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  • 03.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133753

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 10.10.2013 – 10 K 158/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az. 10 K 158/13

    Revision eingelegt – BFH-Az.: I R 75/13

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine Beteiligung der Klägerin an einer GmbH & Co. KG zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt.

    Die Klägerin wurde 1990 von den Eheleuten X als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit einem Grundstockvermögen vom 100.000 DM gegründet. Stiftungszweck ist die Förderung des Tierschutzes, des Sportes und des Umweltschutzes. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) hat die Klägerin als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) anerkannt.

    Nach dem Tod von Frau X am 3. Juli 2006 erbte die Klägerin deren 100-prozentigen Kommanditanteil an der Y GmbH & Co. KG (im folgenden KG) sowie 100 % der Anteile an der dazugehörenden Verwaltungs–GmbH.

    Die KG betrieb ursprünglich einen Schuhwareneinzelhandel mit Schuhgeschäften in A, B und C. Seit 1986 nutzte die KG ihr Betriebsgrundstück in A, S-Str. 8, nicht mehr für Schuhwareneinzelhandel, sondern vermietete dieses Wohn- und Geschäftshaus an einen Dritten. Zum 30. Juni 2006 beendete die KG ihre Tätigkeit als Schuhwareneinzelhändler und veräußerte ihre Filialen in A, B und C. Im Betriebsvermögen verblieb lediglich das Objekt in A, S-Str.. 8. Dieses Gebäude wurde umgebaut und danach eine (ehemalige) Wohnung als Büroraum für die KG und die Klägerin genutzt. Die übrigen Räumlichkeiten vermietet die KG an gewerbliche Mieter bzw. Wohnungsmieter. Weitere wirtschaftliche Betätigungen übt die KG seitdem nicht aus.

    Gegenüber dem FA deklarierte die KG die Veräußerung der Schuhgeschäfte in 2006 als Teilbetriebsveräußerung i.S.d. §§ 16, 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Dieser
    Betrachtung folgte das FA, da es sich nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten bei dem Grundstück in der S-Str. in A im Jahr 2006 nicht (mehr) um eine wesentliche Betriebsgrundlage des Schuhwareneinzelhandels gehandelt habe. Ebenso gewährte das FA der KG für die Folgejahre die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG).

    Die Klägerin behandelte ihre Beteiligung an der KG seit 2006 als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser Betrachtung schloss sich das FA an und erfasste folgende Beteiligungsergebnisse:

    2006: -8.116 €
    2007: -63.673 €
    2008: 6.682 €
    2009: 84.594 €
    2010: 52.502 €
    2011: 101.082 €

    Dies führte bei der Klägerin im Streitjahr 2011 zu einer Körperschaftssteuer in Höhe von 14.412 €.

    Gegen den Körperschaftssteuerbescheid für 2011 wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass nach dem BFH-Urteil vom 25. Mai 2011 (I R 60/10, BStBl. II 2011, 858) die Einkünfte aus der Beteiligung an einer gewerblich geprägten KG bei der Klägerin als gemeinnütziger Stiftung nicht steuerpflichtig seien, da diese Einkünfte nicht im Rahmen eines wirtschaftlichen
    Geschäftsbetriebs erzielt würden, sondern ausschließlich aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit stammten. Dabei sei es unerheblich, ob die KG von Anfang an nur eine Vermietungstätigkeit ausgeübt habe oder ob sie diese erst nach einer originär gewerblichen Tätigkeit ausübe, da die KG selbst aufgrund ihrer Rechtsform nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG immer gewerbliche Einkünfte generiere. Für die Qualifizierung dieser Einkünfte beim Anteileigner komme es jedoch nur auf den Status des Beteiligten sowie auf die tatsächliche Tätigkeit der KG an.

    Die Klägerin beantragt,
    den Bescheid über Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag für 2011 vom 10. Oktober 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2013 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest.
    Danach könne die Klägerin nicht von der neueren Rechtsprechung des BFH profitieren. Denn vorliegend seien die Einkünfte der KG nicht nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als gewerblich einzustufen; vielmehr handele es sich bei der Tätigkeit der KG um einen ruhenden Gewerbebetrieb, da die KG vor 1986 auch das nunmehr
    vermietete Grundstück in A S-Str. für ihren Schuhwareneinzelhandel genutzt habe. Damit stelle sich die Vermietung dieses Objekts nach wie vor als genuin gewerbliche Tätigkeit da. Dies führe bei der Klägerin als Gesellschafterin zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO.

    Der Senat hat die Steuerakten der KG zum Verfahren beigezogen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin unterhalte mit ihrer streitgegenständlichen
    Beteiligung an der gewerblich geprägten Personengesellschaft einen wirtschaftlichen
    Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO.

    1. Die Klägerin ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz (KStG) von der Körperschaftssteuer befreit. Soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, ist die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG ausgeschlossen. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach der Legaldefinition in § 14 AO eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO). Ebenso wenig muss eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen. Aus der gesetzlichen Definition ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in der Regel durch Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG begründet wird. Denn dabei ist begrifflich auch der Rahmen einer Vermögensverwaltung i.S.d. § 14 Satz 3 AO überschritten (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 78/99, BStBl II 2001, 449).

    Für die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, gilt nichts anderes (vgl. BFH-Urteil vom
    9. Mai 1984 I R 25/81, BStBl II 1984, 726; BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 78/79, BStBl II 2001, 449 m.w.N.). Denn auch die daraus bezogenen Gewinnanteile stellen Einkünfte des Gesellschafters aus Gewerbebetrieb da (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

    Diese Betrachtung greift jedoch nach der Entscheidung des BFH vom 25. Mai 2011 (I R 60/10, BStBl II 2011, 858) dann nicht, wenn es sich – wie im Streitfall – um eine Kommanditbeteiligung an einer vermögensverwaltenden, aber gewerblich geprägten
    Personengesellschaft handelt. Denn in diesem Fall gehen die Gesellschafter nur einer vermögensverwaltenden und nicht einer gewerblichen Tätigkeit nach. Insoweit ist es gerade Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG das keine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeübt wird. Demgegenüber wird die Fiktion gewerblicher Einkünfte des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG in § 14 AO für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht aufgegriffen. § 14 AO verknüpft das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auch nicht mit der Erzielung gewerblicher Einkünfte. Da es sich bei dem Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht um einen ertragsteuerlichen, sondern um einen eigenständigen abgabenrechtlichen Begriff handelt, wäre für einen Gleichlauf mit § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eine eigene entsprechende Fiktion oder ein Verweis auf die Einkünfte i.S.d. § 15 EStG erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2011 I R 60/10, BStBl II 2011, 858).

    2. Nach diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat anschließt, führt die Beteiligung der Klägerin an der KG vorliegend bei ihr nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, da die KG mit der Vermietung des Grundstück in A, S-Str. als einziger unternehmerischer Tätigkeit im Streitjahr ausschließlich vermögensverwaltend tätig geworden ist.

    a) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in den Bescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der KG die Beteiligungserträge der Klägerin als gewerbliche Einkünfte festgestellt worden sind. Denn mit dieser Feststellung ist nicht
    zugleich entschieden, ob diese gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen, weil gewerbliche Einkünfte zwar in der Regel, aber nicht notwendiger Weise mit Einkünften aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben i.S.d. § 14 AO deckungsgleich sind. Insoweit werden nach dem BFH-Beschluss vom 11. April 2005 (GrS 2/02, BStBl II 2005, 679) nur solche Merkmale in die Gewinnfest-stellung einbezogen, die von den Gesellschaftern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit gemeinschaftlich verwirklicht werden. Darüber, ob die gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin steuerfrei oder als (steuerpflichtiger) wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen sind, ist außerhalb des Feststellungsverfahrens allein bei der Klägerin zu entscheiden.

    b) Entgegen der Ansicht des FA führt auch der Umstand, dass die KG vorliegend das nunmehr vermietete Grundstück vormals im Rahmen des Schuhwareneinzelhandels zur Erzielung gewerblicher Einkünfte genutzt hat, zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit geht das FA davon aus, dass es sich bei dem Grundstück in der S-Str. in A um einen ruhenden Gewerbebetrieb handelt, so dass die durch die Vermietung dieses Grundstücks erzielten Einkünfte genuin gewerblich seien. Diese Annahme steht jedoch entgegen, dass die KG als gewerblich geprägte Personengesellschaft gar keinen ruhenden Gewerbebetrieb unterhalten kann (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1977 IV R 174/74, BStBl II 1978, 73). Insoweit fehlt es gerade für die Ausübung des Verpächterwahlrechts und der sich daran anschließenden Rechtsfigur des ruhenden Gewerbebetriebes an der Möglichkeit der Klägerin, bestimmte Gegenstände des Betriebsvermögens in eine Privatsphäre zu überführen und damit im steuerlichen Sinne zu enthaften. Vielmehr geht der BFH zutreffend davon aus, dass eine gewerbliche geprägte Personengesellschaft immer einen Gewerbebetrieb ausübe. Eine weitere Qualifizierung nach gewerblich geprägtem Gewerbebetrieb und genuin gewerblichen Gewerbebetrieb ist nicht vorzunehmen.

    c) Auch soweit sich das FA auf die BFH-Entscheidung vom 17. März 2010 (IV R 41/07, BStBl II 2010, 977) beruft, führt dies nicht zu einer Abweisung der Klage. In dieser
    Entscheidung führt der BFH aus, dass eine Betriebsaufgabe für Zwecke der Gewerbesteuer dann zu verneinen sei, wenn zwar die bisherige originär gewerbliche Tätigkeit aufgegeben werde, eine wesentliche Betriebsgrundlage aber als Vermietungsobjekt weiterhin in einem fiktiven Gewerbebetrieb einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eingesetzt werde.

    Diese Konstellation liegt möglicherweise auch hier vor. Zweifelhaft ist allerdings, ob das Grundstück in A, S-Str. im Jahr 2006 tatsächlich noch wesentliche Betriebsgrundlage war. Dagegen könnte sprechen, dass das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits seit 20 Jahren nur noch vermietet worden war (so auch die Betriebsprüfung in ihrem Bp-Bericht). Letztlich kann diese Frage jedoch dahin stehen, da sich das vom FA genannte Urteil vorliegend als nicht einschlägig erweist. Denn dort nimmt der BFH eine gewerbesteuerliche Betrachtung vor und unterscheidet demzufolge zwischen den laufenden Einkünften und Veräußerungseinkünften. Vorliegend ist jedoch eine Betrachtung aus Sicht der Abgabenordnung anzustellen. Danach ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer befreiten Körperschaft nur dann gegeben und eine Besteuerung dieser Einkünfte dementsprechend nur dann gerechtfertigt, wenn die Körperschaft selbst als Mitunternehmer eine gewerbliche Tätigkeit ausführt. Es kommt damit auf den Charakter der Tätigkeit und nicht auf dessen einkommensteuerrechtliche oder gewerbesteuerrechtliche Qualifizierung an. Dies folgt aus dem Zweck der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe. Dieser Zweck besteht vor allem darin, die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben aus Gründen der Wettbewerbsneutralität von der Steuerbefreiung auszunehmen. Den vermögensverwaltenden Tätigkeiten misst der Gesetzgeber demgegenüber keine erhebliche Wettbewerbsrelevanz zu (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 2010 I R 97/09, BFH/NV 2011, 312). Da die KG vorliegend tatsächlich nur vermögensverwaltend tätig war, führt die Beteiligung der Klägerin insoweit nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung in entsprechender Anwendung. Die Zulassung der Revision
    erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage, ob die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer vermögensverwaltenden GmbH & Co KG einen wirtschaftlichen
    Geschäftsbetrieb darstellt, wenn die KG zuvor gewerblich tätig war, hat grundsätzliche Bedeutung. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO auszusprechen.