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  • 23.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123628

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 05.09.2012 – 6 K 39/12

    1. Eine die Steuerfreiheit eines Forschungsstipendiums ausschließende Gegenleistung i. S. des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG liegt nicht vor, wenn das Stipendium zwar für die Forschung zu einem bestimmten Thema vergeben wird und eine wesentliche Änderung dieses Themas zustimmungspflichtig ist, der Stipendiat aber frei an dem Thema arbeiten kann und kein bestimmtes Ergebnis abzuliefern hat.
    2. Ebenfalls keine Gegenleistungen in diesem Sinne sind die Verpflichtung zur Anwesenheit an dem Kolleg, das das Stipendium gewährt, zur Teilnahme an Arbeitskreisen mit anderen Stipendiaten, zu einem Vortrag innerhalb dieses Arbeitskreises, zur Erstellung eines Abschlussberichts sowie im Falle von Veröffentlichungen des Forschungsergebnisses zu einem Hinweis auf den Stipendiengeber zur Abgabe von Belegexemplaren.
    3. Überschreitet das Stipendium das, was zur Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlich ist, ist es insgesamt steuerpflichtig.


    Tatbestand
    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einnahmen der Klägerin aus einem Forschungsstipendium des ”... Kollegs” (im Folgenden: Kolleg) steuerfrei sind.
    Die am ... geborene Klägerin ist ... Sie ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Juristischen Fakultät der Universität A tätig und habilitiert sich dort auf dem Gebiet der ... Im Streitjahr 2009 bezog sie hierfür ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von € ... (vgl. Gehaltsabrechnung für September 2009, Rechtsbehelfsakten -RbA- Bl. 49).
    Das Kolleg ist eine vom Land ..., der B und der Stadt C getragene gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in C. Auf den Inhalt der Satzung vom 18.05./28.10.2009 wird Bezug genommen (Anlage K 2, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband).
    Die Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom ... 2009 (nebst Anlagen; RbA Bl. 23 ff.) für ein Forschungsstipendium des Kollegs im Rahmen des Projekts ”...”, das ihr für die Dauer vom ... 2009 bis zum ... 2010 gewährt wurde. Die Klägerin schloss mit dem Kolleg am ... 2009 eine Vereinbarung über ein sog. „Junior-Fellowship”, die u. a. folgende Regelungen enthielt:
    Vorbemerkung
    (...) Stiftungszweck ist die Förderung herausragender Forschung. Das Kolleg verfolgt dieses Ziel mit der Einladung hervorragend qualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denen im Rahmen zeitlich befristeter Gastaufenthalte (Fellowships) Gelegenheit gegeben wird, Forschungsprojekte eigener Wahl intensiv zu bearbeiten, ohne in dieser Zeit durch umfangreiche Lehrtätigkeit und administrative Aufgaben abgelenkt zu werden. Daneben soll das Fellowship Gelegenheit zum ungestörten Nachdenken und zum Vorantreiben umfangreicher Publikationsprojekte geben. Ein wesentliches Element der Fellowships ist das Wohnen und Arbeiten im Kolleggebäude, in Gemeinschaft mit anderen Forscherinnen und Forschern, sei es aus der eigenen Disziplin oder aus einem anderen Fachgebiet (...). Die Ergebnisse des Aufenthalts am Kolleg werden auch der Heimatinstitution zu Gute kommen. Das Kolleg leistet diesen Beitrag zur Förderung von Wissenschaft und Forschung gerne; es bittet in diesem Zusammenhang aber auch die Heimatinstitution des Fellows um Unterstützung, z.B. in Form einer Beurlaubung des Fellows und einer (zumindest teilweisen) Fortzahlung des Gehalts.
    § 2
    Forschungsprojekt im Rahmen des Fellowships
    Die Einladung des Kollegs hat die Durchführung eines wissenschaftlichen Projekts (...) auf der Grundlage des Bewerbungsschreibens bzw. der Nominierung vom 31.03.2009 zum Ziel. Der Fellow kann über die Durchführung seines Projekts (...) frei bestimmen. Dem Kolleg sind wesentliche Änderungen des Projekts (Fragestellung, Arbeits- und Zeitplan, ...) so schnell wie möglich mit einer Begründung der Notwendigkeit mitzuteilen. Derartige Änderungen bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Rektors. Der Rektor des Kollegs hat keine darüber hinausgehende Weisungsbefugnis gegenüber dem Fellow.
    § 3
    Teilnahme am wissenschaftlichen Leben im Kolleg, Präsenz
    Das Kolleg erwartet vom Fellow neben der Arbeit am eigenen Forschungsprojekt eine intensive Beteiligung am Leben im Kolleg. Insbesondere bedeutet dies, dass der Fellow sich am Dialog zwischen seiner und anderen Disziplinen beteiligen und zu diesem Zweck den Kontakt mit den anderen gleichzeitig anwesenden wissenschaftlichen Fellows aktiv suchen soll. Aus diesem Grunde besteht das Kolleg auf Einhaltung der Residenzpflicht. Urlaubsähnliche Abwesenheiten von bis zu 2 Werktagen je Kalendermonat werden akzeptiert, desgleichen Reisen zu Vorträgen und Konferenzen. Fellows sollten aber nicht öfter als zweimal je Kalendermonat auswärtige Vortragsverpflichtungen wahrnehmen. Reisen, die länger als einen Werktag dauern, müssen im Voraus mit der/dem zuständigen wissenschaftlichen Mitarbeiter/in abgestimmt werden (...).
    § 3a
    Von besonderer Bedeutung für die kolleginterne Kommunikation ist die regelmäßige Teilnahme an den Fellow Lectures (i.d.R. wöchentlich am Mittwoch), einschließlich eines eigenen Vortrags des Fellows im Rahmen der Fellow Lectures. Ein Fernbleiben von den regelmäßigen Abendveranstaltungen am Mittwoch ist mit den Pflichten eines Fellows nicht vereinbar (...).
    § 8
    Bericht des Fellows nach Abschluss des Fellowships, Hinweis auf das Fellowship in Publikationen und Vorträgen, Bereitstellung von Sonderdrucken und Büchern
    Der Fellow verpflichtet sich, dem Kolleg bei Beendigung des Fellowships zur Veröffentlichung in seinem Jahresbericht in schriftlicher Form über seine Tätigkeit während des Fellowships, die erreichten wissenschaftlichen Ergebnisse und über alle in Verbindung mit dem Fellowship stehenden Publikationen zu berichten (Fellows Report). (...) Der Fellow verpflichtet sich zudem, in allen Veröffentlichungen, deren Entstehung ganz oder teilweise auf das Fellowship zurückgeht, in geeigneter Form auf das Kolleg und das Fellowship zu verweisen. Entsprechendes gilt auch für Vorträge und Posterpräsentationen auf Tagungen und Konferenzen. Der Fellow stellt während oder möglichst bald nach seinem Fellowship von allen Publikationen kostenlos zwei Exemplare für die Bibliothek des Kollegs zur Verfügung.”
    Nach §§ 4a, 4b der Vereinbarung war das Kolleg verpflichtet, der Klägerin für die Dauer ihres Aufenthalts kostenlos eine möblierte und ausgestattete Wohnung zur Verfügung zu stellen mit einem eingerichteten Büroarbeitsplatz. Die Berufung der Klägerin an das Kolleg sollte kein Arbeits- oder Dienstverhältnis begründen (§ 1 Satz 2, § 5a2 Satz 1) und das „als Beitrag zur angemessenen Lebensführung” gewährte Aufenthaltsstipendium von € 2.700,00 monatlich (insgesamt € 27.000,00) kein Arbeitsentgelt oder Gehalt darstellen (§ 5a1 Satz 2, § 5a2), aber steuerpflichtig sein (§ 5a3 Satz 1). Als weitere Leistungen des Kollegs waren die Übernahme der Kosten für die An- und Abreise (§ 5a) und den Umzug (§ 5f) sowie die Zurverfügungstellung von Telekommunikationsanschlüssen (§ 7a) vereinbart. Des Weiteren erhielt die Klägerin eine Dienstreisen-Pauschale i. H. von € 100,00 monatlich als Kostenersatz für die Fahrten zu den Bibliotheken der umliegenden Universitäten. Für einen angemessenen Versicherungsschutz hatte die Klägerin zu sorgen (§ 6). Sozialversicherungsbeiträge wurden ebenfalls nicht gezahlt (§ 5a2). Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen (Anlage K 3, FGA Anlagenband).
    Die auf der Grundlage dieses Stipendiums geleisteten Zahlungen beliefen sich auf € 2.700,00 pro Monat, im Streitjahr 2009 also auf insgesamt € 8.100,00. Zusätzlich erhielt die Klägerin in 2009 die Pauschale für Dienstreisen in Höhe von € 400,00.
    Das Kolleg stellte der Klägerin am ... 2010 für das Streitjahr 2009 eine Bescheinigung über den Erhalt dieser Leistungen sowie des Sachbezugs durch die kostenlose Unterbringung in Höhe von € 659,88 aus (RbA Bl. 48; Bezüge insgesamt: € 9.059,00). Die Klägerin erhielt von der Universität A für die Dauer des Stipendiums Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge (Bescheinigung vom ... 2009, RbA Bl. 51).
    Der Beklagte behandelte die Einnahmen der Klägerin aus dem Stipendium im Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 27.12.2010 als steuerpflichtige sonstige Einkünfte. Dabei berücksichtigte er diese Einkünfte nach Abzug von Werbungskosten in Höhe von € 2.031,00 (vgl. Anlage zum Bescheid, Einkommensteuerakten -EStA- Bl. 56), die nach Grund und Höhe zwischen den Beteiligten unstreitig sind, in Höhe von € 7.028,00 und setzte die Einkommensteuer auf € 6.049,00 fest.
    Die Klägerin legte mit Schreiben vom ... 2011 Einspruch gegen diesen Bescheid ein und berief sich auf die Steuerfreiheit des Stipendiums gemäß § 3 Nr. 44 Einkommensteuergesetz (EStG).
    Auf Anfrage des Beklagten teilte das für die Veranlagung des Kollegs zuständige Finanzamt (FA) C mit Schreiben vom ... 2011 und vom ... 2011 mit, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit wegen der vereinbarten Verpflichtungen eines Fellows (v. a. zur Arbeit an einem konkreten Forschungsprojekt, zur Residenz, zur Teilnahme an Vortragsveranstaltungen und zur Erstellung eines Abschlussberichts) und der Weisungsgebundenheit bei wesentlichen Änderungen des Projekts und damit wegen vereinbarter Gegenleistungen (§ 3 Nr. 44 Buchstabe b EStG) nicht vorlägen.
    Der Beklagte folgte dieser Auffassung und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2012 als unbegründet zurück. Die Leistungen des Kollegs führten bei der Klägerin zu Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
    Die Klägerin hat am ... 2012 Klage erhoben. Sie trägt vor, sämtliche Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen vor. Das Kolleg sei von Körperschaften des öffentlichen Rechts errichtet worden, die selbst steuerbefreit seien. Das Stipendium diene der Förderung der Wissenschaft.
    Entgegen der Auffassung des Beklagten sei durch die Berufung an das Kolleg kein Arbeits- oder Dienstverhältnis begründet worden. Es fehle an einer tarif- oder besoldungsrechtlichen Regelung, an einem Urlaubsanspruch und an der Sozialversicherungspflicht. Ferner habe der Rektor des Kollegs keine inhaltliche Weisungsbefugnis gehabt. Die Zustimmungsbedürftigkeit wesentlicher Änderungen des Forschungsvorhabens sei erforderlich, um die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Gelder sicherzustellen. Dasselbe gelte für die Residenzpflicht; sie ermögliche den Fellows, sich ihrer Forschung ohne Druck durch Dienstverpflichtungen zu widmen und in einen Dialog mit den anderen Fellows zu treten. Dies sei aber keine arbeitnehmerähnliche oder sonstige Gegenleistung des Fellows, sondern Voraussetzung für die Vergabe des Stipendiums. Ebenso sei man als Erasmus-Stipendiat zum Aufenthalt im Ausland, zum Besuch einer Universität nach einem festgelegten Studienplan und zur Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten verpflichtet. Die Teilnahme an den wöchentlichen „Fellow Lectures” sowie der Fellow-Vortrag dienten ebenfalls dem wissenschaftlichen Austausch. Das Erstellen eines Abschlussberichts sei bei wissenschaftlichen Stipendien üblich und diene der Kontrolle der Mittelverwendung. Ob der Fellow entsprechend der vereinbarten Verpflichtung in Publikationen auf das Stipendium hinweise, unterliege keiner Kontrolle und beeinflusse die Stipendienvergabe nicht. Schließlich bestehe überhaupt keine Verpflichtung zu Veröffentlichungen; ohne diese entfalle aber auch die Pflicht zur Abgabe von Belegexemplaren und zu einem Hinweis auf das Kolleg.
    Zwar kooperiere das Kolleg mit den umliegenden Universitäten, die den Fellows ihre Einrichtungen zur Verfügung stellten. Sie, die Klägerin, habe mit ihrem Forschungsvorhaben jedoch nicht an einem wissenschaftlichen Projekt einer dieser Universitäten mitgewirkt.
    Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 EStG hätten den Zweck, eine Umgehung der Steuerpflicht durch arbeitsähnliche Verhältnisse, die als „Stipendium” bezeichnet würden, zu verhindern. Eine derartige Umgehung liege aber nicht vor. Die einzige Gegenleistung für das Stipendium sei die Forschung selbst, die aber gerade Sinn eines Forschungsstipendiums sei.
    Das Stipendium habe auch die zulässige Höhe nicht überschritten. Der angemessene Lebensbedarf richte sich u. a. nach Alter und Qualifikation des Stipendiaten. Das gezahlte Stipendium habe keinen Anteil für die soziale Absicherung und die Steuer enthalten. Verpflegungsaufwendungen habe sie, die Klägerin, selbst tragen müssen. Ein Umzug von D nach C für die Dauer des Stipendiums sei aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht praktikabel gewesen.
    Die Klägerin beantragt,
    den Einkommensteuerbescheid vom 27.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2012 dahingehend zu ändern, dass keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit berücksichtigt werden und das zu versteuernde Einkommen um € 7.028,00 auf € 23.955,00 herabgesetzt wird.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, das FA C als FA des Stipendiengebers sei für die Prüfung der Steuerfreiheit zuständig und habe das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen verneint.
    Das Kolleg übernehme für die beiden ... Universitäten B und E die Aufgabe eines Exzellenzzentrums. Der Fellow habe nicht nur streng themenbezogen zu forschen, sondern übernehme als weitere vertragliche Hauptpflichten Dialogpflichten, abgesichert über die Residenzpflicht, als Beitrag zur Aufgabenerfüllung des Kollegs. Im Falle der Klägerin werde deren enge Verbindung zur Universität B durch ihren Kooperationspartner Prof. Dr. Dr. F deutlich, des Direktors des ... an der Universität B. Angesichts der von der Klägerin eingereichten Liste ihrer Veröffentlichungen hätten sich die Erwartungen der engen transdisziplinären Zusammenarbeit während des und nach dem Fellowship erfüllt. Bei den vertraglich als Stipendium ausgewiesenen Beträgen gehe es folglich allenfalls im Nebeneffekt um die finanzielle Unterstützung von (Jung-) Wissenschaftlern und deren Forschungsvorhaben; tatsächlich würden Wissenschaftler auf neue Forschungsstrukturen und Leistungen verpflichtet, die dem Kolleg seine satzungsgemäße Aufgabenerfüllung im Universitätsgefüge der beteiligten Länder ... und ... ermögliche. Es werde quasi eine Berufung auf Zeit in die universitäre Forschung unter weitgehender Freistellung von der Lehre ausgesprochen. Dem entspreche die Höhe der Bezüge, die sich nicht an dem zur Bestreitung des Lebensunterhalts Erforderlichen, sondern an der zuvor für die Tätigkeit an der Universität A gezahlten Vergütung orientiere.
    Auf die Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins vom 08.06.2012 (FGA Bl. 24 ff.) und der mündlichen Verhandlung vom 05.09.2012 (FGA Bl. 44 ff.) wird Bezug genommen.
    Dem Gericht haben je ein Band Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.
    Gründe
    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat die Einnahmen der Klägerin aus dem Stipendium zu Recht als steuerpflichtige Einkünfte behandelt.
    I.
    Die Klägerin hat die Zahlungen des Kollegs für ihre selbständig ausgeübte, wissenschaftliche Tätigkeit erhalten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Aber auch, wenn man die Zahlungen nicht als Gegenleistung für die Tätigkeit der Klägerin ansähe, wären sie jedenfalls als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Buchstabe b EStG steuerbar (Einkunftsart ebenfalls offengelassen in Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12.12.2007 3 K 209/03, EFG 2008, 670; nachgehend BFH-Urteil vom 15.09.2010 X R 33/08, BFHE 231, 108, BStBl II 2011, 637).
    II.
    Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit dieser Einkünfte liegen nicht vor.
    1. Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 44 EStG ist nicht erfüllt.
    a. Bei der Beurteilung der Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift ist das Gericht an die in den Schreiben vom 29.04.2011 und vom 19.12.2011 geäußerte Auffassung des FA C allerdings nicht gebunden. Nach R 3.44 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2008 hat zwar das Finanzamt, das für die Veranlagung des Stipendiengebers zur Körperschaftsteuer zuständig ist oder zuständig wäre, wenn der Geber steuerpflichtig wäre, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Stipendien zu prüfen und auf Anforderung des für die Veranlagung des Stipendienempfängers zuständigen FA eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Verwaltungsvorschrift und nicht um eine gesetzliche Regelung, so dass die Bescheinigung kein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Einkommensteuerfestsetzung ist (Erhard in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 3 Nr. 44 EStG Rz. 6; Tormöhlen in Korn, EStG, § 3 Rz. 8; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rz. B 44/95).
    b. Ebenso wenig ist die Aussage in dem Vertrag über das „Junior-Fellowship” (§ 5a3 Satz 1) über die Steuerpflicht des Stipendiums maßgebend.
    c. Doch auch nach Auffassung des Gerichts sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 EStG im Streitfall nicht gegeben.
    aa. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind steuerfrei Stipendien, die u. a. von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden (Satz 3 Buchstabe a der Vorschrift) und dass der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist (Satz 3 Buchstabe b).
    bb. Zwar ist das Kolleg eine Körperschaft i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. Nach dieser Bestimmung sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 Abgabenordnung -AO-) von der Körperschaft befreit. Bei dem Kolleg handelt es sich um eine Stiftung des bürgerlichen Rechts und damit um eine Vermögensmasse, die nach dem Stiftungszweck (§ 3 der Satzung) ausschließlich gemeinnützigen Zwecken i. S. des § 52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AO (Förderung der Wissenschaft und Forschung) dient.
    cc. Auch liegen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG entgegen der Auffassung des Beklagten und des FA C vor, weil die Klägerin nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet war.
    aaa. Von dieser Regelung erfasst ist die Verpflichtung zur Anfertigung einer bestimmten wissenschaftlichen Arbeit im Auftrag des Stipendiengebers. Dabei genügt jede Gegenleistung, auch wenn sie nicht ausgewogen ist. Nicht steuerfrei sind danach z. B. Beihilfen an wissenschaftliche Mitarbeiter für Katalogarbeiten oder zur Aufnahme einer Sammlung, Zahlungen an einen Kunsthistoriker für eine Kunstdenkmäleraufnahme und Zahlungen für eine Tutorentätigkeit (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 EStG Rz. 2; Ross in Frotscher, EStG, § 3 EStG Rz. 6). Durch die Regelung soll sichergestellt werden, dass das Stipendium uneigennützig gewährt wird und nicht als offene oder verdeckte Vergütung für eine Arbeitsleistung (BT-Drucks. IV/2400, 62).
    bbb. Die in dem Vertrag zwischen dem Kolleg und der Klägerin vom ... 2009 geregelten Pflichten der Klägerin stellen keine derartige Gegenleistung für das Stipendium dar.
    (1) Das gilt vor allem für die Arbeit der Klägerin an ihrem Forschungsthema selbst. Die Verpflichtung des Stipendiaten, die jeweilige Forschung zu betreiben, ist Sinn und Inhalt eines Stipendiums. Eine bestimmte wissenschaftliche Gegenleistung i. S. des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG ist dagegen nur anzunehmen, wenn der Forschende verpflichtet ist, ein bestimmtes Ergebnis abzuliefern, beispielsweise ein patentreifes Produkt zu entwickeln oder eine bestimmte Studie zu erstellen oder wenn er über die eigentliche Forschung hinausgehende Leistungen zu erbringen hat, die der Stipendiengeber ansonsten entgeltlich von einem Dritten beziehen müsste.
    Die Klägerin war bzgl. des Inhalts und des Ergebnisses ihrer Forschung frei und nicht verpflichtet, ein bestimmtes wissenschaftliches Ergebnis abzuliefern. Dass das Kolleg mit den von ihm vergebenen Stipendien die Forschung möglicherweise in Abstimmung mit den Universitäten B und E fördern will, wie der Beklagte meint, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Ein Stipendiengeber handelt auch dann uneigennützig, wenn er nur die Forschung auf bestimmten Wissenschaftsgebieten fördert und nicht jedes Thema unterstützt. Da ein Stipendium themengebunden vergeben werden darf und regelmäßig vergeben wird, ist es für die Steuerfreiheit unschädlich, wenn eine wesentliche Änderung des Themas, wie im Streitfall gemäß § 2 des mit dem Kolleg geschlossenen Vertrages, der Zustimmung des Stipendiengebers bedarf.
    (2) Keine Gegenleistung in diesem Sinne ist die Verpflichtung, die Ergebnisse einer Forschungsaufgabe der Allgemeinheit durch Veröffentlichung mitzuteilen (Ross in Frotscher, EStG, § 3 Rz. 6; Tormöhlen in Korn, EStG, § 3 Rz. 7: unschädliche Auflage nach § 525 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-) oder in anderer Weise schriftlich oder mündlich Interessierten zugänglich zu machen (Handzik in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 3 Rz. 1447). Ebenfalls nicht unter die Bestimmung des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG fallen geringfügige Gegenleistungen, so die Verpflichtung, dem Stipendiengeber einige Exemplare der Forschungsarbeit zu überlassen (Ross in Frotscher, EStG, § 3 Rz. 6; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3 Rz. 125; derselbe in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rz. B 44/86).
    Die in § 3a des Vertrages geregelte Verpflichtung der Klägerin, im Rahmen der „Fellow Lectures” einmal während des Stipendiums einen Vortrag über ihre Forschungsarbeit zu halten, ist für die Steuerfreiheit somit ebenso unschädlich wie die Verpflichtung, im Falle der Veröffentlichung der Forschungsarbeit - zu der die Klägerin nicht verpflichtet ist - auf das Kolleg hinzuweisen und dem Kolleg zwei Belegexemplare zur Verfügung zu stellen.
    (3) Die Erstellung eines Abschlussberichtes (hier des „Fellows Reports”, vgl. § 8 des Vertrages) ist keine Gegenleistung, sondern dient der Überprüfung der Einhaltung der Stipendienrichtlinien (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12.12.2007 3 K 209/03, EFG 2008, 670, bestätigt durch BFH-Urteil vom 15.09.2010 X R 33/08, BFHE 231, 108, BStBl II 2011, 637, zu einem Zwischenbericht).
    (4) Auch die Verpflichtung zur aktiven Mitarbeit in Forschungsforen und kollegialen Arbeitskreisen ist nicht als Gegenleistung anzusehen (so z. B. Verfügung der OFD Frankfurt a. M. vom 28.07.2011, Tz. 2.4), hier also die Teilnahme der Klägerin an den wöchentlichen „Fellow Lectures”.
    (5) Soweit der Beklagte schließlich (und vor allem) auf die Residenzpflicht der Klägerin abstellt, liegt auch hierin keine Gegenleistung im Sinne der Vorschrift. Die im Streitfall vereinbarte Anwesenheitspflicht stellt, wie in der Vorbemerkung zu dem mit dem Kolleg geschlossenen Vertrag vom ... 2009 ausgeführt, vornehmlich sicher, dass der Stipendiat seine ganze Zeit auf die Durchführung des Forschungsprojektes verwenden kann, ohne durch andere Aufgaben in Anspruch genommen zu werden. Die Residenzpflicht dient insoweit nur der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Mittelverwendung durch den Stipendiengeber.
    Darüber hinaus soll der ständige Aufenthalt der Stipendiaten am Kolleg einen wissenschaftlichen Austausch unter ihnen ermöglichen und fördern. Auch dies dient letztlich der Förderung der jeweiligen Forschungsprojekte.
    Eine über die reine Anwesenheit hinausgehende Verpflichtung der Klägerin, die anderen Stipendiaten etwa regelmäßig in Form von Unterricht an ihrem Wissen teilhaben zu lassen, wurde - abgesehen von einer „Fellow Lecture” (s. oben I.1.b.cc.bbb. (1)) - nicht vereinbart. Die bloße Anwesenheit am Kolleg ist daher keine bestimmte wissenschaftliche Gegenleistung, die ansonsten entgeltlich von einem Dritten bezogen werden müsste und eine Steuerfreiheit ausschlösse.
    dd. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe a EStG nicht erfüllt, weil die im Rahmen des Stipendiums gewährten Leistungen über das hinausgehen, was zur Erfüllung der Forschungsaufgabe oder zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der Klägerin erforderlich wäre.
    Die Steuerbefreiung von Forschungsstipendien umfasst sowohl die der Erfüllung der Forschungsaufgaben (Sachbeihilfen für Apparate, Bücher, Rohstoffe, Hilfskräfte, Raummiete usw.) als auch die der Bestreitung des Lebensunterhalts dienenden Zuwendungen (BFH-Urteil vom 20.03.2003 IV R 15/01, BFHE 202, 168, BStBl II 2004, 190).
    aaa. Was als zur Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlich anzusehen ist, ist vom Gesetz nicht festgelegt und muss sich deshalb nach der allgemeinen Verkehrsauffassung richten, wobei an die Regelung in § 1610 Abs. 2 BGB angeknüpft werden kann (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 44 EStG Rz. 2; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 44 Rz. B 44/79). Der Lebensbedarf ist die Gesamtheit der Mittel, die benötigt werden, um dem Einzelnen ein menschenwürdiges Leben in einem sozialen Umfeld zu sichern. Er umfasst die für den laufenden Lebensunterhalt unentbehrlichen Aufwendungen für Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Ausbildung, Gesundheit, angemessene Freizeitgestaltung und andere notwendige Ausgaben dieser Art (Brudermüller in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1610 Rz. 9; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.06.2005 3 V 36/04, EFG 2005, 1333: keine Steuerfreiheit eines Stipendiums, das einen Zuschlag zum Ausgleich der Versteuerung enthielt). Anhaltspunkte für den Lebensbedarf sind die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG; Bergkemper in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 44 Rz. 15), wobei die BAföG-Sätze keine Höchstsätze sind (FG Berlin, Urteil vom 12.12.2000 5 K 5192/99, EFG 2001, 483, bestätigt durch BFH-Urteil vom 20.03.2003 IV R 15/01, BFHE 202, 168, BStBl II 2004, 190: offengelassen, ob Steuerfreiheit nur in Höhe des damaligen BAföG-Höchstsatzes von DM 900,00 monatlich oder auch in Höhe eines Mehrbetrages wegen der akademischen Vorbildung der Klägerin). Entspricht das Stipendium aber der üblichen Entlohnung im Berufsumfeld des Stipendienempfängers, geht es typischerweise über den Lebensunterhaltsbedarf hinaus (Ross in Frotscher, EStG, § 3 Rz. 5; ebenso OFD Frankfurt a. M., Verfügung vom 28.07.2011, Tz. 2.1., juris, für ein Stipendium in Höhe eines mittleren Einkommens der Besoldungsgruppe C 2).
    bbb. Nach Auffassung des erkennenden Senates übersteigt das streitgegenständliche Stipendium den zur Erfüllung der Forschungsaufgabe oder zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin erforderlichen Betrag.
    (1) Zur Erfüllung der Forschungsaufgabe benötigte die Klägerin als Geisteswissenschaftlerin lediglich Literatur und einen Büroarbeitsplatz. Für die Literaturrecherche konnte sie kostenlos die Bibliothek des Kollegs benutzen und die Bibliotheken der umliegenden Universitäten aufsuchen. Für diese Fahrtkosten erhielt sie eine Dienstreisen-Pauschale in Höhe von € 400,00 im Streitjahr. In der ihr zur Verfügung gestellten Wohnung befand sich ein vollständig eingerichteter Arbeitsplatz mit Telefon- und Internetanschluss (§§ 4a, 4b des Vertrages).
    (2) Folglich stand der Klägerin der vom Kolleg monatlich gezahlte Betrag von € 2.700,00 vollständig zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung. Der BAföG-Höchstsatz lag im Streitjahr 2009 demgegenüber bei € 643,00 für Studenten, die nicht bei ihren Eltern leben. Der die Steuerfreiheit des Existenzminimums sichernde einkommensteuerliche Grundfreibetrag betrug im Streitjahr € 7.834,00 (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F.), die Einkommensgrenze für ein Kind im Rahmen der Kindergeldberechtigung lag bei € 7.680,00 im Jahr (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Selbst wenn man in Anbetracht des Alters der Klägerin und ihrer akademischen Vorbildung sowie für die erforderliche Krankenversicherung einen zusätzlichen Betrag berücksichtigen wollte, könnte dieser nicht so hoch sein, dass der Betrag von € 2.700,00 monatlich erreicht würde.
    Das gilt insbesondere, wenn, wie im Streitfall, eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Dass die Klägerin ihre D Wohnung für die zehnmonatige Dauer des Stipendiums nicht aufgegeben oder untervermietet und an den Wochenenden regelmäßig aufgesucht hat, ist zwar nachvollziehbar, jedoch hat der Senat Zweifel, ob das gleichzeitige Unterhalten zweier Unterkünfte Teil des erforderlichen Lebensbedarfs ist; der Umstand, dass die Klägerin mithilfe des Stipendiums hierzu in der Lage war, könnte bedeuten, dass der gezahlte Betrag über das Erforderliche hinausging.
    Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offen bleiben. Denn auch, wenn man die Kosten für eine Unterkunft berücksichtigt, kann für den Lebensbedarf insgesamt (für Wohnung, Nahrung, Kleidung, Versicherungsschutz, Altersvorsorge, evtl. grundlegende kulturelle Bedürfnisse) nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall allenfalls ein Betrag von etwa € 2.000,00 monatlich als erforderlich angesehen werden, nicht jedoch ein Betrag von € 2.700,00, zumal der Klägerin Fahrtkosten erstattet wurden und ihr ein Telefon- und Internetanschluss zur Verfügung gestellt wurde.
    Mit diesen Leistungen wurde das damalige Gehalt der Klägerin fast vollständig ersetzt. Wenn sie nicht steuerpflichtig wären, entsprächen sie dem von der Klägerin im Streitjahr von der Universität A bezogenen monatlichen Bruttogehalt abzüglich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag (€ 2.637,62).
    (3) Dem steht das Argument der Klägerin, dass ihre Ausbildung und Qualifikation zu berücksichtigen seien und dass sie sich nicht für das Stipendium beworben hätte, wenn ihr lediglich € 2.000,00 im Monat gezahlt worden wären, nicht entgegen. Es mag sein, dass ein Stipendium, das nur den zur Deckung des Lebensbedarfs erforderlichen Betrag gewährt, für hochqualifizierte Wissenschaftler nicht attraktiv ist. Dies ist aber eine rechtspolitische Überlegung, die es dem Gericht nicht erlaubt, über den klaren Gesetzeswortlaut („zur Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlich”) hinauszugehen und hierunter eine Leistung zu subsumieren, die dem Stipendiaten einen angemessenen Lebensunterhalt entsprechend seinen bisherigen Lebensumständen ermöglicht, also sein sonstiges Gehalt in voller Höhe ersetzt. Im Übrigen werden von anderen Einrichtungen deutlich niedrigere Stipendien für hochqualifizierte Wissenschaftler angeboten, die offensichtlich auch nachgefragt werden (z. B. Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Grundbetrag für Lebensalter 35-38 Jahre: € 1.467,00; Förderprogramm „Junges Kolleg” der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften: Grundbetrag jährlich € 10.000,00 zzgl. eines evtl. einmalig in vier Jahren gewährten Zuschusses von € 12.000,00). Von den Stipendiengebern wird außerdem regelmäßig erwartet, dass den Wissenschaftlern ihr reguläres Gehalt während des Stipendiums ganz oder zum Teil fortgezahlt wird (vgl. Vorbemerkung zum Vertrag mit dem Kolleg vom ... 2009).
    (4) Die Klägerin kann sich nicht auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12.12.2007 (3 K 209/03, EFG 2008, 670, bestätigt durch BFH-Urteil vom 15.09.2010 X R 33/08, BFHE 231, 108, BStBl II 2011, 637) berufen. In dem diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine Ärztin für ein Forschungsprojekt ein Stipendium in Höhe von US-$ 35.000,00 jährlich erhalten. Jedoch hatten sich die Beteiligten im dortigen Fall in tatsächlicher Hinsicht darauf verständigt, dass die Höhe des Stipendiums nicht den für die Erfüllung der Forschungsaufgabe sowie für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin erforderlichen Betrag überschritten habe, so dass die Gerichte hierüber nicht zu urteilen hatten. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall, anders als dort, zahlreiche weitere Leistungen gewährt wurden, vor allem eine kostenlose Unterkunft.
    ee. Das Stipendium unterliegt in voller Höhe der Steuerpflicht.
    aaa. Ob ein Stipendium, das den für den Lebensunterhalt angemessenen Betrag übersteigt, in voller Höhe steuerpflichtig ist (so Ross in Frotscher, EStG, § 3 Rz. 5; wohl auch FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.06.2005 3 V 36/04, EFG 2005, 1333) oder nur anteilig (so von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 44 Rz. B 44/80; offenbar auch FG Berlin, Urteil vom 12.12.2000 5 K 5192/99, EFG 2001, 483, Revision zurückgewiesen durch BFH-Urteil vom 20.03.2003 IV R 15/01, BFHE 202, 168, BStBl II 2004, 190; Steiner in Lademann, EStG, § 3 Rz. 324) ist umstritten.
    bbb. Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe a EStG ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit, dass das Stipendium den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag nicht übersteigt. Übersteigt das Stipendium diesen Betrag, liegt die Voraussetzung für die Steuerfreiheit folglich nicht vor, so dass die gesamte Leistung steuerpflichtig ist. Hätte der Gesetzgeber eine anteilige Steuerbefreiung gewollt, hätte er einen konkret bezifferten Freibetrag festlegen können - wie etwa bei den Einnahmen aus bestimmten nebenberuflichen Tätigkeiten gemäß § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG - oder bestimmen können, dass das Stipendium „insoweit” steuerfrei sei, als es zur Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlich sei. Der erkennende Senat sieht in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Regelung keinen Raum für eine andere Auslegung und auch keine Anhaltspunkte für eine Analogie rechtfertigende planwidrige Regelungslücke. Ob eine anteilige Steuerbefreiung sachgerecht wäre (so von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 44 Rz. B 44/80) hat der Gesetzgeber zu entscheiden.
    2. Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 11 EStG ist schon deshalb nicht erfüllt, weil Zahlungen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts dienen, die Wissenschaft nicht unmittelbar fördern (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 11 EStG Rz. 21).
    III.
    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
    2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die hier relevanten Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG höchstrichterlich noch nicht geklärt sind.

    VorschriftenEStG § 3 Nr. 44 Satz 2, EStG § 3 Nr. 44 Satz 3, EStG § 3 Nr. 11