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  • 14.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200152

    Sozialgericht Düsseldorf: Urteil vom 14.11.2017 – S 6 U 460/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Sozialgericht Düsseldorf

    S 6 U 460/14

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.

    1

    Tatbestand:

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    Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Beitragszuschlags gemäß § 162 Abs. 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch Siebtes Buch Gesetzliche Unfallversicherung) in Verbindung mit § 29 der Satzung der Beklagten.

    3

    Mit "Bescheid über den Beitragszuschlag 2012 vom 26.08.2013 forderte die Beklagte von der Klägerin einen Beitragszuschlag in Höhe von 15.354,38 Euro. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2014 zurückgewiesen. Auf diese Verwaltungsakte wird wegen der Einzelheiten vollinhaltlich Bezug genommen.

    4

    Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 18.09.2014 erhobene Klage. Die Klägerin ist der Meinung, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da schon die Satzungsregelung rechtswidrig sei, da sie lediglich Zuschläge, nicht aber Nachlässe, vorsehe; hierzu weist sie auf ein urteil des SG Reutlingen S 2 U 1791/06 vom 05.06.2007 hin. Zudem seien zu Unrecht Kosten einer Abfindung berücksichtigt worden. Sie hält darüber hinaus die An-wendung der gesetzlichen Regelungen für Zuschläge nach § 162 SGB VII für unzulässig, sofern wie hier lediglich ein Versicherungsfall die Basis für den Beitragszuschlag darstelle; § 162 Abs. 1 Satz 4 SGB VII gehe von einer Mehrzahl von Versicherungsfällen aus. Außerdem sei die Satzungsregelung willkürlich und benachteilige sie unangemessen, da nicht zwischen den Kosten des Arbeitsunfalls und denen der Unfallrente differenziert worden sei. Schließlich sei der Bescheid auch nichtig, da Sinn und Zweck des Zuschlagsverfahrens diesem im vorliegenden Fall entgegenstünde, denn sie habe als professioneller Eishockeyverein keine Chance, präventiv Fouls gegnerischer Spieler entgegenzuwirken; da der Ausübung dieser Sportart ein besonderes Gefährdungsrisiko anhafte, sei es ihr nicht möglich, mit präventiven Maßnahmen ausgleichend einzuwirken.

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    Wegen näherer Einzelheiten ihres Vortrags wird ergänzend auf den weiteren Inhalt der Klagebegründung vom 17.12.2014 verwiesen.

    6

    Die Klägerin stellt folgende Anträge:

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    1. Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 wird aufgehoben.

    8

    2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin EUR 15.354,38 zu erstatten.

    9

    3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    10

    Die Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

    12

    Sie bleibt bei ihrer Entscheidung (Schriftsätze vom 06.10.2014 und 04.02.2015).

    13

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den restlichen Inhalt der Streitakten und der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, auch dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung der Kammer gewesen.

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    Entscheidungsgründe:

    15

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten ist nicht nichtig und auch nicht rechtswidrig, sie ist weder tatsächlich noch rechtlich zu beanstanden.

    16

    Die Beklagte hat nach Auffassung des Gerichts völlig zu Recht und in zutrffender Höhe einen Beitragszuschlag für das Jahr 2012 festgesetzt. Dies entspricht § 162 SGB VII in Verbindung mit der entsprechenden Satzungsregelung.

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    Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben die gewerblichen Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Das Nähere hierzu bestimmt nach § 162 Abs. 1 Satz 3 SGB VII die Satzung, wobei sich gemäß § 162 Abs. 1 Satz 4 SGB VII die Höhe der Zuschläge und Nachlässe nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale zu richten hat.

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    Entgegen der Ansicht der Klägerin verlangt diese gesetzliche Anordnung nicht die gleichzeitige Erhebung von Zuschlägen sowie die Gewährung von Nachlässen. Die Vorschrift ermöglich sowohl ein reines Beitragsnachlassverfahren als auch ein reines Beitragszuschlagsverfahren, wie auch eine Kombination von beidem (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil L 14 U 83/08 vom 02.03.2010). Der Gesetzeswortlaut lässt den Berufsgenossenschaften die Wahl, zur individuellen Beitragsdifferenzierung ein reines Zuschlags-, ein reines Nachlass- oder ein kombiniertes Zuschlags-/Nachlassverfahren einzuführen (siehe Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, Diss. 2006, S. 185; Schulz, Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Beitragsausgleichsverfahrens, 4. Auf. 1999, S. 17). Die von der Klägerin angegebene Entscheidung des SG Reutlingen konnte daher folgerichtig keinen Bestand haben und wurde deshalb auch aufgehoben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil L 1 U 3732/07 vom 30.06.2008).

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    Unzutreffend ist auch die Annahme der Klägerin, der Beitragszuschlag sei deshalb festgesetzt worden, weil in die Berechnung eine Rentenabfindung eingeflossen sei. Dem ist die Beklagte ausdrücklich entgegen getreten. Anhaltspunkte dafür, dass diese Behauptung nicht zutreffend könnte sind weder ersichtlich noch konkret vorgetragen worden.

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    Für die Festsetzung eines Beitragszuschlags ist entgegen der Meinung der Klägerin auch keine Mehrzahl von Versicherungsfällen erforderlich. Ein solcher Zuschlag kann durchaus bereits dann erhoben werden, wenn es sich um einen einzigen Unfall im Jahr handelt, der in den Verantwortungsbereich des Unternehmens fällt (so bereits LSG Niedersachsen, Entscheidung L 6a U 318/67 vom 24.07.1968; vgl. auch BSG, Urteil 2 RU 31/83 vom 18.10.1984). Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den grds. zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (siehe BSG, Urteil B 2 U 15/04 R vom 16.11.2005).

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    Auch der Hinweis auf die angeblich durch das Urteil des SG Karlsruhe S 1 U 3577/12 vom 15.01.2013 veranlasste Satzungsänderung verfängt nicht, selbst wenn dieses Urteil zwischenzeitlich offenbar rechtskräftig geworden ist. Der Begriff "Kosten umfasst ebenso wie der Begriff "Aufwendungen sowohl Sach- als auch Geldleistungen (dazu Heldmann, a.a.O., S. 197). Die unterschiedliche Wortwahl ist lediglich darauf zurückzuführen, dass in der Vorgängervorschrift des § 725 Abs. 2 RVO (Reichversicherungsordnung) von Kosten die Rede war, während § 162 Abs. 1 Satz 4 SGB VII nun von Aufwendungen spricht. Eine inhaltliche Änderung liegt darin nicht (vgl. BSG, Urteil B 2 U 15/04 R vom 16.11.2005).

    22

    Schließlich kann die Klägerin mit ihrem Argument, sie sei in Bezug auf eine Prävention in dieser Sportart chancenlos, nicht durchdringen. Das Gericht kann die Satzungsregelung nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen, sondern nur darauf, ob sie überhaupt geeignet ist, den mit einem Beitragszuschlagsverfahren verfolgten Zielen zu dienen; dabei ist nicht auf die speziellen Verhältnisses des klagenden Unternehmens abzustellen, sondern auf die Gesamtheit aller Mitgliedsunternehmen der beklagten Berufsgenossenschaft (ebenso BSG, Urteil B 2 U 15/04 R vom 16.11.2005). Eine Belastung im Beitragsausgleichsverfahren tritt grds. selbst dann ein, wenn die Unfallverhütung vorbildlich gewesen ist und der betreffende Versicherungsfall unvermeidbar war (Heldmann, a.a.O., S. 186).

    23

    Dass die Beklagte ansonsten in irgendeiner Form gegen höherrangiges Recht verstoßen hat, ist nicht ersichtlich und auch nicht weiter vorgetragen, es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass die konkrete Satzungsregelung sich nicht mehr im Rahmen der Er-mächtigungsgrundlage bewegt. Der Gesetzgeber hat den Berufsgenossenschaften aufgrund ihrer Sachkunde und -nähe einen weiten Gestaltungsspielraum zur Gestaltung des Beitragsausgleichsverfahrens eingeräumt; auch die Frage, auf welche Weise Zuschläge bzw. Nachlässe im Einzelnen berechnet werden, ist nach § 162 Abs. 1 Satz 3 SGB VII im Rahmen dieses Gestaltungs¬spielraums durch den Satzungsgeber zu treffen (BSG, Urteil B 2 U 15/04 R vom 16.11.2005).

    24

    Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197a SGG (Sozialgerichtsgesetz), wobei allerdings übersehen worden ist, dass die Klägerin die Kosten zu tragen hätte.