08.01.2010
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 10.10.2002 – 3 K 4068/99
- Bei der Beurteilung der Ausstattungsmerkmale kann die Verbesserung der Bauqualität und der Wohnverhältnisse in der Zeit nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt nicht unberücksichtigt bleiben, um zu beurteilen, ob sich das Objekt wesentlich von zeitgleich gebauten Objekten unterscheidet.
- Ist die Bauqualität und der räumliche Zuschnitt eines Hauses der mit anderen Objekten in ihrer Nachbarschaft vergleichbar und bleibt als einziges wesentliches Unterscheidungsmerkmal nur das Schwimmbad, das aber die gesamte Erscheinung des Hauses nicht entscheidend befähigt, ist das Objekt unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu bewerten.
Der Ablehnungsbescheid vom 26.04.1999 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19.08.1999 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Einheitswert für das Grundstück A in B auf den 01.01.1999 unter Anwendung des Ertragswertverfahrens auf 101.900,-- DM fortzuschreiben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 6 v.H., der Beklagte zu 94 v.H. zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 15.096,-- DM (7.718,46 Euro) festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Grundstück der Klägerin im Sachwert- oder im Ertragswertverfahren zu bewerten ist und in diesem Zusammenhang über die Höhe des Einheitswerts. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Jahr 1978 hat die Klägerin in der Gemeinde B ein 867 qm großes unbebautes Grundstück erworben und es in den Jahren 1978 und 1979 mit einem Zweifamilienhaus bebaut. Das Haus besteht aus zwei hintereinanderliegenden Gebäudeteilen, die beide unterkellert sind. Im größeren Vorderteil des Hauses sind die wesentlichen Wohnräume und Wirtschaftsräume der Erdgeschoss- und der Obergeschosswohnung untergebracht. Die nicht abgeschlossene Wohnung im Obergeschoss ist über eine Treppe von der gemeinsamen Diele im Erdgeschoss zu erreichen. Von dieser Diele führt auch eine Treppe in das Kellergeschoss. Die Diele führt nach Westen in den hinteren Gebäudeteil, in dem sich der etwas erhöht liegende ca. 60 qm große Wohnraum der Erdgeschosswohnung befindet. Von diesem Raum führt auch eine Tür auf die Außenterrasse. Im Inneren des Wohnraums und auf gleicher Höhe an der Außenwand zur Terrasse befinden sich jeweils offene Kamine, die mit Natursteinen verkleidet sind. Die Westseite des überhohen Wohnzimmers ist vollständig verglast und gibt den Blick frei in den relativ kleinen Garten und auf den angrenzenden Waldrand. Im Kellergeschoss unter dem Wohnzimmer liegt eine ebenfalls 60 qm große Schwimmhalle, die durch die vollständig verglaste Fensterfront zum Garten und durch eine seitlich verglaste Flügeltür beleuchtet und belüftet wird. Das vollständig geflieste Schwimmbad hat eine Wasserfläche von 26 qm; eine Sauna ist in dem Baderaum erst nach dem streitigen Stichtag eingebaut worden. Unter Einbeziehung der zur Erdgeschosswohnung gehörenden Räume im Kellergeschoss hat die Hauptwohnung eine Wohnfläche von 206 qm und die Wohnung im Obergeschoss eine Wohnfläche von 73 qm. Auf die Baupläne (Bl. 23-26 EW-A) und auf die Wohnflächenberechnung (Bl. 63 und 64 FG-A. sowie Bl. 48 EW-A) wird Bezug genommen.
Nach Fertigstellung des Gebäudes hat der Beklagte (das Finanzamt) die wirtschaftliche Einheit aufgrund der vorgelegten Pläne und einer Ortsbesichtigung auf den 01.01.1980 im Sachwertverfahren bewertet und als Grundstücksart ein Zweifamilienhaus mit einem Einheitswert von 338.600,-- DM festgestellt. Dabei hat das Finanzamt einen cbm-Preis von 206,-- DM ermittelt. Dieser Einheitswertbescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Schreiben vom 26.03.1999 hat die Klägerin beantragt, den Einheitswert ihres Grundstücks zu überprüfen und ihn unter Anwendung des Ertragswertverfahrens fortzuschreiben. Dabei hat sie auf ein Nachbarhaus von vergleichbarer Größe verwiesen, für das nach ihrer Kenntnis ein Einheitswert von ca. 65.000,-- DM festgestellt sei. Das Finanzamt hat den Antrag mit Verfügung vom 26.04.1999 abgelehnt und den dagegen eingelegten Einspruch mit Entscheidung vom 19.08.1999 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.
Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Bewertung ihres Grundstücks sei fehlerhaft unter Anwendung des Sachwertverfahrens erfolgt, denn ihr Haus habe von Anfang an weder über besondere Gestaltungs- noch über besondere Ausstattungsmerkmale verfügt. Das Wohnhaus sei nur mit dem Mindestabstand an die Nachbargrundstücke gebaut worden. Aus Raumgründen habe die Doppelgarage auch nur mit zwei hintereinander liegenden Stellplätzen errichtet werden können. Das Schwimmbad allein rechtfertige eine Bewertung im Sachwertverfahren nicht.
Das Gericht hat den Rechtsstreit im Einverständnis mit den Beteiligten zeitweise ruhen lassen, um den Ausgang des unter dem Aktenzeichen II R 45/99 bei dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Revisionsverfahrens abzuwarten. Nach Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 07.11.2000 (BFH/NV 2001, 583) hat die Klägerin vorgetragen, dass die Verhältnisse ihres Grundstücks den Verhältnissen des vom BFH entschiedenen Falles vollständig entsprächen und dass aus diesem Grund die Bewertung auch ihres Objektes im Ertragswertverfahren zu erfolgen habe. Außerdem hat sie erneut darauf hingewiesen, dass nach Kenntnis und Vermutung ihres Mannes und Prozessbevollmächtigten, der seit vielen Jahren in B als Ortsnotar tätig sei, kein vergleichbares Grundstück in der Gemeinde im Sachwertverfahren bewertet worden sei. Sie hat das Finanzamt zum Beweis des Gegenteils aufgefordert und für den Fall der Richtigkeit ihrer Vermutung eine Verletzung der steuerlichen Gleichbehandlung geltend gemacht, weil die ihr bekannten und für vergleichbar gehaltenen Grundstücke allesamt mit einem Einheitswert von weniger als 100.000,-- DM bewertet worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Finanzamt unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 26.04.1999 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19.08.1999 zu verpflichten, das Grundstück A in B zum 01.01.1999 im Ertragswertverfahren zu bewerten mit einem Wert von höchstens 87.000,-- DM.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat aufgrund einer erneuten Ortsbesichtigung durch den Bausachverständigen am 31.07.2001 vorgetragen, dass sich die Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmale des Hauses - bezogen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt - wesentlich von denen eines durchschnittlichen Zweifamilienhauses unterscheiden. Dabei verweist es besonders auf die Größe und Gestaltung des ca. 60 qm großen Wohnzimmers und auf die 20 qm große Diele, auf die großen Fenster- und Fenstertürelemente mit Thermopaneverglasung und Aluminiumrahmen, auf den Fußbodenbelag in Natursteinplatten, auf die beiden offenen Kamine im Innen- und Außenbereich und nicht zuletzt auf das 60 qm große, vollständig gekachelte und lichte Schwimmbad im Keller. Der aus diesen Merkmalen abgeleitete Gesamteindruck des Hauses weiche wesentlich von den Zweifamilienhäusern ab, für die zum 01.01.1964 eine den Herstellungskosten angemessene Miete habe erzielt werden können. Die Verhältnisse zum 01.01.1964 seien weiterhin als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, auch wenn sich die Wohnverhältnisse inzwischen geändert hätten und die Untätigkeit des Gesetzgebers kritikwürdig sei. Die Gestaltung und Ausstattung des Hauses der Klägerin weiche im Übrigen wesentlich von den Nachbarhäusern ab, die die Klägerin zum Vergleich benannt habe.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16.04.2002 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen, § 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Dieser hat am 09.08.2002 im Haus der Klägerin eine Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten durchgeführt und das Gesamtobjekt von innen und außen besichtigt. Außerdem hat der Einzelrichter mit den Beteiligten vier Objekte in der Nachbarschaft der Klägerin von außen in Augenschein genommen und dem Finanzamt aufgegeben, die Einheitswertakten dieser Grundstücke hinsichtlich des Bewertungsverfahrens zu prüfen und diese Akten dem Gericht zu Vergleichszwecken vorzulegen. Zum weiteren Inhalt der Erörterung und Ortsbesichtigung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.08.2002 (Bl. 108 ff FG-A).
Mit Schriftsatz vom 12.09.2002 hat es das Finanzamt unter Berufung auf das Steuergeheimnis abgelehnt, dem Gericht die angeforderten Einheitswertakten für die ausgewählten Nachbargrundstücke vorzulegen oder über diese Grundstücke weitere Angaben zu machen. Es hat noch einmal betont, dass die Bewertungen dieser Grundstücke gesetzmäßig durchgeführt worden seien und dass die Klägerin selbst im Fall einer fehlerhaften Bewertung dieser Grundstücke keinen Anspruch auf eine ebenfalls fehlerhafte Wahl des Bewertungsverfahrens habe. Die Klägerin hat in dieser Stellungnahme in Verbindung mit der Kenntnis der Grundstücksverhältnisse durch ihren Mann eine Bestätigung ihrer Vermutung gesehen, dass allein ihr Grundstück in B im Sachwertverfahren bewertet worden sei.
Mit ihren abschließenden Stellungnahmen haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet, § 90 Abs. 2 FGO. Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band Einheitswertakten für das Grundstück der Klägerin vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist weitgehend begründet.
Sie führt dazu, dass der Einheitswert des Objekts der Klägerin zum 01.01.1999 im Ertragswertverfahren auf 101.900,-- DM fortgeschrieben wird.
I. Bewertungsverfahren
1. Nach § 76 Abs. 1 Nr. 5 BewG wird der Wert von Zweifamilienhäusern grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Ausnahmsweise erfolgt die Bewertung im Sachwertverfahren, wenn sich das zu bewertende Objekt durch eine besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Zweifamilienhäusern unterscheidet, § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG. Die Wertverhältnisse sind nach den Verhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt, dem 1. Januar 1964, zu beurteilen, § 27 BewG. Soweit das zu beurteilende Objekt besondere Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale aufweist, rechtfertigt nicht jede nach oben tendierende, sondern nur eine wesentliche Abweichung der Gestaltung und/oder der Ausstattung des Grundstücks vom Modellfall des kleinen, einfach ausgestatteten Wohngebäudes die Anwendung des Sachwertverfahrens (Gürsching/Stenger: Kommentar zum BewG, § 76 Anm. 7).
Die Begriffe der besonderen Gestaltung, der besonderen Ausstattung und der wesentlichen Unterscheidung sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung und durch Verwaltungsanweisungen konkretisiert und in gewisser Weise typisiert worden sind. Als Ergebnis dieser rechtlichen Konkretisierung ist anerkannt, dass eine die Anwendung des Sachwertverfahrens rechtfertigende besondere Gestaltung eines Grundstücks regelmäßig dann vorliegen soll, wenn die Grundstücksfläche in städtischen Gebieten deutlich über 2.000 qm liegt (BFH-Urteil vom 27.04.1978 -III R 6/77- Bundessteuerblatt -BStBl- II 1978, 523) und die Wohnfläche einer Wohnung (unter Anwendung des § 44 Abs. 3 der II. Berechnungsverordnung) mehr als 220 qm beträgt (BFH-Urteil vom 12.02.1986 -II R 192/78- BStBl II 1986, 321 und für Zweifamilienhäuser: BFH-Urteil vom 15.11.1988 -II B 108/88, BFH/NV 1990, 16). Ob ein Gebäude in besonderer Weise ausgestattet ist, ist nach dem Gesamtbild des Objekts zu entscheiden, wobei die in Abschnitt 16 Abs. 4 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) genannten Merkmale wesentliche Anhaltspunkte geben können, ohne dass das Vorliegen nur eines dieser Merkmale die Bewertung des Objekts im Sachwertverfahren rechtfertigen kann. Zu diesen Merkmalen gehört auch das Vorhandensein eines Schwimmbades im Haus oder in einer gesonderten Schwimmhalle auf dem zugehörigen Grundstück.
Nach der neueren Rechtsprechung des BFH (BFH/NV 2001, 583), der sich das erkennende Gericht anschließt, führt ein im Haus gelegenes Schwimmbad mit einer Wasserfläche von weniger als 28 qm auch bei Vorhandensein weiterer in Abschnitt 16 Abs. 4 BewRGr genannter Merkmale nicht unmittelbar zu einer Bewertung des Objekts im Sachwertverfahren. Vielmehr ist dann in einem weiteren gedanklichen Schritt abzuwägen, ob die Gesamtheit der festgestellten Ausstattungsmerkmale zu einer wesentlichen Unterscheidung von anderen im Ertragswertverfahren zu bewertenden Objekten führt. Nur wenn eine solche wesentliche Unterscheidung festgestellt werden kann, ist das Grundstück im Sachwertverfahren zu bewerten.
2. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall ist das Objekt der Klägerin im Ertragswertverfahren zu bewerten. Die im Sachwertverfahren erfolgte Bewertung ist demnach fehlerhaft und gemäß § 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 BewG zum 01.01.1999 unter Anwendung des Ertragswertverfahrens fortzuschreiben.
Dem Finanzamt ist zuzugeben, dass es sich bei dem Objekt der Klägerin um einen Grenzfall handelt, für den die richtige Wahl des Bewertungsverfahrens nicht leicht zu treffen ist. Denn das Objekt gehört nach seiner Größe und Ausstattung zweifelsfrei nicht zu den einfach ausgestatteten Wohngebäuden bzw. serienmäßig hergestellten Siedlungshäusern, die dem Gesetzgeber im Zeitpunkt der Hauptfeststellung für die Anwendung des Ertragswertverfahrens vor Augen gestanden haben dürften (vgl. den Hinweis im BStBl II 1978, 523 -524-). Das Gericht neigt daher der Auffassung des Finanzamts zu, dass das Objekt der Klägerin bei einer Gesamtbetrachtung über besondere Ausstattungsmerkmale verfügt, die im Zeitpunkt der Hauptfeststellung eine Bewertung im Sachwertverfahren gerechtfertigt hätten. Das Gericht ist jedoch weiter der Überzeugung, dass das Objekt sich nicht wesentlich von anderen im Ertragswertverfahren zu bewertenden Zweifamilienhäusern unterscheidet.
a) Das Bewertungsobjekt weist in seinen Gestaltungsmerkmalen keine Besonderheiten auf. Weder hat es eine übergroße Grundstücksfläche noch eine besonders große Wohnfläche. Die Ortsbesichtigung durch das Gericht hat zudem gezeigt, dass es nicht in einer besonders bevorzugten Wohngegend liegt und dass das Gebäude räumlich beengt an die Nachbargrundstücke anschließt. Die Lage sowie die bauliche Ausnutzung und Gestaltung des Grundstücks entsprechen danach durchaus den durchschnittlichen Wohnverhältnissen zum 01.01.1964.
Das Haus der Klägerin verfügt aber über besondere Ausstattungsmerkmale, die allein eine Bewertung im Sachwertverfahren rechtfertigen können. Von den in Abschnitt 16 Abs. 4 BewRGr genannten Merkmalen sind in dem Haus der Klägerin außer dem Schwimmbad Treppen in Naturstein, Isolierverglasung, teilweise eingebaute Wandschränke, Fußböden aus Solnhofener Platten und zwei offene Kamine in Naturstein vorhanden. Mit Ausnahme des Schwimmbades entsprechen diese Ausstattungsmerkmale jedoch sowohl in der Wahl der Baustoffe als auch in der Verarbeitung einem im Jahr der Fertigstellung des Hauses anzutreffenden durchschnittlich gehobenen Standard. Das gilt insbesondere auch für die Größe und Gestaltung des Wohnzimmers einschließlich des Innenkamins und für die Isolierverglasung und die Verwendung großer verglaster Türelemente.
Stellt man danach bei der Beurteilung der Ausstattungsmerkmale allein auf die Verhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt ab, dann hätte die Bewertung des Objekts der Klägerin im Sachwertverfahren zu erfolgen. Andererseits kann die Verbesserung der Bauqualität und der Wohnverhältnisse in der Zeit nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt nicht unberücksichtigt bleiben (so wohl auch: OFD-Verfügung Frankfurt S 3199 A-1-StIII31 vom 28.01.1986 in StEK § 76 BewG Nr. 20). Diese Änderung der Verhältnisse ist jedoch nur von Bedeutung bei der Frage, ob sich das Objekt der Klägerin wesentlich von zeitgleich gebauten Objekten unterscheidet, die im Ertragswertverfahren bewertet worden sind.
b) Das Gericht hat auf dieser Grundlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Objekt der Klägerin in seiner Gestaltung und/oder Ausstattung wesentlich von anderen vergleichbaren Objekten unterscheidet, die in der gleichen Gemeinde im Ertragswertverfahren bewertet worden sind.
Dem Gericht ist aus langjähriger Tätigkeit im Bewertungsrecht bekannt, dass die Finanzverwaltung die Untätigkeit des Gesetzgebers zur Vorbreitung einer neuen Hauptfeststellung für den Grundbesitz dadurch kompensiert, dass sie die Verbesserung der Bauqualität und der baulichen Gestaltungen in den vergangenen Jahrzehnten stillschweigend auf den Hauptfeststellungszeitpunkt zurückbezieht. Das führt praktisch dazu, dass Objekte, die nach den strengen Maßstäben des Hauptfeststellungszeitpunktes im Sachwertverfahren zu bewerten wären, weil sie mehrere der in Abschnitt 16 Abs. 4 BewRGr genannten Merkmale aufweisen, tatsächlich im Ertragswertverfahren bewertet werden. Die Wahl dieses Bewertungsverfahrens erscheint auch sachgerecht, weil diese Objekte sich untereinander nicht wesentlich unterscheiden und weil für solche Objekte auf dem Wohnungsmarkt eine Vergleichsmiete zu ermitteln wäre, wenn eine aktuelle Hauptfeststellung durchgeführt würde.
Nach diesen Grundsätzen scheint im Allgemeinen auch das Finanzamt zu handeln, denn es hat dem Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich widersprochen, wonach andere Objekte in B, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild dem Haus der Klägerin entsprechen, nicht im Sachwertverfahren bewertet worden seien. Das Finanzamt hat der Darstellung der Klägerin zwar entgegen gehalten, dass die von der Klägerin benannten Vergleichsobjekte mit ihrem Grundstück nicht vergleichbar seien. Das Gericht kann jedoch nicht nachvollziehen, auf welchen tatsächlichen Erkenntnissen diese Mitteilung des Finanzamts beruht. Denn wenn die Vergleichsobjekte im Ertragswertverfahren bewertet worden sind, dann hat das Finanzamt keine Ortsbesichtigung vorgenommen und ihm liegen regelmäßig auch nicht einmal Pläne der Objekte vor, sondern allenfalls eine Wohnflächenberechnung. Aus diesen Unterlagen lassen sich aber keine aussagekräftigen Rückschlüsse auf die Gestaltung und Ausstattung der Vergleichsobjekte ziehen.
Das Gericht hat auf der Grundlage der Ortsbesichtigung vom 09.08.2002 unter Berücksichtung aller Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmale des Grundstücks der Klägerin und unter Berücksichtigung der äußeren Erscheinungsbilder der von der Klägerin benannten Objekte in ihrer Nachbarschaft den Eindruck gewonnnen, dass das Objekt der Klägerin sich nicht wesentlich von Objekten unterscheidet, die zeitgleich mit dem Haus der Klägerin oder später gebaut worden sind. Denn die Bauqualität und der räumliche Zuschnitt des Hauses der Klägerin sind durchaus mit anderen Objekten in ihrer Nachbarschaft vergleichbar. Es bleibt daher als einziges wesentliches Unterscheidungsmerkmal nur das Schwimmbad. Das bildet in seiner großzügigen und hellen Ausgestaltung zwar einen Blickfang des Objekts. Es prägt aber die Gesamterscheinung des Hauses nicht entscheidend, zumal es nur über eine Wasserfläche von weniger als 28 qm verfügt. Daher ist auch das Objekt der Klägerin unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu bewerten.
II. Höhe des Einheitswerts
Im Ertragswertverfahren wird der Grundstückswert unter Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete sowie unter Berücksichtung evtl. Besonderheiten ermittelt, § 78 BewG. Statt der Jahresrohmiete gilt die übliche Miete als Berechnungsgrundlage für solche Grundstücke, die eigengenutzt oder unentgeltlich überlassen sind. Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung am 01.01.1964 regelmäßig gezahlt wurde, § 79 Abs. 2 BewG. Scheitert - wie im Streitfall - eine Schätzung der üblichen Miete im
unmittelbaren Vergleich daran, dass nach Art, Lage und Ausstattung vermietete Objekte nicht oder nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, kann nach der Rechtsprechung des BFH zur Ermittlung der üblichen Miete auf die von den Finanzämtern für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegel zurückgegriffen werden (BFH-Urteil vom 10.08.1984 III R 41/75, BStBl II 1985, 36).
Der vom Finanzamt zum Hauptfeststellungszeitpunkt aufgestellte Mietspiegel weist für das Objekt der Klägerin eine Miete von 2,62,-- DM/qm im Monat aus; das ergibt unter Einbeziehung der Doppelgarage mit 480,-- DM eine vorläufige Jahresrohmiete von 9.251,76 DM. Dieser Wert ist gemäß Abschnitt 22 Abs. 2 BewRGr um 5 v.H. zu erhöhen, weil der Eigentümer, der eine Wohnung in seinem Zweifamilienhaus selbst bewohnt und die andere Wohnung unentgeltlich überlässt, die Kosten der Schönheitsreparaturen nicht in seiner Eigenschaft als Vermieter, sondern als Nutzer der Wohnungen trägt (BFH-Urteil vom 06.12.1974 -III R 136/73, BStBl II 1975, 189). Die Jahresrohmiete beträgt demnach 9.714,-- DM. Darauf ist gemäß Anlage 8 Abschnitt A zum BewG ein Vervielfältiger von 10,5 anzuwenden, so dass sich ein Grundstückswert von 101.997,-- DM ergibt, der gemäß § 30 BewG auf 101.900,-- DM (52.100,64 EUR) abzurunden ist.
Für die Wertminderung des Objekts nach § 82 Abs. 1 BewG hat das Gericht keine Anhalspunkte feststellen können. Das gilt insbesondere auch für die auf das Grundstück einwirkende Lärmbelästigung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 07.07.1993 II R 69/90, BStBl II 1994, 6).
III. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Vorverfahrens beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 i.V.m. § 155 FGO und §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.