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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Wer haftet in welchem Umfang bei einem Parkplatzunfall?

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Nicht nur, aber vor allem wegen der beiden BGH-Entscheidungen vom 15.12.15 (VI ZR 6/15 ) und vom 26.1.16 (VI ZR 179/15 ) besteht Veranlassung, das facettenreiche Thema „Parkplatzunfall“ erneut aufzugreifen. |

     

    Arbeitshilfe / Grundregeln im Schnellüberblick

    • 1. Gilt die Gefährdungshaftung?

     

      • Problemfall 1: Das auf einem öffentlichen Parkplatz geparkte Kfz
    • Die betriebsspezifische Kfz-Gefahr kann fortwirken, obwohl das Kfz ordnungsgemäß auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt wurde, etwa in einer öffentlichen Tiefgarage (BGH NJW 14, 1182 - Brandschaden; OLG Karlsruhe VA 15, 131 - Schulparkplatz). „Bei dem Betrieb“ (§ 7 Abs. 1 StVG) verneint: Ordnungsgemäß abgestelltes Krad fällt aus ungeklärten Gründen auf die Motorhaube eines abgestellten Pkw (LG Tübingen NJW 10, 2290).

     

      • Problemfall 2: Fahren auf einem nichtöffentlichen (privaten) Parkplatz
    • Die StVG-Haftung ist auch beim Fahren auf Privatgelände anwendbar (BGH NJW 05, 2081 - private Tiefgarage; OLG Celle NZV 13, 292 - Firmengrundstück; LG Heidelberg SP 15, 403 - private Tiefgarage).

     

      • Problemfall 3: Das auf einem nichtöffentlichen Parkplatz abgestellte Fahrzeug
    • Die Kfz-Gefahr kann trotz ordnungsgemäßen Abstellens selbst auf reinem Privatgelände fortwirken. „Bei dem Betrieb“ bejaht: Motorroller kippt auf (Lehrer-)Parkplatz um und beschädigt einen parkenden Pkw (LG Bochum NJW-RR 04, 824). Die Gefährdungshaftung endet nicht automatisch mit dem ordnungsgemäßen Abstellen auf einem privat genutzten Parkplatz, so aber LG Detmold für einen Hotelparkplatz (VA 10, 148).

     

    • 2. Geltung der StVO - überhaupt, eingeschränkt oder gar nicht?
      • Die Regeln der StVO sind auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen (z.B. Baumarkt, Einkaufszentrum, Parkhaus, BAB-Rastplatz) grundsätzlich anwendbar (BGH 15.12.15, VI ZR 6/15, Abruf-Nr. 183688), egal, ob dort ein Schild wie „hier gilt die StVO“ steht oder nicht.

     

      • Auch wenn die StVO grundsätzlich anzuwenden ist, bedeutet das nicht, dass alle Einzelvorschriften uneingeschränkt herangezogen werden können. So gelten Normen, die den fließenden Verkehr regeln (z.B. §§ 8, 10, 14 StVO), entweder gar nicht oder nur analog und mit Einschränkung.

     

      • Streitpunkt § 9 Abs. 5 StVO - Rückwärtsfahren. Den Streit, ob diese Vorschrift auf öffentlichen Parkplätzen direkt oder nur indirekt anzuwenden ist, hat der BGH jetzt entschieden: Keine unmittelbare Anwendung auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter, nur mittelbare Bedeutung über § 1 StVO (BGH 15.12.15, VI ZR 6/15, Abruf-Nr. 183688; BGH 26.1.16, VI ZR 179/15, Abruf-Nr. 183953). Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug sofort anhalten kann (BGH 26.1.16, VI ZR 179/15). Zur analogen Anwendung des § 9 Abs. 5 StVO beim Wenden auf einem Aldi-Parkplatz LG Wuppertal NJW-RR 15, 1307.

     

      • Im nichtöffentlichen Verkehrsraum gilt die StVO grundsätzlich nicht. Allerdings kann entsprechend den StVO-Regeln zu fahren sein. Dazu grundlegend BGH NJW 63, 152 (Analogie verneint); aktuell LG Heidelberg SP 15, 403 - private Tiefgarage.
     

     

    Arbeitshilfe / Unfall beim Einparken und Türöffnen

    Fall 1: An die Sorgfaltspflicht des Fahrers, der auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz in eine rechtwinklig zur Durchfahrtrichtung angeordnete Parklücke einparken will, sowie an die Sorgfaltspflicht des Fahrers oder Mitfahrers eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen sind grundsätzlich gleich hohe Anforderungen zu stellen. Bei einer Kollision des einparkenden Fahrzeugs mit einer teilweise geöffneten Fahrzeugtür eines geparkten Fahrzeugs kann 50 : 50 angemessen sein (OLG Frankfurt a.M. DAR 10, 267 m. Anm. Hüpers).

     

    Fall 2: Für 1/3 : 2/3 zulasten des Türöffners LG Saarbrücken NJW-RR 09, 1250: Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO nach Anscheinsbeweisregeln und Mithaftung des Einparkenden nach § 1 StVO. Begründung: Derjenige, der auf einem öffentlichen Parkplatz in eine freie Parktasche einfährt, muss damit rechnen, dass daneben abgestellte Fahrzeuge noch mit Insassen besetzt sind, solange er sich nicht hinreichend vom Gegenteil überzeugen konnte. Er muss sich daher darauf einstellen, dass am Nachbarfahrzeug die Tür geöffnet wird. Er darf nicht darauf vertrauen, dass sich dessen Insassen verkehrsgerecht verhalten. Siehe auch LG Saarbrücken 18.12.15, 13 S 128/15, Abruf-Nr. 146589: 80 : 20 zulasten des Türöffners.

     

    Fall 3: 100 : 0 zulasten desjenigen, der beim Einparken gegen die zum Beladen geöffnete Beifahrertür eines Pkw stößt. Offenhalten der Tür ist kein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO (schon grds. nicht anwendbar), auch nicht gegen § 1 StVO (AG Erkelenz 10.8.10, 14 C 131/10, Abruf-Nr. 103260).

     

    Praxishinweise | Typische Streitpunkte sind: Wie weit war die Tür geöffnet, wie groß war der Abstand zum anderen Fahrzeug? Bei widersprüchlichen Zeugenaussagen kann ein SV Klarheit schaffen, auch darüber, ob der Einparkende gegen die geöffnete Tür gefahren oder die Tür gegen das einparkende Fahrzeug geraten ist (zu dieser Variante AG Weilburg SP 02, 89). Ob das Öffnen „plötzlich und unvermittelt“ erfolgte, so die Standardbehauptung, lässt sich meist nicht aufklären. Um den Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes Öffnen/Offenhalten anwenden zu können, reicht den Gerichten der nahe örtliche und zeitliche Zusammenhang. Dass nicht der Fahrer, sondern der Beifahrer die (Beifahrer-)Tür geöffnet hat, steht der Haftung nach § 7 Ab. 1 StVG nicht entgegen (LG Saarbrücken 20.11.15, 13 S 117/15, Abruf-Nr. 146396).