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  • 25.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214938

    Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Beschluss vom 27.01.2020 – 7 A 2164/17

    1. Für die Zulässigkeit einer Klage ist grundsätzlich die Mitteilung der Wohnanschrift des Klägers erforderlich.

    2. Mehrere Stifter bilden im gerichtlichen Verfahren um die Anerkennung einer Stiftung keine echte (eigentliche) notwendige Streitgenossenschaft, da sich aus dem materiellen Recht kein Zwang zur gemeinschaftlichen Prozessführung ergibt. Ist die Klage einzelner Stifter unzulässig, lässt dies die Prozessführungsbefugnis der übrigen Stifter nicht entfallen.

    3. Die Anerkennung einer Stiftung als rechtsfähig scheidet aus, wenn der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet. Ob dies zutrifft, ist nicht nur anhand des Stiftungszwecks gemäß Satzung, sondern auch anhand der im Hintergrund liegenden tatsächlichen Absichten der Stifter zu ermitteln.


    Hessischer Verwaltungsgerichtshof 7. Senat

    27.01.2020


    Tenor

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. April 2016 - 7 K 4809/15.F - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu je 1/5 zu tragen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der „Islamischen Ahlebeyt Stiftung“ - nachfolgend: Stiftung.

    Mit Stiftungsgeschäft vom 1. November 2014 (Bl. 44 der Behördenakte) bekundeten die Kläger die Absicht, diese Stiftung als ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienende rechtsfähige Stiftung errichten zu wollen und ein bestimmtes Vermögen auf Dauer der Erfüllung des Stiftungszwecks zu widmen. Stiftungszweck soll nach § 2 des Satzungsentwurfs die Bekanntmachung der schiitisch-islamischen Bildung nach den Worten der Heiligen (Ahlebeyt) und für die Freunde der Heiligen (Ahlebeyt) in Deutschland und der ganzen Welt, die Übersetzung und Verfassung von Texten für die verschiedenen islamisch-schiitischen Glaubensrichtungen, um diese Kultur in Diskussionen bekannt zu machen, und die richtige islamische Erziehung von schiitischen Moslems in Deutschland zur Toleranz gegenüber anderen Glaubensrichtungen oder Religionen sein. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 (Bl. 40 der Behördenakte) meldeten die Kläger die Stiftung bei dem Regierungspräsidium Darmstadt an.

    Die Behörde wertete die Anmeldung als Antrag auf Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig. Mit Verfügung vom 18. Mai 2015 hörte die Behörde die Kläger zur beabsichtigten Ablehnung dieses Antrags an.

    Mit Bescheid vom 9. September 2015 wurde die Anerkennung der Stiftung abgelehnt, weil die Stiftung das Gemeinwohl gefährde. Davon sei auszugehen, wenn die Erlangung der Rechtsfähigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung von Verfassungsgütern führen werde.

    Über den Kläger zu 1) lägen Erkenntnisse des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz vor, aus denen sich ergebe, dass dieser in leitender Funktion in mehreren Vereinen tätig sei, die die Förderung des schiitischen Islam zum Ziel habe. Der Kläger zu 1) sei Vorsitzender des Vorstands der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e. V. (IGS), Berlin. Der Kläger zu 1) sei zudem Vorsitzender des Moscheevereins Zentrum der Islamischen Kultur e. V. (ZIK), Frankfurt am Main. Der Kläger zu 1) sei Gründungsmitglied und Beiratsmitglied des Vereins Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen e. V. (IEUS), Hamburg, gewesen, die seit 2008 Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden sei. In den Jahren 1998 bis 2004 sei der Kläger zu 1) Imam der schiitischen Moschee München gewesen, deren Trägerverein die Islamische Vereinigung in Bayern e. V. (IVB) sei.

    Der Kläger zu 1) sei im Jahre 2002 öffentlich gegen den bevorstehenden Krieg gegen den Irak aufgetreten und habe die USA beschuldigt, Krieg nicht gegen Saddam Hussein, sondern gegen den Islam zu führen. Die Vereinigten Staaten betrieben eine kriegstreiberische, rassistische Politik und sähen im Iran immer noch die „Achse des Bösen“. Der Iran sei stark genug, sich gegen die USA zu wehren. Iraner hätten keine Angst, im Kampf zu sterben, da sie von Allah geschützt würden. Der Kläger zu 1) habe Kontakte zur libanesischen Hisb Allah, an deren Feiern im Jahre 2000 und 2002 zur Erinnerung an den Rückzug Israels aus dem Libanon er mehrfach teilgenommen habe. Er habe im Jahre 2001 die Angriffe Israels auf die Palästinenser kritisiert und Israel beschuldigt, die Ausrottung des palästinensischen Volkes zu betreiben. Er habe die Notwendigkeit der Solidarität mit dem palästinensischen Volks betont und dabei den Führungsanspruch des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Chamenei hervorgehoben. Im Mai 2001 habe der Kläger zu 1) auf einer Hisb Allah-Feier sinngemäß gesagt, Israel müsse weiter bekämpft werden. Er habe Allah für den Sieg gedankt und diesen als Frucht einer Pflanze bezeichnet, die Chomeini gepflanzt habe, eine Frucht der islamischen Revolution im Iran. Im Jahre 1998 habe der Kläger zu 1) auf einer Veranstaltung gesagt, der Prophet Mohammed habe erstmals die islamischen Vorschriften als staatliche Gesetze eingeführt, und nur die Islamische Republik Iran setze diese in die Realität um. Die entscheidenden Grundlagen dieses islamischen Staates seien der Koran und dessen Auslegungen, die Scharia und die „Welayat-e Faqih“, mithin das im Iran bestehende System der Herrschaft der obersten schiitischen Rechtsgelehrten. Der Inhaber dieses Amtes sei Chamenei, dem alle schiitischen Gläubigen folgen müssten.

    Die religiöse Arbeit des Klägers zu 1) enthalte eine politische Komponente. Der Kläger zu 1) wolle die staatliche Ordnung durch Einführung einer islamischen Republik und der Scharia als einzig gültiger Rechtsordnung beseitigen. Der Kläger zu 1) habe geäußert, die Herrschenden eines Staates müssten die Vorschriften des Koran und der Scharia beachten. Iran habe bewiesen, dass man damit besser regieren könne. Das vom Kläger zu 1) vertretene Gedankengut widerspräche den Prinzipien der Demokratie, der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung und beachte nicht die Menschenrechte. Als Stiftungsvorsitzender würde der Kläger zu 1) die wesentlichen Entscheidungen mit treffen.

    Gegen den ohne Rechtsbehelfsbelehrung zugestellten Bescheid haben die Kläger am 12. Oktober 2015 vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Sie haben vorgetragen, die Erkenntnisse über den Kläger zu 1) ließen nicht erkennen, dass der Stiftungszweck zu einer Gefährdung des Gemeinwohls beitragen könne. Der Kläger zu 1) stehe in Kontakt zu deutschen Politikern, wie Vertretern von Bündnis90/Die Grünen (...) und trete für Respekt und Toleranz gegenüber den Religionen und für gegenseitiges Kennenlernen durch einen breiten Dialog ein. Die Israel- und USA-feindlichen Äußerungen des Klägers zu 1) lägen schon lange zurück. Wäre er dafür strafgerichtlich verurteilt worden, wären die Eintragungen im Bundeszentralregister getilgt und nicht mehr verwertbar. Der Kläger zu 1) sei heute wichtiger Gesprächspartner bis in die höchsten politischen Stellen und Regierungsämter hinein.

    Die Kläger haben zuletzt beantragt,

    den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 9. September 2015 zu verpflichten, auf der Grundlage des Antrags der Kläger vom 12. Dezember 2014, abgeändert durch Schreiben der Kläger vom 11. Februar 2015, die Islamische Stiftung Ahlebeyt (Stiftung der Nachfolger des Heiligen Mohammad) als rechtsfähig anzuerkennen.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    sich zur Begründung auf seinen Bescheid bezogen und ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger zu 1) zu den wichtigsten schiitischen Führungspersönlichkeiten in Deutschland gehöre. Der Kläger zu 2) sei für die IGS in der Vergangenheit als Strohmann bei einem Grundstückskauf aufgetreten. Der Kläger zu 5) sei Mitglied im ZIK.

    Mit Urteil vom 27. April 2016 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, die Stiftung als rechtsfähig anzuerkennen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Stiftung lägen vor. Bezüglich der allein streitigen Frage, ob die Stiftung Gemeinwohlinteressen gefährde, folge aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass hierzu allein auf den satzungsmäßigen Stiftungszweck abzustellen sei. Aus diesem gehe eine Beeinträchtigung von Verfassungsgütern nicht hervor. Der Stiftungszweck liege in der Förderung der islamisch-schiitischen Kultur und Religion, der grundsätzlich nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung stehe, sondern sogar dem Schutz des Grundgesetzes (Art. 4 GG) unterfalle. Wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergäbe, sei es ohne Bedeutung, wenn die Gefährdung des Gemeinwohls durch die Stifter ausgehe. Im Falle von späteren Gemeinwohlgefährdungen durch die Stiftung könne im Wege der Stiftungsaufsicht vorgegangen werden.

    Das Urteil ist den Beteiligten am 12. Mai 2016 zugestellt worden.

    Am 10. Juni 2016 hat der Beklagte beim Verwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2016 - beim Berufungsgericht am selben Tag eingegangen - hat der Beklagte den Zulassungsantrag mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils, mit besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache, mit der grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und mit Divergenz von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet.

    Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 30. Oktober 2017 - 7 A 1528/16.Z - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 3. November 2017 zugestellt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde bis 18. Dezember 2017 verlängert.

    Mit am 7. Dezember 2017 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 6. Dezember 2017 hat der Beklagte den Berufungsantrag gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, es komme für die Frage der Gefährdung des Gemeinwohls nicht allein auf den Stiftungszweck, sondern auf die wahren Absichten an, die die Stiftung verfolge. Hinter der Stiftung stehende Personen, insbesondere die, die leitende Funktionen innehaben werden, seien dabei zu berücksichtigen. Die bereits vorgetragenen Erkenntnisse über den Kläger zu 1) und seine Stellung in der Stiftung ließen befürchten, dass die Stiftung der Verbreitung extremistischer Glaubensinhalte und politischer Aussagen diene.

    Der Beklagte beantragt,

    das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. April 2016 - 7 K 4809/15.F - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt das angegriffene erstinstanzliche Urteil.

    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Beteiligten im gesamten Verwaltungsstreitverfahren und die Behördenvorgänge des Beklagen Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

    Entscheidungsgründe

    Der Senat kann über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130 a VwGO).

    Die Berufung ist zulässig und begründet, denn das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main erweist sich als unrichtig.

    Soweit die Klage die Kläger zu 3) bis 5) betrifft, ist sie bereits unzulässig, weil von diesen Klägern bis zur Entscheidung des Senats im vorliegenden Berufungsverfahren keine Wohnanschrift angegeben worden ist.

    Für die Zulässigkeit der Klage ist die Mitteilung der Wohnanschrift der Kläger erforderlich (§ 82 Abs. 1 VwGO, §§ 130 Nr. 1, 253 Abs. 4 ZPO i. V. mit § 173 VwGO). Der Wohnort des Klägers bestimmt in manchen Fällen die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (vgl. § 52 Nr. 3 Satz 2, Nr. 4 Satz 1 VwGO, § 13 ZPO). Nach dem Wohnort des Klägers bestimmt sich häufig auch die Zuständigkeit der Behörde (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 Buchst. a VwVfG).

    Bei natürlichen Personen entfällt die Verpflichtung zur Mitteilung der Wohnungsanschrift nur, wenn sich die Wohnungsanschrift nicht bereits aus den Akten ergibt, sonst wie bekannt ist, sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln lässt oder wenn die Pflicht zur Angabe einer Wohnungsanschrift unmöglich oder unzumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 C 24.97 -, juris, Rdnr. 27 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 10 CE 17.2321 -, juris, Rdnr. 7; Aulehner, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 5. Auflage 2018, § 82 Rdnr. 10).

    Bei der von den Klägern zu 3) bis 5) angegebenen Adresse handelt es sich um eine religiöse Gebetsstätte, in der die Kläger nicht wohnen. Eine aktuelle Wohnanschrift der Kläger zu 3) bis 5) ist weder den Akten zu entnehmen, noch mit vertretbarem Aufwand ermittelbar. Die mit Verfügung des Senats vom 28. Oktober 2019 unter Fristsetzung ergangene Aufforderung, die Wohnanschrift der Kläger zu 3) bis 5) mitzuteilen, blieb unbeantwortet. Es sind für den Senat keine Gründe ersichtlich, die für eine Unzumutbarkeit sprechen, die Pflicht zur Mitteilung der Wohnanschrift zu erfüllen.

    Hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2) ist die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Zu dieser differenzierenden Betrachtung sieht sich der Senat aus folgenden Gründen veranlasst:

    Klagen mehrere Personen aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund und kann das Streitverhältnis nur einheitlich festgestellt werden, bilden sie eine notwendige Streitgenossenschaft (§§ 59, 62 ZPO i. V. mit § 64 VwGO). Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt hier vor, da die begehrte Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruht und ein einheitliches Klageziel hat.

    Die Streitgenossen bleiben aber auch als notwendige Streitgenossenschaft weiter selbstständige Streitparteien in jeweils besonderen Prozessrechtverhältnissen zum gemeinsamen Gegner. Ob die Prozesshandlung eines Streitgenossen oder gegenüber einem Streitgenossen auch im Verhältnis zum anderen Streitgenossen Wirkung entfaltet, ist eine Frage des einzelnen Regelungsproblems, die differenzierend unter Berücksichtigung des Zwecks der notwendigen Streitgenossenschaft und des Grundsatzes der Selbstständigkeit der Streitgenossen zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 12. Januar 1996 - V ZR 246/94 juris, Rdnr. 9).

    Vorliegend hindert die Unzulässigkeit der Klage in Bezug auf einzelne Kläger den Senat nicht, über die Klage der anderen Kläger eine Sachentscheidung zu treffen. Insbesondere ist die von den Klägern zu 1) und 2) form- und fristgemäß erhobene Klage nicht mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen. Eine solche Konsequenz ergäbe sich im Hinblick auf die nicht wirksam erhobenen Klagen der Kläger zu 3) bis 5) nur dann, wenn bei allen Klägern eine echte (oder eigentliche) notwendige Streitgenossenschaft vorläge, bei der sich aus dem materiellen Recht ein Zwang zur gemeinschaftlichen Prozessführung ergibt. Eine gemeinschaftliche Klage aller Stifter ist aber gesetzlich nirgends ausdrücklich angeordnet und folgt auch nicht zwingend aus dem von den Klägern gemeinsam vorgenommenen Stiftungsgeschäft. Das vorliegende Stiftungsgeschäft ist kein Vertrag, sondern die in einer gemeinsamen Urkunde enthaltene Verbindung mehrerer voneinander unabhängiger, einseitiger Willenserklärungen, die von den einzelnen Stiftern gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 BGB bis zur Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig widerrufen werden können. Zwar kann der Widerruf einzelner Stifter das gemeinsam vorgenommene Stiftungsgeschäft entsprechend § 139 BGB unwirksam machen. Dies ist aber keineswegs zwingend und gilt jedenfalls dann nicht, wenn der Stiftungszweck auch mit den verbleibenden Stiftern noch realisiert werden kann. Da die Erklärungen der nicht widerrufenden Stifter grundsätzlich fortgelten, kann es auch keinen Zwang zur gemeinschaftlichen Prozessführung geben, wenn die begehrte Anerkennung der Stiftung von der Behörde verweigert wird und einzelne Stifter keine Klage erheben (wollen). Für die Einheitlichkeit der Entscheidung genügt in diesen Fällen die Beiladung derjenigen Stifter, die nicht als Hauptbeteiligte in einem Prozess mitwirken.

    Die hiernach zulässige Klage der Kläger zu 1) und 2) ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Stiftung (§ 113 Abs. 5 VwGO).

    Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. mit §§ 3 und 11 Hessisches Stiftungsgesetz vom 4. April 1966 (GVBl. I S. 77), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. September 2012 (GVBl. S. 290), ist die Stiftung als rechtsfähig anzuerkennen, wenn das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 BGB genügt, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet.

    Es kann offen bleiben, ob die Stiftung die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 BGB erfüllt und die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint. Die Stiftung kann jedenfalls nicht anerkannt werden, weil ihr Zweck zur Überzeugung des Senats das Gemeinwohl gefährdet.

    Eine Gemeinwohlgefährdung liegt nach der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf der Neufassung von § 80 BGB vor, wenn es hinreichend wahrscheinlich, also eine nicht bloß entfernt liegende Möglichkeit ist, dass die Erlangung der Rechtsfähigkeit und die damit verbundene Verfolgung des Stiftungszwecks durch die dann rechtsfähige Stiftung zu einer Beeinträchtigung von Verfassungsrechtsgütern führen würde (BT-Drs. 14/8765, S. 9 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 55.96 -, juris, Rdnr. 30).

    Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Stiftungszweck sei allein anhand der Satzung festzustellen, vermag der Senat nicht beizutreten. Wie der Beklagte zu Recht einwendet, kommt es zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die prognostische Feststellung der Gemeinwohlgefährdung auf die Stiftung und den von ihr selbst verfolgten Zweck an. Die Stiftung selbst muss hiernach das Gemeinwohl gefährden und nicht etwa die Stifter oder die hinter ihnen stehenden Personen. Der Stiftungszweck ist jedoch anhand des Stifterwillens zu ermitteln. Bezogen auf die Stiftung einer politischen Partei ist es, wenn die Stiftung die politischen Zielsetzungen der Partei inkorporiert, geboten, nicht nur die offiziellen Verlautbarungen und Parteiprogramme, sondern auch die Äußerungen der Funktionäre von Untergliederungen der Partei heranzuziehen, um die wahren Absichten des Stifters und damit den Inhalt des inkorporierten Stiftungszwecks zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 55.96 -, juris, Rdnr. 33 f.).

    Übertragen auf die vorstehend in Streit stehende Stiftung kommt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht allein auf die Satzung und den vordergründig zum Ausdruck gebrachten Stiftungszweck an, sondern auch auf die im Hintergrund liegenden tatsächlichen Absichten der Stifter, die nicht in der Satzung dokumentiert werden. Der Stiftungszweck ist zwar unverfänglich und moderat formuliert. Er ist aber so breit angelegt, dass zwischen unproblematischer Bildungsarbeit bis hin zu direkt-gesteuerter Indoktrinierung und extremistischer Einflussnahme alle Zielrichtungen abgedeckt werden. Da der Stiftungszweck offen interpretierbar ist, kommt es für die Frage einer möglichen Gemeinwohlgefährdung der Stiftung vor allem auf die mutmaßlichen tatsächlichen Ziele der Stifter an, die unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeiten, ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit und der sonst über sie bekannten Erkenntnisse zu ermitteln sind.

    Der Person des Klägers zu 1) kommt dabei in mehrfacher Hinsicht maßgebliche Bedeutung zu: Der Kläger zu 1) ist nicht nur im Führungsbereich mehrerer muslimisch-schiitischer Vereine aktiv (a), sondern trat in der Vergangenheit als quasi-offizieller Repräsentant des iranischen Staates öffentlich in Erscheinung und pflegt engste Kontakte zur religiösen Führung Irans (b). Er strebt zudem in der Stiftung eine diese beherrschende Stellung an (c).

    (a) Der Kläger zu 1) ist Vorstandsvorsitzender der IGS, Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e. V. mit Sitz in Berlin. Die IGS protestierte als einzige gegen das Verbot des Waisenkinderprojekt Libanon e. V. (WKP). Das WKP unterstützte die Shahid-Stiftung, die Teil der libanesischen Hisb Allah ist, deren militärischer Arm von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft wird. Das Verbot wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - BVerwG 1 A 4.15 -, juris).

    Der Kläger zu 1) ist auch Vorsitzender des ZIK, Zentrum der Islamischen Kultur Frankfurt e. V., Frankfurt am Main, das als extremistisch einzuordnen ist. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten lässt sich beim ZIK ein Extremismusbezug durch personelle Verbindungen des Vereinsvorsitzenden belegen (Bl. 71 der Gerichtsakte). Der Kläger zu 1) gilt als eine der wichtigsten schiitischen Führungspersönlichkeiten in Deutschland, der enge Kontakte zum Leiter des IZH, Islamisches Zentrum Hamburg e. V., pflegt.

    Das IZH ist Trägerverein der Imam-Ali-Moschee in Hamburg. Neben der Iranischen Botschaft in Berlin ist das IZH die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und eines ihrer wichtigsten Propagandazentren in Europa. Mit Hilfe des IZH versucht das Regime der Islamischen Republik Iran, Schiiten verschiedener Nationalitäten an sich zu binden und die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der Islamischen Revolution in Europa zu verbreiten. Insofern versucht das IZH auch, die IGS im Sinne eigener Interessen zu beeinflussen (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und weiterer Abgeordneter, BT-Drs. 18/13362 vom 21. August 2017, S. 4; BT-Drs. 18/13362 vom 21. August 2017, S. 2; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 19/545 vom 26. Januar 1918, S. 3 und 5).

    Die Position des IZH-Leiters wird traditionell mit einem linientreuen Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und der islamischen Revolutionsziele besetzt. Er gilt als Vertreter des Revolutionsführers Chamenei in Europa und ist in der schiitischen Gemeinde als religiöser Repräsentant der Islamischen Republik Iran bekannt (Verfassungsschutzbericht Hamburg 2018, S. 53). Die Entsendung des IZH-Leiters erfolgt durch das „Büro des Revolutionsführers“ in Teheran. Von dem derzeitigen IZH-Vorsitzenden ... ist bekannt, dass er in der Vergangenheit für die staatliche iranische Rundfunkanstalt und das staatliche iranische Fernsehen tätig war. Staatliche Medien der Islamischen Republik Iran sind generell als regierungstreu einzuschätzen (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 7).

    An der Al-Quds-Tag-Demonstration 2018 in Berlin nahmen Besucher und Funktionäre des IZH in großer Zahl teil, darunter auch der Vizedirektor des IZH. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Der Al-Quds-Tag ist ein Gedenktag, der im Jahre 1979 vom damaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini ausgerufen wurde und an die aus Sicht des iranischen Regimes „zionistische Besatzung“ Jerusalems erinnern und Solidarität mit dem „Befreiungskampf“ der Palästinenser bekunden soll; an dem Tag wird weltweit bei Demonstrationen die Zerstörung Israels propagiert (Verfassungsschutzbericht Berlin 2018, S. 67-69).

    Aufgrund der Stellung des Leiters des IZH als religiöser Vertreter Ali Chameneis ist davon auszugehen, dass von staatlicher iranischer Seite eine finanzielle Unterstützung und inhaltliche Einflussnahme für das IZH erfolgt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und weiterer Abgeordneter, BT-Drs. 18/13362 vom 21. August 2017, S. 3 und 4). Das IZH finanziere sich durch freiwillige Spenden, Zuwendungen und den Verkauf von Publikationen und erhalte darüber hinaus als Einrichtung der Islamischen Republik Iran auch staatliche Zuwendungen (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 10).

    Seit Gründung des schiitischen Dachverbands IGS im Jahr 2009 bestehen personelle und organisatorische Verbindungen zum IZH. Akteure und Sympathisanten des IZH sind im Vorstand der IGS vertreten. Der jeweilige Leiter des IZH, zuletzt Reza Ramezani, war bisher regelmäßig Vorsitzender des „Gelehrtenrates der IG“ in wichtiger Funktion innerhalb des Dachverbands. Die neben dem IZH bestehenden iranischen Zentren in Deutschland sind als Mitgliedsvereine in der IGS vertreten (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und weiterer Abgeordneter, BT-Drs. 18/13362 vom 21. August 2017, S. 2; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 19/545 vom 26. Januar 1918, S. 5; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 8).

    In Bayern gilt die Islamische Vereinigung in Bayern e. V. (IVB), München, als Außenstelle des IZH. Sie soll im Auftrag der iranischen Führung auf schiitische Muslime einwirken und deren politische und religiöse Einstellung beeinflussen. Zwischen IZH und IVB bestehen enge Verflechtungen. In der Satzung der IVB ist beispielsweise festgelegt, dass das Vereinsvermögen im Falle einer Auflösung des Vereins an das IZH fallen soll. Wichtige Angelegenheiten der IVB werden mit dem IZH abgestimmt (Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 42/43). Der Kläger zu 1) war nach dem unbestritten gebliebenem Vortrag des Beklagten von 1998 bis 2010 Leiter der IVB.

    Die Führungsfunktion des Klägers zu 1), die dieser innerhalb des Geflechts iranischer schiitischer Vereinigungen einnimmt, zeigt sich auch an dem Umstand, dass dieser seine Funktion als Stifter und Vorstandsmitglied zunächst aufgeben wollte, hiervon aber eigenen Angaben gemäß „nach reiflicher Überlegung wegen seiner Bedeutung für die schiitische Gemeinde“ wieder absah (vgl. Klageschrift, S. 3 = Bl. 3 der Gerichtsakte). Der Kläger zu 1) soll die Leitfigur der Stiftung sein. Sein Wort hat entscheidendes Gewicht. Seine Entscheidungen sollen das Handeln der Stiftung bestimmen.

    Schiitische Gemeinschaften geben sich in ihren Publikationen, auf ihren Internetseiten und im öffentlichen Leben gewöhnlich moderat, gemäßigt, tolerant und daher unverfänglich oder vermeiden öffentliche Stellungnahmen zu problematischen Themen, z. B. zu den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 19/545 vom 26. Januar 1918, S. 5). Auch Religionsgelehrte, die dem schiitisch-iranischem Spektrum zugeordnet werden, äußern sich öffentlich gemäßigt. Öffentliche Stellungnahmen, die im Widerspruch zum Grundgesetz stehen würden, sind daher nicht bekannt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 5).

    Die IGS stellt sich selbst als ein die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anerkennender Dachverband dar. Tatsächlich werden wichtige Positionen innerhalb der IGS durch Personen besetzt, die der Islamischen Republik Iran und/oder der libanesischen „Hizb Allah“ nahe stehen (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 13). Auch die Führungspersonen des IZH geben sich in ihren öffentlichen Äußerungen betont gemäßigt und pro-westlich. Angreifbare öffentliche Stellungnahmen zu kritischen Themen werden vermieden (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 12). Tatsächlich stehen hinter gemäßigten Aussagen in der Öffentlichkeit radikale unversöhnliche Ansichten, die allein die Verbreitung des Korans nach iranischer Lesart zum Ziel haben.

    Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch das frühere Auftreten des Klägers zu 1) bestätigt. Nach den Erkenntnissen des Beklagten (Bescheid, S. 2, 6. Absatz, bis S. 3, drittletzter Absatz) hat sich der Kläger zu 1) wie folgt öffentlichkeitswirksam betätigt:

    •        Auf einer Veranstaltung am 12. September 2002 in der IVB äußerte sich der Kläger zu 1) zum bevorstehenden Krieg im Irak. Er beschuldigte die USA, den Krieg nicht gegen Saddam Hussein führen zu wollen, sondern um den Islam zu besiegen.

    •        Am 19. Juli 2002 fand in der IVB in München eine Veranstaltung statt, bei der der Kläger zu 1) einen Vortrag hielt, der den Iran/USA-Konflikt zum Thema hatte. Er prangerte die USA an, die den Iran immer noch zur „Achse des Bösen“ zähle. Er unterstellte den USA eine kriegstreiberische und rassistische Politik und betonte dabei, der Iran sei stark genug, sich auch gegen einen Gegner wie die USA zur Wehr zu setzen. Die Iraner hätten keine Angst, im Kampf zu sterben, da sie von Allah geschützt würden.

    •        Die IVB wurde von schiitischen Gläubigen überwiegend iranischer, irakischer und libanesischer Nationalität besucht, sie war aber auch Anlaufstelle für Anhänger der Hizb Allah. Von der IVB wurden wiederholt im Beisein und mit Zustimmung des Klägers zu 1) sogenannte „Siegesfeiern“ veranstaltet. Dies waren politische Veranstaltungen anlässlich des Jahrestages des israelischen Rückzuges aus dem Südlibanon im Mai 2000. lm Rahmen dieser Feierlichkeiten hat der Kläger zu 1) offenbar den anwesenden Hizb Allah-Sympathisanten zur Befreiung des Landes gratuliert.

    •        Am 23. Mai 2002 war der Kläger zu 1) Teilnehmer bei der Hizb Allah Siegesfeier in der lVB. Als Ehrengäste waren anwesend Scheich ..., Abteilung für Außenbeziehungen der Hizb Allah und ..., libanesischer Abgeordneter der Hizb-Allah Liste „Kutlat Waffa“, die in der Veranstaltung eine Rede hielten. Scheich ... pries in seiner Rede den Sieg über den zionistischen Feind und kündigte die Fortsetzung der Intifada zu jeder Zeit und an jedem Ort an. Herr ... prangerte in seiner Rede Israel und die USA als die einzigen Feinde in der Welt an und appellierte an das palästinensische Volk, seinen Widerstand gegen Israel zu intensivieren.

    •        Der Kläger zu 1) kritisierte auf einer Veranstaltung in der IVB am 13. Juli 2001 die Angriffe Israels gegen die Palästinenser. Er beschuldigte Israel, die Ausrottung des palästinensischen Volkes zu betreiben. Er betonte die Notwendigkeit der Solidarität mit der palästinensischen Freiheitsbewegung und hob dabei den Führungsanspruch des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Chamenei hervor.

    •        Am 25. Mai 2001 sagte der Kläger zu 1) bei der Hizb Allah-Siegesfeier in der IVB sinngemäß, Israel müsse weiter bekämpft werden. Die bisherigen Erfolge der Palästinenser könnten noch nicht das Ende bedeuten. Der Kampf um Jerusalem müsse weiter gehen. Israel sei mittlerweile zu einem Regime verkommen, das man mit einem faschistischen Regime vergleichen könne.

    •        Am 10. Juni 2000 war der Kläger zu 1) Redner bei der Hisb Allah-Siegesfeier anlässlich des Abzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon im Mai 2000 in der IVB in München. Er dankte Allah für den Sieg und bezeichnete diesen als Frucht einer Pflanze, die Khomeini gepflanzt habe - eine Frucht der islamischen Revolution im Iran. Der Libanon habe sich jetzt befreit. Alle Muslime sollten einmal in einer einzigen islamischen Nation zusammen leben.

    •        Auf einer Veranstaltung am 27. November 1998 in der IVB in München sagte der Kläger zu 1) zum Thema „Grundlagen eines islamischen Staates“ sinngemäß: Der Prophet Mohammed habe erstmals die islamischen Vorschriften als staatliche Gesetze eingeführt. Nur die islamische Republik Iran setze diese Idee in die Realität um. Die entscheidenden Grundlagen dieses islamischen Staates seien der Koran und dessen Auslegungen bzw. Interpretation, die Scharia und die „Wilayat Al-Faqih“. Der Inhaber dieses Amtes sei Khamenei, dem deshalb alle schiitischen Gläubigen folgen müssten.

    •        Auf einer Veranstaltung am 16. Oktober 1998 in der IVB in München äußerte sich der Kläger zu 1) zum Thema „Islamischer Staat“ dahingehend, dass es in einem Land eine Übereinstimmung zwischen den Herrschenden, den islamischen Gelehrten und dem Volk geben müsse. Dies könne nur erreicht werden, wenn die Herrschenden die Vorschriften des Koran und der Scharia beachteten und danach regierten. Der Iran habe bewiesen, dass man mit dem Koran und der Scharia besser regieren könne.

    Der Kläger zu 1) wendet hiergegen ein, vorstehende Äußerungen lägen schon mehr als 10, 15 Jahre zurück, er stehe nunmehr auf dem Boden der hiesigen Verfassung. Soweit der Kläger zu 1) damit zum Ausdruck bringen will, die vorliegenden Erkenntnisse könnten ihm infolge Zeitablaufs nicht mehr vorgehalten werden, vermag der Senat dieser Betrachtungsweise nicht zu folgen.

    Der Kläger zu 1) hat zu keiner Zeit - auch nicht im vorliegenden Klageverfahren - von seinen früheren Äußerungen Abstand genommen und sich von ihnen distanziert. Bloßer Zeitablauf vermag die Aufgabe eines bestimmten Weltbildes und einer bestimmten Weltanschauung nicht darzulegen. Vielmehr deutet die weiterhin intensive Tätigkeit des Klägers zu 1) im islamisch-schiitischen Umfeld an verantwortlicher höchster Stelle - siehe nachstehend (b) - darauf hin, dass das früher öffentlich geäußerte Gedankengut auch heute noch für die Persönlichkeit des Klägers zu 1) bestimmend ist, auch wenn sich der Kläger zu 1) in jüngerer Vergangenheit mit öffentlichen Äußerungen gleicher Art zurückgehalten hat. Er ist unstreitig weiterhin dem Führungsbereich islamisch-schiitischer Vereinigungen zuzurechnen.

    (b) Neben der hervorgehobenen Stellung des Klägers zu 1) innerhalb der schiitischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland muss berücksichtigt werden, dass in Iran seit der Revolution im Jahr 1979 keine Trennung zwischen Staat und Religion mehr besteht. Die religiöse Betätigung des Klägers zu 1) erlangt dadurch zugleich eine politische Komponente.

    Da Iran keine säkulare Herrschaftsordnung kennt, bei der religiöse Anschauungen von staatlichen Funktionen getrennt werden, haben die Äußerungen des iranischen Religionsführers Ali Chamenei zugleich eine staatspolitische Dimension. Die Islamische Republik Iran erklärt in ihrer Verfassung den weltweiten „Export“ der iranischen Revolution nach iranischem Vorbild zum Staatsziel. In der Präambel der Iranischen Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 heißt es im Kapitel „Staatlichkeit im Islam“ (vgl. deutsche Übersetzung der Verfassung unter http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung iri/kapitel01.htm, englische Übersetzung [Kapitel „The Form of Government in Islam“] unter http://www.servat.unibe.ch/icl/ir00000_.html#I006 ):

    „Da der islamische Gehalt der Revolution des Iran einen Beginn zur Befreiung aller Unterdrückten von ihren Unterdrückern darstellte, bereitet die Verfassung die Grundlage für die Fortsetzung dieser Revolution mit Wirkungen im In- und Ausland; insbesondere erteilt die Verfassung den Auftrag zum Ausbau der internationalen Beziehungen mit anderen islamischen Volksbewegungen, um den Weg zur Errichtung einer einheitlichen Islamischen Weltgemeinschaft zu bereiten gemäß dem Verse im Heiligen Qur'an:

    ,Diese eure Gemeinschaft ist eine einzige (einheitliche) Gemeinschaft. Und ich bin euer Herr, so dienet Mir.' (21:92),

    und um die Fortdauer des Einsatzes zur Befreiung der entrechteten und unterdrückten Nationen in aller Welt sicherzustellen.“

    Die Inhalte der Verfassung der Islamischen Republik Iran sind mit den Prinzipien und Grundwerten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland schlechthin unvereinbar (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und weiterer Abgeordneter, BT-Drs. 18/13362 vom 21. August 2017, S. 3; BT-Drs. 18/13362 vom 21. August 2017, S. 2; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 19/545 vom 26. Januar 1918, S. 3; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP und ihrer Abgeordneten, BT-Drs. 19/4759 vom 5. Oktober 2018, S. 11).

    Auch der Senat teilt die Einschätzung der Bundesregierung. Unter die freiheitliche demokratische Grundordnung fallen gemäß § 4 Abs. 2 BVerfSchG insbesondere

    a)        das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,

    b)        die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,

    c)        das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,

    d)        die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,

    e)        die Unabhängigkeit der Gerichte,

    f)        der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und

    g)        die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

    Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält zwar einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu (Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 12. Januar 2019, S. 19). Die oligopolartige Macht des iranischen Wächterrats, dem sich sämtliche staatliche Stellen Irans einschließlich des Parlaments unterzuordnen haben, widerspricht demokratischen Grundprinzipien und beseitigt die Volkssouveränität und die Gewaltenteilung.

    Beschlossene Parlamentsgesetze können vom Wächterrat außer Kraft gesetzt werden, wenn sie nach Auffassung des Wächterrats in Widerspruch zu islamischen Prinzipien stehen (Art. 96 IRV). Der aus 12 Personen bestehende Wächterrat setzt sich aus sechs Theologen zusammen, die unmittelbar vom Revolutionsführer bestimmt werden, und sechs vom Parlament gewählten Personen. Wählbar ist jedoch nur, wer vom Oberhaupt des Justizsystems, das seinerseits vom Revolutionsführer ernannt wird, vorgeschlagen wird (Art. 91 IRV). Der Wächterrat befindet auch über die Zulassung der Wahlkandidaten für das Parlament, den Expertenrat und für das Präsidentenamt (Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 12. Januar 2019, S. 6).

    Die Gerichte sind nicht unabhängig. Fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten können bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 12. Januar 2019, S. 7).

    Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami), deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist, wurden durch den Staatsgründer Chomeini aufgebaut und haben sich zu den regulären Streitkräften als Parallelarmee entwickelt. Neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat haben sie im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 12. Januar 2019, S. 8).

    Die im iranischen Strafgesetzbuch verankerten Qisas- und Hudud-Straftatbestände sind unmittelbar dem Koran entnommen und gelten als durch den Menschen - also auch nicht durch das iranische Parlament - unabänderlich. Mit ihnen sind für Mord, Körperverletzung, Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten und Verbrechen gegen Gott körperliche Züchtigungsstrafen wie Auspeitschungen, Abtrennungen von Gliedmaßen und die Todesstrafe, auch durch Steinigung vorgesehen (Auswärtiges Amt, Überblick über die Gliederung des Iranischen StGB im Lagebericht Iran vom 10. Dezember 2001, S. 8). Diese Strafpraxis ist mit den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten unvereinbar.

    Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Kläger zu 1) der iranischen Führungsebene zuzurechnen. Wörtlich heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 19/545 vom 26. Januar 1918, S. 5):

    „So handelt es sich bei dem Vorsitzenden der IGS, ..., um einen iranischen Gelehrten, der dem politisch-religiösen Establishment der Islamischen Republik Iran zugerechnet wird.“

        Die Verknüpfung von religiösen mit politischen Funktionen und der Verfassungsauftrag, die iranische Revolution weltweit zu „exportieren“, lassen den Kläger zu 1) neben dem Leiter des IZH zu einem der Statthalter des iranischen Regimes in Deutschland werden.

    (c) Der Kläger soll nach der Satzung eine beherrschende Stellung über die Stiftung haben. Er soll nicht nur erster Stiftungsratsvorsitzender sein (§ 8 Abs. 3 Satzung). Der Stiftungsrat überwacht die Geschäftsführung des Vorstands und soll für die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks sorgen (§ 9 Abs. 1 Satzung). Der Stiftungsrat bestellt und beruft die Vorstandsmitglieder ab und ist in allen Fällen zuständig, in denen es der Vorstand nicht ist (§ 9 Abs. 2 Satzung). Der Stiftungsratsvorsitzende muss zudem schiitischer Gelehrter sein. Die islamisch-schiitische Religion soll bestimmenden Einfluss haben (§ 8 Abs. 3 Satzung). Der Kläger zu 1) besitzt dadurch eine ungewöhnlich starke Stellung. In Verbindung mit dem offen formulierten Stiftungszweck und der geistlichen Autorität als schiitischer Gelehrter ist es allein der Kläger zu 1), der zu bestimmen hat, in welchen Bereichen und in welcher Weise sich die Stiftung engagiert.

    Bei den Klägern zu 2) bis 4) handelt es sich um iranische Kaufleute, über die der Beklagte teilweise Verbindungen zur IGS und zum ZIK aufgedeckt hat, die seitens der Kläger unwidersprochen geblieben sind:

    Der Kläger zu 2) ist im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks für einen Moscheebau aufgetreten. Er soll den Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 2,5 Millionen Euro in bar übergeben haben und das Grundstück später an das ZIK veräußert haben. Das Grundstück ist heute Vereinssitz des ZIK.

    Der Kläger zu 5) ist Teppichhändler in Darmstadt und soll Mitglied des ZIK sein.

    Der Senat geht davon aus, dass die Kläger zu 2) bis 5) die Aktivitäten des Klägers zu 1) unterstützen und aktiv fördern. Sie sollen nach der Satzung teilweise dem Vorstand (§ 5 Abs. 5 Satzung) und sämtlich dem Stiftungsrat angehören (§ 8 Abs. 1 Satzung).

    In der Gesamtschau bietet die Machtfülle des Klägers zu 1) als Stiftungsratsvorsitzender, seine geistige Autorität als Koranrechtsgelehrter - auch in Ansehung seiner Verbindungen zum IZH - und das im Iran bestehende Primat, die gesamte staatliche Ordnung der schiitischen Koraninterpretation des Wächterrats zu unterwerfen, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Stiftung als Instrument benutzt werden wird, die Verbreitung schiitisch-islamischen Gedankenguts iranischer Prägung, das in Widerspruch zu den Prinzipien des Grundgesetzes und seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, zu fördern und finanziell zu unterstützen.

    Damit liegt in der Stiftung eine Gemeinwohlgefährdung i. S. von § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, 159 Satz 1 i. V. mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Frage, ob die Kläger nicht eine notwendige Streitgenossenschaft im materiell-rechtlichen Sinne bilden und die Frage, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für Parteienstiftungen aufgestellten Grundsätze auch für religiöse Stiftungen gelten, haben grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hierzu liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.

    Beschluss

    Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

    Gründe

    Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte für die sich aus dem Antrag der Kläger ergebende Bedeutung der Sache geht auch der Senat vom Auffangstreitwert aus.

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

    RechtsgebieteBGB, Stiftungsgesetz, VwGO, ZPOVorschriften§ 80 Abs. 2 BGB, § 81 Abs. 1 BGB, Stiftungsgesetz § 3 Hessisches, Stiftungsgesetz § 11 Hessisches, § 64 VwGO, § 82 Abs. 1 VwGO, § 59 ZPO, § 62 ZPO, § 130 Nr. 1 ZPO, § 253 Abs. 4 ZPO