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  • 20.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122689

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 22.05.2012 – 15 K 3413/09

    1) Die durch das Beitreibungsrichlinie-Umsetzungsgesetz vom 7.12.2011 in § 12 Nr. 5 EStG eingeführte und bereits ab VZ 2004 anzuwendende Vorschrift ist verfassungsgemäß und verstößt weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das daraus abgeleitete objektive Nettoprinzip.


    2) Aufwendungen einer Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer sind als erstmalige Berufsausbildungskosten gemäß § 12 Nr. 5 EStG dann nicht als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar, wenn der Steuerpflichtige die Ausbildung bereits vor Abschluss seines Studiums der BWL mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaft - mithin parallel - absolviert.


    3) Für die Abgrenzung zwischen erster Berufsausbildung bzw. Erststudium und zweiter Berufsausbildung im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG kommt es entscheidend auf den berufsqualifizierenden Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums an.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 15. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22.05.2012 für Recht erkannt:
    Tatbestand
    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwendungen des Klägers für die Ausbildungen zum Verkehrsflugzeugführer (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.
    Der in den Streitjahren ledige Kläger absolvierte seit 2001 an der Universität A ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaften. In der Zeit vom 15.02. bis 26.06.2006 studierte er an der B in C (Bl. 108 d. FG-Akte). Nachdem er alle Prüfungen erbracht hatte, flog er bereits am 22.04.2006 von C nach A zurück (Bl. 41 und 211 d. FG-Akten). Das Thema seiner Diplomarbeit „…” wurde am 13.08.2007 von der Universität A an den Kläger ausgegeben und von ihm am 10.09.2007 im Prüfungsamt eingereicht. Am 13.11.2007 bewertete Herr D die Arbeit mit der Note „gut”, so dass der Kläger die Diplomprüfung am gleichen Tag mit der Gesamtnote „befriedigend” abschloss (s. ESt-Akte des Bekl. unter Fach „2006”). Die letzte Prüfungsleistung wurde laut Prüfungsamt damit am 10.09.2007 durch Einreichung der Diplomarbeit erbracht (s. Schreiben der Universität A vom 02.05.2012).
    Bereits mit Datum vom 03.03.2006 schloss der Kläger mit der E GmbH (kurz: E) nach erfolgreich durchlaufendem Auswahlverfahren eine Vereinbarung über eine etwa 18monatige Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer ab. Die in drei Vollzeit-Semestern eingeteilte Schulung an der Flugschule T begann am 24.04.2006 (s. Schulbescheinigung vom 25.03.2010, Bl. 63 d. FG-Akten). Die Kosten der Schulung hatte der Kläger selbst zu tragen. Unter der Voraussetzung, dass der Kläger die Schulung erfolgreich absolvieren würde, bot E ihm eine weiterführenden Schulungsvertrag zum Erwerb der Musterberechtigung auf einem bei E geflogenen Flugzeugmuster an, soweit bei E ein entsprechender Bedarf an Copiloten bestehe (§ 3 der Vereinbarung). Darüber hinaus offerierte E dem Kläger einen Cockpitarbeitsplatz, falls entsprechender Personalbedarf bestehen würde (§ 4 der Vereinbarung). Nach Abschluss der Ausbildung ist der Kläger seit September 2007 bei der E als Verkehrsflugzeugführer beschäftigt. In der Zeit vom 9. bis 14.09.2007 hielt sich der Kläger in G beim sog. „Type Rating” auf.
    In seiner Einkommensteuererklärung für 2006 beantragte der Kläger Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 20.246,00 EUR – die zwischen den Beteiligten unstreitig sind –, ohne entsprechende Einnahmen erzielt zu haben, und bat mit Schreiben vom 13.08.2007 um Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Daraufhin lehnte der Beklagte die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer 2006 mit Bescheid vom 28.12.2007 ab und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom gleichem Tag auf 0 EUR fest. Dabei erkannte er bei den Sonderausgaben 4.000 EUR als Berufsausbildungskosten an.
    Mit Schreiben vom 12.08.2008 beantragte der Kläger die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2007 und reichte die Einkommensteuererklärung für 2007 ein. Dort machte er als Werbungskosten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 31.594,00 EUR geltend. Darin enthalten waren – der Höhe nach unstreitige – Berufsausbildungskosten von 28.584,00 EUR. Der Beklagte erkannte im Einkommensteuerbescheid vom 25.09.2008 Werbungskosten in Höhe von 2.821 EUR an und berücksichtigte die Berufsausbildungskosten – wie im Vorjahr – in Höhe von 4.000 EUR als Sonderausgaben. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid hieß es dazu: „ Die Fortbildungskosten stellen Sonderausgaben dar. Auf das laufende Rechtsbehelfsverfahren des Jahres 2006 wird verwiesen.” Die festgesetzte Einkommensteuer 2007 belief sich danach auf 537,00 EUR.
    Gegen den Ablehnungsbescheid der Verlustfeststellung auf den 31.12.2006 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 legte der Kläger fristgerecht Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22.10.2009 als unbegründet zurückwies. Bei der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer handele es sich nicht um eine zweite Ausbildung, da der Kläger sein Studium der Betriebswirtschaftslehre im Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung zum Piloten noch nicht durch eine Prüfung abgeschlossen habe. Vielmehr sei das Studium erst am 13.11.2007 beendet gewesen. Damit habe der Kläger zwei Ausbildungen parallel absolviert. Darüber hinaus habe die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattgefunden, da E dem Kläger lediglich ein Beschäftigungsverhältnis nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung in Aussicht gestellt habe. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
    Hiergegen hat der Kläger am 27.10.2009 die vorliegende Klage erhoben. Im Antrag begehrt er, den Ablehnungsbescheid vom 28.12.2007 und den „ Bescheid vom 25.09.2007 zur ESt 2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22.10.2009 aufzuheben und das Finanzamt zum Erlass von Bescheiden zu verpflichten, durch die ein verbleibender Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 in Höhe von EUR 20.246,00 und 31.12.2007 in Höhe von EUR 11.836,00 festgestellt wird ”.
    Die Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass er bereits im Sommersemester 2006 sein aktives Studium an der Universität abgeschlossen, danach lediglich die Diplomarbeit geschrieben, zur Korrektur eingereicht und auf die Anerkennung seiner im Ausland erworbenen Studienleistungen gewartet habe. Hierzu tritt er Beweis durch Vernehmung der Zeugen Frau H, Herrn K und Frau J an. Auf die eidesstattlichen Versicherungen wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen (Bl. 173-175 d. FG-Akte). Während der gesamten Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer habe er in keiner Weise mehr an der Diplomarbeit gearbeitet, was ebenfalls die Zeugin Frau H bestätigen könne. Das Thema der Diplomarbeit sei aus einer im Laufe des Studiums geschriebenen Hausarbeit entwickelt worden und ihm daher bereits seit Ende 2004/Anfang 2005 bekannt gewesen. Am 13.08.2007 sei das Prüfungsamt lediglich über das Thema der Diplomarbeit unterrichtet worden. Nachdem seine Leistungen aus dem Auslandssemester anerkannt worden seien, sei die Diplomarbeit korrigiert und geprüft worden. Die Aushändigung des Diploms stelle lediglich einen bürokratischen Akt dar, auf den es bei der Beurteilung nicht ankommen könne. Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass die letzte Studienleistung erst am 10.09.2007 erbracht worden sei, müsse dem entgegengehalten werden, dass sich der Kläger an diesem Tag beim sog. „Type Rating” in G befunden habe, er mithin keine Studienleistungen erbracht haben könne. Die Diplomarbeit sei daher von der Zeugin Frau H beim Prüfungsamt abgegeben worden. Zudem sei ihm die Prüfungsleistung im Bereich allgemeine Betriebswirtschaftslehre I erlassen worden, was sich aus einem Vergleich der vorläufigen Bescheinigung vom 05.04.2006 (Bl. 81 d. FG-Akte) mit dem späteren vorläufigen Diplomzeugnis ergebe. Somit handele es sich bei der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer um eine Zweitausbildung, deren Kosten abzugsfähig seien.
    Zudem begegneten die rückwirkenden, auch für die Streitjahre geltenden gesetzlichen Neuregelungen des § 12 Nr. 5 EStG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus diesem Grunde macht der Kläger zunächst nachträglich weitere Werbungskosten für sein Studium der Betriebswirtschaftslehre für 2006 in Höhe von 5.052,00 EUR und für 2007 in Höhe von 1.457,00 EUR geltend. Im Einzelnen wird auf die vom steuerlichen Berater des Klägers, Herrn Steuerberater L, erstellten Aufstellungen und Nachweise verwiesen (Bl. 97ff. d. FG-Akte). In den Kosten für 2007 enthalten sind Aufwendungen für Fahrten zur Universität A, die der Kläger an 80 Tagen in dem Kalenderjahr durchgeführt habe (Bl. 126 d. FG-Akte). In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den nachträglich geltend gemachten Werbungskosten nicht mehr festgehalten.
    Der Kläger beantragt daher,
    unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2006 vom 28.12.2007 und auf den 31.12.2007 vom 25.09.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2009 den Beklagten zu verpflichten, den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2006 auf 20.246,00 EUR und auf den 31.12.2007 auf 11.836,00 EUR festzustellen,
    sowie unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 25.09.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2009 die Einkommensteuer 2007 auf 0 EUR herabzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte trägt vertiefend zu seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vor, dass die Aushändigung der Diplomurkunde nicht lediglich ein bürokratischer Akt sei. Dieser gehöre zum berufsqualifizierenden Abschluss eines Studiums gemäß §§ 7, 10 und 11 Hochschulrahmengesetz (HRG) dazu. Denn nach der Diplomprüfungsordnung des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre der Universität A vom 05.08.2005 (PrO BWL 2005) bilde die Diplomprüfung den berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums (§ 14 Abs. 1 Satz 1 der PrO BWL 2005). Hierfür sei eine erfolgreiche Diplomarbeit Voraussetzung (§§ 16 Abs. 1 Satz 1, 19 PrO BWL 2005). Daher sei das Studium noch nicht mit der Abgabe der Diplomarbeit beendet, da die Benotung ein elementarer Bestandteil der Prüfung sei. So wäre es bspw. auch möglich gewesen, dass der Kläger die Diplomarbeit nicht bestanden hätte. Erst danach werde das Diplomzeugnis ausgestellt, welches mit dem Datum der Einreichung der Diplomarbeit datiert werde (§ 19 Abs. 2 PrO BWL 2005). Die Tatsache, dass zwischen dem vom Kläger vorgetragenen Zeitpunkt der Einreichung der Diplomarbeit und dessen Korrektur etwa eineinhalb Jahre vergangen sind, spreche gegen einen rein formalen Akt der Benotung. Das Bild werde dadurch abgerundet, dass der Kläger erst zum 31.03.2008 exmatrikuliert geworden sei.
    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Steuerakten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet.
    Die angefochtenen Ablehnungsbescheide und der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2007 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, §§ 101 Satz 1, 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
    Nach rechtsschutzgewährender Auslegung und Zustimmung beider Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ist von der Klage auch die mit dem Einkommensteuerbescheid 2007 vom 25.09.2008 verbundene Ablehnung des Antrags auf gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 und die Einkommensteuerfestsetzung 2007 umfasst. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Ablehnung des Antrags auf Verlustfeststellung auf den 31.12.2007 durch den Beklagten, jedoch kann den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 2007 durch den Hinweis auf das schwebende Rechtsbehelfsverfahren 2006 entnommen werden, dass der Beklagte damit jedenfalls konkludent den Antrag des Klägers auf gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 abgelehnt hat. Anderenfalls erklärt sich der Hinweis auf das Rechtsbehelfsverfahren 2006 nicht schlüssig. Demzufolge ist sowohl vom Einspruch des Klägers – ebenfalls konkludent – dieser Ablehnungsbescheid umfasst als auch von der darauf Bezug nehmenden Einspruchsentscheidung des Beklagten. Den möglicherweise missverständlichen Klageantrag legt der Senat rechtsschutzgewährend dahingehend aus, dass von der Klage auch die Einkommensteuer 2007 umfasst sein soll. Dies entnimmt der Senat der Formulierung im Klageantrag „den Bescheid vom 25.09.2008 zur ESt 2007”.
    I. Nach §§ 9 Abs. 6 i.V.m. 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2592) – EStG n.F. dürfen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für sein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Regelungen gelten rückwirkend für Veranlagungszeiträume ab 2004, § 52 Abs. 23d und 30a EStG. Die gesetzlichen Neuregelungen in § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 und § 52 Absätze 23d und 30a EStG lassen keinen Verstoß gegen die Verfassung erkennen.
    1. Sie verstoßen nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot. Da durch die Neuregelungen in abgeschlossene Veranlagungszeiträume eingegriffen wird, handelt es sich um eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Diese ist jedoch im Streitfall zulässig, da der Kläger für sich kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Der Gesetzgeber hat mit den Neuregelungen die Rechtslage für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Berufsausbildungskosten der allgemeinen Rechtsanwendungspraxis entsprach (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2002 VI R 120/01 BStBl II 2003, 403; vom 17.12.2002 VI R 137/01, BStBl II 2003, 407, vom 27.05.2003 VI R 33/01). Zwar ersetzen und ergänzen die Neuregelungen die Vorgängervorschrift des § 12 Nr. 5 EStG a.F. (Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und anderer Gesetze vom 21.07.2004, BGBl I 2004, 1753), da der Bundesfinanzhof diese in seinen Urteilen vom 28.07.2011 wegen gesetzessystematischer Mängel im Ergebnis nicht angewandt hatte (VI R 5/10, BFH/NV 2011, 1776; VI R 8/09, BFH/NV 2011, 2038; VI R 38/10, BFH/NV 2011, 1782; VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19; VI R 7/10, BFH/NV 2011, 1779). Vertrauensschutz konnte der Kläger jedoch auch nicht auf der Grundlage des Abzugsverbots des § 12 Nr. 5 EStG a.F. für sich beanspruchen. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Finanzgerichts Düsseldorf in seinem Urteil vom 14.12.2011 (14 K 4407/10 F, EFG 2012, 686 m. Anm. Korte, Rev. VI R 2/12) und des Finanzgerichts Münster in seinem Urteil vom 20.12.2011 (5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612 m. Anm. Trossen, Rev. VI R 8/12) an.
    2. Darüber hinaus erkennt der Senat in den Neuregelungen keinen Verstoß gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Leistungsfähigkeits- und daraus entwickelte objektive Nettoprinzip. Die Differenzierung zwischen erstmaligen Berufsausbildungskosten und Kosten eines Erststudiums, welches eine erstmalige Berufsqualifikation vermittelt, liegt als zulässige Typisierung im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessensspielraums. Generalisierend ordnet der Gesetzgeber diese Kosten vorrangig der individuellen Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Erlangung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne einer allgemeinen Ausbildung zu, der noch keine konkreten Einnahmen gegenüber stehen. Auch insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen der Finanzgerichte Düsseldorf und Münster an (s. nrk Urteile des FG Düsseldorf vom 14.12.2011 14 K 4407/10 F, EFG 2012, 686 und des FG Münster vom 20.12.2011 5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612; ausdrücklich offen gelassen in BFH-Urteilen vom 28.07.2010 VI R 5/10, BFH/NV 2011, 1776; VI R 8/09, BFH/NV 2011, 2038; VI R 38/10, BFH/NV 2011, 1782; VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19; VI R 7/10, BFH/NV 2011, 1779).
    II. Somit kommt es für den Streitfall auf die Frage an, wann ein Erststudium, welches zugleich eine Erstausbildung vermittelt, vorliegt und ab welchem Zeitpunkt eine zweite Berufsausbildung beginnt.
    1. Der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung wird im Gesetz nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 27.10.2011 VI R 52/10, DStR 2011, 2454 unter II.3.a. m.w.N.). Damit muss die Ausbildung berufsbezogen sein und eine Voraussetzung für eine geplante Berufsausbildung darstellen (so Loschelder in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 12 Rn. 58, ebenso Urteil des FG Köln vom 12.12.2011 7 K 3147/08, EFG 2012, 506 unter 4.b.). Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für eine geplante Berufsausübung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 VI R 14/04, BStBl II 2007, 814 für den Erwerb von Deutschkenntnissen für in Deutschland lebende Ausländer).
    Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs – der sich der erkennende Senat anschließt – liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft. Ebenso wenig setzt der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz und eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren voraus. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 27.10.2011 VI R 52/10, DStR 2011, 2454 unter II.3.a. m.w.N.).
    Dem entsprechend ist nach der gesetzlichen Neuregelung ein Erststudium ein Studium, welches zugleich eine erstmalige Berufsausbildung vermittelt (Grundsatzentscheidung zu § 12 Nr. 5 EStG a.F.: BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 14/07, BStBl II 2010, 816 unter II.2.d.). Ziel des Studium muss es sein, den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorzubereiten und ihm dafür die erforderlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Methoden zu vermitteln (vgl. § 7 Hochschulrahmengesetz – HRG –).
    Die Berufsbezogenheit des Betriebswirtschaftsstudiums des Klägers mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaft ist offensichtlich, da ihn das Studium dazu befähigte, einen betriebswirtschaftlich orientierten Beruf bevorzugt in einem Luftverkehrsunternehmen auszuüben. So dient das Studium der Betriebswirtschaft ausdrücklich dem Zweck, die fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden zu vermitteln, die der Studierende unter Berücksichtigung der Anforderungen der Berufswelt benötigt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 PrO BWL 2005).
    a. In den bislang vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fälle war die erste Berufsausbildung bzw. das Erststudium stets abgeschlossen (s. BFH-Urteile vom 18.06.2009 VI R 14/07, BStBl II 2010, 816 – Ausbildung zur Buchhändlerin –; vom 18.06.2009 VI R 79/06, juris – Ausbildung zum staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten –; vom 27.10.2011 VI R 52/10, BFH/NV 2012, 323 – Ausbildung zum Rettungssanitäter –; s. auch Urteil des FG Köln vom 12.12.2001 7 K 3147/08, EFG 2012, 506 – Ausbildung zur Flugbegleiterin –, Rev. VI R 6/12). Der Bundesfinanzhof konnte in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 die Frage, ob ein nicht abgeschlossenes Studium die Voraussetzungen eines „Erststudiums” erfülle, offen lassen, da die Klägerin zuvor eine Ausbildung zur Buchhändlerin abgeschlossen hatte. Das Niedersächsische Finanzgericht erkannte in seinem Urteil vom 3. November 2011 ein Erststudium der Klägerin in Weißrussland nicht an, welches dort ohne Abschlussprüfung geblieben war (11 K 467/09, EFG 2012, 305, m. Anm. Korte, Rev. VIII R 49/11). Ebenso qualifizierte das Finanzgericht Münster ein Medizinstudium des Klägers als Erststudium, nachdem dieser die Beamtenanwärterprüfung endgültig nicht bestanden hatte (Urteil vom 09.11.2011 2 K 862/09 F, EFG 2012, 504, Rev. VI R 61/11). Auch die Finanzverwaltung fordert den berufsqualifizierenden Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums (vgl. BMF v. 22.09.2010 IV C 4-S 2227/07/10002:002, 2010/0416045, BStBl. I 2010, 721 Rz. 4, 6 u. 13).
    b. Im Streitfall liegt die Besonderheit darin, dass der Kläger zwar zu Beginn seiner weiteren Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer am 25.04.2006 das vorangegangene Studium noch nicht durch die Diplomprüfung abgeschlossen hatte, der erfolgreiche Abschluss allerdings später tatsächlich am 13.11.2007 eintrat. Der Kläger hat somit äußerst erfolgreich in kürzester Zeit zwei Berufsausbildungen abgeschlossen. Sein im Laufe des Betriebswirtschaftsstudiums entwickeltes Interesse am Thema Luftverkehr hat er in der Folge durch eine komprimierte Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer konkretisiert, so dass er nach Abschluss dieser Ausbildung als Pilot bei E angestellt wurde und bis heute daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.
    Allerdings begann der Kläger seine weitere Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bereits vor dem förmlichen Abschluss seines Betriebswirtschaftsstudiums. Nach eigenen Angaben in seiner Einkommensteuererklärung ist der Kläger in 2007 noch an 80 Tagen zur Universität gefahren, also etwa 1 bis 2 Tage pro Woche. Von der Wahrheit dieser Angaben ausgehend, sieht der Senat darin ein Indiz, dass der Kläger bis zum Abschluss der Diplomprüfung im Studienbetrieb involviert war.
    Den Vortrag des Klägers, vor dem Beginn der Ausbildung zum Piloten sämtliche Diplomprüfungen erbracht, seine Diplomarbeit erstellt und eingereicht und lediglich auf die Anerkennung der Studienleistungen während des Auslandssemesters und Korrektur der Diplomarbeit gewartet zu haben, als wahr unterstellt, führt dieser zu keiner anderen Beurteilung. Für die Abgrenzung zwischen erster Berufsausbildung bzw. Erststudium und zweiter Berufsausbildung im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG kommt es entscheidend auf den berufsqualifizierenden Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums an. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei dem Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums durch die Diplomprüfung nicht lediglich um einen rein formalen Akt, sondern vielmehr um einen konstitutiven Vorgang. Die PrO BWL 2005 regelt, dass erst die Diplomprüfung den berufsqualifizierenden Abschluss des Studium bildet (§ 14 Abs. 1 Satz 1 PrO BWL 2005). Denn durch die Diplomprüfung soll festgestellt werden, ob der Student die für den Übergang in den Beruf notwendigen gründlichen Fachkenntnisse erworben hat, die Zusammenhänge der Prüfungsgebiete überblickt und die Fähigkeit besitzt, die Erkenntnisse und Methoden der Prüfungsfächer in selbständiger wissenschaftlicher Arbeit anzuwenden (§ 14 Abs. 2 PrO BWL 2005). Daher besteht die Diplomprüfung aus der Diplomarbeit und diversen Prüfungsleistungen aus den einzelnen Prüfungsfächern (§ 16 PrO BWL 2005). Erst nach erfolgreichem Bestehen der Prüfungen ist der Kläger befähigt, einen entsprechenden Beruf auszuüben und seiner Qualifikation gemäß entlohnt zu werden. Dabei ist der erfolgreiche Abschluss der Diplomprüfung kein Automatismus, denn die Diplomarbeit muss zunächst zumindest mit der Note „ausreichend” bewertet werden, ebenso wie die Prüfungsleistungen in den Hauptseminaren, § 19 Abs. 1 PrO BWL 2005.
    Der Bundesfinanzhof hat im Zusammenhang mit der Gewährung von Kindergeld unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG entschieden, dass ein Universitätsstudium regelmäßig erst in dem Zeitpunkt beendet ist, in dem eine nach dem einschlägigen Prüfungsrecht zur Feststellung des Studienerfolgs vorgesehene Prüfungsentscheidung ergangen ist. Demgemäß zählt sowohl die Vorbereitung auf die abschließende Diplomprüfung wie auch die Teilnahme an dieser Prüfung zur Berufsausbildung, sofern das Kind seine Ausbildung im Einzelfall ernsthaft und nachhaltig betreibt (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 44/04, BFH/NV 2005, 1039 unter II.1.a.). Erst die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses schließt die Hochschulausbildung ab (so auch Urteil des FG Düsseldorf vom 07.05.1999 18 K 6966/98 Kg, DStRE 2000, 239). Im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung hält es der Senat für konsequent, diese Auslegung zur Beendigung eines Universitätsstudiums auch auf die Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung i.S.d. § 12 Nr. 5 EStG n.F. zu übertragen.
    Eine parallel zur ersten Berufsausbildung absolvierte weitere Ausbildung (z.B. zwei parallele Studiengänge, eine Berufsausbildung mit eingegliedertem Studium) stellt in der Gesamtschau einen Teil dieser dar. Der Wortlaut der Norm lässt hingegen eine zeitliche Abfolge zwischen den verschiedenen Ausbildungen erkennen. Die numerische Bezeichnung als erstmalige Berufsausbildung bzw. Erststudium – dem eine weitere Ausbildung folgt – setzt eine Beendigung der ersten Berufsausbildung bzw. des Studiums voraus. Auch der Gesetzgeber hatte eine solche zeitliche Abfolge vor Augen, in dem er in der Gesetzesbegründung ausführte, dass sich die gesetzliche Neuordnung an dem grundsätzlichen Ansatz des Bundesfinanzhofs orientiere, Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die beruflich veranlasst sind und nach der ersten Berufsausbildung bzw. dem Erststudium stattfinden, zum Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug zuzulassen. Dies sei der gesellschaftlichen Situation geschuldet, dass Bürger aus eigenem Antrieb einen Arbeitsplatzwechsel oder Berufswechsel vollzögen (zu § 12 Nr. 5 EStG a.F.: BT-Drs. 15/3339, S. 10). Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der Steuerpflichtige mit der ersten Ausbildung bzw. dem Studium in der Lage war, einen Beruf auszuüben, der später durch einen anderen Beruf ersetzt bzw. konkretisiert werden soll.
    Da es im Streitfall an einem berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums vor dem Beginn der weiteren Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer fehlt, können die streitigen Werbungskosten nicht anerkannt werden. Der Kläger hat beide Ausbildungen parallel absolviert, da die gesamte Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bereits vor der letzten Diplomprüfung, somit während des Erststudiums, erfolgte.
    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    III. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Auf die anhängigen Revisionsverfahren VI R 61/11, VI R 2/12, VI R 6/12, VI R 8/12 und VIII R 49/11 wird Bezug genommen.

    VorschriftenEStG § 12 Nr 5, EStG § 52 Abs 23d, EStG § 52 Abs 30a, GG Art 20, GG Art 3, EStG § 9 Abs 6

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