25.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237975
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 24.08.2022 – 3 LB 1/22
Der mit Wing-Tsun-Angeboten für Kinder im Vor- und Grundschulalter möglicherweise verbundene Erwerb sozialer Kompetenzen, namentlich im Bereich Gewaltprävention , führt nicht zu der Annahme, dass ein derartiger Kurs bei lebensnaher Betrachtung bewusst und ernsthaft als Prüfungsvorbereitung genutzt werden kann, da es nicht ausreicht, dass eine Maßnahme im Hinblick auf das spätere Bestehen einer Prüfung irgendwie noch als förderlich angesehen werden kann. Das Kennenlernen der Kampfsportart Wing Tsun im Vor- und Grundschulalter dient nicht der Orientierung in eine bestimmte berufliche Richtung, es mag allenfalls allgemein einen Kompetenzerwerb im Bereich der Körperbeherrschung und zwischenmenschlicher Umgangsformen begünstigen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Unterweisung in Wing Tsun bereits im Vor- oder Grundschulalter unabdingbar oder zumindest maßgeblich für einen späteren beruflichen Erfolg in diesem Bereich wäre. Die Unterweisung von Kindern im Vor- und Grundschulalter in der chinesischen Kampfkunst Wing Tsun ist auch unter Berücksichtigung ihrer Nebeneffekte nicht durch die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gekennzeichnet. Es handelt sich um spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und damit nicht um Schulunterricht i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Die Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG deshalb zu erteilen, weil es sich bei Wing-Tsun-Kursen für Kinder im Vor- und Grundschulalter um Erziehung von Kindern und Jugendlichen i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie handelt, erweiterte die Bescheinigungsvoraussetzungen unzulässig über den Wortlaut hinaus.
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
Geschäftszeichen: - -
gegen
das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Brunswiker Straße 16 - 22, 24105 Kiel
- Beklagter und Berufungskläger -
Die Klage wird abgewiesen, soweit das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht eingestellt hat.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 57 % und der Beklagte zu 43 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Wing-Tsun-Schulen in R. und E.. Mit Schreiben vom 20. September 2012 beantragte sie beim Beklagten die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG ab dem Jahr 2000. Im Oktober 2012 erhielt die Klägerin zunächst eine nicht weiter konkretisierte Bescheinigung mit Geltung ab dem 1. Januar 2000, wonach die Schulen der Klägerin ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiteten. Im Oktober 2014 bat der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Klägerin um eine Präzisierung der Bescheinigung im Hinblick auf die im Einzelnen angebotenen Kurse, da das zuständige Finanzamt dies verlangt habe.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 erteilte der Beklagte eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG mit Wirkung vom 1. Januar 2000, dass lediglich die angebotenen Kurse "WingTsun Fachtrainerausbildung" und "WingTsun Fachtrainerausbildung/-fortbildung (Einzelstunden, Intensivwochenende, Prüfungslehrgänge)" ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiteten.
Nachdem vorgerichtliche Bemühungen der Klägerin, eine weiterreichende Bescheinigung zu erhalten, erfolglos geblieben waren, hat die Klägerin am 6. Januar 2015 Klage erhoben. Als Reaktion auf ihr tatsächliches und rechtliches Vorbringen hat der Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens zweimal, zunächst unter dem 21. Januar 2015, dann noch einmal unter dem 17. März 2015, eine geänderte Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG erteilt. Mit dem jüngsten Bescheid hat er es weiterhin abgelehnt, dem Kursprogramm der Klägerin eine Umsatzsteuerfreiheit für die Kurse "Kita Kurse Wahrnehmung Selbstbehauptung mit Kids-WingTsun (im Alter ab 3 Jahren)", "Kurse an Volkshochschulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit Kids-WingTsun (im Alter ab 5 Jahren)" sowie "WingTsun Kids (4-5 Jahre)" zu bescheinigen.
Hinsichtlich des noch streitbefangenen Kursangebots für Kinder ab einem Alter von drei Jahren hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass es sich auch hierbei, wie bei künstlerischem Tanzunterricht, Musikunterricht und Schwimmunterricht, um Bildungsleistungen im steuerlichen Sinne handele. Wenn ein derartiges Kursangebot es ermögliche, auf einen Beruf oder eine staatliche Prüfung vorzubereiten, sei dieser Kurs mehr als eine reine Freizeitgestaltung, auch wenn von jener Möglichkeit nur wenige Kinder Gebrauch machten. Es bestehe ein Unterrichtsangebot, das, vertieft gelernt, beruflich genutzt werden könne. Innerhalb des Wing-Tsun-Ausbildungssystems gebe es zudem zwölf Leistungsstufen, deren Absolvieren und Bestehen Voraussetzung dafür sei, eine Berufsausbildung zum Wing-Tsun-Trainer zu beginnen. Wing Tsun vermittele Kindern Fertigkeiten und Kenntnisse im Bereich der gewaltpräventiven Kampfkunst. Entsprechender Unterricht werde auch Kindern im Kindergarten und Schülerinnen und Schülern in allgemeinbildenden Schulen erteilt, was zusätzlich für eine Steuerfreiheit spreche.
Die Beteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich der Kurse, für die der Beklagte die begehrte Bescheinigung im Laufe des Verfahrens noch erteilt hat, übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin hat die Klage hinsichtlich eines einzelnen Kurses teilweise zurückgenommen und noch beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihr ab dem 1. Januar 2000 für die Leistungen Kita Kurs Wahrnehmung/Selbstbehauptung mit WingTsun Kids in der Jahrgangsstufe vor der Einschulung, Kurse an Schulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit WingTsun Kids im Alter ab fünf Jahren und WingTsun Kids im Alter von vier bis fünf Jahren eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass ein Abzielen der Wing-Tsun-Kurse für Kinder im Vorschulalter auf das frühzeitige Erkennen und Fördern geeigneten Lehrernachwuchses unter Berücksichtigung der Werbung der Klägerin für die angebotenen Kurse nicht ersichtlich sei. Den Trainingsinhalten nach gehe es vielmehr um Bewegung und angemessenes Verhalten in Streitsituationen. Eine Trainerkarriere sei auch bei einem Einstieg im Kinder- und Jugendlichenalter oder noch später möglich.
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich der erledigten bzw. zurückgenommenen Teile eingestellt und den Beklagten durch Urteil vom 27. September 2017 im Übrigen verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. Januar 2000 für die Leistungen "Kita Kurs Wahrnehmung/Selbstbehauptung mit WingTsun Kids in der Jahrgangsstufe vor der Einschulung", "Kurse an Schulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit WingTsun Kids im Alter ab fünf Jahren" und "WingTsun Kids im Alter von vier bis fünf Jahren" eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG zu erteilen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitbefangenen Kurse objektiv geeignet seien, der Prüfungs- und Berufsvorbereitung zu dienen. Dies sei nicht bereits deshalb zu verneinen, weil sich die Leistungen an Kinder im Vorschulalter richteten. Eine solche Einschränkung lasse sich weder dem § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG noch dem zugrunde liegenden Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) RL 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) entnehmen. Für die Erteilung der begehrten Bescheinigung sei es vielmehr ausreichend, dass die Leistungen, bezüglich derer die Bescheinigung ausgestellt werden solle, den Zielen der Berufsausbildung oder -fortbildung insoweit dienten, als sie diese ermöglichten, ergänzten, förderten, erleichterten oder auf die Wahl eines Berufes vorbereiteten. Es müssten keine für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden. Auch komme es nicht darauf an, ob die Teilnehmenden der Kurse bereits eine Entscheidung für einen bestimmten Beruf getroffen hätten oder aufgrund ihres Alters überhaupt treffen könnten. Die streitbefangenen Wing-Tsun-Kurse für Kinder im Vorschulalter seien für die Ausübung des Berufes "Wing-Tsun-Trainer" jedenfalls förderlich bzw. hilfreich. Auch losgelöst von einem bestimmten Beruf vermittele das Leistungsangebot soziale Kompetenzen, insbesondere im Bereich der Gewaltprävention, die zur Vorbereitung auf das Berufsleben förderlich seien, ohne dass es darauf ankomme, ob diese notwendigerweise bereits im Vorschulalter vermittelt werden müssten. Unerheblich für die Steuerbefreiung sei, ob die streitgegenständlichen Leistungen auch Gegenstand des regulären Schulunterrichts oder der vorschulischen Ausbildung seien, da das Europarecht hier eine weite Auslegung gebiete.
Mit Beschluss vom 8. März 2021 hat der seinerzeit zuständige 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts auf Antrag des Beklagten die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen.
Zur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte Teile seines Vortrags aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend führt er aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass jeder noch so entfernte Berufsvorbereitungsbezug ausreiche, um eine Bescheinigung aufgrund von § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG erteilen zu können. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei lediglich in bestimmten Kontexten, in denen ein unmittelbarer Bezug der Leistung zur beruflichen Orientierung bestehe, die Vorbereitung auf einen beliebigen Beruf oder das Berufsleben überhaupt von § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG erfasst. Vergleichbares sei bei WingTsun-Kursen für Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren nicht erkennbar. Zudem gehöre Wing-Tsun-Unterricht nicht zu den vorgegebenen Unterrichtsinhalten der Schule. Im Kompetenzbereich "Raufen und Ringen" in der Primarstufe stünden körperbezogene Erfahrungen im Vordergrund und nicht spezifische Kampfsporttechniken.
Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung zu Tanz- und Sprachkursen sei auf den streitigen Fall ebenfalls nicht übertragbar, da sie entweder Kurse für ältere Kinder bzw. Jugendliche zum Gegenstand gehabt habe oder solche, deren Inhalte (wie zum Beispiel bei Ballett- oder Englischkursen) spezifisch auf eine schon im frühen Kindesalter an einer Ausbildungsstätte abzulegende Aufnahmeprüfung vorbereiteten. Die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin, die lediglich Kenntnisse in Gewaltprävention vermittelten und möglicherweise den Erwerb sozialer Kompetenz begünstigten, hiermit gleichzusetzen, sei zu weitgehend und stelle eine Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG dar, die der Bestimmung ihren Sinn nehme.
Auch das Europarecht gebiete eine derartige Auslegung nicht, da die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf hindeute, dass Leistungen in Gestalt eines spezialisierten und punktuell erteilten Unterrichts nicht als "Schul- und Hochschulunterricht" im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie anzusehen seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 4. Kammer - vom 27. September 2017 abzuändern und die Klage in Bezug auf die noch nicht zurückgenommenen oder erledigten Teile abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG auch für die noch streitgegenständlichen Kurse vorliegen, da es genüge, wenn die vermittelten Inhalte zum wünschenswerten Inhalt von Schulunterricht gehörten. "Gewaltprävention" zähle unzweifelhaft dazu. An der Vermittlung diesbezüglicher Inhalte bestehe ein Gemeinwohlinteresse.
Folge man der Argumentation des Beklagten, dass an Kinder im Vorschulalter gerichtete Leistungen weder zielgerichtet noch final auf einen Beruf oder eine staatliche Prüfung vorbereiteten, könne es hierzu überhaupt keine erfolgreichen Verfahren auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG geben. Die Verteuerung des Bildungsangebots durch die Belastung mit Umsatzsteuer verhindere die gesellschaftlich gewollte Bildungsvielfalt, indem für ganz junge Kinder der Zugang hierzu erschwert werde. Finanzgerichtliche Entscheidungen, etwa zur musikalischen Früherziehung zeigten zudem, dass eine Finalität zwischen Leistung und Bildungsziel nicht zu fordern sei.
Hinsichtlich des Merkmals der Berufsvorbereitung sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass es neben den zwölf Schülergraden, deren Absolvieren Voraussetzung für die Ausbildung zum Wing-Tsun-Trainer sei, auch zwölf Kindergrade gebe, für die keine Altersuntergrenze von zehn Jahren gelte und deren Durchlaufen es ermögliche, die Schülergrade 1 bis 4 zu überspringen und die weitere Ausbildung direkt im Schülergrad 5 zu beginnen.
Zu berufsvorbereitenden Leistungen habe sich der Gerichtshof der Europäischen Union bislang nicht dezidiert geäußert. Die Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG sei ohnehin einer Auslegung im Lichte des Unionsrechts nicht zugänglich, da sie dem Unionsrecht nicht entspreche, der Gesetzgeber bislang aber davon abgesehen habe, die Vorschrift anzupassen.
Schließlich weist die Klägerin auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Dezember 2021 hin, in dem dieses Gericht es für möglich hält, dass das Kursangebot eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers in Kindergärten und Schulen "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie sei, sodass der Beklagte auch vor diesem Hintergrund gehalten sei, die begehrte Bescheinigung für die streitgegenständlichen Leistungen zu erteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. Januar 2000 für die Leistungen "Kita Kurs Wahrnehmung/Selbstbehauptung mit WingTsun Kids in der Jahrgangsstufe vor der Einschulung", "Kurse an Schulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit WingTsun Kids im Alter ab fünf Jahren" und "WingTsun Kids im Alter von vier bis fünf Jahren" eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG zu erteilen. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 17. März 2015 die Erteilung einer hierauf bezogenen Bescheinigung versagt, ist er rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin hat hinsichtlich der von ihr angebotenen Kurse "Kita Kurs Wahrnehmung/Selbstbehauptung mit WingTsun Kids in der Jahrgangsstufe vor der Einschulung", "Kurse an Schulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit WingTsun Kids im Alter ab fünf Jahren" und "WingTsun Kids im Alter von vier bis fünf Jahren" keinen Anspruch auf die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG.
Gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Die Leistungen der Klägerin erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Sie bereiten weder auf einen Beruf noch auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.
Die von der zuständigen Landesbehörde in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren zu erteilende Bescheinigung erstreckt sich nicht auf alle in der Norm statuierten Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung, sondern ist auf die Feststellung beschränkt, dass die in Rede stehenden Leistungen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (vgl. Ehrt/Reis, in: Beck'scher Online-Kommentar UStG, Stand: 15.09.2022, § 4 Nr. 21 Rn. 49.2). Die Erteilung der Bescheinigung ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung und bindet die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsbarkeit als Grundlagenbescheid i. S. v. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO hinsichtlich der von der zuständigen Landesbehörde zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzung (vgl. Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, Werkstand: Juni 2022, § 4 Nr. 21 Rn. 65 f. m. w. N.). Die Beurteilung der übrigen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG obliegt der Finanzverwaltung, die insoweit der vollen Kontrolle durch die Finanzgerichte unterliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2017 - 9 C 5.16 -, juris Rn. 12 m. w. N.).
Ordnungsgemäß ist die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung bzw. der Vorbereitung auf einen Beruf zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht wird und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen ( BVerwG, Urt. v. 27.04.2017 - 9 C 5.16 -, juris Rn. 16 <für die Prüfungsvorbereitung> bzw. Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 16 <für die Berufsvorbereitung>). Die Voraussetzungen der Prüfungs- bzw. der Berufsvorbereitung stehen gleichberechtigt nebeneinander (vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, 21. Aufl. 2022, § 4 Nr. 21 Rn. 13).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Bescheinigungsvoraussetzungen im Interesse einer wirksamen Anwendung des Unionsrechts bis hin zur Wortlautgrenze so auszulegen, dass hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, eine Bescheinigung erteilt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.09.2021 - 9 B 8.21 -, juris Rn. 4; Urt. v. 27.04.2017 - 9 C 5.16 -, juris Rn. 20; Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 13).
Bei Zugrundelegung dieser Maßgabe dienen die noch streitgegenständlichen Kursangebote der Klägerin - ohne dass es auf die zwischen den Beteiligten unstreitige Frage der Seriosität der Einrichtung und die Eignung der Lehrkräfte ankäme - weder der Prüfungsvorbereitung (dazu I.) noch der Vorbereitung auf einen Beruf (dazu II.). Auch handelt es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen nicht um "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie (dazu III.).
I. Die Kurse "Kita Kurs Wahrnehmung/Selbstbehauptung mit WingTsun Kids in der Jahrgangsstufe vor der Einschulung", "Kurse an Schulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit WingTsun Kids im Alter ab fünf Jahren" und "WingTsun Kids im Alter von vier bis fünf Jahren" bereiten nicht auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.
Zwar mag insoweit eine Tätigkeit genügen, die einen Bildungsgang fördert, der im Allgemeinen mit einer Prüfung vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abschließt, zum Beispiel also die zu einem Schulabschluss führende Prüfung (vgl. Alvermann/Esteves Gomes, in: Wäger, UStG, 2. Aufl. 2022, § 4 Nr. 21 Rn. 131). Um das Bescheinigungserfordernis des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG jedoch nicht leerlaufen zu lassen, ist ein Kurs nur dann bescheinigungsfähig, wenn er so ausgerichtet ist, dass er bei lebensnaher Betrachtung bewusst und ernsthaft als Prüfungsvorbereitung genutzt werden kann und (wenngleich nicht zwingend) auch genutzt wird, wobei es nicht ausreicht, dass eine Maßnahme im Hinblick auf das spätere Bestehen der Prüfung (ohne einen finalen Zusammenhang) irgendwie noch als förderlich angesehen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.09.2012 - OVG 9 B 6.11 -, juris Rn. 20). Der mit den Wing-Tsun-Angeboten für Kinder im Vor- und Grundschulalter möglicherweise verbundene Erwerb sozialer Kompetenzen, namentlich im Bereich "Gewaltprävention", genügt dieser Anforderung nicht. Ein Zusammenhang mit einer Prüfung, die vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegen wäre, ist für den Senat nicht erkennbar. Das Verfügen über bestimmte soziale Kompetenzen ist jedenfalls nicht Voraussetzung für die Aufnahme in die Primarstufe einer allgemeinbildenden Schule, innerhalb derer zudem keine Prüfung abzulegen ist.
Soweit möglicherweise ein (entfernter) Bezug des streitgegenständlichen Leistungsangebots der Klägerin zum Absolvieren der Prüfung zum Wing-Tsun-Trainer besteht, handelt es sich nicht um eine Prüfung, die vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegen ist; denn die Prüfung wird nicht durch staatliche Stellen, sondern durch den EWTO, die eigene Dachorganisation, abgenommen (ebenso OVG Münster, Urt. v. 17.12.2020 - 14 A 2655/18 -, juris Rn. 43).
II. Die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin dienen auch nicht der Vorbereitung auf einen Beruf. Die Leistungen vermitteln weder spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (1.), noch geht es bei den streitigen Wing-Tsun-Kursen um Vorbereitung auf einen Beruf schlechthin; denn es handelt sich dabei um spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht, der auch bei einem weiten Verständnis der Norm nicht unter deren Anwendungsbereich fällt (2.).
1. Soweit ein bestimmter Beruf in Rede steht, gilt nach wie vor, dass die Vorbereitung hierauf die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind, bedeutet (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.12.1976 - VII C 73.75 -, juris Rn. 16). Dies lässt sich im Hinblick auf das streitgegenständliche Kursangebot nicht erkennen. Das Kennenlernen dieser Kampfsportart im Vor- und Grundschulalter dient nicht der Orientierung in eine bestimmte berufliche Richtung, es mag allenfalls allgemein einen Kompetenzerwerb im Bereich der Körperbeherrschung und zwischenmenschlicher Umgangsformen begünstigen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Unterweisung in Wing Tsun bereits im Vor- oder Grundschulalter unabdingbar oder zumindest maßgeblich für einen späteren beruflichen Erfolg in diesem Bereich wäre. Auch der Umstand, dass Kinder in dieser Altersstufe so genannte Kindergrade der Wing-Tsun-Ausbildung durchlaufen können, deren Abschluss ein Überspringen der ersten der zwölf Schülergrade möglich macht, deren komplettes Durchlaufen Voraussetzung für die Ausbildung zum Wing-Tsun-Trainer ist, ändert daran nichts, da es in diesem Stadium des Erlernens von Wing Tsun (noch) an einem konkreten Berufsausbildungsbezug fehlt.
Auch führt der Umstand, dass Kenntnisse in der Kampfsportart Wing Tsun in einigen später ausgeübten Berufen nützlich sein können, nicht dazu, dass Kurse für Kinder im Vor- und Grundschulalter als Berufsvorbereitungskurse im Wortsinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG anzusehen sind (vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 17.12.2020 - 14 A 2655/18 -, juris Rn. 44).
Ohne dass es auf die Frage ankäme, ob eine solche Auslegung im Hinblick auf "Fortbildung" den Wortlaut des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG überstrapaziert, ist schließlich festzuhalten, dass die streitgegenständlichen von der Klägerin angebotenen Kurse keine Leistungen der "Aus- und Fortbildung" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie sind. Auch hierfür fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen direkten beruflichen Bezug (ebenso OVG Münster, Urt. v. 17.12.2020 - 14 A 2655/18 -, juris Rn. 71).
2. Grundsätzlich entspricht es allerdings der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass nicht nur die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind, sondern auch die Vorbereitung auf einen Beruf schlechthin als steuerrechtlich begünstigte Berufsvorbereitung zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 10). Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs des Bescheinigungsverfahrens auf Leistungen zur beruflichen Orientierung ist durch das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip geboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 12). Sie trägt zugleich der in § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG normierten Verfahrensstufung Rechnung, wonach vor der eigentlichen Steuerbefreiung durch die Finanzverwaltung zunächst die zuständige Landesbehörde ihr spezifisches Fachwissen über die Leistungsinhalte der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen einbringen soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 13). Die an die Verwaltungsbehörde gerichtete Norm ist demnach im Lichte der Umsatzsteuerbefreiung auszulegen (vgl. Thouet, DVBl 2013, 1265 <1266>).
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten unter anderem "Schul- und Hochschulunterricht" von der Steuer. Dem unterfällt das streitgegenständliche Kursangebot der Klägerin nicht.
Im Grundsatz handelt es sich bei den Begriffen Schul- und Hochschulunterricht um autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. Schul- und Hochschulunterricht ist dabei nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern umfasst auch andere Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler oder Studierenden zu entwickeln, soweit diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19 - <Dubrovin & Tröger - Aquatics>, juris Rn. 25 m. w. N.; s. auch BVerwG, Urt. v. 27.04.2017 - 9 C 5.16 -, juris Rn. 21 m. w. N.).
Für die Zwecke der Mehrwertsteuerregelung verweist der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schülerinnen und Schüler sowie Studierenden je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19 - <Dubrovin & Tröger - Aquatics>, juris Rn. 28; Beschl. v. 07.10.2019 - C-47/19 - <Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst>, juris Rn. 30; Urt. v. 14.03.2019 - C-449/17 - <A & G Fahrschul-Akademie>, juris Rn. 26).
Indes liegt "Schul- und Hochschulunterricht" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie selbst dann nicht vor, wenn jener Unterricht zwar die Vermittlung verschiedener praktischer und theoretischer Kenntnisse beinhaltet, aber gleichwohl ein spezialisierter und punktuell erteilter Unterricht bleibt, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19 - <Dubrovin & Tröger - Aquatics>, juris Rn. 31; Beschl. v. 07.10.2019 - C-47/19 - <Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst>, juris Rn. 33; Urt. v. 14.03.2019 - C-449/17 - <A & G Fahrschul-Akademie>, juris Rn. 29). Hieran ändert es auch nichts, wenn der vorgenannte Unterricht ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19 - <Dubrovin & Tröger - Aquatics>, juris Rn. 32 f.).
Diese Begriffsprägung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist auch bei der Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens zu berücksichtigen. Hiergegen spricht insbesondere nicht, dass die nationale Vorschrift das Unionsrecht nicht hinreichend umsetzt, indem die Umsatzsteuerbefreiung auf Einrichtungen beschränkt wird, denen bescheinigt ist, dass die dort angebotene Leistung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Dies führt nicht dazu, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG nicht richtlinienkonform auslegbar wäre. Gerade eine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Regelung gewährleistet, dass das nationale Recht mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie im Einklang steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2017 - 9 C 17.16 -, juris Rn. 31).
Es gilt auch nicht etwa im Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG etwas anderes als bei der Prüfung der sonstigen Voraussetzungen der Norm durch die Finanzverwaltung. Es besteht kein Raum für die Annahme, dass die für die Erteilung der Bescheinigung zuständige Landesbehörde bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung der im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen ein anderes Verständnis zugrunde legen sollte als dasjenige, das der Gerichtshof der Europäischen Union zum Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Kontext der auch der nationalen Vorschrift zugrunde liegenden Richtlinienbestimmung zur Befreiung bestimmter Leistungen von der Umsatzsteuer geprägt hat.
Dafür, dass sich die Landesbehörde stattdessen vom Zweck der Umsatzsteuerbefreiung, Bildungsleistungen erschwinglich zu halten, leiten lassen und auf die prinzipielle Eignung für Bildungsziele oder das Gemeinwohlinteresse der Leistung abstellen soll, ist kein rechtlicher Anhaltspunkt ersichtlich. Die Landesbehörde soll im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG lediglich ihr spezifisches Fachwissen über die Leistungsinhalte der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen einbringen und damit den erforderlichen Beitrag zur Klärung der abschließend von der Finanzverwaltung zu beantwortenden Frage leisten, ob eine umsatzsteuerrechtlich zu privilegierende unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistung einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 13). Dies geschieht letztlich in Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie, der für die Umsatzsteuerbefreiung anderer als öffentlicher Einrichtungen eine Anerkennung der vergleichbaren Zielsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat verlangt (vgl. Leisner-Egensperger/Ahrens, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 2. Aufl. 2020, § 4 Nr. 21 UStG Rn. 62).
Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Befreiungsvorschrift die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Begriffen des unionsrechtlichen Befreiungstatbestands heranzuziehen, die eine enge Auslegung der maßgeblichen Begriffe vorsieht, da an diese eine Ausnahme von dem Grundsatz der Mehrwertsteuerpflichtigkeit anknüpft, und zudem ein Gemeinwohlinteresse an der angebotenen Leistung nicht als ausschlaggebendes Kriterium ansieht (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19 - <Dubrovin & Tröger - Aquatics>, juris Rn. 22, 32).
Bei Zugrundelegung der vorstehend umschriebenen Maßgaben handelt es sich bei dem noch streitgegenständlichen Angebot "Kita Kurs Wahrnehmung/Selbstbehauptung mit WingTsun Kids in der Jahrgangsstufe vor der Einschulung", "Kurse an Schulen Wahrnehmung/Selbstbehauptung/Selbstverteidigung mit WingTsun Kids im Alter ab fünf Jahren" und "WingTsun Kids im Alter von vier bis fünf Jahren" nicht um durch Erteilung einer Bescheinigung des Beklagten nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG umsatzsteuerrechtlich zu privilegierende Leistungen der Klägerin.
Bei Kursen in Wing Tsun für Kinder im Vor- und Grundschulalter handelt es sich vielmehr - wenn schon nicht um reine Freizeitgestaltung - um spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Im Vordergrund des Unterrichtsprogramms steht ganz offensichtlich - auch bei Zugrundelegung der Beschreibungen der Klägerin (Gerichtsakte Bl. 488 ff.) - die Bewegung der Kinder sowie das Entwickeln von Körpergefühl und Körperbeherrschung. Das Herausbilden von Kompetenzen im Bereich der (gewaltlosen) Konfliktbewältigung ist ein weiterer Schwerpunkt, führt aber ebenfalls nicht dazu, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kursangebot der Klägerin um Schulunterricht i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie handelt. Für sich allein kennzeichnet die Unterweisung von Kindern im Vor- und Grundschulalter in der chinesischen Kampfkunst "Wing Tsun" auch unter Berücksichtigung ihrer Nebeneffekte nicht die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen. Dass der Unterricht über bloße körperliche Betätigung hinausgeht, reicht nicht aus, um die insoweit nötige inhaltliche Breite des Angebots herzustellen und von einer Entsprechung des streitbezogenen Leistungsangebots der Klägerin mit Schulunterricht im umsatzsteuerrechtlichen Sinne auszugehen. Auch Bezüge zu wünschenswerten Inhalten des Unterrichts an allgemeinbildenden Schulen (wie Gewaltprävention) bleiben punktuell. Darauf, dass eine Schulung von Kindern in diesem Bereich im Allgemeininteresse liegen dürfte, kommt es - wie ausgeführt - allein nicht an. Schließlich bleibt auch der Umstand, dass Wing Tsun selbst teilweise in öffentlichen allgemeinbildenden Einrichtungen angeboten wird, ohne Bedeutung. Zum einen ist dies nicht generell der Fall. Zum anderen trifft dies beispielsweise auf Schwimmen ebenfalls zu, ohne dass von einer umsatzsteuerrechtlichen Privilegierung des Schwimmunterrichts als solchen auszugehen ist.
Aus in anderen Bundesländern für vergleichbare Leistungen seitens der dort zuständigen Landesbehörde erteilten Bescheinigungen kann die Klägerin in diesem Verfahren für sich keinen Anspruch herleiten. Vergleichbares gilt, soweit der Beklagte in einem Fall einer anderen Einrichtung eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG bezüglich eines an Kinder in einem Alter ab drei Jahren gerichteten Kurses mit Inhalten aus dem Bereich der Gewaltprävention und Selbstverteidigung erteilt hat. Eine Gleichbehandlung im Hinblick auf eine möglicherweise rechtswidrig erteilte Bescheinigung kann die Klägerin nicht beanspruchen.
III. Die begehrte Bescheinigung ist der Klägerin schließlich auch nicht deshalb zu erteilen, weil es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen um "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie handelt.
Wie bereits ausgeführt, sind die Bescheinigungsvoraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG im Interesse einer wirksamen Anwendung des Unionsrechts bis hin zur Wortlautgrenze so auszulegen, dass hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, eine Bescheinigung erteilt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.09.2021 - 9 B 8.21 -, juris Rn. 4; Urt. v. 27.04.2017 - 9 C 5.16 -, juris Rn. 20; Urt. v. 12.06.2013 - 9 C 4.12 -, juris Rn. 13). Die Argumentation der Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Dezember 2021 - XI R 3/20 -, dass die zuständige Landesbehörde demnach auch für Präventionskurse für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter wegen deren möglicher Einstufung als "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" eine Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG erteilen könne, überschreitet jedoch die vom Bundesverwaltungsgericht gezogene Grenze, indem sie - die Argumentation - die Bescheinigungsvoraussetzungen über den Wortlaut hinaus erweitert.
Die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen sind in Umsetzung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in § 4 Nr. 23 UStG sowie der Vorgängervorschrift einer Regelung zugeführt worden, ohne dass es danach einer Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde bedürfte. Vor diesem Hintergrund ist bei Leistungen in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen eine erweiternde Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG auch mit der Folge, dass diese dann einem Bescheinigungsverfahren unterlägen, nicht geboten (ebenso OVG Münster, Urt. v. 17.12.2020 - 14 A 2655/18 - juris Rn. 73 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt für den noch streitigen Teil aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Für das erstinstanzliche Verfahren ist die einheitlich für den streitigen und den eingestellten Teil vorgenommene Kostenverteilung im Hinblick auf den streitigen Teil zu ändern. Das Verwaltungsgericht ist für den streitigen Teil bei Zugrundelegung eines Wertes von 5.000,- Euro pro zu bescheinigender Leistung insoweit - unter Halbierung in Bezug auf einen Kurs, bei dem das Begehren auf Erteilung einer Bescheinigung nur teilweise aufrecht erhalten wurde - von einem Anteil von ca. 36 % (12.500,- Euro) des erstinstanzlich zunächst anhängig gemachten Gesamtstreitgegenstandes (35.000,- Euro) ausgegangen. Diesen Anteil an den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat nunmehr die insoweit unterliegende Klägerin zu tragen. Im Übrigen bleibt es für das erstinstanzliche Verfahren bei der durch das Verwaltungsgericht auf Grundlage von § 155 Abs. 2 bzw. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO getroffenen Entscheidung zur Kostenverteilung, die gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar ist.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind ebenfalls der Klägerin aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 Satz 1, § 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ist die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Anregung einer Revisionszulassung aufgeworfene Frage, ob Leistungen, die der Erziehung von Kindern und Jugendlichen dienen, nach der nationalen Vorschrift auch Bildungsleistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG sein können, nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich bedeutsam. Diese Frage lässt sich vielmehr - wie bereits ausgeführt - ohne weiteres unter Heranziehung der bisher zum Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verneinen.