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  • 17.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195922

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 28.06.2017 – 4 K 917/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hessen

    Urt. v. 28.06.2017

    Az.: 4 K 917/16

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit des Klägers. Der Kläger betreibt nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege. Er wurde am xx.xx.xx88errichtet. Am xx.xx.xx14 wurde eine Satzungsänderung in § 7 (Vorstand) beschlossen und die Satzung dem Finanzamt vorgelegt.

    In der Satzung heißt es u.a. unter:

    § 2 Aufgaben und Ziele:

    Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Sie ist selbstlos tätig und verfolgt nicht eigenwirtschaftliche Ziele.

    Ziele der Gesellschaft sind:

    2.1 Förderung der verhaltenstherapeutischen und medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Biofeedback
    2.2 Förderung von Forschungsarbeiten und Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten mit Biofeedback, mit dem Ziel der Objektivierung und Evaluierung der Verhandlungsergebnisse.
    2.3 Entwicklung und Qualitätssicherung, fachlich qualifizierter Aus-, Fort- und Weiterbildung für Biofeedback.
    2.4 Aufstellungen eines Kursangebotes zur Aus- und Fortbildung, mit dem Ziel einer Abschlussprüfung und Erwerb eines Zertifikats.
    2.5 Pflege des wissenschaftlichen Austauschs mit anderen relevanten wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Einrichtungen.
    2.6 Eintreten für die Berufsinteressen von Biofeedback-Therapeuten und -Trainern
    2.7 Vernetzung und Verbreitung des wissenschaftlich gesicherten Wissens über Biofeedback und dessen praktische Anwendung

    Zur Verwendung des Vermögens bei Auflösung der Gesellschaft heißt es in § 5 Gemeinnützigkeit:
    ...

    5.6 Bei Auflösung der Gesellschaft oder Wegfall des bisherigen Zwecks, fällt das Vermögen an das A mit Sitz in Stadt X oder eine vergleichbare gemeinnützige Organisation...

    Des Weiteren heißt es in § 11 Auflösung der Gesellschaft:
    ...

    11.2 Nach Tilgung eventueller Außenstände ist das Vermögen ausschließlich gemeinnützigen Zwecken zuzuführen...

    Daraufhin erließ das Finanzamt am 26.10.2015 einen Bescheid über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60 a Abs. 1 AO. Zur Begründung führte es aus, dass die Satzung nicht in vollem Umfang der Mustersatzung, Anlage 1 zu § 60 AO entspreche. Dagegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch, den das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 19.04.2016 zurückwies. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

    Der Kläger ist der Ansicht, die vorgelegte Satzung enthalte sämtliche Voraussetzungen zur Einhaltung der satzungsmäßigen Anforderungen nach § 60 a Abs. 1 AO. Einer wörtlichen Übernahme der Mustersatzung bedürfe es bereits nach dem Gesetzeswortlaut entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht. Es werde lediglich die Übernahme der "Festlegung" und nicht der "Formulierung" gefordert. Diese eindeutige Gesetzesformulierung werde durch den Anwendungserlass zur Abgabenordnung bestätigt, wonach weder derselbe Aufbau noch dieselbe Reihenfolge der Bestimmungen der Mustersatzung verlangt werde. Es müsse sich lediglich um eine Satzung handeln, die zweifelsfrei auslegbar sei und eine Überprüfbarkeit der gesetzlichen Erfordernisse ermögliche. Die Überprüfung einer Satzung auf Gemeinnützigkeitskonformität durch Abhaken der Übereinstimmungen mit der Mustersatzung sei reiner Formalismus und widerspreche dem Sinn und Zweck des § 60 AO.

    Der Kläger beantragt,

    den Feststellungsbescheid vom 26.10.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2016 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60 a Abs. 1 AO gesondert festzustellen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es ist der Ansicht, die Satzung erfülle bereits deshalb nicht die formellen Voraussetzungen für eine gemeinnützige Satzung nach § 60 AO, weil die Mustersatzung nicht wörtlich übernommen worden sei. Nur in den nach dem AEAO zu § 60 Nr. 2 Satz 2 AO genannten Fällen seien Ausnahmen von der wortgetreuen Übernahme zulässig. Darüber hinaus enthalte die Satzung auch nicht die erforderlichen Festlegungen und weiche somit auch inhaltlich von der Mustersatzung ab. Des Weiteren verstoße die Satzung gegen das Klarheitsgebot des § 60 Abs. 1 Satz 1 AO. Unklar sei, welcher Zweck mit der Förderung der verhaltenstherapeutischen und medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Biofeedback nach § 2.1 der Satzung verfolgt werden solle. Dabei sei nicht mit Sicherheit erkennbar, ob das öffentliche Gesundheitswesen oder eine individualmedizinische Betreuung gefördert werden solle. Des Weiteren trete der Kläger nach § 2.6 der Satzung für die Berufsinteressen von Biofeedback-Therapeuten und -Trainern ein. Die Wahrnehmung beruflicher Interessen sei jedoch kein steuerbegünstigter Zweck nach §§ 52 f. AO. Die Satzung des Klägers verstoße mit dieser Zweckverfolgung gegen das Ausschließlichkeitsprinzip der §§ 59 und 56 AO und schließe damit zwingend die mit der Klage begehrte gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen aus. Auch enthalte die Satzung keine Ausführungen, wie die in § 2 der Satzung definierten Aufgaben und Ziele verwirklicht werden sollen. So bleibe es z.B. völlig unklar, wie die Förderung von Forschungsarbeiten erfolgen solle. Es sei noch nicht einmal erkennbar, ob der Kläger diese Arbeiten selbst unmittelbar fördern wolle, ob er Hilfspersonen einzuschalten beabsichtige oder ob er die Forschungsarbeiten von Dritten unterstützen möchte. Des Weiteren wichen die Auflösungsbestimmungen in § 5.6 der Satzung inhaltlich von der Mustersatzung ab. So fehle insbesondere die Ergänzung, dass der bei Auflösung Begünstigte durch Übertragung des Vermögens Begünstigte das Vermögen "...unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden hat".

    Soweit ein nichtsteuerbegünstigter Zweck verfolgt werde bzw. die Vermögensbindungsvoraussetzungen nicht eingehalten worden seien, führe jeder der dargestellten Satzungsmängel für sich zu einem Verstoß gegen die formelle Satzungsmäßigkeit und verhindere die begehrte gesonderte Feststellung.

    Dem Gericht hat ein Sonderband Satzung zur Steuernummer vorgelegen, er war Gegenstand des Verfahrens.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist nicht begründet. Das Finanzamt hat zutreffend eine Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO gem. § 60 a AO versagt.

    Nach § 59 AO muss sich aus der Satzung ergeben, welchen Zweck die Körperschaft erfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52-55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Dabei müssen nach § 60 Abs. 1 AO die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind. Des Weiteren muss die Satzung nach den mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingefügten Satz 2 die in der Anlage 1 (Mustersatzung) bezeichneten Festlegungen enthalten.

    Während schon immer eine Steuervergünstigung nur dann in Betracht kommt, wenn einer der gemeinnützigen Katalogzwecke des § 52 Abs. 2 AO und die Art ihrer Verwirklichung in der Satzung ausdrücklich genannt und präzise gefasst sind, sollte durch die Gesetzesänderung in Satz 2 klargestellt werden, dass die formelle Satzungsbindung auch die Begriffe "ausschließlich und unmittelbar" enthalten muss (BFH-Urteil vom 23.07.2009 V R 20/08, BStBl. II 2010, 719; von Wedelstedt, der Betrieb 2009, Seite 84 f.). Damit reagiert der Gesetzgeber
    auf die Rechtsprechung des BFH, der in seinem Urteil vom 20.12.2006 (I R 94/02, BFH/NV 2007, 805) die Formulierung der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit der Zweckverfolgung in der Satzung gerade nicht für notwendig erachtete (vgl. Köster, bindende Mustersatzung für gemeinnützige Körperschaften?, Deutsche Steuerzeitung 2010, 166).

    Auch die Auslegung der Neuregelung nach ihrem Wortlaut ergibt, dass die Mustersatzung gerade nicht "Wort für Wort" übernommen werden muss, da im Gesetzestext lediglich auf die "Festlegungen" der Mustersatzung verwiesen wird. Es wird gerade nicht gefordert, dass z.B. entsprechend der Regelung zu Zuwendungsbestätigungen (Spendenbestätigungen), die Satzung einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck bzw. Muster entsprechen muss, was aber erforderlich wäre, wenn der Gesetzgeber tatsächlich eine wortwörtliche Übernahme der Mustersatzung gewollt hätte.

    Satzungen genügen daher schon dann der gesetzlichen Neuregelung, wenn sie unabhängig vom Aufbau und vom genauen Wortlaut der Mustersatzung die bezeichneten Festlegungen, nämlich die Verpflichtung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung förderungswürdiger Zwecke sowie die Verwendung des Begriffs "selbstlos" enthalten.

    Davon ausgehend ist dem Kläger vorliegend die formelle Satzungsmäßigkeit entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht bereits deshalb zu versagen, weil die Mustersatzung nicht wörtlich übernommen wurde. Auch die Vermögensbindung ist durch die Regelungen in § 5.6 und § 11.2 der Satzung hinreichend geregelt. Allerdings liegen hier die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine gemeinnützige Körperschaft bereits deshalb nicht vor, weil weder die satzungsmäßigen Zwecke noch die Art ihrer Verwirklichung in der Satzung benannt bzw. hinreichend konkret bestimmt sind. Insoweit weist das Finanzamt zutreffend darauf hin, dass der Satzung nicht hinreichend klar entnommen werden kann, welcher Zweck mit der Förderung der verhaltenstherapeutischen und medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Biofeedback nach § 2.1 der Satzung verfolgt werden soll. Auch die nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AO erforderliche Benennung der Art der Verwirklichung der Satzungszwecke ist nicht hinreichend konkret in der Satzung bezeichnet worden. So ist, wie das Finanzamt zutreffend ausführt, z.B. völlig unklar geblieben, wie die Förderung von Forschungsarbeiten erfolgen soll. Aber auch wie die anderen in § 2 genannten Ziele erreicht werden sollen, ist nicht hinreichend konkret dargelegt. Des Weiteren verstößt die Satzung soweit sie in § 2.6 bestimmt, dass sich der Kläger für die Berufsinteressen von Biofeedback-Therapeuten und -Trainern einsetzt, gegen das Ausschließlichkeitsprinzip der §§ 59 und 56 AO, da die Wahrnehmung beruflicher Interessen kein steuerbegünstigter Zweck nach §§ 52 f. AO ist

    Diese Satzungsmängel führen zu einem Verstoß gegen die formelle Satzungsmäßigkeit und verhindern damit die begehrte Feststellung der Gemeinnützigkeit nach der Satzung. Die Klage war daher abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebietAOVorschriftenAO § 52, § 60 Abs.1