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  • 12.08.2019 · IWW-Abrufnummer 210492

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 13.11.2018 – 1 K 833/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

        1.

        Die Klage wird abgewiesen.
        2.

        Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

    Tatbestand
    1

    Streitig ist, ob eine Arbeitslohn-Nachzahlung in Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis ermäßigt zu besteuern ist.
    2

    Der verheiratete Kläger wurde im Streitjahr 2011 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner Einkommensteuererklärung erklärte er auf der Anlage N einen laufenden Bruttoarbeitslohn aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 47.842 € und in deren Zeile 17 "Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Jahre" in Höhe von 47.260 €. Die Einnahmen erzielte der Kläger aus den folgenden Tätigkeiten:
    3

    Vom 01.01.2000 bis 31.01.2011 war der Kläger bei dem Arbeitgeber A als leitender Angestellter tätig. Laut der Besonderen Lohnsteuerbescheinigung für 2011 erhielt er bis 31.01.2011 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 54.197,84 €, wovon 47.260,00 € aus "Steuerpflichtigen Entschädigungen und Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre, die nicht ermäßigt besteuert wurden, stammten" (vgl. Zeile 19 der Besonderen Lohnsteuerbescheinigung).
    4

    Aus dem zweiten Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber B vom 01.02. bis 30.06.2011 erzielte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 40.904,84 €. Im Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2011 erhielt er Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld) in Höhe von 10.389,60 €.
    5

    In den Vorjahren bezog der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber A einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 132.082 € (im Jahr 2010) bzw. 99.081 € (im Jahr 2009).
    6

    Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2011 behandelte das Finanzamt sowohl den laufenden Bruttoarbeitslohn aus beiden Arbeitsverhältnissen in Höhe von zusammen 47.842,32 € (= 6.937,84 € + 40.904,48 €) als auch die Entschädigung / den Arbeitslohn für mehrere Jahre in Höhe von 47.260 € als laufende Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 95.102 €. Mit Einkommensteuerbescheid vom 28.02.2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer auf 28.305 € fest. In den Erläuterungen ist zur Abweichung von der Steuererklärung Folgendes ausgeführt:

        "Die ermäßigte Besteuerung für Arbeitslohn für mehrere Jahre kann nicht gewährt werden, da die Entschädigung den entgangenen Arbeitslohn nicht übersteigt u. auch die Jahreseinkünfte die Vorjahreseinkünfte nicht übersteigen."

    7

    Der Einspruch vom 13.03.2013, der sich gegen die Nichtanwendung der Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG richtete, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 31.05.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
    8

    Der Kläger hat am 30.06.2017 fristgerecht Klage erhoben.
    9

    Der Arbeitgeber A bescheinigte im November 2018, dass die verdienten Boni der Vorjahre für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen angespart und im Januar 2011 steuerpflichtig ausbezahlt worden seien. Wegen seines auf eigenen Wunsch erfolgten Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis habe der Kläger keinerlei Abfindung oder Entschädigung erhalten.
    10

    Die verdienten Boni, die Zinsen und ihre Auszahlung stellen sich nach dem vom Arbeitgeber geführten Bonuskonto wie folgt dar:
    Für Kalenderjahre                
        Zinsen    Zugang    Abgang    Bestand
        €    €    €    €
    2004    0,00    8.575.00    0,00    8.575,00
    2005    686,00    9.100,00    0,00    18.361,00
    2006    1.468,88    9.072,00    1.775,84    27.126,04
    2007    2.170,08    9.590,67    0,00    38.886,79
    2008    3.110,94    3.380,01    932,02    44.445,72
    2009    3.555,66    0,00    4.287,50    43.713,88
    2010    3.840,11    10.328,46    10.622,45    47.260,00
    2011            47.260,00    0,00
    11

    Der Kläger trägt zur Begründung vor, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG für die Nachzahlung von Arbeitslohn vorliegen würden.
    12

    Die Boni für die Kalenderjahre 2005 bis 2010, die der Kläger zum Ende seines Arbeitsverhältnisses am 31.01.2011 ausgezahlt erhalten habe, seien begünstigt zu besteuern. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG seien Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten außerordentliche Einkünfte, für die die Tarifvergünstigung (Fünftelregelung) nach § 34 Abs. 1 EStG zu gewähren sei.
    13

    Nach der Gesetzeslage sei es nicht Voraussetzung, dass die Vorjahres-Einkommenshöhe überschritten werde. Das BMF-Schreiben vom 01.11.2013 nehme ausdrücklich Stellung zu Fragen der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen und sei auf den Streitfall nicht übertragbar. Aus dem BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BStBl II 2017, 347 sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Die Rechtsprechung zu Entschädigungen könne nicht übernommen werden, da dies vom Gesetzgeber nicht gewollt sei.
    14

    Nach EStR 34.4 (Satz 3) sei es Voraussetzung, dass aufgrund der Einkünfteermittlungsvorschriften eine Zusammenballung von Einkünften eintrete, die bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf wirtschaftlich vernünftigen Gründen beruhen würden. Boni dienten der Mitarbeiterbindung an das Unternehmen und seien bei Stellenwechsel zwangsläufig auszuzahlen. Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2002 seien mit Wirkung ab 1999 Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in den Kreis der außerordentlichen Einkünfte einbezogen worden. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass es sich auch bei den Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten um außerordentliche Einkünfte und somit um eine Zusammenballung der zufließenden Vergütung handeln müsse. Der periodenfremde, zusammengeballte Zufluss von Einnahmen reiche für die Anwendung von außerordentlichen Einkünften aus (vgl. auch Lademann, EStG, Anmerkung 115 zu § 34 EStG). Einmalige, für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Einkünfte, die das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellen würden, seien stets außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. Frotscher/Geurts, EStG, § 34 Rz 50).
    15

    Trotz Aufforderung durch das Finanzgericht Nürnberg legte der Kläger die der Bonizahlung zugrundliegende Vereinbarung nicht vor, und machte auch keine Ausführungen dazu, wie sich die Höhe der Boni errechnete.
    16

    Der Kläger beantragt sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid vom 28.02.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.05.2017 dahin zu ändern, dass der Betrag von 47.260 € ermäßigt gemäß § 34 Abs. 1 EStG besteuert wird.
    17

    Der Kläger beantragt,

    die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
    18

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.
    19

    Unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung halte das Finanzamt daran fest, dass eine ermäßigte Besteuerung der streitgegenständlichen Arbeitslohn-Nachzahlung (Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten) im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis nach § 34 Abs. 1 EStG nicht gewährt werden könne. Es liege keine Zusammenballung der Einkünfte im Streitjahr vor.
    20

    Grundsätzlich würden Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG) außerordentliche Einkünfte darstellen. Dem Normzweck entsprechend, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen, sei die Anwendung auf solche Einkünfte zu beschränken, die "zusammengeballt" zufließen würden.
    21

    Die am Normzweck des § 34 EStG orientierte Rechtsprechung des BFH sei zwar im Wesentlichen zu Entschädigungen i.S.v. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG entwickelt worden. Sie sei jedoch auch auf Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten anwendbar (vgl. hierzu Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.05.2015 5 K 1792/12, juris, sowie BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BStBl II 2017, 347).
    22

    Bei Entschädigungen sei von einer Zusammenballung auszugehen, wenn der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum unter Einbeziehung der Entschädigung insgesamt mehr erhalte, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 27.01.2010 IX R 31/09, BStBl II 2011, 28). Maßgebend für die Vergleichsbetrachtung seien die Einkünfte, die sich bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses voraussichtlich ergeben hätten. Hierzu orientiere sich der BFH an den Einkünften der Vorjahre.
    23

    Das Bundesministerium der Finanzen stelle in seiner Verwaltungsanweisung generell auf das Vorjahr für die Vergleichsberechnung ab.
    24

    Bei normalem Verlauf der Dinge, also ohne Berücksichtigung der Auflösung des ersten Arbeitsverhältnisses im Streitjahr zum 31.01.2011 hätte bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses das an den Kläger zu zahlende Jahresgehalt in Höhe des Vorjahresgehalts von 132.082 € die im Streitjahr erhaltenen Beträge von insgesamt 105.491,60 €, bestehend aus monatlichen Gehaltszahlungen in Höhe von 47.842 €, Lohnnachzahlung in Höhe von 47.260 € sowie Lohnersatzleistungen in Höhe von 10.389,60 € überstiegen. Daher liege keine Zusammenballung vor.
    25

    In der mündlichen Verhandlung ergänzte das Finanzamt, dass der Kläger nach Aktenlage in den Vorjahren die Beträge, die er dem Bonuskonto entnommen habe, nicht als ermäßigt zu besteuern erklärt habe.
    26

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Finanzgerichtsakte, die dem Finanzgericht vorliegenden Akten des Finanzamts und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 13.11.2018 verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    27

    Die Klage ist unbegründet.
    28

    Das Finanzamt hat die Bonizahlungen zu Recht nicht als außerordentliche Einkünfte in Gestalt einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert.
    29

    Außerordentliche Einkünfte gem. § 34 Abs. 2 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung vom 01.11.2011) werden entsprechend der Berechnung in den Sätzen 2 bis 4 des § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert. Danach beträgt die Einkommensteuer auf die außerordentlichen Einkünfte das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.
    30

    Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht.
    31

    Als "Vergütung" in diesem Sinne kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BStBl II 2017, 347).
    32

    Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (z.B. BFH-Urteile vom 31.08.2016 VI R 53/14, BStBl II 2017, 3227; vom 07.05.2015 VI R 44/13, BStBl II 2015, 890; vom 07.08.2014 VI R 57/12, BFH/NV 2015, 181, und vom 03.07.1987 VI R 43/86, BStBl II 1987, 820; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 34 Rz 32; Schmidt/ Wacker, EStG, 37. Aufl. 2018, § 34 Rz 44; Horn in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 34 EStG Rz 64). Diese mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu (BFH-Urteile vom 07.05.2015 VI R 44/13, BStBl II 2015, 890 und vom 16.12.1996 VI R 51/96, BStBl II 1997, 222; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 34 Rz 30).
    33

    Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 02.08.2016 VIII R 37/14, BStBl II 2017, 258).
    34

    Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist zudem im Wege der Auslegung nach Maßgabe der ratio legis zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14.04.2015 IX R 29/14, BFH/NV 2015, 1354).
    35

    Bei der Auszahlung der erworbenen Boni im Streitjahr handelt es sich bei Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit im Sinn von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, die ermäßigt zu besteuern ist.
    36

    Für eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ist es nicht ausreichend, dass in dem Auszahlungsbetrag in Höhe von 47.260 € Boni enthalten sind, die in mehreren Jahren erworben und teilweise auf einem Bonuskonto angespart worden sind. Im Streitfall fehlt es an einem zweckbestimmten Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit.
    37

    Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger den jeweiligen Bonus für sich betrachtet für den Arbeitserfolg innerhalb des einzelnen Vorjahres erworben. Dies schließt das Gericht aus dem Bonuskonto, auf dem jedes Jahr - mit Ausnahme von 2009 - ein Zugang eines Bonusbetrages verbucht wurde. Daraus ist ersichtlich, dass der Zeitraum der Arbeitsleistung, in dem die Qualität der Arbeitsleistung zu beurteilen war und mit einem Bonus honoriert wurde, nicht länger als ein Jahr betragen hat. Es fehlt an einem veranlagungszeitraumübergreifenden Geschehen für den jeweils erdienten Bonusanspruch. Es gab keine mehrjährige Zuteilungs- und eine spätere Auszahlungsphase.
    38

    Eine vertraglich vereinbarte Zweckbestimmung, dass mit dem erdienten Bonus eine mehrjährige Tätigkeit vergütet werden sollte, liegt nicht vor. Der Kläger hat dies weder vorgetragen noch eine Bonusvereinbarung vorgelegt, wonach der Arbeitgeber A und der Kläger vereinbart hätten, dass die auf dem Bonuskonto als Zugang erfassten Boni in den Jahren 2004 bis 2010 jeweils eine mehrjährige Arbeitsleistung honorieren oder sich nach der Leistung einer mehrjährigen Arbeitsphase berechnen.
    39

    Eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ergibt sich nicht allein daraus, dass der Auszahlungsbetrag im Streitjahr die Höhe der in den Jahren 2004 bis 2010 einzeln erworbenen Boni um ein Vielfaches übersteigt oder sich aus Boni zusammensetzt, die in vorangehenden Jahren, jeweils zwischen 3.380,01 € und 10.328,46 €, dem Bonuskonto gutgeschrieben wurden.
    40

    Allein von der Höhe und der Zusammensetzung des Auszahlungsbetrages kann nicht auf eine zweckbestimmte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit geschlossen werden. Eine entsprechende, geänderte Zweckbestimmung als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit liegt auch zum Auszahlungszeitpunkt nicht vor.
    41

    Im Ergebnis ändert sich die Zweckbestimmung für die (ganz oder teilweise) stehengelassenen und noch nicht entnommenen Boni der Vorjahre auch durch die Auszahlung von 47.260 € in einer Summe nicht.
    42

    Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger im Jahr 2011 kam es zwangsläufig zur Auszahlung des verbliebenen Geldbetrages auf dem Bonuskonto. Abzustellen ist für die Zweckbestimmung jedoch auf den einzelnen erdienten Bonusanspruch und nicht auf die Umstände, die zur Auszahlung gerade im Januar 2011 geführt haben. Die Zweckbestimmung für den Anspruch auf die Boni dem Grunde nach wurde durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht geändert. Sie sind weiterhin als Vergütung für eine einjährige Tätigkeit zu beurteilen (vgl. Tz. 2.1 des Urteils). Mit der Auszahlung im Jahr 2011 wird die durch die Ansparung aufgeschobene Auszahlung des Bonus in den einzelnen Vorjahren nachgeholt.
    43

    Die Auszahlung der Boni der Vorjahre ist nicht in zusammengeballter Form erfolgt.
    44

    Die erdienten Boni der Vorjahre wurden nicht in einem Betrag im Jahr 2011 zusammengeballt ausgezahlt. In den Jahren 2006 sowie 2008 bis 2010 wurden bereits vier Mal Teilbeträge aus dem Bonuskonto entnommen, die in Summe 17.617,81 € von einem Gesamtzugang von 64.877,81 € betrugen. Der Zugang auf dem Bonuskonto setze sich aus Boni in Höhe von 50.046,14 € und Zinsen in Höhe von 14.831,67 € zusammen. Je nachdem, inwieweit in den Vorjahren auch Zinsen ausgezahlt wurden, entsprechen die Auszahlungen in den Jahren 2006 sowie 2008 bis 2010 35,20 v.H. der erdienten Boni bzw. 27,11 v.H. des gesamten Zugangs incl. der Zinsen. Diese vier Teilauszahlungen sind daher in Summe betrachtet auch nicht unbedeutend gering.
    45

    Es fehlt ferner an der "Außerordentlichkeit" der Einkünfte, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber A erzielt wurden, da die Auszahlung des Restbetrages auf dem Bonuskonto in einer Summe von Anfang an vorgesehen war.
    46

    Dieses Erfordernis der "Außerordentlichkeit" wird sowohl vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch von dem des Einleitungssatzes des § 34 Abs. 2 EStG vorausgesetzt. Es dient der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. zur ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung BFH-Urteil vom 25.02.2014, X R 10/12, BStBl II 2014, 668). Außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG liegen nach dem Sinn des Gesetzes bei Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten nur vor, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht (BFH-Urteil vom 23.10.2014 X R 3/12, BStBl II 2014, 58 [BFH 23.10.2013 - X R 3/12]).
    47

    Die Entwicklung des Bonuskontos zeigt, dass von Anfang an für jeden erdienten Bonusanspruch eine Wahlfreiheit des Klägers vereinbart gewesen sein muss. Der Kläger konnte sich den Bonus ganz oder teilweise im Jahr des Zugangs - wie in den Jahren 2006, 2008 und 2010 - auszahlen lassen. Er hatte auch die Wahl auf Auszahlung in Höhe eines Betrages, der den Zugang auf dem Bonuskonto - wie im Jahr 2009 - übersteigt. Andererseits bestand jedoch die Möglichkeit, die einzelnen Boni - ganz oder teilweise - auf dem Konto stehen zu lassen und "anzusparen", um später - so der Sachvortrag - hierfür Gesellschaftsanteile zu erwerben. Die Auszahlung der angesparten, stehengelassenen Boni in einer Summe war folglich von Anfang an als eine Möglichkeit und Ziel der (teilweisen) Ansparung der Boni zwischen dem Arbeitgeber A und dem Kläger vereinbart, denn auch bei der Verwendung des Bonuskontos für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen wäre es zur Auszahlung in einem Betrag gekommen. In diesem Fall wäre der Geldbetrag nur nicht im Vermögen des Klägers verblieben, sondern er hätte hierfür sofort, evtl. auf abgekürztem Zahlungsweg und ohne Zufluss auf seinem Bankkonto, entsprechende Gesellschaftsanteile erworben. Diese andere Verwendung bei Auflösung des Bonuskontos führt nicht zu einem atypischen Geschehensablauf, denn es hat sich nur die Verwendung der angesparten und am Ende in einer Summe ausgezahlten Boni durch den Kläger verändert. Die Auflösung des Bonuskontos und Auszahlung der angesparten Boni in einer Summe war jedoch von Anfang an so vorgesehen.
    48

    Der vorliegende Fall ist abzugrenzen von den Fällen, in denen Einkünfte aufgrund einer vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung nunmehr atypisch zusammengeballt zufließen, obwohl dies ursprünglich nicht so geplant war, wie z.B. die Nachzahlung von Arbeitslohn nach einem arbeitsgerichtlichen Prozess. Hier wäre der höhere Arbeitslohn planmäßig monatlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden.
    49

    Die geplante Anschaffung von Gesellschaftsanteilen mit den angesparten Boni entspricht dem Vortrag des Klägers und wird gleichermaßen durch den Arbeitgeber A bestätigt. Eine hiervon abweichende Vereinbarung liegt dem Gericht nicht vor. Da weder der Kläger noch die Prozessbevollmächtigte, die zugleich den Arbeitgeber A steuerlich berät, die vom Finanzgericht angeforderte Bonusvereinbarung vorgelegt haben, erachtet es das Gericht für sachgerecht, den schriftlichen Vortrag des Klägers und die Entwicklung des Bonuskontos als sonstigen, zu berücksichtigenden Umstand zu würdigen.
    50

    Bei den in dem Auszahlungsbetrag enthaltenen Zinsen handelt es sich ebenfalls nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit.
    51

    Die gutgeschriebenen Zinsen in Höhe von insgesamt 14.831,67 € entstanden durch die zeitversetzte Auszahlung der angesparten Boni. Das Bonuskonto wurde von dem Arbeitgeber A mit 8 v.H. per anno verzinst. Die Zinsen bemaßen sich nicht nach einer Arbeitsleistung des Klägers in mehreren Jahren, sondern allein nach dem Bestand des Bonuskontos am Ende des Kalenderjahres und der Zeit, die zwischen Zugang des Bonus auf dem Bonuskonto und seiner Auszahlung lag (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 31.08.2016 VI R 53/14, BStBl II 2017, 322).
    52

    Das Gericht kann es letztlich dahinstehen lassen, ob in dem Auszahlungsbetrag von 47.260 € Zinsen entsprechend dem Anteil der Zinsen an den Zugängen auf dem Bonuskonto von ca. 23 v.H. (14.831,67 € bei einem Gesamtzugang von 64.877,81 €) enthalten sind oder ob die Zinsen bereits in den Auszahlungen der Vorjahre (insgesamt 17.617,81 €) enthalten waren, da die Klage sowohl für die erdienten Boni als auch für die Zinsen keinen Erfolg hat.
    53

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    54

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sind nicht gegeben, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
    55

    Die Rechtsfrage, ob bei der Prüfung einer Zusammenballung - wie bei einer Entschädigungsleistung - eine Vergleichsbetrachtung mit den voraussichtlichen Einkünften bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit den Einkünften des Vorjahres durchzuführen ist, ist nicht entscheidungserheblich, da bereits keine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit vorliegt.

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