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  • · Fachbeitrag · Außergewöhnliche Belastung

    Hochwasserschäden: So beteiligen Geschädigte das Finanzamt an den Kosten

    | Durch die Hochwasserkatastrophe im Juni 2013 stehen zigtausende Bundesbürger vor dem finanziellen Ruin. Mobiliar, Kleidung, technische Geräte und Autos sind zerstört worden. Der Staat hilft auf zwei Ebenen; zum einen durch finanzielle Hilfen. Und zum anderen dadurch, dass Geschädigte ihre Wiederaufbau- und Wiederbeschaffungskosten steuermindernd geltend machen können. Erfahren Sie, was alles geht. |

    Checkliste zu steuerlichen Sofortmaßnahmen

    In der Checkliste finden Sie die fünf wichtigsten steuerlichen Sofortmaßnahmen.

    Checkliste?/ Steuerliche Sofortmaßnahmen bei Hochwasserschäden

    Fragestellung

    Handlungsempfehlung

    Erläuterung

    Sind aktuell Steuern fällig?

    Stundung ?beantragen

    Für Steuerschulden, die bereits fällig sind oder bis zum 30. September 2013 entstehen, können Sie einen Antrag auf Stundung stellen. Es genügt, wenn Sie Ihre Lage schildern und Fotos der Schäden beifügen. Das Finanzamt soll solche Anträge großzügig behandeln, selbst wenn die Schadenshöhe nicht feststeht. Stundungszinsen fallen nicht an.

    Sind in Kürze ESt-Vorauszahlungen fällig, für die die Mittel fehlen?

    Antrag auf Herabsetzung der ESt-Vorauszahlungen 2013 stellen

    Alternativ oder zusätzlich zur Stundung können Sie auch einen Antrag auf Herabsetzung Ihrer laufenden Einkommensteuer-Vorauszahlungen stellen.

    Sind Vollstreckungsmaßnahmen angeordnet?

    Antrag auf Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen stellen

    Hat sich ein Vollstreckungsbeamter wegen rückständiger Steuern angekündigt, weisen Sie ihn auf Ihre Situation durch das Hochwasser hin. Vollstreckungsmaßnahmen werden dann ebenfalls bis zum 30. September 2013 ausgesetzt. Weitere Säumniszuschläge fallen in dieser Zeit nicht an.

    Sind außergewöhnliche Belastungen abziehbar?

    Freibetrag auf Lohnsteuerkarte beantragen

    Ob ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte beantragt werden kann, ist nicht pauschal beantwortbar. Zum einen gibt es diese Steuervergünstigung nicht für jede Schadensbehebung und zum anderen muss erst die Hürde der zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG genommen werden. Zudem verweigert die Finanzverwaltung möglicherweise den Abzug außergewöhnlicher Belastungen, wenn ein Geschädigter keine Versicherung gegen Hochwasserschäden abgeschlossen hat.

    Steueranrechnung nach § 35a EStG möglich?

    Freibetrag auf Lohnsteuerkarte beantragen

    In der Lohnsteuerkarte darf als Freibetrag das 4-fache des Anrechnungsbetrags eingetragen werden. Beispiel: Steueranrechnung 500 Euro = Freibetrag 2.000 Euro.

    Sind die Schäden sehr hoch?

    Nachweise sammeln

    Um nicht in Nachweisschwierigkeiten zu kommen, sollten Sie Versicherungsprotokolle und Fotos sorgfältig für eventuelle Rückfragen des Finanzamts aufbewahren.

     

    Diese Aufwendungen sind steuerlich begünstigt

    Wiederbeschaffungskosten und Reparaturen sind beim Hochwasser nur dann als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn es sich um Schäden an existenziell notwendigen Gegenständen handelt. Existenziell notwendig sind nach Auffassung der Finanzverwaltung vor allem Wohnung oder Haus, Möbel, Hausrat und Kleidung.

     

    Keine außergewöhnliche Belastung kommt dagegen für Reparaturen oder den Neukauf von Luxusgegenständen, Außenanlagen, Garagen und den Pkw in Betracht (unter anderem FG München, Urteil vom 31.5.1999, Az. 13 K 4105/97).

     

    PRAXISHINWEIS | Gerade beim Pkw sollten vom Hochwasser Geschädigte ihr Veto einlegen und detailliert begründen,

    • warum der Pkw für sie existentiell notwendig ist (zum Beispiel, weil
      • der Pkw für die Fahrt zur Arbeit unersetzbar ist oder
      • der Inhaber behindert und deshalb auf den Pkw angewiesen ist) und
    • für die Kosten der Reparatur bzw. Neuanschaffung abzüglich der Versicherungsleistungen den Abzug als außergewöhnliche Belastungen beantragen.
     

    Umgang mit Problemfällen

    Nicht immer wird das Finanzamt Kosten der Wiederbeschaffung bzw. Schadensbeseitigung so ohne Weiteres als außergewöhnliche Belastung anerkennen wollen oder werden sich anerkannte Kosten auch effektiv steuermindernd auswirken. Das passiert in folgenden zwei Fällen:

     

    1. Fehlende Versicherung

    Der Abzug als außergewöhnliche Belastung setzt prinzipiell voraus, dass Sie eine Gebäude- und Hausratversicherung abgeschlossen haben. Doch es gibt eine Ausnahme. Die greift, wenn Sie keine Möglichkeit hatten, eine „allgemein zugängliche“ und übliche Versicherung gegen Hochwasser abzuschließen (BFH, Urteil vom 26.6.2003, Az. III R 36/01; Abruf-Nr. 032685).

     

    „Allgemein zugänglich“ ist eine Versicherung nach Ansicht des FG Köln (Urteil vom 20.11.2000, Az. 1 K 4490/00), wenn

    • nahezu alle Versicherungsgesellschaften die Absicherung gegen Hochwasser anbieten,
    • keine Beschränkung der Versicherungsmöglichkeit auf einen bestimmten Personenkreis besteht und
    • die Versicherungsbeiträge der Höhe nach erschwinglich sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Finanzverwaltung hält in ihren aktuellen Hochwasser-Erlassen noch an den geschilderten Grundsätzen zur Versicherungspflicht fest (unter anderem Bayerisches Staatsministerium der Finanzen vom 3.6.2013, Az. 37 - S 1915 - 009 - 19850/13; Tz4.5 mit Hinweis auf R 33.2 EStR; Abruf-Nr. 131937). Beim Elbe-Hochwasser war man davon aber abgerückt, um unbillige Härten zu vermeiden. Die Versicherungsmöglichkeit wurde also nicht geprüft. Ob das auch 2013 gilt, wird vom BMF wohl noch bekanntgegeben.

     

    2. Zumutbare (Eigen-)Belastung

    Selbst wenn das Finanzamt außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zulässt, müssen Sie einkalkulieren, dass nicht die gesamten Kosten zu einer Steuerminderung führen. Denn das Finanzamt ermittelt je nach Höhe der Einkünfte und dem Familienstand eine zumutbare Eigen-(Belastung) und lässt nur den übersteigenden Betrag zum Abzug zu (§ 33 Abs. 3 EStG).

     

    • Beispiele

    Beispiel 1: Eine ledige Steuerzahlerin mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 80.000 Euro hat nach Abzug von Versicherungsleistungen außergewöhnliche Belastungen durch das Hochwasser in Höhe von 4.000 Euro.

    Beispiel 2: Ein Rentnerehepaar mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 19.000 Euro muss nach Abzug der Versicherungsleistungen 15.000 Euro in die Sanierung ihres Eigenheims stecken.

     

    Beispiel 1: Ledige

    Beispiel 2: Rentnerehepaar

    Außergewöhnliche Aufwendungen

    4.000 Euro

    15.000 Euro

    Zumutbare (Eigen-)Belastung ?(nach Tabelle in § 33 Abs. 3 EStG)

    5.600 Euro?(7 % von 80.000 Euro)

    950 Euro?(5 % von 19.000 Euro)

    Abziehbare außergewöhnliche Belastung

    0 Euro (Ausweg: Steueranrechnung nach § 35a EStG - s. unten)

    14.050 Euro

     

    Steueranrechnung nach § 35a EStG prüfen

    In der Checkliste oben ist es schon kurz erwähnt: Entstehen Ihnen wegen des Hochwassers Ausgaben für Handwerker im Eigenheim oder im gemieteten Haushalt (Handwerker, Reinigungsfirma) und bekommen Sie dafür weder eine Versicherungsleistung noch sind diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abziehbar, winkt auf Antrag eine Steueranrechnung nach § 35a EStG. Voraussetzung: Sie haben eine Rechnung, die Sie nicht bar bezahlen.

     

    Die Steueranrechnung (= Abzug von der Steuerschuld) beträgt bei

    • Handwerkerleistungen: 20 Prozent der Arbeitsleistung, maximal 1.200 Euro im Jahr und
    • Haushaltsnahen Dienstleistungen: 20 Prozent der Arbeitsleistung, maximal 4.000 Euro pro Jahr.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Steueranrechnung kommt auch für den Teil der Handwerker- oder Dienstleisterkosten in Betracht, der Ihre zumutbare Eigenbelastung darstellt und sich nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich ausgewirkt hat (BMF, Schreiben vom 15.2.2010, Az. IV C 4 - S 2296-b/07/0003; Abruf-Nr. 100729).

     

    Wie wirken sich erhaltene Soforthilfen steuerlich aus?

    Erhaltene Soforthilfen müssen nicht versteuert werden. Weil im Einkommensteuerrecht aber das Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit gilt, sind Einmalzahlungen von der ermittelten außergewöhnlichen Belastung vor Abzug der zumutbaren Eigenbelastung abzuziehen.

    Steuerliche Erleichterungen für Unternehmer

    Auch hochwassergeschädigte Unternehmen können Steuererleichterungen in Anspruch nehmen. Drei Dinge sind vor allem erwähnenswert:

     

    1. Verlust von Buchhaltungsunterlagen

    Haben Unternehmer im Hochwasser sämtliche aufbewahrte Geschäftsunterlagen verloren, soll ihnen steuerlich kein Nachteil entstehen. Sie sollen so behandelt werden, als hätten sie die Belege noch. Bei Betriebsprüfungen sollen der Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug nicht gekürzt werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Unternehmen sollten dem Finanzamt den Verlust der Buchführungsunterlagen im Hochwasser umgehend anzeigen. Es könnte unglaubwürdig wirken, wenn der Verlust erst Jahre später in dem Moment angezeigt wird, in dem sich die Betriebsprüfung angekündigt hat.

     

    2. Sonderabschreibungen für Wiederaufbau und Ersatzbeschaffung

    Werden Gebäude repariert oder neu errichtet, die durch das Hochwasser zerstört worden sind, und sind Ersatzbeschaffungen für bewegliche Gegenstände des Betriebsvermögens notwendig, gewährt die Finanzverwaltung Sonderabschreibungen:

     

    Gebäude

    Bewegliche Gegenstände

    Normale Abschreibung

    Ja

    Ja

    Sonderabschreibung

    30 Prozent

    50 Prozent

    Voraussetzung?jeweils:

    Beginn der Ersatzherstellung oder Ersatzbeschaffung bis zum Ablauf des 3. Wirtschaftsjahrs nach dem Schaden.

     

     

    3. Kurzarbeitergeld beantragen

    Grundsätzlich muss auch bei einem Arbeitsausfall aufgrund einer Betriebsstörung durch eine Naturkatastrophe Arbeitslohn an die Arbeitnehmer bezahlt werden. Insbesondere die folgenden Fälle stellen aber ein „unabwendbares Ereignis“ dar, das einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld begründet:

     

    • In der Firma kann aufgrund eigener Schäden nicht gearbeitet werden, weil Maschinen zerstört sind oder das Gelände nicht betreten werden kann.
    • Beim Abnehmer stockt die Produktion, weil Zulieferer wegen ihrer Schäden nötiges Material nicht liefern können.
    • Beim Zulieferer entsteht ein Abgabestau, weil der Abnehmer aufgrund seiner Schäden die Ware nicht annehmen kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Steuerliche Hinweise für Hochwassergeschädigte“ des BMF mit Verweisen auf länderspezifische Informationen unter http://tiny.cc/p0cmyw 
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 8 | ID 40066820

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