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  • · Fachbeitrag · Verhaltensbedingte Kündigung

    Wiederheirat des Chefarztes an katholischem Haus kann Grund für eine Kündigung sein

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    Staatliche Gerichte dürfen sich nicht über das kirchliche Selbstverständnis hinwegsetzen, solange dieses nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist zu berücksichtigen und auf einer zweiten Prüfungsebene mit den Interessen des betroffenen ArbN abzuwägen. Diesem Prüfungsrahmen wurde eine Entscheidung des BAG nicht gerecht, befand das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 22.9.14, 2 BvR 661/12, Abruf-Nr. 143363).

     

    Sachverhalt

    Das katholische Krankenhaus stellte 2000 den ArbN als Chefarzt an. Arbeitsvertraglich wurde die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre unter Verweis auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23.9.93 in Bezug genommen. Zudem waren gesondert sowohl die nichteheliche Lebensgemeinschaft als auch eine kirchlich ungültige Ehe (Wiederheirat) als möglicher Kündigungsgrund benannt. Der ArbN war seinerzeit in erster Ehe verheiratet. 2005 trennten sich die Eheleute. Der ArbN lebte von 2006 bis 2008 mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Das war dem Geschäftsführer der Klinik seit Herbst 2006 bekannt. 2008 wurde die Ehe geschieden und der ArbN heiratete die neue Lebensgefährtin. Nach Bekanntwerden und Gesprächen über die Auswirkungen der zweiten Ehe auf das Arbeitsverhältnis kündigte die Klinik im März 2009 zum 30.9.09 und verwies maßgeblich auf das „Kirchenprivileg“.

     

    • Stichwort: Kirchenprivileg

    In Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV), der über Art. 140 GG fortgilt, ist das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften niedergelegt, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbstständig zu regeln. Kirchliche Arbeitsverhältnisse liegen somit nicht außerhalb des staatlichen Arbeitsrechts, genießen jedoch Sonderrechte („Kirchenprivileg“). Daher kann ein Verstoß gegen kirchenrechtliche Loyalitätsobliegenheiten eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes rechtfertigen. Es ist aber im Einzelfall zu prüfen, wie weit das kirchliche Selbstbestimmungsrecht reicht und als Kündigungsgrund zu akzeptieren ist.