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  • 25.10.2010 | Unfallschadensregulierung

    Parkplatzunfälle - nicht immer halbe/halbe

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    Blechschaden auf dem Parkplatz. Alles klar geregelt und von der Versicherung schnell bezahlt? Oft nicht. Wir informieren Sie über den aktuellen Stand der Rechtsprechung (ohne Verkehrssicherungspflichtverletzungen/Streupflicht etc.).  

     

    Checkliste: Grundregeln im Schnellüberblick

    1. Geltung der Gefährdungshaftung?  

    Über die Anwendbarkeit der §§ 7, 18 StVG wird nicht gestritten, wenn das Kfz im Unfallzeitpunkt auf einem öffentlichen Parkplatz in Bewegung war (BGH NJW 05, 2081 - Tiefgarage). Was aber, wenn es ein nichtöffentlicher Parkplatz war? Und: Endet die Gefährdungshaftung mit dem ordnungsgemäßen Abstellen auf einem privat genutzten Parkplatz, wie das LG Detmold (VA 10, 148) unter Berufung auf OLG Karlsruhe NJW 05, 2318 meint? Weder „ nichtöffentlich“ noch „ ordnungsgemäß geparkt“ sind KO-Kriterien, auch nicht beide zusammen. Die betriebsspezifische Kfz-Gefahr kann trotz ordnungsgemäßen Abstellens auf reinem Privatgelände fortwirken. „Bei dem Betrieb“ (§ 7 Abs. 1 StVG) bejaht: Motorroller kippt auf (Lehrer-)Parkplatz um und beschädigt einen parkenden Pkw (LG Bochum NJW-RR 04, 824); verneint: Ordnungsgemäß abgestelltes Motorrad fällt aus ungeklärten Gründen auf die Motorhaube eines auf öffentlicher Parkfläche abgestellten Pkw (LG Tübingen NJW 10, 2290).  

     

    2. Geltung der StVO - überhaupt, eingeschränkt oder gar nicht?  

    • Straßenverkehr i.S.d. § 1 Abs. 1 StVO meint Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Nach st. Rspr. ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (BGH NJW 63, 152). Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an, auch nicht auf die Einschätzung der Polizei in der Unfallanzeige.

     

    Zum öffentlichen Verkehrsraum zählen Parkplätze, Parkdecks und Parkhäuser, sofern sie jedermann frei zugänglich sind (st. Rspr., z.B. OLG Frankfurt zfs 10, 19 - Einkaufsmarkt; OLG Düsseldorf 23.3.10, I-1 U 156/09, Abruf-Nr. 103259 - Betriebsparkplatz). Gegenbeispiele: nur mit Ausweis zugängliches Großmarktgelände (BGH NJW 63, 152), Hofgrundstück mit Parken nur für Hausbewohner und ihre Besucher (BGH NZV 98, 418). Ein Parkplatz „nur für Hotelgäste“ wäre demnach nichtöffentlich (aber zw.). Die Gerichte pflegen das Abgrenzungsproblem zu umgehen, indem sie bestimmte StVO-§§ „jedenfalls analog“ heranziehen.

     

    • Handelt es sich um öffentlichen Verkehrsraum, gilt die StVO unabhängig davon, ob durch ein Schild wie „Hier gilt die StVO“ darauf hingewiesen wird oder nicht. Ein solches Schild hat nur klarstellende Funktion. Es verhindert die Berufung auf Rechtsirrtum. Zugleich dient es dem Schutz des Eigentümers/Betreibers vor Regressen. Dass die StVO grundsätzlich anwendbar ist, bedeutet nicht, dass Einzelvorschriften uneingeschränkt herangezogen werden können. So gelten Normen, die den fließenden Verkehr regeln (z.B. §§ 8, 10, 14 StVO ), entweder gar nicht oder nur mit Einschränkung. Hier liegt eines der Hauptprobleme bei Parkplatzunfällen.

     

    • Bei nichtöffentlichem Verkehrsraum gilt die StVO grundsätzlich nicht. Allerdings kann entsprechend den StVO-Regeln zu fahren sein. Dazu grundlegend BGH NJW 63, 152 (Analogie verneint).
     

    Checkliste: Unfall beim Einparken und Türöffnen

    Fall 1: Ungeachtet besonderer Umstände im Einzelfall sind an die Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz in eine rechtwinklig zur Durchfahrtrichtung angeordnete Parklücke einparken will, sowie an die Sorgfaltspflicht des Fahrers oder Mitfahrers eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen gleich hohe Anforderungen zu stellen. Daher erscheint in der Regel bei einer Kollision des einparkenden Fahrzeugs mit einer teilweise geöffneten Fahrzeugtür eines geparkten Fahrzeugs eine hälftige Schadenaufteilung angemessen (OLG Frankfurt NJW 09, 3038 = DAR 10, 267 m. Anm. Hüpers).  

     

    Fall 2: Für 1/3 : 2/3 zulasten des „Türöffners“ LG Saarbrücken NJW-RR 09, 1250: Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO nach Anscheinsbeweisregeln und Mithaftung des Einparkenden nach § 1 StVO. Begründung: Derjenige, der auf einem öffentlichen Parkplatz in eine freie Parktasche einfährt, muss damit rechnen, dass daneben abgestellte Fahrzeuge noch mit Insassen besetzt sind, solange er sich nicht hinreichend vom Gegenteil überzeugen konnte. Er muss sich daher auf ein Türöffnen des Nachbarfahrzeugs einstellen und darf nicht darauf vertrauen, dass sich dessen Insassen verkehrsgerecht verhalten.  

     

    Fall 3: 100 : 0 zulasten desjenigen, der beim Einparken gegen die zum Beladen geöffnete Beifahrertür eines Pkw stößt. Offenhalten der Tür kein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO (schon grds. nicht anwendbar), auch nicht gegen § 1 StVO (AG Erkelenz 10.8.10, 14 C 131/10, Abruf-Nr. 103260).  

     

    Hinweise: Typische Streitpunkte sind: Wie weit war die Tür geöffnet, wie groß war der Abstand zum anderen Fahrzeug? Bei widersprüchlichen Zeugenaussagen kann ein Sachverständiger Klarheit verschaffen, auch darüber, ob der Einparkende gegen die geöffnete Tür gefahren oder die Tür gegen das einparkende Fahrzeug geraten ist (zu dieser Variante AG Weilburg SP 02, 89). Ob das Öffnen „plötzlich und unvermittelt“ erfolgte, so die Standardbehauptung, lässt sich meist nicht aufklären. Zur Anwendung des Anscheinsbeweises für ein schuldhaftes Öffnen/Offenhalten reicht den Gerichten der nahe örtliche und zeitliche Zusammenhang (dazu und zur Erschütterung auch BGH NJW 09, 3791 - kein Parkplatzfall). Zum Problem der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 StVO (direkt oder analog) Hüpers, DAR 10, 268. Dass nicht der Fahrer, sondern ein Beifahrer die Tür geöffnet hat, steht der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegen.  

     

    Checkliste: Unfall beim Herausfahren aus Parkbucht

    Fall 1: Rückwärtsausparker gegen Rückwärtsausparker (Leitsätze des KG NJW-RR 10, 1116):  

     

    1. Die erhöhten Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren (§ 9 Abs. 5 StVO) dienen dem Schutz des Verkehrsraums, in den das Fahrzeug fahren soll und den der Fahrer nicht so gut einsehen kann wie beim Vorwärtsfahren.
    2. Kommt es auf einem Parkplatzgelände im Zuge des Rückwärtsfahrens aus einer Parkbox zu einer Kollision mit einem stehenden Fahrzeug, mit dem der Kläger zuvor aus einer gegenüberliegenden Parkbox ausgefahren war, so spricht der Anscheinsbeweis gegen den Rückwärtsfahrer.
    3. Der Umstand, dass der Kläger zuvor seinerseits ebenfalls rückwärts aus einer Parkbox ausgefahren war, wirkt sich nicht mehr unfallursächlich aus, nachdem er angehalten hatte, um seine Ehefrau einsteigen zu lassen (100 : 0 pro Kl.). Ähnlich LG Saarbrücken 9.7.10, 13 S 61/10, Abruf-Nr. 103077.

     

    Fall 2: Der Kl. und der Bekl. fuhren mit ihren Pkws jeweils rückwärts aus gegenüberliegenden, schräg zueinander versetzten Parktaschen heraus. Zwischen beiden Fahrzeugen kam es zur Kollision, deren Hergang str. ist. Der Kl. hat behauptet, er habe gestanden, als der Bekl. gegen sein Fahrzeug gestoßen sei, während der Bekl. behauptet, beide Fahrzeuge seien im Moment der Kollision rückwärts in Bewegung gewesen. Feststellung des Gerichts: Kl. hatte bereits ein bis zwei Sek. gestanden. Das LG verneint ein unfallursächliches Verschulden des Kl. (kein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO, auch nicht gegen § 1 StVO); Mithaftung nur aus reiner Betriebsgefahr zu 20 Prozent (LG Saarbrücken 7.5.10, 13 S 14/10, Abruf-Nr. 101647, Revision zugelassen). In einem ähnlichen Fall hat das LG Braunschweig (29.6.10, 7 S 490/09, Abruf-Nr. 103261) die Haftung 75 : 25 zugunsten des nachweislich - fast schon in Geradeausrichtung - stehenden Ausparkers verteilt.  

     

    Weitere aktuelle Rechtsprechung  

    LG Kleve 11.11.09, 5 S 88/09, Abruf-Nr.103262; AG Neuss 8.4.09, 78 C 5745/08, Abruf-Nr. 103263 (100 : 0 gegen Rückwärtsausparker, Gegner stand); AG Lampertheim 1.10.08, 3 C 674/07, Abruf-Nr. 103264 (Berufung durch LG Darmstadt 25.3.09, 25 S 244/08, Abruf-Nr. 103265, zurückgewiesen); AG Düren 2.8.08, 42 C 229/07, Abruf-Nr. 103266 (Rückwärtsausparker gegen Fahrzeug, das rückwärts auf dem Weg zwischen den Parkplätzen fuhr; 50 : 50); AG Neumünster 23.5.08, 32 C 866/07, Abruf-Nr. 103273; LG Bad Kreuznach zfs 07, 559 (50 : 50, da „längeres“ Stehen nicht bewiesen).  

     

    Hinweise: Die Schlüsselfrage ist in diesen Fällen: Hat einer der beteiligten Pkw im Kollisionszeitpunkt gestanden und wenn ja, wie lange? Mitunter behauptet jede Seite, schon „geraume Zeit“ gestanden zu haben. Relevant ist die Frage für die Beurteilung des jeweiligen Verursachungsbeitrags, aber auch mit Blick auf ein Verschulden, wobei es vielfach darum geht, ob der angebliche Steher einen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern kann. Die „Ob-Frage“ kann ein SV häufig schon anhand des Schadensbildes (Deformationstiefe) klären. Bei der Wie-lange-Frage ist er i.d.R. überfordert. Hier ist man auf Zeugenaussagen angewiesen. Erfahrungsgemäß sind sie oft ungenau und widersprüchlich. Klarheit kann ggf. eine Parteianhörung (§ 141 ZPO) bringen. Relevant ist die Wie-lange-Frage insbes. für: a) Unabwendbarkeit i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG; b) Gefährdungs- und Kausalzusammenhang zwischen Rückwärtsfahren und Kollision (dazu KG NJW-RR 10, 1116; LG Kleve 11.11.09, 5 S 88/09, Abruf-Nr. 103262) und c) für den Verschuldensnachweis (Anscheinsbeweis und seine Erschütterung).  

     

    Checkliste: Unfall auf Fahrspur an Kreuzungen und Einmündungen

    Fall 1: Pkw A befährt einen Weg, von dem rechts und links zu den eigentlichen Parkflächen abgebogen werden kann. Für den Fahrer des Pkw A kam - von rechts - mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf einer „Durchfahrtsgasse“ Pkw B, der auf den von A befahrenen Weg einfahren wollte. Fahrer B berief sich auf „rechts vor links“, während A auf § 10 StVO verwies. Für das KG (NZV 10, 461 = zfs 10, 377) war § 8 Abs. 1 StVO unanwendbar, während § 10 StVO zulasten von B analog herangezogen wurde. Für das KG entscheidend waren Zuschnitt und Funktion der beiden Wege. Trotz überhöhter Geschwindigkeit von Pkw A (statt Schritt 20 km/h) volle Haftung von B. Beispiele für Vorfahrtverletzungen: OLG Frankfurt zfs 10, 19 (Mithaftung des Vorfahrtberechtigten i.H.v. 20 Prozent nur aus Betriebsgefahr); OLG Düsseldorf 29.6.10, I-1 U 240/09, Abruf-Nr. 103267 (auch 80 : 20).  

     

    Fall 2: Kollision auf der Kreuzung zweier nur dem Parkplatzsuchverkehr dienenden Fahrgassen. Haftungsverteilung 50 : 50 (AG Dresden 6.10.08, 112 C 1559/08, Abruf-Nr. 103268). AG räumt keiner Seite den Vorrang ein, verneint insbes. § 10 StVO, und betont den Grundsatz gegenseitiger Rücksichtnahme.  

     

    Fall 3: Im Bereich eines Parkplatzes quert eine öffentliche Straße (als Vorfahrtstraße nicht erkennbar) das Parkplatzgelände. Kollision zwischen dem Nutzer der öffentlichen Straße und einem Parkplatznutzer. Quote 50 : 50 (AG Sulingen SVR 09, 148).  

     

    Hinweise: Zentral ist hier die Vorfahrtfrage. Eine Beschilderung fehlt i.d.R. Gilt deshalb § 8 Abs. 1 StVO („rechts vor links“)? Oder ist gar zulasten des von rechts Kommenden der Gefährdungsausschluss nach § 10 S. 1 StVO anwendbar? In beiden Fragen ist die Rspr. uneinheitlich, siehe KG NZV 10, 461 und OLG Frankfurt zfs 10, 19, jew. m.w.N. Weitere neuere Rspr.: OLG Düsseldorf 29.6.10. I-1 U 240/09, Abruf-Nr. 103267; 23.3.10, I-1 U 156/09, Abruf-Nr. 103259; AG Solingen zfs 08, 133. Da es nach überwiegender Rspr. entscheidend auf das Gesamtbild der äußerlich erkennbaren Merkmale ankommt (Breite der Wege und Fahrspuren, Markierungen, Verkehrszeichen, Richtungspfeile etc.) sind aussagekräftige Fotos unerlässlich (besonders aufschlussreich Luftaufnahmen, z.B. google earth).  

     

    Wer Vorfahrt/Vorrang nach § 8 Abs. 1, § 10 S. 1 StVO beansprucht, muss wissen: Es ist bestenfalls ein „Vorrang light“. Ein Vorfahrtberechtigter, der davon ausgehen muss, dass sein Vorfahrtsrecht aufgrund der örtlichen Gegebenheiten evtl. nicht erkannt wird, ist zu besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet. Er muss damit rechnen, dass sein Vorfahrtsrecht missachtet wird und seine Fahrweise darauf einstellen (BGH VA 08, 39). Das gilt in besonderer Weise auf Parkplätzen.  

     

    Angesichts ständig wechselnder Verkehrssituationen muss ein Fahrzeugführer bei steter Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit fahren = max. 7 km/h (OLG Düsseldorf 15.6.10, I-1 U 186/09, Abruf-Nr. 103269).  

     

    Zu den hohen Anforderungen an ein parkplatzgerechtes Verhalten auch OLG Düsseldorf 29.6.10, I-1 U 240/09, Abruf-Nr. 103267.