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  • 16.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194505

    Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen: Kurzinfo vom 19.04.2017


    1. Aktuelles
    Zur praktischen Anwendung der Rspr. des BFH zur Annahme des „Nahestehens“ i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG bei Angehörigen wird auf die in der Anlage beigefügten Fallgestaltungen verwiesen.

    2. Allgemeines
    Im Rahmen der Einführung der Abgeltungsteuer auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen wurde mit§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG eine Ausnahmeregelung für bestimmte Kapitalerträge getroffen, die bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht dem gesonderten Steuersatz, sondern gemeinsam mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten der tariflichen ESt unterliegen.
    Der Abgeltungsteuertarif i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG gilt nicht für Erträge aus stillen Gesellschaften / partiarischen Darlehen ( § 20 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ) und sonstigen Kapitalforderungen ( § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ), wenn einer der in § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG genannten Tatbestände erfüllt ist.
    Ziel dieser Regelung ist es, Fallkonstellationen mit sog. Steuersatzspreizungen (z.B. Absaugung von betrieblichen Gewinnen in Form von Darlehenszinsen und so Reduzierung der Steuerbelastung durch den Abgeltungsteuersatz) zu vermeiden.
    DB 21/2017 S. 1178

    3. Kapitalüberlassungen an nahestehende Personen ( § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG )

    3.1 Allgemeines
    Der gesonderte Steuersatz findet keine Anwendung, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind und die Zahlungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und auf die das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG keine Anwendung findet (sog. Steuersatzspreizung, vgl. hierzu BMF vom 18.01.2016, BStBl. I 2016 S. 85 =VA1189835 , Rn. 134).

    3.2 Tatbestandsmerkmal „nahestehende Person“
    Das Verhältnis von nahestehenden Personen liegt vor, wenn die Person auf den Stpfl. einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Stpfl. auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Stpfl. imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Stpfl. oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (vgl. BMF vom 18.01.2016, BStBl. I 2016 S. 85 = VA1189835 , Rn. 136).
    Nach der Rspr. des BFH (Urteile vom 29.04.2014 – VIII R 9/13, BStBl. II 2014 S. 986DB 2014 S. 2024 ; VIII R 35/13, BStBl. II 2014 S. 990DB 2014 S. 1963 und VIII R 44/13, BStBl. II 2014 S. 992DB 2014 S. 1960 ) ist von einem solchen Beherrschungsverhältnis auszugehen, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (vgl. hierzu 3.3).

    3.3 Rspr. zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

    3.3.1 Urteile vom 29.04.2014 (VIII R 9/13, VIII R 35/13, VIII R 44/13)
    Mit Urteilen vom 29.04.2014 (VIII R 9/13, BStBl. II 2014 S. 986DB 2014 S. 2024 ; VIII R 35/13, BStBl. II 2014 S. 990DB 2014 S. 1963 ; VIII R 44/13, BStBl. II 2014 S. 992DB 2014 S. 1960 ) hat der BFH zur Annahme des „Nahestehens“ i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Angehörigen entschieden. Der BFH hält in den entschiedenen Fällen den Ausschluss der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht für anwendbar: Der Gesetzgeber sei von einem schädlichen Näheverhältnis ausgegangen, wenn der Darlehensgeber auf den Darlehensnehmer einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ein beherrschender Einfluss sei in den entschiedenen Fällen jedoch nicht gegeben. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes persönliches Interesse sei nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.
    Die vorliegenden Darlehensverträge entsprächen, im Einklang mit der st. Rspr. des BFH, den Maßstäben des Fremdvergleichs.
    Die Urteile wurden im BStBl. II (BStBl. II 2014 S. 982-992) veröffentlicht und sind über die entschieden Einzelfälle hinaus allgemein anwendbar.
    Die aufgrund der vorgenannten Verfahren ruhend gestellten Verfahren können wieder aufgenommen und nach den Grundsätzen der neuen Rspr. bearbeitet werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

    3.3.2 Urteil vom 28.01.2015 (VIII R 8/14)
    Der Sachverhalt betraf die Darlehensgewährung zwischen Ehegatten. Der Ehemann gewährte der Ehefrau, die mangels eigener finanzieller Mittel und Kreditwürdigkeit auf die Darlehensgewährung durch den Ehemann angewiesen war, festverzinsliche Darlehen zur Anschaffung und Renovierung einer fremdvermieteten Immobilie.
    Der BFH hielt die Anwendung der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStGaufgrund des finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses für ausgeschlossen. Der Ehefrau bliebe hinsichtlich der Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter den Erwerb und die Renovierung durch sie nicht zu 100% finanziert hätte. Die Ehefrau sei damit bei der Aufnahme der Darlehen vom Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig, sodass ein Beherrschungsverhältnis vorliege. Das Urteil wurde im BStBl. II veröffentlicht (BStBl. II 2015 S. 397DB 2015 S. 596 ). Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (2 BvR 623/15) wurde durch Beschluss des BVerfG vom 07.04.2016 nicht zur Entscheidung angenommen.
    Die aufgrund des vorgehenden Revisionsverfahrens oder der Verfassungsbeschwerde ruhend gestellten Verfahren können wieder aufgenommen und nach den Grundsätzen der neuen Rspr. bearbeitet werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

    4. Kapitalüberlassungen von Anteilseignern ( § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG )

    4.1 Allgemeines
    Werden die Kapitalerträge von einer KapGes. oder Genossenschaften an einen zu mindestens 10% beteiligten Anteilseigner oder eine dem Anteilseigner nahestehende Person gezahlt, findet der gesonderte Steuersatz ebenfalls keine Anwendung. Die Kapitalerträge sind zwingend der tariflichen ESt zu unterwerfen.

    4.2 Rspr. zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG

    4.2.1 Urteil vom 29.04.2014 (VIII R 23/13)
    Mit Urteil vom 29.04.2014 (VIII R 23/13DB 2014 S. 1903 ) hat der BFH entschieden, dass der gesonderte Steuertarif für Kapitaleinkünfte gem. § 32d Abs. 1 EStG nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gilt, die von einer KapGes. an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10% an der Gesellschaft beteiligt ist. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG, da er durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Die Beteiligungsgrenze von mindestens 10% verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie nicht willkürlich sei. Das die Verwaltungsauffassung bestätigende Urteil wurde im BStBl. Teil II veröffentlicht (BStBl. II 2014 S. 995). Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2325/14) wurde durch Beschluss des BVerfG vom 07.04.2016 nicht zur Entscheidung angenommen.
    Die aufgrund des vorgehenden Revisionsverfahrens oder der Verfassungsbeschwerde ruhend gestellten Verfahren können wieder aufgenommen und nach den Grundsätzen der neuen Rspr. bearbeitet werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

    4.2.2 Revisionsverfahren VIII R 15/14, vorausgehend FG Münster (Urteil vom 22.01.2014 – 12 K 3703/11 E)
    Die Klägerin ist zu 50% an einer GmbH beteiligt und hat als Darlehensgeberin der GmbH verzinsliche Darlehen gewährt.DB 21/2017 S. 1179Die Zinseinnahmen sind bei der Klägerin gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG der tariflichen ESt unterworfen worden. Mit Urteil vom 22.01.2014 wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das FG teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger nicht, insb. liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor.
    Das Verfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt.
    Die aufgrund des vorgehenden Revisionsverfahrens ruhend gestellten Verfahren können wieder aufgenommen und nach den Grundsätzen der Rspr. des BFH-Urteils vom 29.04.2014 (VIII R 23/13, BStBl. II 2014 S. 995DB 2014 S. 1903 ) bearbeitet werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

    4.2.3 Revisionsverfahren VIII R 49/14, vorausgehend FG Münster (Urteil vom 16.07.2014 – 10 K 2637/11 E)
    Der Kläger war in den Streitjahren als alleiniger Anteilseigner an einer GmbH beteiligt und hatte dieser ein Darlehen gewährt. Die Zinseinnahmen sind beim Kläger gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG der tariflichen ESt unterworfen worden. Mit Urteil vom 16.07.2014 wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das FG teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger nicht, insb. liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor.
    Das Verfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt.
    Die aufgrund des vorgehenden Revisionsverfahrens ruhend gestellten Verfahren können wieder aufgenommen und nach den Grundsätzen der Rspr. des BFH-Urteils vom 29.04.2014 (VIII R 23/13, BStBl. II 2014 S. 995DB 2014 S. 1903 ) bearbeitet werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

    4.2.4 Urteil vom 14.05.2014 (VIII R 31/11)
    Der BFH hat zur Annahme des „Nahestehens“ i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStGentschieden. Im Streitfall gewährte die Klägerin einer GmbH ein festverzinsliches Darlehen, an der die Tochter und zwei Enkelkinder der Klägerin beteiligt waren. Nach Rechtsauffassung des BFH sind die Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 1 EStG nach dem günstigeren Abgeltungsteuersatz zu besteuern, da auch bei der Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreiche, um ein Näheverhältnis zu begründen.
    Das Urteil wurde im BStBl. II veröffentlicht (BStBl. II 2014 S. 995DB 2014 S. 1965 ). Aus diesem Grund können die noch unbearbeiteten Fälle, die § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStGbetreffen, nach den Grundsätzen der neuen Rspr. bearbeitet werden. Verfahren, in denen sich die Stpfl. auf vorgenannte Verfahren gestützt haben, können wieder aufgenommen und entsprechend beschieden werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

    4.2.5 Urteil vom 20.10.2016 (VIII R 27/15)
    Mit Urteil vom 20.10.2016 (VIII R 27/15DB 2017 S. 942 ), vorausgehend FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.06.2015 – 2 K 1036/13) , hat der BFH entschieden, dass Zinseinkünfte ( § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ) aus einem Darlehen eines ausschließlich mittelbar an einer KapGes. beteiligten Gesellschafters dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen. Im Urteilsfall hatten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann an eine KapGes., an der sie nicht unmittelbar beteiligt waren (Enkelgesellschaft), ein Grundstück veräußert und die Kaufpreisforderung in ein verzinsliches Darlehen umgewandelt. An dieser Gesellschaft war zu 94% eine weitere KapGes. (Muttergesellschaft) beteiligt, an der im Streitjahr 2011 die Klägerin zunächst Anteile i.H.v. 10,86% und später dann i.H.v. 22,80% des Stammkapitals hielt. Die Ausnahmeregelung § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG , wonach die Zinsen des Gesellschafters der tariflichen Steuer zu unterwerfen sind, finde weder nach dem Gesetzeswortlaut auf mittelbare Beteiligungen Anwendung, noch sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Einbeziehung solcher Darlehen geboten.
    Auch die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 (nahestehende Person) seien nicht erfüllt. Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt über eine Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft verfügte, war sie im Verhältnis zur Enkelgesellschaft demnach keine nahestehende Person gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG .

    Einspruchsverfahren, die bisher aufgrund des Revisionsverfahrens VIII R 27/15 ruhten, können wieder aufgenommen werden und entsprechend entschieden werden. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht.

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