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  • · Fachbeitrag · Ehrenamtsstärkungsgesetz

    Das neue Verfahren zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit und die Folgen für die Praxis

    | Mit dem „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes“ wird eine gesetzliche Verankerung zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit eingeführt, die von Fachleuten seit Jahrzehnten gefordert wird. Erfahren Sie, was der neue § 60a AO für die Vereins- und Gemeinnützigkeits-Praxis bedeutet. |

    Die Neuregelung im Wortlaut

    Der neue § 60a AO hat folgenden Wortlaut.

    • § 60a AO: Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen
    • (1) Die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 wird gesondert festgestellt. Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit ist für die Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen, bindend.
    • (2) Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit erfolgt
    • 1. auf Antrag der Körperschaft oder
    • 2. von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung erfolgt ist.
    • (3) Die Bindungswirkung der Feststellung entfällt ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Feststellung beruht, aufgehoben oder geändert werden.
    • (4) Tritt bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung ein, ist die Feststellung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
    • (5) Materielle Fehler im Feststellungsbescheid über die Satzungsmäßigkeit können mit Wirkung ab dem Kalenderjahr beseitigt werden, das auf die Bekanntgabe der Aufhebung der Feststellung folgt. § 176 gilt entsprechend, außer es sind Kalenderjahre zu ändern, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes beginnen.
    Der Hintergrund der Neuregelung

    Mit der Neuregelung werden Verwaltungspraxis und Rechtsprechung jetzt quasi auch gesetzlich verankert. Ein besonderes Verfahren zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Körperschaften gab es bisher im Gemeinnützigkeitsrecht nämlich nicht.

     

    Diese zwei Wege führen zur Gemeinnützigkeit

    Finanzverwaltung und Rechtsprechung hatten aber Vorgaben gemacht, die für die allermeisten Fälle Rechtssicherheit boten. In der Praxis wird sich deshalb kaum etwas ändern. Die Gemeinnützigkeit wird vom Finanzamt wie bisher auf zwei möglichen Wegen gewährt (§ 60a Abs. 2 AO):

     

    • 1. Auf Antrag einer neu gegründeten Körperschaft durch eine vorläufige Bescheinigung. Hier wird lediglich geprüft, ob die Satzung den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entspricht.
    • 2. Im Veranlagungsverfahren - also mit dem Steuerbescheid für die entsprechenden Veranlagungszeiträume - auf Basis der Steuererklärung. Ein besonderer Antrag ist dazu nicht erforderlich.

    PRAXISHINWEIS | Das deckt sich mit Absatz 2 des neuen § 60a AO. Die vorläufige Bescheinigung hat dabei steuerlich nur für den Spendenabzug Bedeutung.

    1. Das Anerkennungsverfahren auf Antrag

    Das neue Anerkennungsverfahren auf Antrag bezieht sich weiterhin nur auf die formelle satzungsmäßige Gemeinnützigkeit, es hat steuerlich nur für den Spendenabzug Bedeutung. Der entsprechende Bescheid kann also nur unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erteilt werden. Die verbindliche Feststellung, ob die steuerlichen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit gegeben sind, erfolgt immer erst im Nachhinein.

     

    PRAXISHINWEIS | Schon bisher gab es neben der Feststellung der Gemeinnützigkeit bei der Steuerveranlagung ein gesondertes Verfahren - die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit. Neu ist lediglich, dass diese vorläufige Bescheinigung, die bislang rechtlich nur eine unverbindliche Auskunft war, künftig die Form eines rechtsmittelfähigen Bescheides hat.

    2. Die Erteilung der Gemeinnützigkeit im Veranlagungsverfahren

    Ob einem Verein neben dem Spendenabzug auch die anderen steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit gewährt werden, entscheidet sich nach wie vor erst im Veranlagungsverfahren. Steuerbegünstigungen wären etwa die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer, die Umsatzfreigrenze bei steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben oder die Nutzung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei Zweckbetrieben. Daran ändert sich auch in Zukunft nichts.

    Keine grundsätzlichen Änderungen beim Rechtsschutz

    Die vorläufige Bescheinigung wurde schon bisher als im Prinzip anfechtbarer rechtsmittelfähiger Bescheid angesehen (BFH, Urteil vom 23.9.1999, Az. XI R 66/98). Demnach kann eine Körperschaft per Feststellungklage klären lassen, ob sie befugt ist, Spendenbestätigungen auszustellen.

     

    Der BFH hält es sogar für zulässig, dass das Finanzamt durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet werden kann, eine Bescheinigung über die vorläufige Anerkennung auszustellen, wenn der Antragsteller auf den Erhalt steuerbegünstigter Spenden angewiesen und andernfalls seine wirtschaftliche Existenz bedroht ist (BFH, Urteil vom 23.9.1998, Az. I B 82/98).

     

    Ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten (Einspruch und gerichtliche Klage) bei Verweigerung der Anerkennung der Gemeinnützigkeit waren also schon bisher vorhanden. Dass die vorläufige Bescheinigung künftig ein Bescheid ist, gegen den Rechtsmittel eingelegt werden können, ändert also für gemeinnützige Körperschaften kaum etwas.

     

    Wichtig | Die Notwendigkeit, das Anerkennungsverfahren zu reformieren, wurde unter anderem mit dem Hinweis auf die Spendenhaftung bei nachträglicher Aberkennung der Gemeinnützigkeit begründet. Hier hat die Rechtsprechung aber bereits Klarheit geschaffen: Der Entzug der Gemeinnützigkeit führt nicht zur Haftung wegen fehlerhafter Mittelverwendung, wenn die Mittel tatsächlich zu steuerbegünstigten Zwecken verwendet worden sind (FG München, Urteil vom 30.3.2004, Az. 6 K 1186/02).

    Sonderfall: Anerkennung länger bestehender Körperschaften

    Nur in einem Sonderfall könnte die Neuregelung tatsächlich die Rechtssicherheit verbessern: Eine schon längere Zeit bestehende Körperschaft möchte die Gemeinnützigkeit erhalten, obwohl das Finanzamt das auf Grundlage der letzten Steuerveranlagung abgelehnt hat. Da Veranlagung und Prüfung der Gemeinnützigkeit künftig getrennt sind, müsste das Finanzamt die Gemeinnützigkeit gewähren, auch wenn die tatsächliche Geschäftsführung in den zurückliegenden Zeiträumen nicht den Anforderungen entsprach.

     

    Die Finanzverwaltung hatte aber auch hier bereits Verfahrensvorschriften erlassen (Anwendungserlass zur AO [AEAO], Ziffer 6.1 zu § 59). Demnach kann eine vorläufigen Bescheinigung auch dann erteilt werden, wenn eine Körperschaft schon längere Zeit existiert und die Gemeinnützigkeit im Veranlagungsverfahren versagt wurde. Voraussetzung ist, dass die Körperschaft die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit im gesamten Veranlagungszeitraum, der dem Zeitraum der Nichtgewährung folgt, voraussichtlich erfüllen wird. Unklar bleibt aber, welche Kriterien das Finanzamt hier anlegen darf.

     

    • Beispiel

    Das Finanzamt hat einem zunächst vorläufig als gemeinnützig anerkannten Verein aufgrund der für die Steuererklärung eingereichten Unterlagen die Gemeinnützigkeit entzogen. Der Grund sind überhöhte Verwaltungskosten - also eine Mittelfehlverwendung. Ist der Verein ohne das Spendenaufkommen in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet, muss die vorläufige Freistellung verlängert und der Spendenabzug auch weiterhin gewährt werden (BFH, Beschluss vom 23.9.1998, Az. I B 82/98). Es handelt sich aber um einen Sonderfall, der für Organisationen mit nur geringen Spendeneinnahmen nicht in gleicher Weise gilt.

    Die Finanzverwaltung hat die Vorgaben aus der BFH-Entscheidung übernommen (AEAO, Ziffer 6.2 zu § 59) - mit folgenden Einschränkungen: Der Verein muss beim Finanzgericht Rechtsschutz begehrt haben, seine Klage muss Aussicht auf Erfolg haben und es ist zu prüfen, ob er sich nicht anders als durch Spenden finanzieren kann, etwa aus Vermögen oder durch Kredite.

    Ob sich die Rechtsschutzmöglichkeiten für gemeinnützige Einrichtungen in ähnlichen Fällen tatsächlich verbessern, ist schwer zu sagen. Durch den neuen § 60a AO wird aber immerhin klargestellt, dass die Körperschaft nicht auf die nächste Veranlagung verwiesen werden kann, weil die Gemeinnützigkeit auch unabhängig von der Veranlagung auf Antrag erteilt werden muss.

    Vertrauensschutz für Satzung wird gesetzlich verankert

    Mit dem neuen § 60a Abs. 5 AO wird die bisherige Vertrauensschutzregelung der Finanzverwaltung gesetzlich verankert. Einer Körperschaft, der aufgrund der Satzung die vorläufige Freistellung erteilt wurde, kann demnach erst zum folgenden Kalenderjahr die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn die Satzung den Voraussetzungen eigentlich nicht genügte, das Finanzamt das aber übersehen hat.

     

    • Beispiel

    Nach einem Wechsel des Vereinssitzes stellt das jetzt zuständige Finanzamt fest, dass die Klausel zum Vermögensanfall nicht den geltenden Anforderungen entspricht. Es erlässt im August einen Bescheid zur Aufhebung der Feststellung nach § 60a AO. Die Aufhebung tritt erst am 1. Januar des Folgejahres in Kraft.

    Das war schon bisher Verwaltungspraxis. Das Finanzamt sollte eine angemessene Frist für die Anpassung der Satzung setzen. Dabei sollte Vereinen in der Regel genügend Zeit gegeben werden, um eine Beschlussfassung in der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung zu ermöglichen (AEAO, Ziffer 8 zu § 59). Da es sich bei § 60a AO Absatz 5 um eine Kann-Regelung handelt, wird man davon ausgehen dürfen, dass die Finanzverwaltung die bisherige Regelung beibehält und ausreichend Zeit zur Satzungsänderung gibt.

    Dauer des Freistellungsbescheids gesetzlich verankert

    Ebenfalls gesetzlich verankert wird die Gültigkeitsdauer der Freistellungsbescheids (§ 63 Abs. 5 AO). Entgegen dem ersten Gesetzesentwurf werden die Fristen aber nicht verkürzt. Auch künftig gilt, dass Zuwendungsbestätigungen nur ausgestellt werden dürfen, wenn

    • die Feststellung der Satzungsmäßigkeit nach § 60a Absatz 1 AO (bisher vorläufiger Freistellungsbescheid) nicht länger als drei Jahre oder
    • das Datum der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid oder des Freistellungsbescheids nicht länger als fünf Jahre zurückliegt.

     

    FAZIT | Die Neuregelung des Anerkennungsverfahrens bringt mehr Rechtsklarkeit, aber kaum mehr Rechtssicherheit. Sie hat eher rechtssystematische als praktische Bedeutung. Vorteile für gemeinnützige Organisationen sind in den meisten Fällen nicht zu erkennen. Die Frage ist eher, ob sich nicht sogar der Verwaltungsaufwand erhöht, wenn die Gemeinnützigkeit in Form eines Bescheids anerkannt wird. Unklar ist zum Beispiel, ob die Vorab-Prüfung der Gemeinnützigkeitsfähigkeit künftig genauso unbürokratisch wie bisher erfolgen kann, wenn sie nicht mehr die Form einer bloßen unverbindlichen Auskunft hat.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 15 | ID 38277940