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  • 18.02.2011

    Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 27.09.2010 – 11 Sa 303/08


    Tenor:

    Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.12.2007 - 6 Ca 2946/07 - wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin war bis zum 31.12.2007 bei dem Versorgungsamt Bielefeld beschäftigt und wendet sich gegen ihre Zuordnung zum Kreis Lippe nach der Auflösung der Versorgungsämter in Nordrhein-Westfalen zum 01.01.2008 durch das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (vom Landtag verabschiedet am 30.10.2007 als Artikel 1 des 2. Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen / GV NRW 2007, 482 ff. / im Weiteren: EingliederungsG Versorgungsämter NW).

    Die Klägerin war seit dem 01.07.1979 als Verwaltungsangestellte in der hierarchischen Stellung einer Assistenzkraft im Versorgungsamt Bielefeld beschäftigt. Sie erzielt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.402,15 €. Sie war in der Abteilung Schwerbehindertenrecht tätig. Sie ist alleinerziehend bezüglich eines volljährigen Sohnes, der sich in einer Ausbildung befindet. Wegen des Organisationsplans des Versorgungsamts Bielefeld wird auf Bl. 418 GA Bezug genommen (Anlage BK 17). Die Entfernung zum Arbeitsplatz in Lippe beträgt für die Klägerin 33 Km.

    Am 20.11.2007 wurde das EingliederungsG Versorgungsämter NW als Artikel 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (Straffungsgesetz) verkündet. Dort ist auszugsweise geregelt:

    § 1

    Auflösung der Versorgungsämter

    (1) Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben werden nach Maßgabe dieses Gesetzes den Kreisen und kreisfreien Städten, den Landschaftsverbänden und den Bezirksregierungen übertragen.

    (2) Die Beamten und die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen nach Maßgabe dieses Gesetzes auf die Kreise und kreisfreien Städte, auf die Landschaftsverbände, auf die Bezirksregierungen und auf das Landesamt für Personaleinsatzmanagement über bzw. werden im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

    (3) Die Versorgungsämter Aachen, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster, Soest und Wuppertal werden mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst.

    § 2

    Aufgaben des Schwerbehindertenrechts

    (1) Die den Versorgungsämtern nach den §§ 69 und 145 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch übertragenen Aufgaben werden mit Wirkung vom 01. Januar 2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen.

    (2) . . .

    § 10

    Tarifbeschäftigte

    (1) Die mit Aufgaben nach §§ 2 bis 5 und nach § 8 Abs. 2 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter werden kraft Gesetzes mit Wirkung vom 31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitete und nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 und der §§ 11 bis 21 den dort genannten kommunalen Körperschaften kraft Gesetzes mit Wirkung vom 01. Januar 2008 im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

    . . .

    (5) Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bereitet den Personalübergang nach den Absätzen 1 bis 4 vor der Übertragung der Aufgaben auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans vor. Der Zuordnungsplan ist unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger ist zu gewährleisten.

    (6) Soweit die tariflich Beschäftigten kommunalen Körperschaften zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, werden die Einzelheiten der Personalgestellung in den zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und den in §§ 11 bis 21 genannten Körperschaften für jedes Versorgungsamt geschlossenen Personalgestellungsverträgen geregelt.

    (7) Soweit tariflich Beschäftigte den kommunalen Körperschaften im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, bleiben die Beschäftigungsverhältnisse zum Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage der für das Land geltenden Tarifverträge und Vereinbarungen über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bestehen.

    § 12

    Versorgungsamt Bielefeld

    (1) Die mit Aufgaben nach §§ 2 und 5 betrauten Beamten gehen, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, entsprechend den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben anteilig auf die kreisfreie Stadt Bielefeld und die Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke und Paderborn über.

    . . .

    (4) Die Regelungen der Absätze 1 und 2 gelten für tariflich Beschäftigte im Wege der Personalgestellung nach § 10 entsprechend.

    Begleitend zum Gesetz wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ein Zuordnungsplan erarbeitet. Für die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Zuordnung von Beamten und Tarifbeschäftigten zu den verschiedenen zukünftigen Einsatzorten wurde folgendes Punkteschema zugrunde gelegt:

    "Lebensalter: pro Jahr (Stichtag 1.8.07) 0,2 Punkte

    Beschäftigungszeit: pro Jahr (Stichtag 1.8.07) 0,2 Punkte

    Familienstand: verh./zusammenlebend 2 Punkte

    Kinder, pro Kind bis zum 18. Lebensjahr 5 Punkte

    Alleinerziehend: 5 Punkte

    Pflege von Angehörigen: insges. 2 Punkte

    Teilzeit: Reduzierung um 20% und mehr 5 Punkte

    + Reduzierung um 50% und mehr5 Punkte

    Schwerbehinderung: 5 Punkte

    + je 10 Grad 1 Punkt."

    Neben diesen Punkten wurde bei allen Beschäftigten bei der Prüfung der Zuordnung zu den kreisfreien Städten bzw. zu den Kreisen des früheren Versorgungsamtsbezirks die Entfernung zum nächsten nachfolgend in Betracht kommenden Einsatzort mit 0,1 Punkten pro Entfernungskilometer vom jeweiligen Wohnort berücksichtigt (beispielsweise bei der Zuordnungsentscheidung für Bielefeld die Entfernung nach Herford). Neben diesen Kriterien gab es im Einzelfall Korrekturen durch die Einstufung von Betroffenen als persönliche Härtefälle oder Entfernungshärtefälle (weitere Einzelheiten: Bl. 240 - 243 GA).

    Die Ermittlung der sozialen Daten erfolgte durch eine "Interessenabfrage", die formularmäßig im Juli 2007 durchgeführt wurde. Die Klägerin füllte die Interessenabfrage am 09.07.2007 aus. Als ersten örtlichen Wunsch gab die Klägerin Bielefeld an, danach die Kreise Herford, Gütersloh, Lippe, Paderborn, Minden-Lübbecke und Höxter an. Zu den Kreisen Gütersloh bis Höxter merkte die Klägerin an, dass es nicht ihr Wunsch sei, dort eingesetzt zu werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie der Interessenabfrage Bezug genommen (Bl. 273, 274 GA, Anlage BK 3).

    Die Zuordnung erfolgte anschließend durch eine Auswahl innerhalb der jeweiligen Dienstgruppe. Im vorliegenden Fall kamen alle Beschäftigten des Assistenzdienstes des Versorgungsamtes Bielefeld, die nach Auffassung des Ministeriums Aufgaben des Schwerbehindertenrechts wahrgenommen hatten, in das Auswahlverfahren. Die endgültige Fassung des Zuordnungsplans wurde am 14.11.07 erstellt. Nachdem der Klägerin bereits im Spätsommer 2007 mitgeteilt worden war, dass sie aufgrund eines vorläufigen Zuordnungsplanes mit den Aufgaben des Schwerbehindertenrechtes den Kreis Lippe in Detmold übergehen sollte, wurde ihr durch Schreiben des Versorgungsamtes Bielefeld vom 15.11.2007 mitgeteilt, dass sie nunmehr aufgrund des endgültigen Zuordnungsplanes dem Kreis Lippe zur Erledigung der Aufgaben im Schwerbehindertenrecht zugewiesen werde. Nach Bielefeld wurden drei Mitarbeiter zugeordnet: W3 (37,27 Punkte), M4 (35,91), S7 (35,62). Zum Kreis Gütersloh wurden zugeordnet: P3 (35,86), P4 (31,19), B4 (28,76). Zum Kreis Herford wurde Frau K4 (30,86) zugeordnet. Nach Detmold zum Kreis Lippe wurden Herr R3 (24,51) und die Klägerin (24,20) zugeordnet. Wegen der von dem beklagten Land bei den Zuordnungsentscheidungen zugrunde gelegten Sozialdaten und Punktwerten der genannten Beschäftigten wird auf die eingereichte Übersicht "Versorgungsamt Bielefeld / Zuordnungsplan / Schwerbehindertenrecht / Assistenzbereich" und auf die in Kopie vorgelegten Interesseabfragebögen dieser Mitarbeiter Bezug genommen (Zuordnungsplan: Bl. 277 GA = Anlage BK 6, Interesseabfragebögen: Klägerin Bl. 273, 274 GA und übrige Beschäftigte Bl. 516 - 531).

    Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Überleitung auf das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und ihre anschließende Überlassung an den Kreis Lippe im Wege der Personalgestellung seien unwirksam. Die Klägerin hat die mangelhafte Beteiligung des Hauptpersonalrates gerügt. Darüber hinaus seien die erforderlichen sozialen Belange bei ihrer Zuordnung zum Kreis Lippe nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es sei zu berücksichtigen, dass sie für einen volljährigen Sohn, der sich in der Ausbildung befinde, alleinerziehend sei. Sie habe auch bereits in anderen Abteilungen beispielsweise beim Elterngeld auf der Ebene der Assistenzkräfte gearbeitet. Vor diesem Hintergrund hätte sie auch beispielsweise der Stadt Bielefeld, die mit den Aufgaben des Elterngeldes nunmehr betraut sei, überlassen werden können. Statt ihrer seien dort kürzer Beschäftigte und jüngere Arbeitnehmer zugeordnet worden, die keine Unterhaltspflichten hätten, zugewiesen worden.

    Die Klägerin hat die Anträge gestellt,

    den Übergang der Klägerin in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Wirkung zum 31.12.2007 zu unterlassen;

    den Einsatz der Klägerin beim Kreis Lippe in Detmold im Wege der Personalgestellung ab 01.01.2008 zu unterlassen.

    Das beklagte Land hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, Beteiligungsrechte von Personalräten seien nicht zu beachten gewesen. Die Überleitung der Beschäftigten auf die neuen Träger der Aufgaben sei unmittelbar durch das Gesetz erfolgt und deshalb nicht mitbestimmungspflichtig gewesen. Der Zuordnungsplan beinhalte mit Inkrafttreten des Gesetzes eine gesetzliche Zuweisung. Vor diesem Hintergrund könne eine Rechtsmäßigkeit- und Ermessenskontrolle nicht mehr erfolgen. Mit einem (erst) am 18.12.2007 vorab per Fax um 22.34 Uhr eingegangenem Schriftsatz hat das beklagte Land erstmals Ausführungen zu den Grundlagen der Zuordnungsentscheidung, gemacht.

    Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land am 19.12.2007 verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin ab dem 01.01.2008 beim Kreis Lippe in Detmold im Wege der Personalgestellung zu beschäftigen. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das beklagte Land habe die Zuordnung nach billigem Ermessen vornehmen müssen. Die Wahrung billigen Ermessens habe nicht kontrolliert werden können, weil das beklagte Land entsprechende Ausführungen erst in einem Schriftsatz nach Ablauf der gerichtlich gesetzten Frist gemacht habe. Der verspätete Vortrag sei nicht zuzulassen. Da das beklagte Land insoweit darlegungs- und beweisbelastet sei, sei die Zuordnung nach Lippe deshalb unwirksam. Die Überleitung der Klägerin in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sei hingegen wirksam. Insoweit sei die Klage unbegründet.

    Das Urteil ist dem beklagten Land am 04.01.2008 zugestellt worden. Die Berufung ist am 07.01.2008 eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 01.04.2008 am 01.04.2008 begründet worden.

    Das beklagte Land wendet ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht das Vorbringen im Schriftsatz vom 18.12.2007 unberücksichtigt gelassen. Das Vorbringen sei nicht schuldhaft verspätet gewesen. Die Klägerin habe das Vorbringen nicht bestritten. Der Personalübergang sei kraft Gesetzes erfolgt. Der Zuordnungsplan sei in das Gesetz integriert. Die Zuordnung der Klägerin nach Lippe verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag. Der TV-L sei anzuwenden und lasse die Zuordnung zu. Die Zuordnung habe sich zunächst nach dem Prinzip gerichtet: Das Personal folgt der Aufgabe. Die erfolgte Zuordnung sei angemessen. Die vorrangig zugeordneten Mitarbeiter wiesen jeweils höhere Punktwerte auf als die Klägerin. Die für die Beschäftigten W3, M4, S7, P3, P4, B4, K4 und R3 bei der Zuordnung berücksichtigten Sozialdaten, wie sie u.a. mit den Interessenabfragebögen erhoben worden seien, seien zutreffend. Hinsichtlich der weiteren Angaben wird auf die Aufstellung der Sozialdaten im Schriftsatz vom 07.08.2008 und die in Kopie vorgelegten Interessenabfragen der Beschäftigten Bezug genommen (dort S. 3 - 6 = Bl. 401 - 404 GA / Bl. 516 ff GA). Die von der Klägerin angeführten Beschäftigten R4 und K5 seien jeweils im ärztlichen Dienst tätig gewesen und deshalb entsprechend der Zuordnung der jeweiligen Ärzte zugeordnet worden. Entgegen der Darstellung der Klägerin sei Frau B4 wie die Klägerin als Assistenzkraft im Bereich Schwerbehindertenrecht eingesetzt gewesen. Das könne Frau B4 bestätigen. Ausweislich der Aktenverfügung vom 27.08.2007 sei der Personaleinsatz von Frau B4 ab 01.07.2007 von "Abt. 2 OVSt" zu "Abt. 3 (SchwbR)" geändert worden (Kopie der Aktenverfügung: Bl. 630 GA). Das Punkteschema sei angemessen. Die Punktzahl der Klägerin habe für ihr Wunschziel nicht ausgereicht. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls erfülle die Klägerin nicht. Eine personalvertretungsrechtliche Mitbestimmung sei für die Zuordnung unter keinem Gesichtspunkt erforderlich gewesen.

    Das beklagte Land beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.12.2007 - 6 Ca 2946/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Zutreffend habe das Arbeitsgericht das Vorbringen des beklagten Landes als verspätet zurückgewiesen. Das beklagte Land sei gehindert, sich jetzt im Berufungsverfahren auf diesen Sachvortrag zu berufen. Das beklagte Land bleibe mit dem verspäteten Vorbringen ausgeschlossen. Ein Personalübergang kraft Gesetzes liege nicht vor. Vor der Zuordnung sei sie nicht ausreichend angehört worden. Der Interesseabfragebogen sei insoweit unzureichend. Mit der Zuordnung zum Kreis Lippe habe das beklagte Land die Grenzen seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO überschritten. Die Zuordnung sei unbillig. Ihre sozialen Belange seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Sie könne auch im Bereich Elterngeld eingesetzt werden. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Sozialdaten und Punktwerte der vorrangig berücksichtigten Beschäftigtenzutreffend seien. Bei Herrn R3 habe das Land ein Kind berücksichtigt, das nicht dessen leibliches Kind sei sondern das Kind der Lebensgefährtin. Zu beanstanden sei, dass das beklagte Land die Beschäftigten R4 und K5 offensichtlich überhaupt nicht in die Zuordnungsauswahl einbezogen habe, obwohl beide als Assistenzkräfte im Schwerbehindertenrecht tätig gewesen seien und weniger schutzbedürftig seien. Eine Beschäftigte B4 sei ihr nicht bekannt. Es müsse bestritten werden, dass Frau B4 überhaupt im Schwerbehindertenrecht tätig gewesen sei. Da sie - die Klägerin - nicht über einen PKW verfüge und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei, benötige sie für den einfachen Weg zur Arbeitsstelle beim Kreis Lippe ca. 1,5 Stunden. Daraus resultiere eine erhebliche gesundheitliche Belastung. Sie sei deshalb in ärztlicher Behandlung und befinde sich inzwischen in ständiger Therapie. Sie sei als Härtefall zu berücksichtigen. Ermessensfehlerhaft sei es, dass ihr Sohn allein wegen seines Lebensalters keine Berücksichtigung finden solle. Für den Sohn hätten ihr Punkte zugerechnet werden müssen. Das beklagte Land veranschlage für eine Teilzeitbeschäftigung eine unangemessen hohe Punktzahl. Die Zuordnung verletze das Mitbestimmungsrecht des LPVG NW. Die Zuordnung sei aus den aufgezeigten Gründen unwirksam.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und weiterer Einzelheiten ihrer rechtlichen Argumente wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Wegen des von dem beklagten Land vorgelegten Gutachtens des Prof. Dr. H.A. Wolff zu hier einschlägigen Fragen der Verwaltungsstrukturreform in NRW wird auf Bl. 426 - 440 GA verwiesen.

    Das beklagte Land hat in der Sitzung am 27.05.2010 angegeben, bei der Beschäftigten W3 seien abweichend von den tatsächlichen Verhältnissen fälschlich 5 Punkte für "alleinerziehend" eingerechnet worden.

    Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen K5, R4 und S6-B5 sowie der Zeuginnen W3, M4, S7, P3, P4 und des Zeugen R3 sowie der Zeuginnen B4 und K4. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 17.09.2009, vom 27.05.2010 und vom 27.09.2010 Bezug genommen (Bl. 498 - 503 GA, 599 - 605 GA, Bl. 645 - 648 GA).

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des beklagten Landes ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen des ArbGG und der ZPO eingelegt und begründet worden, §§ 8 Abs. 2, 64, Abs. 1, 2 b), 66 Abs. 1, 64 Abs.6 ArbGG, 519, 520 ZPO. Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht das beklagte Land verurteilt, die Beschäftigung der Klägerin im Wege der Personalgestellung bei dem Kreis Lippe zu unterlassen.

    I.

    Die von der Klägerin angegriffene Zuordnung zum Kreis Lippe berücksichtigt dienstliche Belange und soziale Kriterien unzureichend. Mit Frau B4 ist eine Beschäftigte im Aufgabenbereich Schwerbehindertenrecht zugeordnet worden obwohl sie nicht in diesem Bereich tätig war. Herrn R3 sind Punkte für ein Kind zugerechnet worden sind, obwohl er nicht der leibliche Vater und damit nicht gesetzlich unterhaltsverpflichtet war und ist. Wegen dieser Unzulänglichkeiten verstößt die Zuordnung der Klägerin zum Kreis Lippe gegen die Vorgaben des § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW. Das beklagte Land hat es deshalb zu unterlassen, die rechtswidrige Zuordnung der Klägerin zu realisieren.

    1. Zwar ist die eigenständige Versorgungsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und explizit auch das Versorgungsamt Bielefeld als bisherige Dienststelle der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 EingliederungsG Versorgungsämter NW mit Ablauf des 31.12.2007 aufgelöst worden. Auch sehen die §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 1, Abs. 5 - 7, 12 Abs. 1, Abs. 4 EingliederungsG Versorgungsämter NW eine Personalgestellung der am Versorgungsamt Bielefeld tätigen Tarifbeschäftigten des Aufgabenbereiches Schwerbehindertenrecht unter anderem an den Kreis Lippe vor. Auch ordnet der Zuordnungsplan des Ministeriums die Klägerin dem Kreis Lippe zu.

    2. Die Zuordnung hatte jedoch gemäß § 10 Abs. 5 S. 2 EingliederungsG Versorgungsämter NW unter Berücksichtigung dienstlicher Belange und sozialer Kriterien zu erfolgen. Diese Gebote sind bei der der streitgegenständlichen Zuordnung nicht ausreichend beachtet.

    a) Bei Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW teilt die Berufungskammer nicht die Auffassung, eine unzureichende Berücksichtigung der dienstlichen und sozialen Belange eines zugeordneten Tarifbeschäftigten könne nur über eine Vorlage an das Verfassungsgericht gerichtlich beanstandet werden, weil der Zuordnungsplan inkorporierter Teil des Eingliederungsgesetzes sei. Die Kammer sieht in einer unzureichenden Berücksichtigung der dienstlichen und sozialen Belange bei Erstellung des Zuordnungsplans vielmehr einen Verstoß gegen § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW, der zur Unwirksamkeit der vom Ministerium vorgenommenen Zuordnung wegen Gesetzesverstoßes führt. Der Zuordnungsplan hat nicht die Rechtsqualität eines Gesetzes. Der Inhalt des Zuordnungsplans ist weder vom Parlament verabschiedet noch auch nur zur Kenntnis genommen worden. Auch ist der Zuordnungsplan nicht förmlich im Gesetzblatt verkündet worden. Dementsprechend hat die Kammer in ihrem ersten Urteil vom 14.08.2008 zu einer strittigen Zuordnung aus dem Bereich des Versorgungsamts Soest und in etlichen danach ergangenen Entscheidungen zu dieser Problematik die Berücksichtigung der sozialen Belange der konkurrierenden Beschäftigten des Aufgabenbereiches im Einzelfall überprüft - und im Ergebnis zumeist für gesetzeskonform befunden (z.B. LAG Hamm 14.08.2008 - 11 Sa 552/08 -; LAG Hamm 18.12.2008 - 11 Sa 1356/08 - ; LAG Hamm 08.01.2009 - 11 Sa 1131/08 - ; ebenso LAG Hamm 04.12.2008 - 17 Sa 997/08 - ; anders aber: Urt. 19.02.2009 - 11 Sa 1357/08 -; LAG Hamm 10.06.2010 - 11 Sa 1428/09 -). Auch der von dem beklagten Land zur Akte gereichte Beitrag von Prof. Dr. H.A. Wolff / Europa-Universität Vadrina zum Symposium "Verwaltungsstrukturreform des Landes Nordrhein-Westfalen" vom 13.06.2008 gelangt zu dem Ergebnis, der Zuordnungsplan sei teilnichtig, soweit er im Einzelfall eine nicht dem Normenprogramm des EingliederungsG Versorgungsämter NW genügende Zuordnung treffe (aaO unter D 7 [dort fälschlich "6"] S. 13, 14). Die gesetzliche Verweisung des EingliederungsG Versorgungsämter NW gehe dann insoweit ins Leere, die Verweisung erfasse den betroffenen Mitarbeiter nicht (aaO S.14). Der Zuordnungsplan sei zwar einerseits [bezogen auf die Beamten] nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, könne aber andererseits auch nicht als Teil des Gesetzes gesehen werden, da er einen anderen Urheber [als das Gesetz] habe (aaO unter D 3 S. 11). Der Zuordnungsplan sei ein verwaltungsorganisatorischer Rechtsakt in Wahrnehmung der Personal- und Organisationshoheit mit dienstrechtlichen Wirkungen (aaO unter D 3, 4 S. 12).

    b) Hier ist zu beanstanden, dass die Tarifbeschäftigten B4 und R3 bei der Zuordnungskonkurrenz um einen möglichst ortsnahen Einsatz vorrangig gegenüber der Klägerin im Assistenzbereich Schwerbehindertenrecht zugeordnet worden sind. Das Land ist für die zureichende Berücksichtigung dienstlicher Belange und sozialer Kriterien darlegungs- und beweispflichtig. Das Land hat mit den aufgebotenen Beweismitteln nicht den Nachweis geführt, dass den gesetzlichen Anforderungen genügt ist.

    aa) Frau B4:

    Die Aufnahme von Frau B4 in den Zuordnungsplan Schwerbehindertenrecht / Assistenzbereich verstößt gegen § 10 Abs.5 EingliederungsG Versorgungsämter NW, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass Frau B4 dem Aufgabenbereich Schwerbehindertenrecht zuzurechnen war. Der Tätigkeitsbereich ist für die Zuordnungsentscheidung erheblich, weil das beklagte Land den dienstlichen Belangen mit dem Grundsatz "Das Personal folgt der Aufgabe" Rechnung getragen hat. Die Frage des Tätigkeitsbereiches der Frau B4 ist zwischen den Parteien streitig. Das beklagte Land hat die Zeugin B4 für die Richtigkeit der behaupteten Tätigkeit der Zeugin im Schwerbehindertenrecht benannt; dabei hat das Land die Kopie einer "Aktenverfügung" vom 28.07.2007 vorgelegt, die sich zu einer Änderung des Personaleinsatzes für Frau B4 ab 01.07.2007 verhält: "von Abt.2 (OVSt) zu Abt.3 (SchwbR)". Die Zeugin B4 hat bei ihrer Vernehmung die Behauptung des Landes nicht bestätigt. Sie hat vielmehr ausgesagt, dass sie bis zum Ende des Jahres 2007 "wie die ganze Zeit zuvor auch schon" in der orthopädischen Versorgungsstelle in der Nebenstelle des Versorgungsamtes Bielefeld in der Kurt-Schumacher-Straße gearbeitet hat. Die orthopädische Versorgungsstelle gehört nach dem Organisationsplan des Versorgungsamts zur Abteilung 2 Soziales Entschädigungsrecht (Bl. 418 GA). Konsequent sind die Kollegen der Zeugin - soweit die Zeugin dies aus heutiger Sicht überblickt - nicht im Aufgabenbereich Schwerbehindertenrecht den Kreisen und kreisfreien Städten zugeordnet worden sondern zum Landschaftsverband LWL nach Münster (§ 4 EingliederungsG Versorgungsämter NW) ["Ja, ich meine, meine Kollegen aus der Versorgungsstelle sind wohl nach Münster gegangen. Ich weiß nicht, ob alle nach Münster zugeordnet worden sind. Soweit ich meine kleinere Abteilung überblicke, war das aber so."]. Ein Einsatz der Zeugin B4 im Schwerbehindertenbereich ist durch diese Aussage nicht bewiesen worden. Der Hinweis des beklagten Landes auf Angaben der Prozessvertreter von Frau B4 in einem von Frau B4 gegen die Zuordnung geführten Rechtsstreit führt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn es dort in einem Schriftsatz vom 13.12.2007 heißt: "Die Klägerin ist seit dem 15.02.1982 bei dem beklagten Land beschäftigt und zur Zeit als Gruppenleiterin in der Abteilung 3 "Schwerbehindertenrecht" im Versorgungsamt Soest eingesetzt." (Bl. 651 GA), so besitzt dies keine Überzeugungskraft für eine Tätigkeit der Zeugin im Schwerbehindertenrecht. Frau B4 war unstreitig weder als Gruppenleiterin noch beim Versorgungsamt Soest tätig; weshalb dann die weitere Angabe "Schwerbehindertenrecht" als einzige Angabe - neben zwei unstreitig falschen Angaben - zutreffend sein soll, erschließt sich nicht. Offenkundig hat die seinerzeitige Prozessvertretung Daten verschiedener Tarifbeschäftigter verwechselt. Ebenfalls keinen Beweiswert i.S. der Behauptung des Landes besitzt der Umstand, dass der von der Klägerin im Juli 2007 ausgefüllte Interessenabfragebogen die Überschrift " Interessenabfrage - Versorgungsamt Bielefeld - Aufgabenbereich ´Schwerbehindertenrecht`" aufweist. Hierzu hat Frau B4 bei ihrer Vernehmung angegeben, die Bögen seien arbeitgeberseits verteilt worden: Nachdem die Zeugin B4 ausdrücklich ausgesagt hat, dass sie durchgängig und bis zuletzt in der Orthopädischen Versorgungsstelle eingesetzt war, vermag die Überschrift des Interessenabfragebogens keine gegenteilige Überzeugung der Kammer zu begründen. Dem erstmalig in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den seinerzeitigen Amtsleiter S10 zu der Behauptung zu vernehmen, dass Frau B4 zum 01.07.2007 zum Aufgabenbereich "Schwerbehindertenrecht" versetzt worden sei, war nicht nachzugehen. Die Behauptung ist nicht entscheidungserheblich, weil sich das Beweisthema nicht zur tatsächlichen Arbeitserledigung durch Frau B4 in den letzten Monaten ihrer Tätigkeit bei dem Versorgungsamt Bielefeld verhält. Mangels Erheblichkeit musste über eine etwaige Zurückweisung des Beweisantritts als verspätet gemäß § 67 Abs.3, Abs.4 ArbGG nicht entschieden werden.

    bb) Herr R3

    Herrn R3 sind fünf "Sozialpunkte" unter dem Gesichtspunkt "Kind" zuerkannt worden. Die Vergabe dieser Punkte ist unberechtigt, weil Herr R3 nach eigener Aussage nicht der leibliche Vater des Kindes ist - es handelte sich um das Kind seiner damaligen Lebensgefährtin. Da Herr R3 gegenüber diesem Kind nicht unterhaltsverpflichtet ist, kann dieser Umstand nicht als soziales Kriterium i.S.d. § 10 Abs.5 EingliederungsG Versorgungsämter NW berücksichtigt und zum Nachteil der Klägerin bei der Zuordnungskonkurrenz gewichtet werden.

    cc) Da das beklagte Land für die Berücksichtigung der sozialen Kriterien bei der Zuordnung der Beamten und Tarifbeschäftigten abstrakt generelle Vorgaben entwickelt und einheitlich zugrunde gelegt hat, muss das Land die mit § 10 Abs.5 EingliederungsG Versorgungsämter NW nicht zu vereinbarende Zuordnung der Klägerin nach den praktizierten Vorgaben korrigieren. Denn der Arbeitgeber ist bei seinen Maßnahmen und Entscheidungen zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer verpflichtet, sofern er nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip verfährt (ErfK-Preis, 10. Aufl. 2010, § 611 BGB Rn. 575, 576). Ohne die unberechtigte vorrangige Berücksichtigung der Tarifbeschäftigten B4 und R3 rückt die Klägerin in der konsequent nach den Punktzahlen vorgenommenen Zuordnungsreihenfolge um zwei Positionen nach vorn. Eine Zuordnung zum Kreis Lippe ist damit ausgeschlossen. Die gleichwohl vorgenommene gesetzeswidrige Zuordnung der Klägerin ist unwirksam. Das beklagte Land hat es zu unterlassen, die Klägerin in Umsetzung der fehlerhaften Zuordnung im Wege der Personalgestellung in Detmold bei dem Kreis Lippe zu beschäftigen. Soweit das beklagte Land dem in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer entgegengehalten hat, aus einer fehlerhaften Zuordnung müsse nicht zwangsläufig eine anderweitige Zuordnung erfolgen, es sei auch der Gesichtspunkt einer ansonsten ggf. unzureichenden Personalausstattung einzelner Zuordnungsorte in die Betrachtung einzubeziehen, fehlt es an entsprechendem substantiierten Prozessvortrag. Das beklagte Land hat mit seinem Prozessvorbringen keine Umstände dargetan, die ein Abweichen von der Zuordnung nach Punktwerten entsprechend dem vorgelegten Zuordnungsplan gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

    III.

    Da das beklagte Land mit der eingelegten Berufung unterlegen ist, hat es nach § 97 Abs.1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.