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  • 08.05.2025 · IWW-Abrufnummer 248002

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 18.06.2024 – 2 K 534/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Thüringen, Urteil vom 18.06.2024, Az. 2 K 534/22

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

    3. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2020 vom 24.08.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2022. Insbesondere streiten sie über die Anzahl der Tage, für die eine Übernachtungspauschale für Übernachtungen im Lkw zu gewähren ist.

    Die Kläger sind Ehegatten und im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Berufskraftfahrer und arbeitet seit 2007 im Fernverkehr für die Spedition A in B. In der gemeinsamen Steuererklärung machte der Kläger für 109 Tage An- und Abreisetage bei einer mehrtägigen Auswärtstätigkeit mit Übernachtung und 111 Tage mit Abwesenheit von 24 Stunden Verpflegungsmehraufwendungen sowie die Pauschale für Übernachtungen im Kraftfahrzeug (8 EUR) geltend. Der Kläger erhielt von seinem Arbeitgeber 4.634 EUR für Verpflegungsmehraufwendungen. Insgesamt sind zwischen den Parteien 166 tatsächliche Übernachtungen im Lkw unstreitig.

    Der Beklagte setzte mit Einkommensteuerbescheid vom 24.08.2021 für das Jahr 2020 2.472 EUR Einkommensteuer gegenüber den Klägern fest. Hierbei berücksichtigte er als Werbungskosten entsprechend der Anzahl der unstreitigen Übernachtungen die Pauschale für Übernachtungen im Kraftfahrzeug (8 EUR) mit 1.328 EUR und Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 4.634 EUR. Dabei ging er für die Anzahl der Übernachtungen von 111 Tagen mit mehr als 24 stündiger Abwesenheit und weiteren 55 An- und Abreisetagen mit Übernachtung im Lkw aus, was der Hälfte der vom Kläger angegebenen 109 Tage entspricht.

    Mit ihrem Einspruch vom 26.08.2021 begehrten die Kläger die Gewährung der Pauschbeträge für alle 109 An- und Abreisetage. Für die Berechnung der Übernachtungspauschale sei nicht die Anzahl der Übernachtungen, sondern die Anzahl der Tage mit Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen relevant. Dies ergebe sich aus dem Gesetzestext in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und dem BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rd. 131.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2022 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Die Übernachtungspauschale sei nur pro Übernachtung im Lkw zu berücksichtigen. Die Übernachtung finde an den Kalendertagen statt, an denen der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Verpflegungspauschale von 14 EUR für den An- oder Abreisetag oder von 28 EUR für einen Zwischentag bei mehrtägiger Abwesenheit habe und eine Übernachtung im Lkw erfolge. Nach Aktenlage lägen 166 reale Übernachtungen des Klägers mit einer zu berücksichtigenden Übernachtungspauschale von 8 EUR vor.

    Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie erneuern ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG differenziere nicht zwischen An- und Abreisetag. Die Pauschale sei damit für jeden Kalendertag zu gewähren, an dem der Kläger eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 EStG beanspruchen könne. Nach dem Wortlaut der Norm sei für die Gewährung der Übernachtungspauschalen nicht die Anzahl der Übernachtungen, sondern die Anzahl der Tage maßgebend, für die ein Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen bestehe.

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom 24.08.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2022, dahingehend abzuändern, dass weitere Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG in Höhe von 432 EUR als Werbungskosten anerkannt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist vollumfänglich auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung. Bereits der Wortlaut "im Zusammenhang mit einer Übernachtung" des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG stelle klar, dass die Anzahl der Tage, für die eine Pauschale zu berücksichtigen sei, nicht größer sein könne, als die Anzahl der Übernachtungen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich unmissverständlich, dass der Pauschbetrag in Höhe von 8 EUR pro Kalendertag zusätzlich zu den gesetzlichen Verpflegungsmehraufwendungen für den An- oder Abreisetag sowie jeden Kalendertag mit einer Abwesenheit von 24 Stunden beansprucht werden könne (Bundestagsdrucksache 356/19).

    Im Erörterungstermin vom 25.09.2023 erklärten sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senates ohne mündliche Verhandlung einverstanden (Blatt 88 f. Gerichtsakte).

    Entscheidungsgründe
    I. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Parteien gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

    II. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

    Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom 24.08.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2022, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat zutreffend die Übernachtungspauschalen nur für die an den An- und Abreisetagen tatsächlich erfolgten Übernachtungen berücksichtigt.

    1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen des Arbeitnehmers während seiner auswärtigen beruflich veranlassten Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers, die in Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug für Kalendertage ents tehen, in denen der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach Absatz 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 beanspruchen könnte. Anstelle der in diesem Zusammenhang entstehenden tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers, die diesem im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, kann im Kalenderjahr einheitlich eine Pauschale von 8 EUR für jeden Kalendertag (Übernachtungspauschale) berücksichtigt werden, an dem der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach Absatz 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 beanspruchen könnte.

    a) Übernachtungskosten sind die tatsächlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme einer Unterkunft zur Übernachtung, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a Satz 2 EStG. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 1 EStG beschränkt die Übernachtung auf ein Fahrzeug des Arbeitgebers oder einem von diesen beauftragten Dritten, wobei unter Übernachtung die Nächtigung, d.h. die Nutzung des Fahrzeugs als Unterkunft zur Nacht gemeint ist (Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG, 505d).

    b) Für die vom Kläger angegebenen Übernachtungen an 55 An- oder Abreisetagen sind die Tatbestandsvoraussetzungen unstreitig erfüllt, da er in einem Lkw seines Arbeitgebers tatsächlich übernachtet hat.

    2. Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf eine Übernachtungspauschale für die weiteren 54 Tage, für die er - ohne Übernachtung im Lkw - die Verpflegungspauschale erhalten hat.

    a) Entgegen der Auffassung des Klägers setzt die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG zur Gewährung der Übernachtungspauschale neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale (2. Halbsatz) eine Übernachtung (in obigen Sinne) voraus (1. Halbsatz).

    Die Notwendigkeit einer Übernachtung als Tatbestandsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Regelung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 1 EStG. Danach können die tatsächlichen Aufwendungen eines Berufskraftfahrers, die diesem im Zusammenhang mit einer Übernac htung in der Schlafkabine seines LKW anlässlich seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit (Fahrtätigkeit) entstehen, nur unter der Voraussetzung als Werbungskosten geltend gemacht werden, an denen er eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 und 2 sowie Satz 5 EStG zur Nr. 1 und 2 beanspruchen könnte. Motiv für die Einführung der fakultativen Werbungskostenpauschale war, dass bei einem Kraftfahrer, der anlässlich seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit in der Schlafkabine seines Lkw übernachtet, Aufwendungen entstehen, die bei anderen Arbeitnehmern mit Übernachtung anlässlich einer beruflichen Auswärtstätigkeit typischerweise in den Übernachtungskosten enthalten sind (vgl. Fuhrmann in: Korn, Einkommensteuergesetz, 151. Ergänzungslieferung, März 2024, § 9 EStG Rd. 126.8.). Der Anspruch ist aber von einem bestehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf Verpflegungsmehraufwendungen abhängig.

    § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG vereinfacht diese Regelung weiter in der Form, dass die Aufwendungen nicht im Einzelnen nachzuweisen sind, sondern fakultativ eine Pauschale von 8 EUR für jeden Kalendertag gelten gemacht werden kann. Allerdings gilt dies wie in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 1 EStG nur für den Fall, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen (Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungen im Lkw) vorliegen. Die nach dem Gesetzeswortlauf zwingende Rechtsfolge übersieht der Kläger, da er bei seiner rechtlichen Subsumtion lediglich auf den Inhalt des zweiten Teilsatzes des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG abstellt. Diese Argumentation widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich die Gewährung des "neuen" gesetzlichen Pauschbetrages anstelle der tatsächlichen Mehraufwendungen - ohne Beachtung der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen - nur dann zulässt, wenn dem Grunde nach die tatsächlichen Aufwendungen entstanden sind (BT-Drucks. 19/13436 zu Buchstabe a § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b -neu-).

    b) Der Kläger hat zwar für weitere 55 Tage - unstreitig - einen Anspruch auf die Verpflegungspauschale, allerdings fehlt es aber an der weiteren Tatbestandsvoraussetzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 1. Halbsatz EStG, der Übernachtung im Lkw. Denn die Aufwendungen müssen ihm im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstanden sein. Die für die Gewährung der Übernachtungspauschale notwendigen Voraussetzungen liegen somit nicht alle vor.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des §115 Abs. 2 FGO vorliegt.