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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Trotz Vorsteuerabzugsberechtigung Ersatz des Brutto-Wiederbeschaffungswerts

    | Zu diesem Ergebnis ist das AG Krefeld in folgendem Fall gelangt: Nach dem von der Klägerin eingeholten Gutachten beträgt der Wiederbeschaffungswert brutto 10.600 EUR. Darin enthalten 258,54 EUR Differenzumsatzsteuer. Der Restwert ist mit 6.025,21 EUR angegeben. Die unstreitig vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin hat ein regelbesteuertes (!) Ersatzfahrzeug angeschafft, dessen Nettopreis über dem Brutto-Wiederbeschaffungswert gelegen hat. |

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte regulierte in Höhe von 4.316,25 EUR, während die Klägerin 4.574,79 EUR verlangt hat. Die Kürzung wurde damit begründet, dass die Klägerin als Vorsteuerabzugsberechtigte nur den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert beanspruchen könne. Demgegenüber hat sich die Klägerin auf den Standpunkt gestellt, im Rahmen ihrer konkreten Schadensabrechnung könne sie den vollen Wiederbeschaffungswert (inkl. Differenzumsatzsteuer) verlangen. Ob tatsächlich Umsatzsteuer angefallen sei, sei unbeachtlich, weil der Nettopreis über dem Brutto-Wiederbeschaffungswert liege.

     

    Entscheidungsgründe

    Das AG Krefeld ist dieser Argumentation im Ergebnis gefolgt (29.7.16, 2 C 151/16, Abruf-Nr. 188633, eingesandt von Rechtsanwalt Scharifi, Kempen). Ausgangspunkt seiner Erwägungen ist das Urteil des BGH vom 15.11.05, VI ZR 26/05, VA 06, 21. Was der BGH seinerzeit für einen Geschädigten ohne Vorsteuerabzugsberechtigung entschieden habe, sei auf den konkreten Fall übertragbar. Auch der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte dürfe im Rahmen der subjektiven Schadensbetrachtung darauf vertrauen, dass er den im Gutachten ausgewiesenen Betrag ersetzt bekommt, wenn das Ersatzfahrzeug mehr kostet als der Brutto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Begründung des AG kann nicht überzeugen. Auch im Ergebnis ist das Urteil unzutreffend. Allerdings hat eine Vorsteuerabzugsberechtigung nicht automatisch und in jedem Fall zur Folge, dass der Geschädigte auf den Nettobetrag verwiesen werden kann. Es muss differenziert werden.

     

    • Fiktive Schadensabrechnung
    • Bei einem älteren Pkw, für den es Ersatz nur noch auf dem Privatmarkt gibt, kann auch ein vorsteuerabzugsberechtigter Geschädigter mangels verrechenbarer Umsatzsteuer den „steuerneutralen“ Wiederbeschaffungswert ohne USt.-Kürzung ersetzt verlangen (AG Weißenburg/Bay. VA 16, 39).

     

    • Konkrete Schadensabrechnung
    • Rechnet der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte nach einer Ersatzanschaffung konkret ab, kommt es entgegen der Ansicht des AG Krefeld darauf an, ob das Ersatzfahrzeug regelbesteuert, differenzbesteuert oder ohne Anfall von Umsatzsteuer gekauft worden ist.
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      • Erwirbt der Geschädigte ein differenzbesteuertes Fahrzeug, ist er trotz prinzipiell bestehender Vorsteuerabzugsberechtigung ausnahmsweise nicht vorsteuerabzugsberechtigt („USt. nicht ausweisbar“). Das ist allg. Meinung (BGH VA 09, 22 = NJW-RR 09, 319). Die Frage kann nur sein, ob der Geschädigte nach § 254 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug zu erwerben, um die dann bestehende Vorsteuerabzugsberechtigung geltend machen zu können und den Schädiger zu entlasten (auch dazu BGH VA 09, 22, ferner LG Saarbrücken 9.10.15, 13 S 47/15, NZV 16, 388).
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      • Hat der Geschädigte dagegen ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug angeschafft, ist der Weg für einen Vorsteuerabzug grundsätzlich frei. Ein Vorteilsausgleich kann damit stattfinden. Den in der Abzugsmöglichkeit liegenden Vorteil muss sich der Geschädigte auf seinen Schaden anrechnen lassen (BGH NJW 14, 2874 Tz. 17). Fraglich kann nur sein, in welcher Höhe angerechnet werden kann. Zwei Möglichkeiten gibt es: Abzug von 19 Prozent oder von nur 2,4 Prozent (= Differenzumsatzsteueranteil).
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    • Für Letzteres hat sich das LG Saarbrücken a.a.O. ausgesprochen, sofern vergleichbare Fahrzeuge überwiegend differenzbesteuert angeboten werden. Auch in seinem Fall lag der Netto-Anschaffungspreis für das Neufahrzeug wie in der Krefelder Sache über dem Brutto-WBW. Was der BGH für diese Konstellation bei fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung entschieden hat (BGHZ 162, 270; BGHZ 164, 397), ist auf die Fallgestaltung AG Krefeld nicht übertragbar. Die Höhe des Anschaffungspreises - über, gleich oder unter dem Brutto-WBW - hat mit der Frage des Vorteilsausgleichs nichts zu tun.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Frage des Vorsteuerabzugs bei teils gewerblicher, teils privater Nutzung des Fahrzeugs und zur Darlegungs- und Beweislastverteilung OLG Frankfurt 26.3.14, 17 U 150/13
    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 165 | ID 44257803