013 zurückgenommen und alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben aus der Personalakte entfernt werden.

    1.

    Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen.

    Bei der Abmahnung, die in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert wurde, handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (vgl. BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842 ff.).

    Ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (BAG 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 - NZA 2013, 91 ff.).

    Besteht ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung ist auch der gesamte mit der Abmahnung im Zusammenhang stehende Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen (LAG Hamburg 14.03.2012 - H 6 Sa 116/11 - [...]).

    Das Begehren auf Rücknahme einer Abmahnung wird neben dem auf ihre Entfernung aus der Personalakte zumeist nicht eigenständig verfolgt. Eine mit dem Klageantrag verlangte "Rücknahme und Entfernung" der Abmahnung ist als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zu verstehen (BAG 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 - NZA 2013, 91 ff.).

    2.)

    Die Abmahnungen vom 03.05.2013 und 02.07.2013 sind zurückzunehmen und mit den damit im Zusammenhang stehenden Schreiben aus der Personalakte zu entfernen. Die Abmahnungen wurden zu Unrecht erteilt. Das Verhalten der Klägerin wurde von dem Beklagten in den Abmahnungen rechtlich unzutreffend bewertet. Die Klägerin hat sich nicht pflichtwidrig verhalten, indem sie sich vor Ausspruch der Abmahnungen weigerte, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen.

    a)

    Allerdings kann grundsätzlich eine Pflicht des Arbeitnehmers nach § 241 Abs. 2 BGB bestehen, ein Führungszeugnis vorzulegen. Jedem Arbeitsverhältnis wohnt die Nebenpflicht der einen Vertragspartei inne, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen der anderen Vertragspartei so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 14.01.2009 - 3 AZR 71/07 - NZA 2010, 63 f.). Aus § 241 Abs. 2 BGB kann sich insofern auch die Verpflichtung des Arbeitnehmers ergeben, dem Arbeitgeber Auskünfte zu Fragen zu erteilen, die im Zusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis stehen und die sich der Arbeitgeber auf andere zumutbare Art nicht beschaffen kann (BAG 07.09.1995 - 8 AZR 828/93 - NZA 1996, 637 ff.). Insofern kann auch eine Verpflichtung des Arbeitnehmers nach § 241 Abs. 2 BGB bestehen, dem Arbeitgeber durch Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses Auskunft zu erteilen.

    b)

    Bei der Frage, ob ein Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses besteht, sind das Informationsinteresse des Arbeitgebers und das Schutzinteresse des Arbeitnehmers bezogen auf seine persönlichen Daten gegeneinander abzuwägen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Vorlageverlangens ist, ob der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse daran hat, den Inhalt des erweiterten Führungszeugnisses zu erfahren (Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, NZA 2012, 776, 778). Durch das mit Wirkung vom 01.05.2010 in Kraft getretene fünfte Gesetz zur Änderung des BZRG ist in § 30a das erweiterte Führungszeugnis eingeführt worden. Soweit die Voraussetzungen des § 30a BZRG erfüllt sind, ist von einem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers an einer Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses auszugehen (Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, NZA 2012, 776, 779). Dies ist einerseits nach § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BZRG der Fall, wenn das Führungszeugnis für die Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72a SGB VIII (Buchstabe a), für eine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger (Buchstabe b) oder für eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe b vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu minderjährigen aufzunehmen (Buchstabe c) benötigt wird. Dies ist andererseits nach § 30a Ziffer 1 BZRG der Fall, wenn die Erteilung des Führungszeugnisses in anderen gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf § 30a BZRG verlangt wird. Soweit dagegen ein Fall des § 30a BZRG nicht vorliegt, wird der Arbeitgeber regelmäßig die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses aus Gründen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschäftigten sowie des Datenschutzes nicht verlangen können (Löwisch/Mysliwiek, Datenschutz bei Anforderung und Nutzung erweiterter Führungszeugnisse, NJW 2012, 2389 ff).

    c)

    Die Klägerin unterfällt nicht den Regelungen des § 30a Nr. 2 BRZG. Sie ist nicht im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (§ 30a Abs. 1 Ziffer 2a BRZG) tätig. Sie verrichtet auch keine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger (Buchstabe b). Sie übt schließlich auch keine Tätigkeit aus, die in einer dem Buchstaben b) vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen (Buchstabe c).

    aa)

    § 30a BZRG trägt dem Umstand Rechnung, dass es bei bestimmten beruflichen oder ehrenamtlichen jugend- und kindernahen Tätigkeiten ein Bedürfnis für ein erweitertes Führungszeugnis gibt, weil sich Menschen mit pädophilen Neigungen bewusst Betätigungsfelder mit einer Nähe zu Kindern und Jugendlichen suchen. Damit es nicht zu Lücken beim Schutz von Kindern und Jugendlichen kommt, ist ein Führungszeugnis auch für Personen vorgesehen, die in einer der Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung vergleichbaren Weise die Möglichkeit haben, Kontakt zu Minderjährigen herzustellen. Hierunter können beispielsweise Hausmeister an Schulen oder Bademeister in einem öffentlichen Schwimmbad fallen (BT-Drs. 16/12427, S. 8). Andererseits darf die Auslegung und Anwendung des § 30a BRZG nicht zu einer uferlosen Verpflichtung zur Vorlage von Führungszeugnissen führen. Denn stets sind auch die grundgesetzlich geschützten Interessen des betroffenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Erforderlich ist stets die Bedingung, dass die jeweilige Berufsgruppe bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hat, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann (Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, NZA 2012, 776, 779). Andererseits ist dem Arbeitgeber bei der Frage, ob eine besondere Gefahrensituation entstehen kann, ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen (Löwisch/Mysliwiek, Datenschutz bei Anforderung und Nutzung erweiterter Führungszeugnisse, NJW 2012, 2389 ff.).

    bb)

    Die Klägerin gehörte jedenfalls zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abmahnungen nicht zu dem Personenkreis, der bestimmungs- und arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hatte, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden konnte. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die von ihr zu betreuenden Klienten (1) als auch unter dem Gesichtspunkt der Betreuung von minderjährigen Praktikanten (2) als auch schließlich unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Mitglied der Mitarbeitervertretung (3).

    (1)

    Bezogen auf die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu betreuenden Klienten besteht für die Klägerin keine besondere Gefahrensituation, die die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses rechtfertigen könnte.

    Die Klägerin gerät während ihrer Tätigkeit im Haus am B nicht mit minderjährigen Klienten in Kontakt. Seit Beginn ihrer Tätigkeit im Haus am B im Jahr 2007 wurden dort keine minderjährigen Klienten betreut. Vielmehr handelt es sich um Klienten, die derzeit durchgängig mindestens das 35. Lebensjahr vollendet haben. Es sind auch in der Vergangenheit keine minderjährigen Klienten in das Haus am B "eingestreut" worden. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass dies zukünftig einmal geschehen könnte, führt nicht zu einer besonderen Gefahrensituation, die die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses rechtfertigen könnte.

    Das Haus am B ist räumlich deutlich abgegrenzt vom Fachbereich A, in dem Minderjährige betreut werden. Zwischen den Bereichen liegt eine Entfernung von mehreren Kilometern. Daher besteht auch bezogen auf einen Kontakt mit den Jugendlichen aus dem Bereich des Fachbereichs A gegenwärtig keine besondere Gefahrensituation.

    Es kann dahinstehen, ob die Klägerin nach den arbeitsvertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts in den Fachbereich A versetzt werden könnte. Allein die Möglichkeit, dass die Klägerin in diesen Bereich versetzt werden könnte, rechtfertigt es nicht, von ihr schon jetzt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses zu verlangen. Dabei steht außer Zweifel, dass bezogen auf die im Fachbereich A eingesetzten Beschäftigten ein Anspruch des Beklagten auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses besteht. Dem Beklagten ist auch zuzugeben, dass sein Direktionsrecht jedenfalls in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird, wenn er vor einer Versetzung der Klägerin in den Fachbereich A von dieser zunächst die Vorlage des Führungszeugnisses verlangen muss. Dieser Nachteil wiegt aber nicht so schwer, dass er die Persönlichkeitsinteressen der Klägerin schon jetzt überwiegen könnte. Es ist dem Beklagten zumutbar, vor einer Versetzung der Klägerin in den Fachbereich A die für eine Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses notwendige Zeit abzuwarten. Ein etwaig möglicher zukünftiger Einsatz der Klägerin im Fachbereich A rechtfertigt nicht schon jetzt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses durch die Klägerin.

    (2)

    Die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses rechtfertigt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit minderjährigen Praktikanten in Kontakt kommen kann.

    Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis dahinstehen, ob ein Einsatz von minderjährigen Praktikanten im Arbeitsbereich der Klägerin nach § 8 JuSchG überhaupt zulässig ist. Es kann auch dahinstehen, ob der mögliche Einsatz von minderjährigen Praktikanten im Allgemeinen geeignet ist, eine besondere Gefährdungslage zu begründen, die es rechtfertigt, von einem Beschäftigten, der mit diesem Praktikanten in Kontakt kommen kann, die Vorlage eines Führungszeugnisses zu verlangen. Im Hinblick darauf, dass den Schülerinnen und Schülern weiterführender Schulen vielfach die Durchführung von Sozial- und Betriebspraktika angeboten wird, könnte eine solche Betrachtungsweise zu einer erheblich Ausweitung des Kreises der Arbeitnehmer führen, der ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen hat.

    Unabhängig von diesen allgemeinen Erwägungen kann aber der mögliche Einsatz von Praktikanten - auch im Rahmen der von dem Beklagten dargestellten Bildungsoffensive - die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses durch die Klägerin nicht rechtfertigen. Der Klägerin war in der Zeit ihrer beruflichen Tätigkeit im Haus am B nicht damit betraut, minderjährige Praktikanten zu betreuen. Auch die ab November 2013 im Wohnverbund Q eingesetzte Minderjährige wurde nicht in Arbeitsplatznähe zur Klägerin eingesetzt. Sie wurde vielmehr in dem mehrere Kilometer entfernten Haus 13/18 ausgebildet.

    Dem Beklagten ist zuzugeben, dass ihm zukünftig der Einsatz eines minderjährigen Praktikanten im Haus am B erschwert wird, wenn er vor dessen Einsatz zunächst die Vorlage eines Führungszeugnisses durch die Klägerin verlangen muss. Dieses Erschwernis ist dem Beklagten aber unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen zumutbar. Es nimmt dem Beklagten lediglich die Möglichkeit, einen Minderjährigen sofort im Haus am B einzusetzen. Der Beklagte muss vielmehr die Vorlaufzeit berücksichtigen, die dafür erforderlich ist, ein erweitertes Führungszeugnis durch die betroffenen betreuenden Arbeitnehmer, u.a. die Klägerin, anfordern zu lassen. Dieser Vorlauf ist dem Beklagten auch unter Berücksichtigung des Interesses, Praktikanten einen möglichst optimalen Service zu bieten, bei Abwägung mit den Persönlichkeitsinteressen der Klägerin zumutbar. Legt der Arbeitgeber die Vorschrift des § 30a BRZG streng in dem Sinne aus, dass er schon bei einem kurzfristigen Einsatz von Schülerpraktikanten eine besondere Gefahrenlage als gegeben ansieht, so mag ihm dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums zugestanden werden. Der Arbeitgeber muss es aber dann umgekehrt in Kauf nehmen, dass Schülerpraktikanten nicht von heute auf morgen einem Arbeitnehmer zugewiesen werden können, der bislang nicht mit der Betreuung von Minderjährigen befasst war.

    (3)

    Auch die Tätigkeit der Klägerin als Mitglied der Mitarbeitervertretung begründet keinen Anspruch des Beklagten auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses.

    Es kann dahinstehen, ob bei dem Beklagten überhaupt minderjährige Personen beschäftigt wurden oder werden, für die eine Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung besteht. Der Umstand, dass Mitglieder einer Mitarbeitervertretung oder eines Betriebsrats im Rahmen ihrer Tätigkeit mit minderjährigen Beschäftigten in Kontakt kommen können, rechtfertigt keine besondere Gefährdungslage.

    Dabei ist dem Beklagten zuzugeben, dass die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung und insbesondere die Frage, wann welches Mitglied der Mitarbeitervertretung Kontakt zu welchem minderjährigen Beschäftigten hat, der Kontrolle des Arbeitgebers weitgehend entzogen ist. Gleichwohl begründet dies keine besondere Gefährdungslage. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsinteressen kann nicht von jedem Mitglied einer Mitarbeitervertretung oder eines Betriebsrats etwa im Hinblick auf die mögliche Durchführung von Sprechstunden für die Beschäftigten die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verlangt werden.

    Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aufgrund von Besonderheiten bei dem Beklagten. Es mag zwar sein, dass die Klägerin bei Kontakten mit Mitarbeitern des Fachbereichs A auch deren jugendlichen Klienten begegnet. Auch insofern kann jedoch nicht von einem regelmäßigen Kontakt ausgegangen werden, der eine besondere Gefährdungslage begründet.

    Zudem dürfen Mitglieder der Mitarbeitervertretung gemäß § 18 Abs. 1 MAVO aufgrund ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Auch vor dem Hintergrund dieses Benachteiligungsverbots erscheint es bedenklich, von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung gerade unter Hinweis auf ihre Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses zu verlangen.

    Nach alledem ist eine Vorlagepflicht für die Klägerin aus § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BRZG nicht begründet.

    d)

    Eine Vorlagepflicht ergibt sich auch nicht aus § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 30a Abs. 1 Ziffer 1 BRZG und in Verbindung mit kirchengesetzlichen Regelungen. Es kann dahinstehen, ob Rahmenordnungen der Deutschen Bischofskonferenz oder Präventionsordnungen einzelner Bistümer gesetzliche Bestimmungen im Sinne von § 30a Abs. 1 Nr. 1 BRZG sein können. Die Regelungen der Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz vom 23.09.2010 sowie der Präventionsordnung des Bistums Essen vom 21.03.2011 erweitern die Verpflichtungen zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nach § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BRZG und insbesondere den Kreis der betroffenen Beschäftigten im Vergleich zur gesetzlichen Regelung nicht (aa). Die Regelungen der Rahmenordnung vom 26.08.2013 können zur Beurteilung der streitgegenständlichen Abmahnungen nicht herangezogen werden (bb).

    aa)

    Durch die Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz vom 23.09.2010 werden die Verpflichtungen von kirchlich beschäftigten Personen zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen nicht erweitert. Denn die Regelung in II. 4 der Rahmenordnung bestimmt, dass die Beschäftigten entsprechend den gesetzlichen Regelungen ein Führungszeugnis vorzulegen haben. Damit wird gerade auf die allgemeinen Regelungen Bezug genommen und keine weitergehende Vorlagepflicht begründet.

    Auch durch die Präventionsordnung des Bistums Essen vom 21.03.2011 findet eine Erweiterung des Pflichtenkreises nicht statt. Ausweislich der Präambel knüpft die Präventionsordnung des Bistums Essen an die Rahmenordnung vom 23.09.2010 an. Schon vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass die Präventionsordnung des Bistums in ihren Anforderungen an die Vorlagepflicht bezogen auf ein erweitertes Führungszeugnis über die Regelungen der Rahmenordnung sowie die gesetzlichen Regelungen nach § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BRZG hinausgehen will.

    Auch durch die konkrete Regelung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses in § 3 der Präventionsordnung werden keine über die Regelung des § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BRZG hinausgehenden Vorlageverpflichtungen begründet. Zwar übernimmt § 3 der Präventionsordnung nicht vollinhaltlich den Wortlaut von § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BZRG. Inhaltlich sind aber keine maßgeblichen Unterschiede festzustellen. Nach § 3 Abs. 3 der Präventionsordnung besteht die Vorlageverpflichtung für Beschäftigte, die Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben. § 3 Abs. 4 der Präventionsordnung erweitert die Vorlageverpflichtung auf Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen Kontakt haben können. Der Kreis der betroffenen Personen ist nicht weiter als der Kreis der nach § 30a Abs. 1 Ziffer 2c BRZG betroffenen Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die in einer vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Ebenso wie die Regelung in § 3 Abs. 4 der Präventionsordnung stellt auch § 30a Abs. 1 Ziffer 2c BRZG auf die Begegnungsmöglichkeit ab.

    Auch nach § 3 Abs. 4 der Präventionsordnung ist die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nur geboten, wenn nach der Art der Tätigkeit beim Kontakt mit Minderjährigen eine besondere Gefährdungslage besteht. Eine andere Auslegung des § 3 Abs. 4 der Präventionsordnung wäre mit dem grundrechtlich verbürgten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vereinbar.

    Da somit die Beurteilung der Vorlagepflicht nach den Regelungen der Rahmenordnung vom 23.09.2010 und der Präventionsordnung vom 23.03.2011 den gleichen Grundsätzen folgt wie die Beurteilung der Vorlagepflicht nach § 30 Abs. 1 Ziffer 2 BRZG, wird auch durch diese Regelungen ein Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und § 30a Abs. 1 BRZG nicht begründet.

    bb)

    Die Regelungen der Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz vom 24.08.2013 sind nicht geeignet, die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Abmahnungen zu begründen. Diese Rahmenordnung war im Zeitpunkt der Erteilung der Abmahnungen noch nicht in Kraft gesetzt. Regelungen der Rahmenordnung konnten daher weder am 03.05.2013 noch am 02.07.2013 Rechtspflichten der Klägerin begründen. Es kann insofern dahinstehen, inwiefern auf der Grundlage der Rahmenordnung vom 24.08.2013 nunmehr nach § 30a Abs. 1 Ziffer 1 BRZG in Verbindung mit der Rahmenordnung eine Verpflichtung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch für Beschäftigte bestehen kann, die ausschließlich erwachsene Schutzbefohlene betreuen.

    e)

    Eine Verpflichtung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses ergibt sich auch nicht aus § 25 JArbSchG. § 25 JArbSchG ist schon keine Vorschrift im Sinne von § 30a Abs. 1 Ziffer 1 BZRG, die unter Bezugnahme auf § 30a BZRG die Erteilung eines Führungszeugnisses vorsieht. Denn in § 25 JArbSchG wird auf § 30a BRZG nicht Bezug genommen. Zudem ist die Klägerin in der Vergangenheit nicht mit der Ausbildung Jugendlicher betraut worden. Die bloße Möglichkeit, dass die Klägerin zukünftig in Kontakt zu Auszubildenden oder Praktikanten treten könnte, kann die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht rechtfertigen.

    B.

    Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte zu tragen.

    C.

    Die Revision ist zuzulassen. Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Revision zuzulassen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verlangen kann, ist klärungsbedürftig, da sie bislang vom Bundesarbeitsgericht nicht entschieden worden ist. Die Rechtsfrage ist von allgemeiner und damit grundsätzlicher Bedeutung, da sie tatsächliche Auswirkungen für einen größeren Teil der Allgemeinheit hat.

    Vorschriften§ 241 Abs. 2 BGB, Werkstätten für Behinderte, Menschen, § 30a BZRG, Bundeszentralregistergesetzes, § 30a BZRG, § 4 Abs. 1 BDSG, § 8 JuSchG, § 30a BZRG, § 30a Abs. 1 Ziffer 2 BZRG, Jugendarbeitsschutzgesetzes