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  • · Fachbeitrag · Gemeinnützigkeit

    Gewährung der Gemeinnützigkeit: Wie willkürlich entscheiden die Finanzämter?

    | Eine Studie zur Praxis der Finanzämter bei der Gewährung der Gemeinnützigkeit hat für großes Aufsehen gesorgt. Stefan Diefenbach-Trommer wollte mit „Engagiert euch ‒ nicht? Wie das Gemeinnützigkeitsrecht politisches Engagement erschwert“ empirisch nachweisen, dass Finanzämter recht willkürlich vorgehen, wenn sie Satzungen bewerten. Bei näherer Betrachtung lässt sich dieser Vorwurf nicht aufrechterhalten. Im Gegenteil. VB ist der Meinung, dass die Finanzämter erstaunlich oft zugunsten der gemeinnützigen Organisationen geurteilt haben. |

    Studie der „Allianz für politische Willensbildung e. V“

    Für die Untersuchung hatte die „Allianz für politische Willensbildung e. V.“ im Juli 2017 jeweils rund 135 Finanzämter kontaktiert und diesen drei verschiedenen ‒ konstruierten ‒ Vereinsbeispiele zur Stellungnahme vorgelegt. Fast die Hälfte der Ämter hatte schon geantwortet, bevor das BMF auf die Aktion aufmerksam wurde und die weitere Beantwortung stoppte. Je nach Fall haben zwischen 40 und 70 Prozent der Finanzämter die Satzungen als gemeinnützig anerkannt.

     

    Finanzamt musste über drei konstruierte Fälle entscheiden

    Den Finanzämtern wurden also drei konstruierte Vereinsfälle vorgelegt. Aus den Satzungen ließ sich erkennen, dass die Vereine mehr oder weniger stark politisch ausgerichtet waren. Daneben ließen die Satzungen die Zuordnung zu den gemeinnützigen Zwecken des § 52 AO teilweise offen und blieben bei der Darstellung der Maßnahmen zur Zweckverwirklichung sehr allgemein.

     

    • 1. Fall „Musik ist Leitkultur“: Der Zweck des Vereins legt eine Förderung der Kultur nahe. Dieser Zweck war aber mit Angaben konkretisiert worden, die vor allem eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung nahelegen, z. B. „aktive Lobbyarbeit bei Regierung, Parteien und im Parlament“.

     

    • 2. Fall „Europäische Demokraten“: Hier zielte die Satzung auf die „Förderung des demokratischen Staatswesens“ als gemeinnützigen Katalogzweck, auch wenn die konkrete Vereinssatzung diesen Katalogzweck nach § 52 AO nicht benannte. Wie der Verein diese Zwecke umsetzen wollte, war aus der Satzung nur in Ansätzen erkennbar. Genannt wurden „öffentliche Stellungnahmen zur Lage der Demokratie und der Parteien“ und „aktives Eintreten gegen Feinde der Demokratie“.

     

    • 3. Fall „Farbiges Deutschland“: Dieser Verein engagierte sich gegen Diskriminierung. Auch hier ging aus der Satzung nicht hervor, welchem Katalogzweck der Verein zugeordnet sein wollte. Es gibt aber auch keinen gemeinnützigen Zweck, mit dem sich das eindeutig deckt. Bei der Umsetzung der Zwecke wurden „Schulung von Personalverantwortlichen“ und „Vorschläge für Regelungen gegen Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe“ genannt.

     

    Das Ziel der Studie

    Diefenbach-Trommer wollte mit der öffentlichen Aufarbeitung der Studie wohl zum Ausdruck bringen, dass politisch aufgeladene Anliegen von Finanzämtern oft abgelehnt oder aber mit unpassenden Zwecken für gemeinnützig erklärt werden. Vor allem ersteres ist objektiv nicht haltbar. Warum?

     

    • Die Crux der „politischen Zwecke“: Das Problem in der Praxis besteht vor allem, dass „politische Zwecke“ selbst nicht gemeinnützig sind. Es ist zwar so, dass eine Reihe gemeinnütziger Zwecke auch politische Aspekte enthalten. Das gilt etwa für
      • die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Katalogzweck Nr. 18 in § 52 AO) oder
      • die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens (Katalogzweck Nr. 24 in § 52 AO).
    • Die politische Betätigung muss sich hier aber auf die Satzungszwecke beschränken und darf insbesondere nicht parteipolitisch ausgerichtet sein.

     

    • Finanzämter sind erstaunlich kulant: Im Saldo trägt auch die Auswertung des „Feldversuchs“ dessen Intention nicht. Bei den drei geschilderten Fällen wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass Finanzämter die Satzungen zurückweisen, weil
      • die Zweckverwirklichung zu unkonkret beschrieben war oder
      • sich ‒ im Fall 1 ‒ Satzungszweck und Zweckverwirklichung nicht decken.
    • Tatsächlich ist die Gemeinnützigkeit aber in vielen Fällen anerkannt worden. Bei den spezifischen Fallkonstellationen war das ein sehr vereinsfreundliches Ergebnis.

    Erkenntnisse für andere Anträge auf Gemeinnützigkeit

    Wenn man aus der Studie allgemeine Erkenntnisse (für andere Anträge auf Gemeinnützigkeit) mitnehmen will, dann drei Dinge:

     

    • Es gibt keinen pauschalen Erfahrungssatz, dass Finanzämter bei der Gewährung der Gemeinnützigkeit stark unterschiedlich oder gar willkürlich verfahren.

     

    • Im Gegenteil. Objektiv wäre eher zu erwarten gewesen, dass die Finanzämter die Satzungen ganz überwiegend zurückweisen. Das lag insbesondere daran, dass nicht klar erkennbar war, welche konkreten Maßnahmen die Vereine entfalten wollten, um den Satzungszweck zu erfüllen. Insoweit war die Anerkennungsquote überraschend hoch.

     

    • Je stärker Sie in Ihrer Satzung herausarbeiten,
      • welchen gemeinnützigen Katalogzweck Ihr Verein verfolgt und
      • mit welchen Aktivitäten Sie den Zweck erreichen wollen,
    • umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die Gemeinnützigkeit problemlos zuerkannt bekommen.
    Quelle: Ausgabe 05 / 2018 | Seite 12 | ID 45253147