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  • 23.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231424

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 17.05.2022 – 4 K 119/18

    Stichwort: Ärztliche Heilbehandlungen sind gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch dann steuerfrei, wenn sie im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden und diese Krankenhausleistungen ihrerseits nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG begünstigt sind, weil nicht alle Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind.

    Die Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG wird - bezogen auf die Heilbehandlung - nicht dadurch verhindert, dass der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 b UStG dem Grunde nach eröffnet ist (entgegen FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Februar 2017, 1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305; entgegen BT-Drucksache 16/10189, Seite 74, 75).




    In dem Rechtsstreit
    wegen Umsatzsteuer 2009
    hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 17.05.2022 für Recht erkannt:
    Tenor:

    Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 8. Februar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2018 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer verringert und auf ... € festgesetzt wird.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

    Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Leistungen der Klägerin im Streitjahr 2009 als ärztliche Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit sind oder nicht.

    Die Klägerin ist die A GmbH. Sie erbringt Leistungen im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie durch ihren Geschäftsführer und Alleingesellschafter, den Arzt Dr. C.

    Im Unternehmen der Klägerin führte das Finanzamt für den Prüfungszeitraum 1999 - 2003 eine Außenprüfung durch. Im Verlauf dieser Prüfung stellte es fest, dass die Klägerin alle von ihr erzielten Umsätze als nach § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit behandelt hatte. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, dass nicht sämtliche Umsätze aus der Tätigkeit eines Arztes von der Umsatzsteuer befreit seien, sondern dass die Steuerbegünstigung nur für Umsätze aus Tätigkeiten eingreife, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen ausgeführt würden. Da die Klägerin den Nachweis einer entsprechenden medizinischen Indikation ihrer Behandlungen nach Auffassung des Finanzamtes nicht ausreichend erbracht hatte, ermittelte es die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege für den Prüfungszeitraum und die nachfolgenden Veranlagungszeiträume, wobei es die Steuerbefreiung teilweise verwehrte.

    Für das hier relevante Streitjahr 2009 erklärte die Klägerin in ihrer am 23. Dezember 2010 eingegangenen Umsatzsteuererklärung ausschließlich steuerfreie Umsätze in Höhe von ... € und eine Steuer von 0,- €. Die Erklärung wurde zunächst ohne Abweichung verarbeitet.

    Im Lichte der vorgenannten Betriebsprüfung ging das Finanzamt sodann von teilweise nicht medizinisch indizierten Behandlungen aus, behandelte im Schätzungswege einen Betrag von ... € der erklärten als steuerpflichtig und unterwarf einen danach errechneten Nettoumsatz in Höhe von ... € dem Regelsteuersatz. Daraus folgte eine Umsatzsteuer in Höhe von 8.032,82 €. Unter Berücksichtigung eines prozentual geschätzten Vorsteuerabzugs in Höhe von 25 % der sich ergebenden Umsatzsteuer ergab sich eine Umsatzsteuerlast für 2009 in Höhe von ... €. Nach einer entsprechenden Vorankündigung änderte das Finanzamt die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung mit dem Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 8. Februar 2013 und setzte die Steuer entsprechend der vorbenannten Berechnung fest.

    Zu diesem Zeitpunkt war beim erkennenden Senat bereits ein Rechtsstreit anhängig, in welchem sich die Klägerin gegen die aufgrund der Betriebsprüfung erfolgte teilweise Verwehrung der Steuerbefreiung in einem davorliegenden Veranlagungszeitraum wandte. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 4 K 233/11 (später 4 K 27/15 bzw. 4 K 155/16) geführt. Es ruhte zwischenzeitlich zweimal im Hinblick auf die Verfahren vor dem BFH zu den Aktenzeichen V R 16/20 und V B 38/13 sowie das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Aktenzeichen 1 BvR 1233/15.

    Gegen den Umsatzsteuerbescheid 2009 legte die Klägerin am 22. Februar 2013 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf das benannte Gerichtsverfahren zum Aktenzeichen 4 K 233/11 sowie darauf, dass nach ihrer Auffassung ausschließlich therapeutisch indizierte Operationen vorgenommen worden seien. Das Einspruchsverfahren zum Streitjahr 2009 ruhte im Hinblick auf das laufende Gerichtsverfahren.

    In dem Verfahren 4 K 233/11 (später 4 K 27/15, bzw. 4 K 155/16) fand am 11. Oktober 2017 ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. In diesem Erörterungstermin wurde die Frage, ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - die von der Klägerin erbrachten ärztlichen Leistungen medizinisch indiziert waren, anhand zahlreicher Unterlagen, welche die Klägerin zu Gerichtsakten gereicht hatte, erörtert (siehe die beigezogenen Aktenbände I - III zur Sache 4 K 27/15 sowie die GA zur Sache 4 K 155/16). Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beweisführung wurde sodann eine tatsächliche Verständigung geschlossen, anhand derer der Anteil der medizinisch indizierten Leistungen festgelegt wurde, welcher somit die Voraussetzungen für eine steuerliche Begünstigung erfüllte. Konkret heißt es in dieser tatsächlichen Verständigung u.a.:

        Präambel:

        (...)

        Die Beteiligten legen für diese Verständigung die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde, wonach die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 der Richtlinie 2006/112 EG) autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe beinhaltet.

        (...)

        Der Nachweis für eine umsatzsteuerliche Heilbehandlung ist vom Steuerpflichtigen zu erbringen. Der BFH hat hierzu ausführliche Grundsätze entwickelt, nach denen der Steuerpflichtige u.a. gehalten ist, anonymisierte Patientenunterlagen für jede einzelne Behandlung vorzulegen, zu welchen das Gericht dann jeweils Beweis erheben muss (BFH-Urteil vom 4.12.2016, V R 16/12, BFH/NV 2015, 645 [BFH 04.12.2014 - V R 16/12]). Der Kläger sieht in diesen Anforderungen einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand sowie einen unangemessenen Einschnitt in das Patientengeheimnis und den Datenschutz.

        Dies vorangeschickt treffen die Beteiligten folgende Verständigung:

        Ziff. 1:

        Die Verständigung betrifft ausschließlich die umsatzsteuerliche Behandlung der Umsätze der Klägerin. Im Lichte der Autonomie der hierfür maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Begriffe der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Richtlinie 2006/112 EG) erfolgt die Verständigung damit ohne Präjudiz für andere rechtliche Bereiche.

        Ziff. 2:

        Das Finanzamt sieht davon ab, für die Zwecke der Umsatzbesteuerung auf die Vorlage der nach Maßgabe der Rechtsprechung aufbereiteten Patientenakten zu insistieren.

        Ziff. 3:

        Aufgrund der durch Ziff. 2 für das Finanzamt verbliebenen Ungewissheit über das Vorliegen der Voraussetzung einer steuerlichen Begünstigung wird für das Streitjahr 2002 ein Nettoumsatz in Höhe von ... € zugrunde gelegt. Daraus folgt eine Umsatzsteuer (Steuersatz 16 %) in Höhe von ... €. Dagegen zu rechnen sind geschätzte Vorsteuern in Höhe von 25 % der benannten Steuersumme. Die sonach zu errechnende Steuerlast wird Gegenstand der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 2002.

    Für die auf das damalige Streitjahr nachfolgenden offenen Streitjahre 2003 sowie 2007 bis einschließlich 2014 wurde folgendes protokolliert:

        Für die Zukunft - namentlich für die weiteren offenen Streitjahre 2003 sowie 2007 bis einschließlich 2014 - halten die Beteiligten folgendes Vorgehen grundsätzlich für sachgerecht: Auszugehen ist von den erklärten steuerfreien Umsätzen. Hiervon ist ein pauschaler Abzug von 30 % vorzunehmen.

        (...)

        Der sonach verbliebene Betrag ist die "Streitsumme". Auf diese "Streitsumme" wird der bereits in der Betriebsprüfung zugrunde gelegte Prozentsatz von 25 % angewandt. Diese 25 % der "Streitsumme" stellen die (Brutto-)Summe der nicht umsatzsteuerbefreiten Umsätze dar. Aus diesem Betrag ist die Umsatzsteuer herauszurechnen. Der sonach verbliebene Umsatzsteuerbetrag ist um ein Viertel der dagegen geschätzten Vorsteuern zu reduzieren. Der sonach ermittelte Wert kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

    Der Anteil der nicht medizinisch indizierten Behandlung errechnete sich nach dieser Verständigung damit dergestalt, dass von der um 30% gekürzten Gesamtsumme der Umsätze ein Teil von 25% als steuerpflichtiger (Brutto-)Umsatz errechnet wurde. Die Vorsteuern betrugen 1/4 der daraus folgenden Steuer.

    Ebenfalls im Rahmen des Erörterungstermins wurde mit Blick auf die geänderte Rechtslage ab dem Jahr 2009 auch das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 2017 (1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305) angesprochen. Da Rechtsfolgen insoweit noch nicht abschließend geklärt waren, wurde Folgendes protokolliert:

        Diese grundsätzlichen Ausführungen stehen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 naturgemäß unter dem Vorbehalt einer Prüfung des Sachverhalts anhand der geänderten Rechtslage ab diesem Streitzeitraum; der Berichterstatter verweist auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 2017 (1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305).

    Mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 teilte das Finanzamt der Klägerin mit, wie sich die Besteuerungsgrundlagen auf Basis des vereinbarten Vorgehens für die einzelnen Streitjahre darstellen. Für das Jahr 2009 würden sich danach folgende Werte ergeben: Erklärte steuerfreie Umsätze: ... € ./. Pauschalabschlag von 30 % = Streitsumme (brutto) ... €. Nicht medizinisch indiziert davon wären 25% (... € brutto), was eine Umsatzsteuer in Höhe von ... € ergebe. Hiervon abzuziehen seien Vorsteuern in Höhe von 25 % des sich ergebenden Umsatzsteuerbetrages. Sonach verbliebe eine Umsatzsteuer 2009 in Höhe von ... €.

    Unter Bezugnahme auf das im Erörterungstermin angesprochene Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf (1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305) teilte das Finanzamt indes für die Zeiträume ab 2009 in rechtlicher Hinsicht folgendes mit: Die Klägerin habe sich im Verfahren wiederholt darauf berufen, dass sie als "Krankenhaus" anerkannt sei. Sei aber eine Privatklinik wie die Klägerin in der Rechtsform einer GmbH Schuldnerin von durchgeführten ärztlichen Leistungen, fielen diese ab dem Jahr 2009 nicht mehr in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 c der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Dies gelte selbst dann, wenn der behandelnde Arzt alleiniger Gesellschafter der GmbH sei. Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses oder einer anderen Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG seien hinsichtlich der ärztlichen Leistungen nur dann umsatzsteuerbefreit, wenn die in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sein (Verweis auf BFH - Urteil vom 18. März 2004, Bundessteuerblatt II 2004, 677, XI R 8/13). Dass die Klägerin die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in der ab 2009 geltenden Fassung erfülle, sei indes nach Aktenlage nicht ersichtlich. Es würde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nachdem die Klägerin den Standpunkt vertrat, dass die Leistungen damals wie heute dieselben seien, bat das Finanzamt um detailliertere Angaben zu der Frage, inwieweit die Klägerin ab 2009 ein nach § 30 der Gewerbeordnung konzessioniertes Krankenhaus betrieben habe.

    Nachdem darauf keine Antwort erfolgte, erließ der Beklagte mit Datum vom 20. Juni 2018 die Einspruchsentscheidung. Darin setzte er die Steuer auf ... € fest, wobei sämtliche als steuerfrei erklärten Umsätze als steuerpflichtiger Bruttowert zugrunde gelegt, daraus die Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz herausgerechnet und um geschätzte Vorsteuern von 1/4 bereinigt wurde. Zur Begründung legte er Folgendes dar: Wenn eine Privatklinik in der Rechtsform einer GmbH - und nicht der tatsächlich behandelnde Arzt - Schuldner der durchgeführten ärztlichen Leistungen sei, so fielen diese Behandlungen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. a des UStG. Dies gelte - so das vorgenannte Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf - selbst dann, wenn der behandelnde Arzt alleiniger Gesellschafter der GmbH sei. Damit komme für die Klägerin als Privatklinik in der Rechtsform einer GmbH allenfalls die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Norm seien aber nicht erfüllt, weil die Klägerin weder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sei (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG), noch die besonderen Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG erfülle. Denn es sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei der von der Klägerin betriebenen Klinik um ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus oder um ein Zentrum für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung handle, dass sie an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnehme, oder dass für sie die Regelungen nach § 115 SGB V gelten würden (Verweis auf § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 aa und bb UStG). Auch eine Berufung auf das Unionsrecht komme nicht in Betracht. Denn nach Art. 132 Abs. 1 b Mehrwertsteuersystemrichtlinie befreiten die Mitgliedstaaten von der Steuer lediglich die Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden. Eine unmittelbare Berufung auf diese Vorschrift scheitere aber nach Aktenlage daran, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, dass sie ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie in öffentlicher Trägerschaft stehende Krankenhäuser erbracht habe. Allein der Hinweis, dass der Anteil gesetzlich versicherte Patienten mindestens 40 % der behandelten Patienten betrage, lasse nicht den Rückschluss zu, dass eine soziale Vergleichbarkeit mit Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder mit nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern gegeben sei. Die Vergleichbarkeit müsse auch hinsichtlich der angebotenen Leistungen, der personellen Ausstattung, aber auch bezüglich der Abrechnungsweise der Leistung gegeben sein.

    Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 11. Juli 2018 bei Gericht eingegangenen Klage. Sie verfolgt das Ziel, eine Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der seinerzeitigen tatsächlichen Verständigung und damit eine Festsetzung in Höhe der vom Finanzamt auf dieser Basis errechneten ... € zu erreichen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlich vor, die Einordnung des Finanzamts beruhe auf der falschen Beurteilung der Klägerin als "Klinik". Die umsatzsteuerliche Einordnung als "Krankenhaus" sei abschließend durch den behördlichen Bescheid nach § 30 Gewerbeordnung begrenzt. In diesem Sinne sei die Klägerin ausschließlich befugt, mit zwei konzessionierten Betten in der Klinik E in F tätig zu sein. Alle anderen Umsätze würden "in eigener Praxis" in anderen Kliniken in den dort bereitgehaltenen Räumen angebahnt und die entsprechenden OP's durchgeführt. Die Patientenkontakte fänden in Sprechstunden ausschließlich in der Klinik G und der Klinik I statt. Dies entspreche der Tätigkeit eines Belegarztes/Honorararztes. Die Klägerin sei insoweit kein "Krankenhaus" und Herr Dr. C auch kein "Betreiber" eines solchen. Es gehe lediglich um die umsatzsteuerliche Einordnung einer in der Rechtsform der GmbH betriebenen ärztlichen Tätigkeit. Damit sei weder tatsächlich noch rechtlich eine andere Ausgangslage wie in den Vorjahren eingetreten.

    Der Wegfall des bis einschließlich 2008 geltenden § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 3 UStG ("Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses") und die nunmehrige vom Finanzamt vorgenommene Einordnung unter § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG betreffe damit ausschließlich die beiden selbst betriebenen und konzessionierten Betten in F. Das diese Leistungen unter den Bedingungen des Sozialvorbehaltes erbracht würden, könne die Klägerin nachweisen. Denn die "vergleichbaren Bedingungen" wie in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuern folge aus den Vereinbarungen im Ausgliederungsvertrag mit der Klinik in F. Diese erbringe selbst nach § 132 Abs. 1 b Mehrwertsteuersystemrichtlinie begünstigte Leistungen und die Honorare der Klägerin lägen unter denen von öffentlich-rechtlichen oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern. Die Behandlungs- und Unterbringungskosten lägen 10% - 15% unter dem Satz, den ein vergleichbares Vertragskrankenhaus allein für die stationäre Behandlung der Krankenkasse in Rechnung stellen würde; bei Privatpatienten liege der Preis 60%-80% unter dem Klinik- und Ärztepreis. Unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 23. Oktober 2014 (V R 20/14, dort Tz. 17 ff.) werde zudem darauf hingewiesen, dass eine nicht vollständige Übernahme der Kosten von den Sozialversicherungsträgern unschädlich sei, dass es auf die Höhe der Vergütungssätze nicht ankomme, und dass die Quote von 35% gesetzlich versicherten Patienten erfüllt sei. Im Übrigen komme es darauf an, dass die Versicherer - also auch die privaten - die Kosten erstatteten. Dies sei der Fall gewesen, was auch Inhalt der Verständigung gewesen sei.

    Mit Schreiben vom 4. November 2021 hat die Klägerin ihren Vortrag im Hinblick auf die Behandlungsabläufe konkretisiert. Alle Operationen würden ausschließlich in Räumlichkeiten von Krankenhäusern ausgeführt, welche die Vorgaben von § 108 SGB V erfüllten. Dabei erfolgten einige Behandlungen an Standorten, an denen die Klägerin selbst nach § 30 GewO unter dem Dach der Klinik E konzessioniert sei und einige Behandlungen erfolgten an Standorten, an denen die Klägerin die Behandlungsmöglichkeiten anderer nach § 30 GewO konzessionierter Klinken in eigener Verantwortung nutze. Es gebe insoweit drei verschiedene Behandlungskonstellationen:

        - In der ersten Konstellation werde eine Sprechstunde in der Klinik G durchgeführt, wo auch die Operation und der stationäre Aufenthalt erfolgten. Dazu hat die Klägerin eine exemplarische Ausgangsrechnung über 5.880 EUR an eine Patientin, eine Gutschrift der Klägerin zugunsten der Klinik G über das Nutzungsentgelt für die von der Klägerin bezogenen Leistungen (z.B. Aufenthalt / Anästhesie / ärztlicher Bereitschaftsdienst / Nachbehandlungen) und eine Vergleichskalkulation nach DRG (DRG = Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Kranhausfälle anhand medizinischer Daten einzelnen Fallgruppen zugeordnet werden), aus der sich ein Preis von ... € ergebe.

        - In der zweiten Konstellation werde eine Sprechstunde in der Klinik I durchgeführt, während die Operation / der stationäre Aufenthalt im Rahmen der Krankenhauskonzession der Klägerin in F erfolgten. Dazu hat die Klägerin eine exemplarische Ausgangsrechnung an eine Patientin (5.112 EUR), eine Rechnung der Klinik E an die Klägerin für den zweitätigen Aufenthalt, eine Rechnung des Anästhesisten an die Klägerin für die Narkose und eine Vergleichskalkulation nach DRG über ... € eingereicht.

        - In der dritten Konstellation werde eine Sprechstunde in der Klinik I durchgeführt, wo auch die Operation und der stationäre Aufenthalt erfolgten. Dazu hat die Klägerin eine Ausgangsrechnung an eine Patientin, eine Rechnung der Klinik I an die Klägerin für den Aufenthalt, eine Rechnung des Anästhesisten an die Klägerin für die Narkose und eine Vergleichskalkulation nach DRG über ... € eingereicht.

    Abschließend verweist die Klägerin darauf, dass fraglich sei, ob die mit der Einspruchsentscheidung erfolgte Verböserung im Hinblick auf § 367 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- rechtmäßig erfolgt sei: Der normale Ablauf der Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2014 sei durch den Einspruch vom 20. Februar 2013 gehemmt (§ 171 Abs. 3a AO). Die aktuelle Einspruchsentscheidung aus dem Jahr 2018 stelle mit Verweis auf § 164 Abs. 2 AO eine Verböserung dar, auf die der Steuerpflichtige nicht hingewiesen worden sei. Da die Möglichkeit der Verböserung nur auf dem Einspruch beruhe, sei sie ohne Ankündigung der Verböserung rechtswidrig (Verweis auf Schwarz/Pahlke, § 171 AO, Rz. 46).

    Die Klägerin beantragt,

    den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 8. Februar 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2018, dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer verringert und auf ... € festgesetzt wird,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Einwand, die Verböserung sei unzulässig gewesen, greife nicht durch. Wenn nach dem Prozessbegehren des Steuerpflichtigen eine Rücknahme des Rechtsmittels nicht in Betracht komme, sondern der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - vor dem Finanzgericht materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzungen erhebe und die weitergehende Herabsetzung der Steuer beantrage, so habe das Finanzgericht den Verfahrensfehler des Finanzamts nicht zu beachten, sondern über den weitergehenden Klagantrag zu entscheiden (Verweis auf BFH, Beschluss vom 14. Juli 2004, IX B 102/03, BFH/NV 2004,1514). Im Übrigen werde an der bisherigen Auffassung festgehalten und auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

    Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 2. März 2021 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Darin wurde u.a. auf das Urteil des FG Münster vom 19. Dezember 2013 (5 K 519 /18 U) sowie auf das Urteil des EuGH vom 18. September 2019 (C - 700/17, DStR 2019, 1972 [BFH 27.06.2019 - IV R 44/16]) hingewiesen. Verstünde man die dortigen Ausführungen (insbesondere Rn. 26 ff. - zit. n. juris) dahingehend, dass - selbst bei Krankenhausleistungen - eine umsatzsteuerliche Begünstigung für medizinisch indizierte Leistungen stets in Betracht komme, so wären die ärztlichen Leistungen steuerlich privilegiert, sofern die medizinische Indikation nachgewiesen sei. Hierbei sei es gleich, ob es sich um "Belegarztleistungen" oder um "Krankenhausleistungen" handele. Folge man dagegen dem Ansatz des Finanzgerichts Düsseldorf (Urteil vom 17. Februar 2017, 1 K 1994/13 U), wonach Leistungen im Rahmen eines Krankenhausbetriebes ausschließlich nach Art. 132 Abs. 1 b Mehrwertsteuersystemrichtlinie begünstigt werden könnten, so käme es darauf an, ob solche Leistungen vorlägen und - wenn ja - ob die Vergleichbarkeit gegeben sei. Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass sie für das hier vorliegende, das Jahr 2009 betreffende Streitverfahren an der o.g. Verständigung aus dem Verfahren 4 K 155/16 insoweit festhalten, als darin die prozentualen Anteile der medizinisch indizierten Leistungen der Klägerin sowie die Höhe der abziehbaren Vorsteuern festgelegt wurden.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Umsatzsteuerbescheid ist, soweit er mit der Klage angegriffen ist, rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher insoweit in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Denn soweit die Beteiligten im Rahmen ihrer für das hier vorliegende Streitverfahren getroffenen tatsächlichen Verständigung übereinstimmend von einem Anteil medizinisch indizierter Heilbehandlungen der Klägerin ausgehen, sind diese - auch nach der ab dem Streitjahr geltenden Rechtslage - nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Zwar sprechen Gründe dafür, dass bei den Leistungen der Klägerin grundsätzlich der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG eröffnet ist, und es ist nach Aktenlage zweifelhaft, ob insoweit alle für eine Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Jedoch ist der Senat - entgegen dem Urteil des FG Düsseldorf vom 17. Februar 2017 (1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305) - der Auffassung, dass § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG neben § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG Anwendung findet. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG liegt in dem mit der Klage begehrten Umfang vor.

    1.)

    Dabei ist dem Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass der im Rahmen der Einspruchsentscheidung erfolgten Verböserung kein verfahrensrechtliches Hindernis nach § 367 der Abgabenordnung - AO - entgegenstand.

    Gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO kann der mit dem Einspruch angegriffene Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Eine Verböserung im Rahmen der Einspruchsentscheidung ist damit nicht zulässig, wenn ein entsprechender Hinweis im Sinne des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht erfolgt ist. Fehlt ein solcher Hinweis, haben die Gerichte den Betroffenen grundsätzlich so zu stellen, dass er durch das unrechtmäßige Verhalten des unterlassenen Hinweises keinen Schaden erleidet. Der Steuerpflichtige muss folglich in die Lage zurückversetzt werden, in der er sich ohne den prozessualen Verstoß befände; das geschieht grundsätzlich durch eine Zurückweisung an das Finanzamt (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 1959, III 286/57 U, BStBl. III 1959, 1124). Wenn jedoch nach dem Prozessbegehren des Steuerpflichtigen eine Zurücknahme des Rechtsmittels nicht in Betracht kommt, er vielmehr - wie die Klägerin im vorliegenden Streitfall - vor dem Finanzgericht materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und die Herabsetzung der Steuer beantragt, so hat das Finanzgericht den Verfahrensfehler des Finanzamts nicht zu beachten, sondern über den weitergehenden Klagantrag zu entscheiden (vgl. m. w. N. BFH-Beschluss vom 14. Juli 2004, IX B 102/03, BFH/NV 2004, 1514).

    Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann dahinstehen, ob das Finanzamt einen entsprechenden Verfahrensfehler gemacht hat; denn jedenfalls wäre er unbeachtlich. Die Klägerin hatte den Änderungsbescheid 2009 vom 8. Februar 2013 über ... € mit der Begründung angegriffen, sie habe lediglich steuerfreie Leistungen erbracht. Nach der mit der Einspruchsentscheidung erfolgten reformatio in peius in Gestalt einer Steuererhöhung auf ... € hat die Klägerin sodann Klage erhoben und verfolgt nunmehr das Ziel, unter Berufung auf § 4 Nr. 14 UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Steuerfestsetzung zu erreichen, die unter der ursprünglichen Steuerfestsetzung liegt, welche die Klägerin mit ihrem Einspruch angegriffen hatte. Die Klägerin erhebt damit materiell-rechtliche Einwendungen nicht nur gegen die Verböserung, sondern (auch) gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung und beantragt eine Herabsetzung dieser. Somit ist der Verfahrensfehler entsprechend der oben genannten Rechtsprechung nicht zu beachten.

    2.)

    a.)

    Die streitgegenständlichen Umsätze waren gemäß § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG - mit Ausnahme von Umsätzen in Höhe von ... € brutto - steuerfrei. Das führt zu einer Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Hiervon abzuziehen waren entsprechend der tatsächlichen Verständigung Vorsteuern in Höhe von 25 % des sich ergebenden Umsatzsteuerbetrages. Sonach verblieb eine Umsatzsteuer 2009 in Höhe von ... €.

    Nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung waren von der Umsatzsteuer befreit

        Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebammen oder einer ähnlichen beruflichen Tätigkeit durchgeführt werden.

    Die Vorschrift setzt Artikel 13 Teil A Abs. 1 c der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer,

        Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden.

    Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Steuerbefreiungstatbestände des Art. 13 Teil a der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Art. 132 Mehrwertsteuersystemrichtlinie als Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Dienstleistung gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegt, eng auszulegen (vgl. etwa EuGH-Urteil vom 14. September 2000, C-384/98, BFH/NV 2001, Beilage 1, 31 [BFH 09.06.2000 - X B 104/99]). Diese restriktive Auslegung muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gesamte Mehrwertsteuersystem beruht. Ziel der benannten Steuerbefreiung ist es, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken (vgl. EuGH-Urteil vom 18. November 2010, C-156/09, BFH/NV 2011, 179). Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG mithin voraus, dass der Unternehmer (vgl. m. w. N. BFH-Urteil vom 8. August 2013, V R 8/12, BFH/NV 2014, 119)

    - eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin

    - durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt,

    - und dass er die dafür erforderliche Qualifikation besitzt.

    b.)

    Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Hierzu gehören auch Leistungen zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit. "Ärztliche Leistungen", "Maßnahmen" oder "medizinische Eingriffe" zu anderen Zwecken sind keine Heilbehandlungen (vgl. bspw. BFH-Urteile vom 18. August 2011, V R 27/10, BFHE 235, 58; vom 4. Dezember 2014, V R 16/12, BFH/NV 2015, 645). Auch ästhetische Behandlungen können Heilbehandlungen darstellen, wenn die Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2014, V R 16/12, BFH/NV 2015, 645). Für die Feststellung, ob eine nach diesen Maßgaben zu beurteilende medizinisch indizierte Heilbehandlung oder ein nicht begünstigter ärztlicher Eingriff vorliegt, ist im Bereich der ästhetisch chirurgischen Maßnahmen grundsätzlich eine Einzelprüfung sämtlicher durchgeführter Operationen und Behandlungen erforderlich (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2014, V R 16/12, BFHE 248, 416). Diese Einzelprüfungen sind auf Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen vorzunehmen, die als Grundlage für eine auf jeden Einzelfall vorzunehmenden Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten fungieren (zu den Einzelheiten und auch zum Beweismaß vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 4. Dezember 2014, V R 16/12, BFH/NV 2015, 645). Eine hinreichende Qualifikation der die Behandlung ausführenden Person liegt insbesondere dann vor, wenn die entsprechend belegte ärztliche Heilbehandlung von einem approbierten Arzt vorgenommen wird. Dabei ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung - welcher der Senat folgt - unbeachtlich, in welcher Rechtsform der Leistungserbringer tätig wurde (EuGH-Urteil vom 10. September 2002, C-141/00, BFH/NV 2003, Beilage 1, 30-35 [BFH 23.07.2002 - VIII R 6/02]; BFH-Urteil vom 22. April 2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849). Auch die von einer GmbH erbrachte Leistung kann daher unter § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG fallen, wenn sie von einer entsprechend qualifizierten Person vorgenommen worden ist.

    c.)

    Die genannten Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG sind dem Grunde nach in dem von der Klägerin angestrebten Umfang erfüllt. Zunächst ist der Geschäftsführer und Alleingesellschafter als Erbringer der medizinischen Leistungen als approbierter Arzt hinreichend qualifiziert. Auch liegen im o.g. Umfang medizinisch indizierte Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin vor. Für die Feststellung einer medizinischen Indikation und damit der Qualifikation als Heilbehandlung im oben benannten Sinne ist zwar grundsätzlich für jeden Einzelfall eine gesonderte Prüfung vorzunehmen. Auch ist festzustellen, dass die Klägerin für das Streitjahr 2009 keine hinreichenden Unterlagen für die Vornahme entsprechender Prüfungen vorgelegt hat. Unterlagen in diesem Sinne sind insbesondere nicht die zu den Gerichtsakten eingereichten Papiere, welche mit Schreiben vom 4. November 2021 übermittelt wurden. Diese betreffen zunächst nicht den Streitzeitraum und dürften zudem - wobei es darauf nicht mehr ankommt - nicht aussagekräftig genug sein, um über die medizinische Indikation der jeweiligen Maßnahme Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben zu können. Gleichwohl sind die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Heilbehandlung teilweise anzunehmen und zwar in dem Umfang, in welchem die Beteiligten im Rahmen ihrer auf das Streitverfahren und das Jahr 2009 begrenzten tatsächlichen Verständigung Einvernehmen darüber erzielt haben, dass die Behandlungen der Klägerin der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienten und damit einen therapeutischen Zweck hatten. In diesem Umfang (alle Umsätze - ausgenommen mit dem Regelsteuersatz zu besteuernde Umsätze in Höhe von ... € brutto) sind daher die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG erfüllt.

    d.)

    Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG scheitert im Streitfall auch nicht daran, dass der persönliche Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG - dessen Voraussetzungen nach Aktenlage nicht vollständig dargetan sein dürften - dem Grunde nach erfüllt und die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG dadurch verdrängt wäre. Zwar sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Krankenhausleistungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie erbracht hat (dazu e.)). Jedoch teilt der Senat nicht die Auffassung des Finanzamts (s.a. FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Februar 2017, 1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305), wonach medizinisch indizierte Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die von einem approbierten Arzt (oder von einer aus solchen bestehenden Gesellschaft) erbracht werden, im Anwendungsbereich der ab 2009 geltenden Rechtslage nicht (mehr) nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG steuerfrei sein können, wenn die Behandlungen in einem Krankenhaus und damit im grundsätzlichen Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG/Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie erfolgen (dazu f.). Damit kann im Streitfall letztlich dahinstehen, ob (auch) sämtliche Voraussetzungen der letztgenannten Befreiungsvorschriften erfüllt sind (dazu g.)).

    e.)

    Es sprechen gewichtige Gründe dafür, dass die Leistungen der Klägerin im Anwendungsbereich der Vorschriften des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie erbracht wurden. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie - auf dem die Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG basiert - befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind (...). Art. 132 Abs. 1 Buchst. c Mehrwertsteuersystemrichtlinie - auf dem die Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG basiert - begünstigt dagegen die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden. Bei dem Kriterium, welches zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Steuerbefreiungstatbestände des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) einerseits und Art. 132 Abs. 1 c Mehrwertsteuersystemrichtlinie (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) andererseits zu berücksichtigen ist, hat der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung weniger auf die Art der Leistung als vielmehr auf den Ort ihrer Erbringung abgestellt. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) beziehe sich danach auf Leistungen, die in Krankenhäusern erbracht würden, während Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) Leistungen betreffe, die außerhalb von Krankenhäusern - sei es in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort - erbracht werden (vgl. etwa EuGH-Urteil vom 8. Juni 2006, C-106/05, HFR 2006, 831; vom 21. März 2013, C-91/12, HFR 2013, 458).

    Der Begriff des Krankenhauses wird sowohl in § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) als auch in § 107 Abs. 1 SGB V definiert. Gemäß § 2 Nr. 1 KHG sind Krankenhäuser "Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen (...) und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können." Nach § 107 Abs. 1 SGB V sind Krankenhäuser Einrichtungen, "die

        1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,

        2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten,

        3. mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen

        4. die Patienten untergebracht und verpflegt werden können."

    Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben ihre Leistungen in den Räumlichkeiten von Krankenhäusern erbracht, welche die Vorgaben von § 108 SGB V (der das Vorliegen der Voraussetzungen des § 107 SGB V voraussetzt) erfüllen. Dabei seien einige Behandlungen an Standorten erfolgt, an denen die Klägerin selbst nach § 30 Gewerbeordnung unter dem Dach der Klinik E konzessioniert sei und einige Behandlungen seien an Standorten erfolgt, an denen die Klägerin die Behandlungsmöglichkeiten anderer nach § 30 Gewerbeordnung konzessionierter Kliniken in eigener Verantwortung genutzt habe. Nach den Ausführungen, welche mit den exemplarischen Unterlagen aus dem Jahr 2016 erläutert wurden, hat die Klägerin dabei gegenüber ihren Patienten sämtliche Leistungen selbst erbracht und sich im Innenverhältnis auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen der Infrastruktur (bspw. Räumlichkeiten, ärztlicher Bereitschaftsdienst, ambulante Nachbetreuung etc.) der jeweiligen Krankenhäuser bedient. Solche Leistungsbündel dürften entgegen der klägerischen Ansicht als Krankenhausbehandlungen i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG / Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu betrachten sein und zwar ungeachtet der Frage, ob die Klägerin im Einzelfall über eine eigene Erlaubnis nach § 30 Gewerbeordnung verfügte oder nicht.

    f.)

    Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, da nach Auffassung des Senats auch bei einer grundsätzlichen Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG / Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Befreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG / Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht ausgeschlossen wäre.

    Das Finanzamt bezieht sich bei seiner gegenteiligen Ansicht - wonach einerseits § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG aufgrund des Vorliegens von Krankenhausbehandlungen verdrängt sei, jedoch andererseits eine Befreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst b UStG ausscheide, weil nicht sämtliche Voraussetzungen dieser Norm erfüllt seien - auf die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 17. Februar 2017 (1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305). Das FG Düsseldorf wiederum begründete seine Auffassung im Wesentlichen unter Verweis auf die mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingeführte Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG: Nach der alten - bis einschließlich 2008 geltenden - Fassung waren nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei: "(...) die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt (...)." Nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a. F. waren "die Umsätze eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen nur steuerfrei", wenn die weiteren Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG a. F. erfüllt waren. Die letztgenannten, weiteren Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Krankenhausleistungen galten nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 14 S. 3 UStG a.F. dabei gerade nicht für die ärztlichen Leistungen, welche ein Arzt in einem Krankenhausbetrieb erbrachte ("mit Ausnahme der ärztlichen Leistung nur steuerfrei, wenn..."). Durch die Neufassung von § 4 Nr. 14 UStG ist dieser Satz 3 weggefallen. Nunmehr differenziert § 4 Nr. 14 UStG nur noch zwischen den Heilbehandlungen im Rahmen der Ausübung einer Tätigkeit als Arzt o. Ä. (§ 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG / Art. 132 Abs. 1 c Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und den Krankenhausbehandlungen und Heilbehandlungen von besonderen Einrichtungen, andererseits (§ 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG / Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie).

    Zur alten Rechtslage ging die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass Leistungen eines Krankenhauses, welches nicht (nur) von Ärzten betrieben wurde - auch soweit es um medizinisch indizierte ärztliche Heilbehandlungen im Rahmen einer Krankenhausleistung ging - grundsätzlich nur dann von der Steuer befreit waren, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des damaligen § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG erfüllt waren. Obwohl es sich bei isolierter Betrachtung also z.T. auch um Heilbehandlungen handeln konnte, welche die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a. F. (heute Buchstabe a) erfüllten, konnte damit eine Befreiung durchaus ausscheiden, wenn diese Leistung Teil einer Krankenhausleistung war und die Krankenhausleistung insgesamt in Ermangelung des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen von § 4 Nr. 4 Satz 3 und Nr. 16 b UStG a. F. nicht begünstigt war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. März 2004, V R 53/00, BStBl. II 2004, 677). Dies wurde damit begründet, dass die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt regelmäßig außerhalb von Krankenanstalten im Rahmen einer auf Vertrauen gegründeten Beziehung zwischen Patient und Behandelndem erbracht wurden, während die ärztliche Behandlung durch Krankenhäuser regelmäßig aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen besteht, die in einer Vielzahl sonstiger Krankenhausleistungen eingebettet sind und mit diesen einheitlich umsatzsteuerrechtlich behandelt werden sollten. Es erschien im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit sachgerecht, dass er die Leistungen der Krankenhäuser grds. nur dann befreite, wenn sie die besonderen Voraussetzungen erfüllten und die Leistungen in besonderem Maße sozial schützenswerten Patienten zugutekamen (BFH-Urteil vom 18. März 2004, V R 53/00, BStBl. II 2004, 677). Diese Auffassung wurde weder unionsrechtlich noch verfassungsrechtlich beanstandet (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. März 2015, XI R 8/13, BStBl II 2016, 788).

    Dies galt jedoch, wie dargelegt, nur für solche Krankenhäuser, welche nicht von einem Arzt betrieben wurden. Sofern das Krankenhaus von einem Arzt betrieben wurde, blieben die ärztlichen Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 S. 1, S. 3 UStG a. F. ungeachtet der besonderen Voraussetzungen für die Befreiung von Krankenhausleistungen steuerfrei. Unter Berücksichtigung der Rechtsformneutralität galt dies auch dann, sofern das Krankenhaus von einer Gesellschaft betrieben wurde und die Gesellschaft (ausschließlich) aus einem oder mehreren Ärzten bestand (vgl. FG Münster, Urteil vom 2. August 2015, 15 K 718/12 U, EFG 2016, 1637; BFH-Urteil vom 18. August 2011, V R 27/10, BFHE 235, 58, HFR 2011, 1332). Ebenso sollte diese Begünstigung für Behandlungen eines Belegarztes Anwendung finden, der seine Leistungen in einem Krankenhaus erbrachte (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2011, V R 27/10, BFHE 235, 58).

    Auf Basis der alten Rechtslage waren die Leistungen der Klägerin damit nach § 4 Nr. 14 S. 1, S. 3 UStG a. F. im dem Umfang von der Steuer befreit, in welchem es sich um ärztliche Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin handelte. Zwar lag insoweit keine belegärztliche Tätigkeit vor, weil die Klägerin - jedenfalls geht das aus den für 2016 exemplarisch eingereichten Unterlagen hervor - die gesamten Krankenhausleistungen (einschließlich Betreuung / Übernachtung etc.) auf Grundlage eines einheitlichen Vertrages mit den Patienten abrechnete. Es lag damit kein - zivilrechtlich und umsatzsteuerlich vom Krankenhausvertrag getrennter - Belegarztvertrag mit dem behandelten Mediziner vor, sondern ein einheitlicher Vertrag über das gesamte Leistungsbündel, bestehend aus der ärztlichen Heilbehandlung und aller sonstigen Krankenhausleistungen (zu den Einzelheiten der Vertragsgestaltung und Abrechnung bei Belegärzten, vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2019, XI R 15/16, BFHE 263, 543). Allerdings galt, wie dargelegt, das steuerliche Privileg für ärztliche Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausleistungen nicht nur für Belegärzte, sondern auch für solche ärztlichen Heilbehandlungen, die - ungeachtet der Rechtsform - in einem von einem Arzt oder mehreren Ärzten betriebenen Krankenhaus erbracht wurden. Im Streitfall wird die Klägerin durch ihren Geschäftsführer, den Arzt Dr. C vertreten, der zugleich Alleingesellschafter der Klägerin ist. Insoweit vermochten die ärztlichen Heilbehandlungen auch dann unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 S. 1, 3 UStG a.F. zu fallen, wenn sie im Rahmen von Krankenhausbehandlungen vorgenommen wurden, die in Ermangelung der weiteren Voraussetzungen nicht in den Genuss der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 b UStG a. F. kamen.

    Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Senats auch für die ab dem Streitjahr 2009 geltende Rechtslage.

    Die ab dem Streitjahr 2009 geltende Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG (zum Wegfall des § 4 Nr. 14 S. 3 UStG a.F. s.o.) war Anlass für das FG Düsseldorf (Urteil vom 17. Februar 2017, 1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305), von der bisherigen Handhabung abzuweichen: Wenn ärztliche Leistungen in einem Krankenhaus erbracht würden, und dabei die Betreibergesellschaft - auch wenn diese nur aus Ärzten bestehe - sowohl die Betreiberin des Krankenhauses als auch Leistungserbringerin der Krankenhausleistungen sei, scheide eine isolierte Befreiung der ärztlichen Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG aus, weil - allein - der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 b UStG erfüllt sei. Dies gelte auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 b UStG nicht erfüllt seien und damit eine Steuerbefreiung insgesamt ausscheide. Zur Begründung verweist das FG Düsseldorf u.a. auf die folgenden Ausführungen des Gesetzgebers zum Jahressteuergesetz 2009 (BT-Drucksache 16/10189, Seite 74, 75): "Der bisherige § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG, wonach die Umsätze eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen nur steuerfrei sind, wenn die bislang in § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind, entfällt; die Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses oder einer anderen Einrichtung i. S. d. neuen § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG sind auch hinsichtlich der ärztlichen Leistungen nur dann umsatzsteuerfrei, wenn die dort bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind."

    Demgegenüber hat das niedersächsische Finanzgericht zum Streitjahr 2009 entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG bei Leistungen einer Gesellschaft zur Ausführung und Entwicklung von Labordiagnostikleistungen durchaus in Betracht komme, soweit diese eine heilberufliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG erbringe (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. September 2015, 16 K 340/12, EFG 2016, 1825). In dem dagegen angestrengten Revisionsverfahren hob der BFH das Urteil mit Blick auf das Konkurrenzverhältnis zwischen § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG auf. Das FG habe im 2. Rechtsgang die - von seinem Standpunkt aus zu Recht - fehlenden Feststellungen zur Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG nachzuholen. Eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG komme im Streitjahr 2009 aufgrund der Feststellung des FG nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 24. August 2017, V R 25/16, HFR 2017, 1157). Im Nachgang zu dieser Entscheidung legte der XI. Senat des BFH dem EuGH in einem Beschluss vom 11. Oktober 2017 (XI R 23/15, BStBl. 2018, 109) insbesondere folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: "Beurteilt sich die Steuerfreiheit von Heilbehandlungen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik im Bereich der Humanmedizin unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie?". In seiner Entscheidung über dieses Ersuchen hat der EuGH in der Rechtssache Peters (EuGH-Urteil vom 18. September 2019, C-700/17, HFR 2019, 1019) zwar bestätigt, dass sich Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie auf Leistungen beziehe, die in Krankenhäusern erbracht würden, während Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie Leistungen betreffe, die außerhalb von Krankenhäusern erbracht würden. Jedoch hat der EuGH zum systematischen Verhältnis der Befreiungstatbestände näher ausgeführt:

        "In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht genauer, ob für den Fall, dass es zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass Leistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 erfüllen, die Anwendbarkeit von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie auf diese Leistungen in Betracht kommt. Insoweit ist klarzustellen, dass Heilbehandlungsleistungen, die etwa nicht alle Anforderungen erfüllen, um in den Genuss der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung zu kommen, nicht grundsätzlich von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie ausgeschlossen sind."

    Im Ergebnis entschied der EuGH, dass zwar das dem Sachverhalt zu Grunde liegende Labor, in dessen Rahmen die Leistung erbracht wurden, in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie fallen könne. Jedoch könnten Heilbehandlungen, die von einem Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik erbracht würden, unter Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie fallen, wenn sie nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie erfüllten. In dem oben genannten Verfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (16 K 340/12) war das Verfahren im zweiten Rechtsgang bis zu dieser Entscheidung des EuGH ausgesetzt (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Januar 2019 V B 103/18, BFH/NV 2019, 399). Im Nachgang entschied das FG Niedersachsen sodann, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG bei den dort streitigen Heilbehandlungen unabhängig von dem Ort der Leistungserbringung neben der Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG anwendbar sei. Aus Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie gehe nicht hervor, dass diese die Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie einschränke (vgl. im Einzelnen Niedersächsisches FG, Urteil vom 11. Juni 2020, 11 K 237/17, Tz. 66, zitiert nach juris).

    Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, was im Streitfall zu der aus dem Tenor ersichtlichen Begünstigung der klägerischen Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG führt:

    Da sich die beiden Befreiungsvorschriften des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b und Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie gegenseitig nicht ausschließen, können ärztliche Heilbehandlungen, die zwar im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden - und die damit in den Anwendungsbereich Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie fallen - auch dann begünstigt sein, wenn nicht sämtliche Voraussetzungen dieser Befreiungsvorschrift erfüllt sind. Denn die ärztlichen Heilbehandlungen fallen dann - als Teil der gesamten Krankenhausleistungen - in den Anwendungsbereich des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Bei entsprechend richtlinienkonformer Anwendung der nationalrechtlichen Regelungen bleibt § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG damit auch bei einer Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG anwendbar. Dieses Verständnis führt nach Auffassung des Senats zu sachgerechten und mit dem Zweck der Befreiungsvorschriften im Einklang stehenden Ergebnissen. Denn so ist die steuerliche Begünstigung ärztlicher Heilbehandlungen gewährleistet, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arzt die Heilbehandlung in seinen Praxisräumen, als Belegarzt in einem Krankenhaus oder im Rahmen eines von ihm selbst verantworteten Krankenhausbetriebes vornimmt. Die Senkung der Heilbehandlungskosten kommt damit - ungeachtet des Bezugs etwaiger weiterer Leistungen oder der Organisationsform des Leistungserbringers - allen Patienten zugute, die eine medizinisch indizierte Leistung in Anspruch nehmen müssen.

    Dieses Ergebnis steht auch nicht auch im Widerspruch zu den übrigen Ausführungen des EuGH, wonach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie auf Leistungen abziele, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht würden. Denn da bei Heilbehandlungsleistungen, die in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie fallen - dessen Voraussetzungen aber nicht in Gänze erfüllen - der Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht versperrt ist, sind die ärztlichen Heilbehandlungen insoweit zwar nicht "in den Praxisräumen", aber zumindest an "einem anderen Ort" im Sinne dieser Rechtsprechung erbracht (ebenso Büchter-Hohle, Anmerkung zum Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. August 2018, 5 K 237/16, EFG 2020, 313). Diesem Ergebnis stehen ferner auch die o.g. Ausführungen des Gesetzgebers zum Jahressteuergesetz 2009 (BT-Drucksache 16/10189, Seite 74, 75) nicht entgegen. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Begründung zur Aufhebung des § 4 Nr. 14 S. 3 UStG a.F. ein anderes Konkurrenzverhältnis zwischen den Befreiungstatbeständen des § 4 Nr. 14 UStG erkennen lassen. Dies fand aber keinen Niederschlag in einem insoweit zwingenden Wortlaut der Neufassung von § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG und steht daher der o.g. richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegen.

    Und schließlich steht diesem Ergebnis auch nicht entgegen, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG dadurch seine praktische Relevanz genommen wäre. Zwar müssen nach der hier vertretenen Ansicht die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in Bezug auf ärztliche Heilbehandlungen, die von einem Arzt im Krankenhaus ausgeführt werden, nicht mehr geprüft werden, weil bereits § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG eingreift; insoweit tritt die Bedeutung der Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG tatsächlich in den Hintergrund. Jedoch erfasst § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG sämtliche Krankenhausleistungen und damit auch diejenigen, die nicht unmittelbar als ärztliche Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zu qualifizieren sind. Trotz eines teilweisen Überschneidungsbereichs der beiden Befreiungsvorschriften, ist § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG damit nicht praktisch obsolet.

    g.)

    Über die Frage, ob die Klägerin zudem die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG erfüllt, oder sich - da dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen - auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen könnte (zur grundsätzlichen Möglichkeit einer Berufung vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2019, XI R 15/16, BFHE 263, 543), muss daher nicht befunden werden. Für Letzteres wäre erforderlich, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 108 SGB V erfüllt - eine Konzessionierung nach § 30 die Gewerbeordnung ist insoweit nicht maßgeblich (vgl. m. w. N. Finanzgericht Münster, Urteil vom 12. Dezember 2019, 5 K 519/18 U, EFG 2020, 494). Ob die Klägerin im Streitjahr die in §§ 108 ff. SGB V genannten Kriterien der Leistungsfähigkeit (personelle, räumliche und medizinisch-technische Ausstattung im Sinne des § 109 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB V) sowie der Wirtschaftlichkeit (angemessenes Kosten-Leistungs-Verhältnis im Sinne der §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 SGB V) erfüllte, kann nach Aktenlage nicht beurteilt werden, weil die Details der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit für das Streitjahr 2009 nicht im Einzelnen dargetan sind. Darauf kommt es aber aus o.g. Gründen nicht an.

    3.)

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
    Hinweis:

    BFH-Az: V R 10/22, Revision vom 16.06.2022