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  • 28.10.2011 · IWW-Abrufnummer 114280

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 26.05.2011 – 10 K 290/10

    Für die Hinzurechnung im Rahmen der GewSt ist darauf abzu stellen, ob WG Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre.


    Ausschlaggebend für die Zuordnung ist der Umstand, dass der Stpfl. die WG ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb vorhalten muss.


    Die kurzfristige Anmietung von WG rechtfertigt den Verzicht auf die Hinzurechnung nicht, da die Dauer der Anmietung allein kein maßgebliches Kriterium darstellt.


    Tatbestand
    Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob von der Klägerin gezahlte Miet- und Pachtzinsen für die jeweils kurzfristige Anmietung von Veranstaltungsimmobilien nach § 8 Nr. 1e Gewerbesteuergesetz (GewStG) bei der Ermittlung des Gewerbeertrages hinzuzurechnen sind.
    Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Unternehmensgegenstand ist das Veranstalten von regionalen und überregionalen Konzerten. Hierzu mietet die Klägerin regelmäßig verschiedene Immobilien (Theater, Konzertsäle, Stadien und sog. Arenen) an. Im Streitjahr mietete die Klägerin 13 verschiedene Objekte rund 160 mal an. Dabei wurde ein Objekt 61-mal, ein Objekt 42-mal, ein weiteres Objekt 30-mal und ein Objekt 12-mal angemietet. Die übrigen Objekte wurden zwischen 1 und 4-mal angemietet. Die Mietdauer betrug in der Regel nur einen Tag, gelegentlich auch zwei oder drei Tage, in Ausnahmefällen auch einmal sieben bzw. acht Tage. Der Mietzins betrug zwischen 100 € und 75.000 € pro Tag, bei der achttägigen Veranstaltung rund 137.000 €. Insgesamt entrichtete die Klägerin Miet- und Pachtzinsen für die genannten Objekte in Höhe von 1.633.643 €. In den beiden Vorjahren war die Anmietungsstruktur ähnlich. Insbesondere wurden auch die im Streitjahr mehrfach angemieteten Objekte häufiger angemietet.
    Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) rechnete 1/4 von 13/20 der Miet- und Pachtzinsen bei der Ermittlung des Gewerbeertrages (neben weiteren unstreitigen Hinzurechnungen) nach § 8 Nr. 1e GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu. Dadurch erhöhte sich der Gewerbesteuermessbetrag um 9.293 €.
    Gegen diese Hinzurechnung wendet sich die Klägerin nach erfolglosen Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass die vom Finanzamt vorgenommene Hinzurechnung nach dem Sinn und Zweck des § 8 Nr. 1e GewStG nicht gerechtfertigt sei. So habe der Gesetzgeber durch den 2008 neu eingeführten § 8 Nr. 1e GewStG die Intention verfolgt, den sog. objektiven Gewerbeertrag zu erfassen. Hierbei sei die Ermittlung unabhängig von der Art und Weise der Kapitalausstattung des Betriebes vorzunehmen. Folglich solle es keinen Unterschied machen, ob der Unternehmer einen Gegenstand des Anlagevermögens erwerbe und diesen Erwerb durch Darlehen finanziere oder ob er einen Gegenstand des Anlagevermögens lediglich anmiete. Daraus folge, dass eine Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen nur dann in Betracht komme, wenn die Anmietung eine echte Alternative zu dem Erwerb des Vermögensgegenstandes darstelle. Dies sei vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Klägerin keine Möglichkeit gehabt habe, die angemieteten Veranstaltungsimmobilien zu Eigentum zu erwerben. Insoweit sei die kurzfristige Anmietung von Veranstaltungsimmobilien durch die Klägerin mit der kurzfristigen Anmietung von Hotelzimmern vergleichbar, bei denen eine Hinzurechnung nach dem Willen des Gesetzgebers und den entsprechenden Erlassen der Finanzverwaltung ebenfalls unterbleibe.
    Die Klägerin beantragt,
    den Bescheid für 2009 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 19. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 2010 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag um 9.293 € herabgesetzt wird.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.
    Gründe
    I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Gewerbesteuermessbetragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FA hat die von der Klägerin entrichteten Miet- und Pachtzinsen zu Recht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anteilig hinzugerechnet.
    1. Nach § 8 Nr. 1e GewStG in der im Streitjahr geltenden Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 630) und des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007, BGBl I 2007, 3150) werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind: Ein Viertel der Summe aus … 13/20 der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, soweit die Summe einen Betrag von 100.000 € übersteigt.
    Die zwischen den Beteiligten streitigen Miet- und Pachtzinsen erfüllen die genannten Tatbestandsmerkmale ihrem Wortlaut nach. Insbesondere handelt es sich bei den von der Klägerin angemieteten Veranstaltungsimmobilien um Anlagevermögen. Denn Anlagevermögen sind all diejenigen Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches). Das sind die zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter. Für die Hinzurechnung im Rahmen der Gewerbesteuer ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 123/93, BStBl II 1994 zu § 8 Nr. 7 GewStG alter Fassung mit weiteren Nachweisen).
    Nach diesen Grundsätzen wären die von der Klägerin angemieteten Veranstaltungsimmobilien Teil ihres Anlagevermögens gewesen, wenn sie ihr gehört hätten; denn sie waren zum Gebrauch in ihrem Betrieb und nicht zum Verbrauch oder zur Weiterveräußerung bestimmt gewesen, da die Klägerin derartige Wirtschaftsgüter ständig für ihre Konzertveranstaltungen benötigte. Der Zuordnung zum Anlagevermögen steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin die betreffenden Wirtschaftsgüter auch dann möglicherweise nur wenige Tage im Jahr tatsächlich benutzt hätte, wenn sie ihr Eigentum gewesen wären. Entscheidend für die Zuordnung ist nicht die Dauer der tatsächlichen Benutzung, sondern die Tatsache, dass die Klägerin die Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorhalten müssen (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 123/93, BStBl II 1994, 810).
    2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist vorliegend keine einschränkende Auslegung der einschlägigen Gesetzesnorm geboten; eine solche folgt weder aus dem Willen des Gesetzgebers noch aus dem Sinn und Zweck der Norm.
    a) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll im Hinblick auf den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer die Ertragskraft des Gewerbebetriebes unabhängig davon erfasst werden, in welchem Umfang der Betrieb mit Eigenkapital oder aber mit fremdem Geld- und Sachkapital geführt wird. Daher unterliegt der Gewerbesteuer der sog. objektive Gewerbeertrag. Dies ist die Größe, die ausgehend von dem nach den Grundsätzen des Einkommensteuergesetzes ermittelten Gewinn den Ertrag des Betriebes darstellt, der unabhängig von der Art und Weise des für die Kapitalausstattung des Betriebs zu entrichtenden Entgelts erwirtschaftet wird (vgl. Begründung zum Entwurf des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008, Bundestagsdrucksache 16/4841, Seite 78). Um dieses Ziel der Finanzierungsneutralität zu erreichen, hat der Gesetzgeber die bisherigen Hinzurechnungen von Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG (Hinzurechnung von Mieten und Pachten von nicht in Grundbesitz bestehende „Wirtschaftsgüter”) in einen betragsmäßig differenziertes System des § 8 Nr. 1 GewStG überführt. Die nunmehrige Einbeziehung von Mieten und Pachten auch für unbewegliche Wirtschaftsgüter machten eine Modifizierung der pauschalen Herausrechnung des Finanzierungsanteils notwendig (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4841, Seite 80). Im Übrigen sollte an der bisherigen Regelung festgehalten werden, nur für die gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung vorzunehmen, die – unterstellt der Mieter oder Pächter wäre Eigentümer – bei ihm zu seinem Anlagevermögen gehören würden. Bei gemischten Verträgen sollte eine Hinzurechnung nur das Entgelt berücksichtigen, das auf die Vermietung oder Verpachtung entfällt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4841, Seite 80). Nach diesen Grundsätzen sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zum Beispiel auch Verträge über kurzfristige Hotelnutzungen oder kurzfristige Kfz-Mietverträge beurteilt werden, so dass eine Hinzurechnung insoweit regelmäßig ausscheiden sollte (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4841, Seite 80).
    b) Diesen niedergelegten Motiven des Gesetzgebers hat die Finanzverwaltung durch den gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 4. Juli 2008 (Bundessteuerblatt I 2008, 730) Rechnung getragen. So sollen nach Tz. 29 des Erlasses reine Betriebskosten der angemieteten Gegenstände wie Wasser, Strom und Heizung nicht hinzugerechnet werden. Bei gemischten Verträgen soll nach Tz. 7 des Erlasses eine Hinzurechnung unterbleiben, wenn eine Leistung, die keinen Tatbestand des § 8 Nr. 1 GewStG erfüllt, im Vergleich zur einer anderen Leistung, die den Tatbestand erfüllt, derart im Vordergrund steht, dass sie dem Gesamtvertrag das Gepräge gibt. Nach diesen Grundsätzen soll eine Hinzurechnung z. B. bei Verträgen über kurzfristige Hotelnutzungen oder kurzfristigen Kfz-Mietverträgen regelmäßig ausscheiden.
    c) Diese vom Gesetzgeber und der Finanzverwaltung dargelegten Einschränkungen in der Anwendung des § 8 Nr. 1 GewStG rechtfertigen jedoch vorliegend ein Absehen von der Hinzurechnung nicht, da es insoweit an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt.
    aa) Die Kurzfristigkeit der jeweiligen Anmietung allein rechtfertigt zunächst den Verzicht auf die Hinzurechnung nicht, da die Dauer der Anmietung allein insoweit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers kein maßgebliches Kriterium darstellt (Bundestagsdrucksache 16/4841, Seite 79, wonach die Geld- und Sachkapitalüberlassungen künftig unabhängig von der Dauer der Überlassung erfasst werden sollen; vgl. zur Vorgängerregelung BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 123/93, BStBl II 1994, 810; kritisch zum Kriterium der Kurzfristigkeit auch Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 167 sowie Franke/Gageur, BB 2008, 1704).
    bb) Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass die Anmietung von Hotelzimmern mit der hier vorliegenden Anmietung von Veranstaltungsstätten vergleichbar sei, folgt der Senat dem nicht.
    Die Klägerin sieht die Vergleichbarkeit gegeben, da sowohl bei der Anmietung von Hotelzimmern als auch bei der Anmietung von Veranstaltungsstätten der Erwerb des angemieteten Objekts (Hotels oder Veranstaltungsimmobilie) und die damit verbundene Zuführung zum eigenen Anlagevermögen nicht in Betracht kämen. Weiterhin folgert die Klägerin aus dem Sinn und Zweck der Norm, dass die Anwendung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften immer dann ausscheide, wenn der Erwerb des angemieteten Wirtschaftsgut für den Mietenden nicht denkbar sei (vgl. Kohlhaas in FR, 2009, 381). Dabei sei die Frage entscheidend, ob der Erwerb des angemieteten Wirtschaftsguts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in Betracht komme.
    Diese Sichtweise macht sich der erkennende Senat ausdrücklich nicht zu Eigen. Sie findet weder im Wortlaut des Gesetzes eine hinreichende Stütze, noch ergibt sie sich aus dem Sinn und Zweck der Norm. Im Übrigen ist es auch nicht Aufgabe der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte, unternehmerische Entscheidungen unter Rentabilitätsgesichtspunkten zu würdigen. So obliegt es insbesondere nicht den Gerichten festzustellen, ob und inwieweit die Anschaffung eines Wirtschaftsgutes gegenüber einer Anmietung für eine Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll ist (vgl. zur Unmaßgeblichkeit des wirtschaftlichen Sinngehaltes eines Miet- oder Pachtvertrages BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 123/93, BStBl II 1994, 810).
    Weiterhin wäre eine derartige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinsichtlich der Alternativen Miete oder Anschaffung auch nicht praktikabel, wie gerade der vorliegende Fall zeigt. Denn bei der hier vorliegenden wiederholten Anmietung desselben Objektes für jeweils 40–60 Veranstaltungen im Jahr über Jahre hinweg liegt die Möglichkeit einer Anschaffung als sinnvolle Alternative zur Anmietung durchaus nahe. Demgegenüber erscheint diese Alternative bei der nur einmaligen Anmietung eines Objektes pro Jahr als eher fernliegend. Eine praktikable Art der Grenzziehung ist jedoch nicht ersichtlich.
    Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, welche Miet- und Pachtzinsen gegebenenfalls aus dem Anwendungsbereich der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1e GewStG herausgenommen werden können, ist nach Ansicht des erkennenden Senats die Bedeutung des angemieteten Gegenstandes für die Verwirklichung des Unternehmenszwecks. Insoweit dient die kurzfristige Anmietung von Hotelzimmern dem Unternehmen in der Regel nur zeitlich begrenzt und lediglich mittelbar. Gleiches mag für die kurzfristige Anmietung von Sälen beispielsweise für die Abhaltung einer Jubiläumsfeier des Unternehmens oder der Jahreshauptversammlung einer Aktiengesellschaft gelten. Demgegenüber ist für einen Konzertveranstalter wie die Klägerin die Nutzung von Veranstaltungsimmobilien dauerhaft und zur unmittelbaren Verwirklichung des Unternehmenszwecks erforderlich. Wenn sich in dieser Konstellation die Klägerin dafür entscheidet, die jeweiligen Veranstaltungsstätten – aus vom Gericht nicht zu überprüfenden Gründen – anzumieten statt anzuschaffen, so rechtfertigt dies die anteilige Hinzurechnung der dafür gezahlten Miet- oder Pachtzinsen (so auch Sarrazin in Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1e, Rz. 17; in diesem Sinne bei wiederkehrender Anmietung wohl auch Franke/Gageur, Betriebsberater 2008, 1704).
    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage unter welchen Umständen eine Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 1e GewStG unterbleiben kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

    VorschriftenGewStG § 8 Nr. 1e