· Fachbeitrag · Editorial Juli 2025
Jede fachliche Meinung oder Behauptung sollte nachvollziehbar begründet sein
| Eine nicht ganz seltene Situation ‒ auch bei einer Beratung im Stiftungsrecht: „Ja, Herr Rechtsanwalt, da hat mir der Fachmann XY aber gesagt, dass das nicht so ist.“ Das führt dann zu der Gegenfrage: „Hat XY Ihnen auch begründet, warum das seiner Meinung nach so ist?“ Antwort: „Nein, aber der ist doch ein anerkannter Fachmann.“ |
Nun, wie kann eine fachliche Behauptung überzeugen, wenn sie nicht begründet ist? Wir Juristen vertreten immer nur Meinungen bezogen auf einen speziellen Sachverhalt. Da ist eine Begründung Pflicht! Diese Begründung sollte nachvollziehbar und plausibel sein ‒ gerade auch für Laien. Oder erwarten wir etwa, dass sich bspw. eine Stiftungsbehörde allein dadurch überzeugen lässt, dass ein noch so renommierter Fachmann etwas behauptet?
Die einzufordernde Begründung sollte schließlich auch dokumentiert und im Idealfall durch Fundstellen aus der Fachwelt nachvollziehbar sein. Die betreffenden Unterlagen sollten zu den Akten genommen werden, damit die Begründung für die vertretene Meinung auch noch nach Jahren nachvollziehbar ist. Das gilt ganz besonders für die langlebige, wenn nicht sogar „ewige“ rechtsfähige Stiftung. Gerade dort tauchen Fragen auch nach sehr langer Zeit gerne einmal wieder auf. Dann ist der damals so bekannte Fachmann XY ggf. deutlich weniger in Erinnerung geblieben, sodass die Überzeugungsfähigkeit seiner Behauptung noch weiter geschwunden ist.
Achten wir alle immer darauf, dass, wer auch immer etwas fachlich behauptet und bewertet, seine Bewertung nachvollziehbar begründet. Natürlich gilt das nicht nur für die Beratungs-, sondern auch für die Entscheidungssituation durch Behörden und Gerichte. Ist es doch deren vornehmste Aufgabe, den Entscheidungsempfänger zu überzeugen. Andernfalls kann kaum Rechtsfrieden eintreten und es ist quasi vorgezeichnet, dass der Instanzenzug beschritten wird. Der Rechtsmittelweg ist dann aufwändig und kostenintensiv zulasten der Beteiligten und im Übrigen auch zulasten der Gesellschaft. Ja, ich bin ich mir bewusst, dass die moderne Verwaltung oft eine Massenverwaltung ist, in der Entscheidungsträger ‒ und das gilt auch für Richter ‒ oft zu wenig Zeit für das ausreichende Durchdenken und die Formulierung ihrer Entscheidungen haben. Das entbindet uns aber nicht davon, möglichst gut im obigen Sinne zu begründen. Begründen wir also bestmöglich und fordern wir bestmögliche Begründungen ein. Rechtsanwälte sind als Organe der Rechtspflege und Steuerberater sind als Organe der Steuerrechtspflege aus meiner Sicht dazu geradezu verpflichtet. Das mag im konkreten Fall durchaus etwas mühsam sein, es zahlt aber auf den Rechtsfrieden und nicht zuletzt auch auf die Reputation des Begründungsgebers ein. Es dient der Sache! Das sollte zusätzlicher Ansporn für uns sein. Es gilt also der Grundsatz: „Begründung, bitte!“
Herzlichst, Ihr
Dr. K. Jan Schiffer | Rechtsanwalt