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  • 06.09.2012 · IWW-Abrufnummer 123266

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 12.07.2012 – 3 K 4435/11

    1. Die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG, nach der das zu versteuernde Einkommen eines beschränkt Steuerpflichtigen mit anderen Einkünften als Arbeitnehmer fiktiv um den Grundfreibetrag zu erhöhen ist, so dass die Besteuerung ab dem ersten Euro dem Eingangssteuersatz unterliegt, ist weder verfassungs- noch unionsrechtswidrig.
    2. Die Gewährung des Freibetrags ist nicht Aufgabe des Quellen- sondern des Wohnsitzstaates, in dem der im Inland beschränkt Steuerpflichtige seine wesentichen Einkünfte erzielt.
    3. Gebietsansässige und Gebietsfremde sind im Hinblick auf die direkten Steuern in einem Staat in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation, so dass bestimmte Steuervergünstigungen, die hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft nur Gebietsansässigen gewährt werden, im Allgemeinen nicht diskriminierend sind.


    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In dem Finanzrechtsstreit
    hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter … Ehrenamtliche Richter …
    für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Die Revision wird nicht zugelassen.
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob § 50 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr (2009) geltenden Fassung mit Verfassungsrecht und Unionsrecht vereinbar ist.
    Der im Jahr 19xx geborene Kläger, deutscher und österreichischer Staatsangehöriger, hat seinen Wohnsitz und seine ständige Wohnstätte in X, Republik Österreich (Österreich). Zum 30. September 2009 erfolgte seine Emeritierung als ordentlicher Universitätsprofessor der Universität X; aus dieser Tätigkeit bezog der Kläger in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt xx.xxx EUR. Daneben erzielte der Kläger in Österreich negative Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (./.x.xxx EUR).
    In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte der Kläger im Streitjahr als Mitunternehmer gewerbliche Einkünfte aus einer Beteiligung an der K GmbH & Co. KG in O/Deutschland. Die Einkünfte des Klägers aus dieser gewerblichen Tätigkeit werden vom Beklagten (dem Finanzamt – FA –) gesondert und einheitlich feststellt. Auf die Mitteilung für 2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften vom 24. Januar 2011 (Bl. 84 der Einkommensteuerakte – ESt-A –) wird hingewiesen. Daneben bezieht der Kläger seit 1. September 2006 eine Altersrente von der …-Versicherung. Für die steuerliche Beratung des Klägers durch die Klägervertreter sind dem Kläger im Streitjahr Steuerberatungskosten in Höhe von xxx EUR entstanden; auf die Rechnung (Bl. 72 ESt-A) wird Bezug genommen.
    In seiner Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige gab der Kläger die oben genannten, in Deutschland erzielten Einkünfte an und machte bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb – zusätzlich zu den gesondert und einheitlich festgestellten Einkünften in Höhe von xx.xxx EUR – die gesamten Steuerberatungskosten in Höhe von xxx EUR – wohl versehentlich – einkünfteerhöhend geltend. Er erklärte außerdem eine Altersrente von x.xxx EUR sowie – wohl ebenfalls versehentlich – einen Rentenerhöhungsbetrag in Höhe von lediglich xxx EUR (wie im Vorjahr).
    Das FA setzte demgegenüber im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27. Januar 2011 anteilige Steuerberatungskosten in Höhe von xxx EUR zugunsten des Klägers von den Einkünften aus Gewerbebetrieb ab. Als Rentenanpassungsbetrag berücksichtigte das FA xxx EUR (steuerfreier Teil der Rente danach: x.xxx EUR).
    Mit seinem Einspruch vom 1. Februar 2011 beantragte der Kläger die Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrages. Diesem Einspruch half das FA durch Änderungsbescheid vom 18. Februar 2011 in vollem Umfang ab.
    Noch innerhalb der laufenden Einspruchsfrist für den Bescheid vom 27. Januar 2011 erhob der Kläger unter dem 23. Februar 2011 Einspruch (auch) gegen den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2011 wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Er ließ vorbringen, nach § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG habe das FA sein zu versteuerndes Einkommen um den Grundfreibetrag erhöht. Daraus ergäben sich für ihn Progressionsnachteile (Steuerlast 30,85% statt 26,06%). Es sei nicht im Sinne des § 50 EStG, ein nicht angefallenes, fiktives Einkommen in Höhe des nicht gewährten Grundfreibetrags zu besteuern. Steuerausländer würden systematisch benachteiligt. Dies sei verfassungswidrig und als Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit unionsrechtswidrig.
    Das FA wies die Einsprüche wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag durch Einspruchsentscheidung vom 23. November 2011 als unbegründet zurück. § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungsgemäß und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (jetzt: Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH –) mit dem Europarecht vereinbar. Unabhängig davon sei im Streitfall nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV –) betroffen, weil der Kläger kein Arbeitnehmer sei.
    Mit seiner Klage wegen Einkommensteuer verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er lässt vortragen, § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG gehe über die gesetzgeberische Zielsetzung, beschränkt Steuerpflichtigen den Grundfreibetrag zu versagen, hinaus: Richtigerweise sei lediglich zur Berechnung des Steuertarifs das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag zu erhöhen der sich danach ergebende Durchschnittssteuersatz auf das tatsächlich erzielte Einkommen anzuwenden. Die zusätzliche Besteuerung des fiktiven Grundfreibetrags gehe darüber weit hinaus: Deutschland besteuere im Ergebnis den durch Österreich steuerfrei gestellten Betrag, so dass dem Kläger gar kein Grundfreibetrag gewährt werde, weil die Steuerfreistellung in Österreich durch die Besteuerung in Deutschland kompensiert werde. Der Kläger werde durch die Hinzurechnung von Einkünften in Höhe des Grundfreibetrags, zu der es bei Gebietsansässigen nicht komme, doppelt belastet. Auf die Einkünfte des Klägers werde infolgedessen ein Durchschnittssteuersatz angewendet, der bei unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen erst bei einem Einkommen von ca. 72.000 EUR erreicht werde. Dies sei so mit der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar. Zudem sei § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht gerechtfertigt, weil für diese Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund gegeben sei. Weiter sei die Regelung unverhältnismäßig, weil sie über das hinausgehe, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich sei. Die doppelte Belastung sowohl durch den erhöhten Steuersatz als auch durch die erhöhte Bemessungsgrundlage führe nämlich zu unangemessenen und nicht hinnehmbaren Ergebnissen. Es handele sich um eine willkürliche und damit rechtlich unerlaubte Diskriminierung.
    Der Kläger beantragt, die mit Änderungsbescheid vom 18. Februar 2011 festgesetzte Einkommensteuer 2009 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23. November 2011 auf xx.xxx EUR festzusetzen, hilfsweise, die Revision zuzulassen, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
    Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
    Auf Bitten des Gerichts hat der Kläger den Einkommensteuerbescheid des FA X- für das Jahr 2009 übersandt; danach beträgt das in Österreich zu versteuernde Einkommen xx.xxx EUR. Daneben unterwarf das FA X das vom Kläger in Deutschland zu versteuernde Einkommen (xx.xxx EUR) in voller Höhe dem Progressionsvorbehalt.
    Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 18. Juni 2012 (FA) bzw. 26. Juni 2012 (Kläger) auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
    Dem Senat lagen neben der Gerichtsakte eine Einkommensteuerakte sowie die Rechtsbehelfsakte des FA vor.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers.
    I. Zunächst ist das FA zu Recht stillschweigend von der Zulässigkeit des Einspruchs vom 23. Februar 2011 ausgegangen, obwohl das FA durch Vollabhilfebescheid vom 18. Februar 2011 dem Einspruch vom 1. Februar 2011 in vollem Umfang abgeholfen hatte. Unabhängig davon, ob der Einspruch vom 1. Februar 2011 überhaupt so auszulegen sein könnte, dass zunächst nur die Versagung des Altersentlastungsbetrags angefochten werden sollte, so dass nach Ablauf der Einspruchsfrist hätte Teilbestandskraft eintreten können (vgl. dazu und zur Zulässigkeit des Einspruchs gegen Vollabhilfebescheide allgemein BFH-Urteil vom 18. April 2007 XI R 47/05, BFHE 217, 18, BStBl II 2007, 736), ist schon deshalb keine Teilbestandskraft des Einkommensteuerbescheids vom 27. Januar 2011 eingetreten, weil bei Einspruchseinlegung am 23. Februar 2011 die Einspruchsfrist des Bescheids vom 27. Januar 2011 noch nicht abgelaufen war.
    II. Weiter zu Recht problematisieren die Beteiligten nicht, dass dem FA keine Fehler zu Lasten des Klägers bei der Ermittlung des in Deutschland zu versteuernden Einkommens unterlaufen sind.
    1. Der im Inland persönlich nur beschränkt steuerpflichtige Kläger hat im Inland als Mitunternehmer gewerbliche Einkünfte erzielt sowie eine Sozialversicherungsrente bezogen, die beide sachlich nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 EStG beschränkt steuerpflichtige Einkünfte sind. Das Besteuerungsrecht steht nach Art. 7 Abs. 1 und 7, Art. 18 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl. II 2002, 734; – DBA Österreich –) Deutschland zu.
    2. Auch die Ermittlung der Höhe der Einkünfte enthält keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers. Insbesondere liegen die für die Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG anteilig angefallenen, im Jahr 2009 verauslagten Steuerberatungskosten (xx EUR zuzüglich Umsatzsteuer aus der Rechnung vom 12. April 2009) unterhalb des vom FA bei diesen Einkünften angesetzten Werbungskostenpauschbetrags (xxx EUR).
    3. Zwar hat das FA möglicherweise unter Verstoß gegen § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) im angefochtenen Einkommensteuerbescheid Steuerberatungskosten des Klägers zum Betriebsausgabenabzug von den gesondert und einheitlich festgestellten Einkünften des Klägers aus Gewerbetrieb zugelassen, obwohl Sonderbetriebsausgaben eines Mitunternehmers in die gesonderte und einheitliche Feststellung eingehen (s. z.B. BFH-Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; Klein/Ratschow, AO, 11. Auflage, § 180 Rz. 17). Nach der Rechtsprechung des BFH ist nämlich mit der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids jeder Ansatz von Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid unvereinbar, der dem Inhalt des Grundlagenbescheids widerspricht (z.B. BFH-Urteil vom 29. August 2007 XI R 5/07, BFH/NV 2008, 12, m.w.N.). Allerdings ist der Senat durch das im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Verböserungsverbot sowie die Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), das auf die Festsetzung einer niedrigeren Einkommensteuer gerichtet ist, daran gehindert, die Einkommensteuer höher festzusetzen, so dass dies dahinstehen kann. Der Senat muss dem folglich nicht weiter nachgehen. Die Beteiligten werden indes für Folgejahre auf diesen Umstand zu achten haben.
    III. Zuletzt hat das FA bei der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG zutreffend angewendet.
    1. Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen (§ 32a Abs. 1 Satz 1 EStG), das die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet (§ 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).
    a) Sie beträgt bei unbeschränkt Steuerpflichtigen u.a. – vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c EStG – (jeweils in EUR) für zu versteuernde Einkommen
    • bis 7.834 EUR (Grundfreibetrag): 0;
    • von 7.835 EUR bis 13.139 EUR: (939,68 • y + 1.400) • y;
    • von 13.140 EUR bis 52.551 EUR (228,74 • z + 2.397) • z + 1.007;
    wobei „y” ein Zehntausendstel des 7.834 EUR übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens ist und „z” ist ein Zehntausendstel des 13.139 EUR übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens (§ 32a Abs. 1 Satz 2 bis 4 EStG). Der sich ergebende Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden (§ 32a Abs. 1 Satz 6 EStG).
    b) Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG ist jedoch bei beschränkt Steuerpflichtigen § 32a Abs. 1 EStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) erhöht wird; dies gilt nicht für Arbeitnehmer, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG) beziehen.
    2. Dass das FA die Einkommensteuer nach diesen Vorschriften rechnerisch richtig berechnet hat, wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG weder verfassungswidrig noch unionsrechtswidrig.
    a) Soweit der Kläger rügt, es sei verfassungswidrig, ihm den Grundfreibetrag nicht zu gewähren, dringt er mit diesem Einwand nicht durch.
    aa) Das BVerfG hat nämlich bereits durch Beschluss vom 9. Februar 2010 2 BvR 1178/07 (BFH/NV 2010, 1069) erkannt, dass die unterschiedliche Behandlung von beschränkt Steuerpflichtigen mit anderen Einkünften als Arbeitnehmer und beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern in Anbetracht der sozialen Zielsetzung des Grundfreibetrags gerechtfertigt sei. Bei Beziehern anderer Einkünfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bestehe ein vergleichbares soziales Erfordernis wie bei Arbeitnehmern, denen der Grundfreibetrag (im Streitjahr: nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG) gewährt werde, nicht. Bezieher übriger Einkünfte übten ihre Tätigkeiten im Inland zumeist neben einer Haupttätigkeit im Ansässigkeitsstaat aus und erzielten im Ansässigkeitsstaat einen Großteil ihrer Einkünfte. Auch eine Benachteiligung im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen bestehe nicht, weil sich ein beschränkt Steuerpflichtiger gegenüber einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in einer grundlegend anderen Situation befinde. Während beim unbeschränkt Steuerpflichtigen das gesamte von ihm erzielte Einkommen der Einkommensteuer unterliege (sog. Welteinkommensprinzip), werde beim beschränkt Steuerpflichtigen nur dessen inländisches Einkommen besteuert. Beschränkt Steuerpflichtige könnten daher nicht den für unbeschränkt Steuerpflichtige zu berücksichtigenden Freibetrag beanspruchen; denn mit dem Grundfreibetrag solle das unabweisbare Lebenshaltungsbedürfnis des Einzelnen berücksichtigt werden. Dies sei nicht Aufgabe des Quellenstaats, sondern des Wohnsitzstaats, in dem der Steuerpflichtige seine wesentlichen Einkünfte erziele. Anders verhalte es sich nur, wenn der beschränkt Steuerpflichtige den überwiegenden Teil seiner Einkünfte, auf die sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gründet, im Quellenstaat erziele, da er sich dann in einer mit den unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Lage befinde. Dem trage jedoch § 1 Abs. 3 EStG hinreichend Rechnung, dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt sind.
    bb) Würde der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG bei der Besteuerung des Klägers im Inland gewährt, käme es nach Auffassung des BVerfG (BFH/NV 2010, 1069) vielmehr sogar zu einer Privilegierung des Klägers, weil das durch den Grundfreibetrag zu verschonende Existenzminimum zweimal berücksichtigt würde.
    So liegt es auch hier: Nach § 33 des Österreichischen Einkommensteuergesetzes (abrufbar z.B. unter http://www.ris.bka.gv.at/Bundesrecht/) betrug im Streitjahr die österreichische Einkommensteuer jährlich bis zu einem Einkommen von 11 000 EUR 0 EUR. Damit sichert Österreich, dass ein bestimmtes Basiseinkommen (vergleichbar dem Existenzminimum) bei jedem in Österreich unbeschränkt Steuerpflichtigen steuerfrei bleibt (vgl. dazu die Nachweise z.B. unter www.usp.gv.at oder help.gv.at, Suchwort „Basiseinkommen”). Würde dem Kläger daneben auch in Deutschland der Grundfreibetrag gewährt, würde von seinem Welteinkommen ein Betrag von 11.000 EUR + 7.834 EUR mit keiner Einkommensteuer belastet. Darauf besteht von Verfassungs wegen kein Anspruch.
    cc) Obwohl es deshalb weiterer Erläuterungen dazu an sich nicht bedarf, wird der Kläger der Vollständigkeit halber beiläufig darauf hingewiesen, dass er bei seinen „Vergleichsberechnungen” geflissentlich nicht berücksichtigt, dass er auch österreichische Einkünfte erzielt hat, die bei unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen dem Progressionsvorbehalt unterliegen (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Österreich). Eine beispielhafte Berechnung des Senats für einen fiktiven Steuerinländer mit einem ungefähr vergleichbaren Welteinkommen ergibt (Steuer laut Grundtabelle):

    Zu versteuerndes Einkommen im Inlandxx.xxx,00 EUR
    Steuerfreie Einkünfte unter Progressionsvorbehaltxx.xxx EUR
    Einkommensteuerxx.xxx EUR
    Durchschnittssteuersatz35,9719 %
    Die vom FA festgesetzte Einkommensteuer ist niedriger (xx.xxx EUR), eine Schlechterstellung beschränkt Steuerpflichtiger gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen in ähnlichen Fällen mit hohen österreichischen Einkünften liegt also in Wahrheit gar nicht vor.
    Der Senat weist zu seiner Berechnung darauf hin, dass sie aus Vereinfachungsgründen fiktiv, beispielhaft, abstrakt und schematisch vorgenommen worden ist, um das Prinzip der Veranlagung zur beschränkten und zur unbeschränkten Steuerpflicht dem Kläger zu verdeutlichen: Sie hat lediglich das in Österreich zu versteuernde Einkommen des Klägers als Einkünfte unter Progressionsvorbehalt und das deutsche zu versteuernde Einkommen unverändert übernommen. Österreichische Verluste des Klägers aus selbständiger Tätigkeit wurden beim Progressionsvorbehalt ohne weitere Prüfung berücksichtigt und die Höhe sämtlicher österreichischer Einkünfte nicht nach deutschem Steuerrecht modifiziert (z.B. wurde auch der Versorgungsfreibetrag des § 19 Abs. 2 EStG für die Emeritenbezüge des Klägers rechnerisch nicht berücksichtigt). Weiter wurden z.B. keine Anpassungen für Vorsorgeaufwendungen und Sonderausgaben vorgenommen. Würde man diese Anpassungen vornehmen, würde sich im Rahmen der o.g. Berechnung die deutsche Einkommensteuer voraussichtlich reduzieren. Sie würde aber ebenso wahrscheinlich höher bleiben als die tatsächlich festgesetzte deutsche Einkommensteuer. Streitentscheidend kommt es auf die exakt zutreffenden Beträge aber gar nicht an. Dem Kläger verdeutlicht werden soll lediglich das Prinzip, dass beschränkt Steuerpflichtige mit hohen ausländischen Einkünften neben deutschen Einkünften ungefähr in der Größenordnung des Klägers von Deutschland – trotz Nichtgewährung des Grundfreibetrags – einkommensteuerrechtlich nicht schlechter, sondern besser behandelt werden als Steuerinländer, bei denen der Progressionsvorbehalt zur Anwendung gelangen und deshalb zu einem noch höheren Steuersatz führen würde.
    b) Soweit sich der Kläger außerdem darauf beruft, die Vorschrift sei mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, vermag er auch mit diesem Vorbringen nicht durchzudringen.
    aa) Der Senat geht dabei im Ausgangspunkt zunächst davon aus, dass trotz der älteren Rechtsprechung des EuGH zur Nichtanwendung der Grundfreiheiten auf einkommensteuerrechtliche Diskriminierungen eigener Staatsangehöriger (EuGH-Urteil vom 26. Januar 1993 C-112/91, Werner, Slg. 1993, I-429) der Streitfall in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fällt (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Juni 1996 C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089), und zwar aus zwei Gründen: Zunächst weist der Streitfall die Besonderheit auf, dass der Kläger angibt, auch über die Staatsangehörigkeit Österreichs zu verfügen. Weiter war der Kläger in Österreich sowohl selbständig als auch nichtselbständig tätig. Insoweit hat er von seinen Grundfreiheiten, und zwar namentlich von der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit, dadurch Gebrauch gemacht, dass er seinen Herkunftsstaat Deutschland verlassen hat, um beide Tätigkeiten dort auszuüben, und zu diesem Zweck auch seinen Wohnsitz in Österreich genommen. Insoweit weist der Streitfall Beziehungen zu mehr als einem Mitgliedstaat auf.
    bb) Jedoch befinden sich auch nach der Rechtsprechung des EuGH Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in einem Staat in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation; denn das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, stellt meist – wie auch namentlich beim Kläger – nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte dar, deren Schwerpunkt im Wohnsitzstaat liegt. Die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte, seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, kann am leichtesten an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt der persönlichen Interessen und der Vermögensinteressen liegt; dies ist in der Regel der Wohnsitzstaat. Versagt ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, so ist dies in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen Lage und des Familienstands im Allgemeinen nicht diskriminierend (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Februar 1995 C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225; vom 14. September 1999 C-391/97, Gschwind, BStBl II 1999, 841).
    cc) Auch von diesem Recht, Gebietsfremde schlechter zu behandeln, gibt es zwar wiederum unionsrechtliche Ausnahmen: So darf z.B. auf Gebietsfremde nach der Rechtsprechung des EuGH kein höherer Einkommensteuersatz angewendet werden als auf Gebietsansässige und diesen gleichgestellte Personen; um dies zu prüfen ist jedoch nach der ausdrücklichen Anordnung des EuGH (EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003 C-234/01, Gerritse, BStBl II 2003, 859, Randnr. 54) „… zu den in Deutschland erzielten Nettoeinkünften des Betroffenen ein Betrag in Höhe des Grundfreibetrags hinzuzuzählen …”, um – so der EuGH – „… vergleichbare Situationen zu vergleichen …”. Genau dies geschieht jedoch nunmehr durch § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG, weshalb vergleichbare Regelungen auch von der Rechtsprechung des BFH jeweils als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen worden sind (z.B. BFH-Urteile vom 27. Juli 2011 I R 56/10, BFH/NV 2012, 181, unter II.2.e; BFH-Beschluss vom 19. November 2008 I B 90/08, BFH/NV 2009, 393; vom 10. Januar 2007 I R 87/03 – Nachfolgeentscheidung Gerritse –, BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22; vom 19. November 2003 I R 58/02, BFH/NV 2004, 766; vom 19. November 2003 I R 34/02, BFHE 204, 449, BStBl II 2004, 773). Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Senats ebenso für § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG.
    Die Richtigkeit dieses Verständnisses des EuGH-Urteils Gerritse ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Zahlenmaterial im dortigen Fall und den Ausführungen der Europäischen Kommission, die der EuGH in Randnr. 39 und 40 des Urteils Gerritse (in BStBl II 2003, 859) wiedergegeben hat: Der EuGH hat dort ausgeführt:
    „Sie …” [die Kommission] „… schlägt daher vor, die Nettoeinkünfte (A) zu dem Freibetrag (B) hinzuzählen, um eine Gesamtsumme (C) zu bilden. Den Steuerbetrag (D), den die einschlägige Steuertabelle für diese Gesamtsumme (C) ausweise, könne man als angemessene Steuer auf die genannten Nettoeinkünfte (A) ansehen. Der durchschnittliche Steuersatz, der als Referenz für eine nichtdiskriminierende Behandlung gelten könne, ergebe sich dann aus dem Verhältnis zwischen dem Steuerbetrag (D) gemäß der Tabelle und den Nettoeinkünften (A).
    Im Fall des Klägers …” [Gerritse] „… stelle sich die Rechnung wie folgt dar: Die Gesamtsumme (C) setze sich aus den Nettoeinkünften (A) in Höhe von 5 039,55 DM und dem Grundfreibetrag (B) von 12 095 DM zusammen, belaufe sich also auf 17 134,55 DM. Die einschlägige Steuertabelle weise für ein solches Einkommen einen Steuerbetrag (D) von 1 337 DM aus. Im Verhältnis zum Nettoeinkommen (A) ergebe sich für diesen Betrag ein durchschnittlicher Steuersatz von 26,5 %, der nahe an dem Steuersatz von 25 % liege, der auf den Kläger angewandt worden sei.”
    Der EuGH hat sich dieser Berechnung in Randnr. 54 des Urteils angeschlossen und ging –mit der Kommission– von einem zulässigen Steuersatz Deutschlands von wohl 26,5% aus. Nach dem Berechnungsmodell des Klägers hätte der EuGH demgegenüber einen mutmaßlichen Verstoß Deutschlands gegen Europarecht bejahen müssen, wenn er die Auffassung des Klägers geteilt hätte, der meint, man müsse den Steuerbetrag (D) auf die Gesamtsumme (C) als Prozentsatz berechnen und sodann auf die Nettoeinkünfte (A) anwenden. Der zulässige Steuersatz hätte dann im Fall Gerritse 1.337/17.134,55 = 7,8% (und damit deutlich weniger als die damals vorgesehenen 25%) betragen.
    dd) Soweit der Kläger weiter einwenden lässt, diese Betrachtung greife zu kurz, weil Deutschland mit § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG ein fiktives, vom Kläger nicht erzieltes Einkommen besteuere (ebenso z.B. die Kritik von Grams/Schön, IStR 2008, 656) und es dazu komme, dass Deutschland die Steuerfreistellung des Existenzminimums durch Österreich im Ergebnis wieder beseitige, teilt der Senat auch diese Einschätzung nicht.
    (1) Die Erhöhung des zu versteuernden Einkommens um den Grundfreibetrag ist nämlich rein technischer Natur. Sie bezieht sich nur auf § 32a Abs. 1 EStG, also den Einkommensteuertarif, und wird durch die Abzugsbeträge nach § 32a Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG wieder korrigiert (Schmidt/Loschelder, EStG, 31. Auflage, § 50 Rz. 11). Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer ist weiterhin das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG); diese Vorschrift bleibt durch § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG unberührt.
    (2) Die Hinzurechnung ist weiter Folge des Umstands, dass der Grundfreibetrag vom Gesetzgeber in den Tarifverlauf eingearbeitet worden ist und nicht – z.B. in § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG – vor Anwendung des Tarifs vom zu versteuernden Einkommen abgezogen wird. Mit seiner fiktiven Hinzurechnung wird lediglich erreicht, dass die deutsche Besteuerung bereits ab dem ersten Euro des im Inland zu versteuernden Einkommens (und nicht erst ab 7.835 EUR) mit dem Eingangssteuersatz einsetzt (und sodann mit dem auch bei unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigem geltenden Verlauf weitergeführt wird). Schon gar nicht ändert die Besteuerung von deutschen Einkünften nach dem deutschen Tarif, die – anders als bei Steuerinländern – bereits ab dem ersten Euro mit dem Eingangssteuersatz einsetzt, etwas daran, dass von den in Österreich erzielten Einkünften des Klägers ein Betrag von 11.000 EUR von – deutscher und österreichischer – Einkommensteuer frei bleibt. Ein Besteuerungszugriff Deutschlands auf die Einkünfte Österreichs erfolgt durch § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht.
    ee) Auch den Vorwurf der fehlenden Rechtfertigung bzw. der Unverhältnismäßigkeit hält der Senat für nicht durchschlagend. Eine zutreffende Umsetzung eines EuGH-Urteils ist vielmehr weder sachlich nicht gerechtfertigt noch unverhältnismäßig. Soweit der Kläger an die Stelle der gesetzgeberischen Entscheidung und der Berechnung des EuGH seine eigenen Vorstellungen von einem „gerechteren” Modell setzt, handelt es sich nach Auffassung des erkennenden Senats um rechtspolitische Überlegungen.
    ff) Im Übrigen wird der Kläger – ohne dass es darauf entscheidend ankäme – beiläufig abschließend nochmals darauf hingewiesen, dass die festgesetzte deutsche Einkommensteuer wahrscheinlich niedriger ist als sie wäre, wenn der Kläger im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig wäre. Von einer unionsrechtlich unzulässigen „Diskriminierung” des Klägers kann auch deshalb keine Rede sein.
    c) Eine (vom Kläger nicht erörterte) Verletzung des Art. 24 Abs. 1, Art. 24 Abs. 3 Satz 1 DBA Österreich scheidet ebenfalls aus, weil die Versagung des Grundfreibetrags nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft und nach Art. 24 Abs. 3 Satz 2 DBA Österreich die Bestimmung des Art. 24 Abs. 3 Satz 1 DBA Österreich nicht so auszulegen ist, als verpflichte sie einen Vertragsstaat, den im anderen Vertragsstaat ansässigen Personen Steuerfreibeträge, -vergünstigungen und -ermäßigungen auf Grund des Personenstandes oder der Familienlasten zu gewähren, die er seinen ansässigen Personen gewährt.
    IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    V. Da der Senat die Rechtslage für geklärt hält, sieht er keinen Grund für eine Zulassung der Revision oder ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 2 AEUV.
    VI. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.

    VorschriftenEStG 2009 § 50 Abs. 1 S. 2, EStG 2009 § 49 Abs. 1 Nr. 2, EStG 2009 § 49 Abs. 1 Nr. 7, EStG 2009 § 32a Abs. 1, EStG 2009 § 2 Abs. 5 S. 1 2. HS, DBA-Österreich Art. 7 Abs. 1, DBA-Österreich Art. 7 Abs. 7, DBA-Österreich Art. 18 Abs. 2, DBA-Österreich Art. 24, GG Art. 3 Abs. 1

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