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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Recht

    Neue Antikorruptionsregelungen im Gesundheitswesen - Kooperationen überdenken

    von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

    | Am 14.4.16 wurde im Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption beschlossen. Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Korruptiven Praktiken in diesem Bereich soll nun auch mit Mitteln des Strafrechts entgegengetreten und bestehende Lücken geschlossen werden. Stiftungen sollten ihre Regeln zur Korruptionsvorbeugung jetzt überprüfen und bestehende Kooperationsvereinbarungen anpassen. |

    1. Hintergrund

    Nach der Rechtsprechung des Großen Strafsenats beim BGH sind die Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuches auf niedergelassene Ärzte nicht anwendbar (Beschluss vom 29.3.12, GSSt 2/11, Abruf-Nr. 122015). Auch die auf den Vermögensschutz ausgerichteten Straftatbestände können das Geben und Nehmen von Bestechungsgeldern nur eingeschränkt erfassen. Sie decken den Unrechtsgehalt von Korruption nicht hinreichend ab (so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 13.4.16, BT-Drucksache 18/8106). Damit bestünden bei der strafrechtlichen Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Lücken, die durch das Gesetz geschlossen werden sollen.

     

    Da ein niedergelassener Arzt kein Amtsträger und auch nicht Beauftragter der Krankenversicherung ist, sind die bisherigen Regelungen über Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) nicht anwendbar.

    2. Gesetzliche Regelung

    Nach Vorlage des Referentenentwurfs am 28.2.15 wurde das Gesetz nun beschlossen, allerdings in deutlich abgeschwächter Form.

     

    Strafbar sind künftig Zuwendungen, durch die das Verordnungs- bzw. Bezugsverhalten sowie die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterialien zugunsten eines Anbieters dieser Leistungen im Wettbewerb unlauter beeinflusst werden sollen. Die §§ 299a, 299b StGB erfassen alle Heilberufsgruppen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, also über Ärzte hinaus bspw. Therapeuten, Hebammen und Krankenpfleger.

     

    2.1 Gegenüberstellung von Entwurf und aktueller Regelung:

    Anschaulich werden die Änderungen zwischen den ursprünglichen Regelungen im Entwurf und den jetzt beschlossenen anhand dieser Gegenüberstellung.

     

    Entwurf
    Beschlüsse des 6. Ausschusses

    (1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

    • 1. einen anderen im inländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
    • 2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzte,
    • wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Abs. 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.

    • Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er
    • 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,
    • 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch die Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
    • 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
    • einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge,
    • wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.
     

    2.2 Wettbewerbslage als Strafbarkeitsvoraussetzung

    In dem geänderten Gesetzentwurf wurden die Straftatbestände im Zusammenhang mit der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken ersatzlos gestrichen, um die heilberufliche Unabhängigkeit zu bewahren. Die Strafbarkeit von Verhaltensweisen hängt damit davon ab, ob eine Wettbewerbslage besteht.

     

    Damit soll Bedenken im Hinblick auf die Unbestimmtheit und Uneinheitlichkeit bei einem Teil der angesprochenen Berufsordnungen Rechnung getragen werden. Die Tatbestandsvariante soll nicht angewendet werden, wenn keine Wettbewerbslage vorliegt. Indes ist der Begriff des Wettbewerbs weit auszulegen, da es im Gesundheitswesen nicht zu echten Monopolsituationen kommen sollte. Deshalb ist bereits ein potenzieller Wettbewerb relevant. So z. B., wenn eine Marktstellung langfristig abgesichert und künftige Wettbewerber ausgeschaltet werden sollen. An das Vorliegen eines Wettbewerbs sind deshalb keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen (BT-Drucksache 18/8106).

     

    Bei Apothekern kann nur noch die Verordnung, nicht aber die Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten Gegenstand einer entsprechenden Unrechtsvereinbarung sein.

     

    Wichtig | Die neuen Straftatbestände sind nicht mehr als bedingte Antragsdelikte, sondern als Offizialdelikte ausgestaltet und damit stets von Amts wegen zu verfolgen.

     

    3. Handlungsempfehlungen

    Ein Vorteil kann grundsätzlich auch in dem Abschluss eines Vertrags liegen, der Leistungen an den Täter zur Folge hat. Dies gilt selbst, wenn diese nur das angemessene Entgelt für die ihm selbst aufgrund des Vertrags geschuldete Leistung sind. Demnach kann auch das Verschaffen von Verdienstmöglichkeiten, wie z. B. in der Teilnahme an einer vergüteten Anwendungsbeobachtung und im Abschluss eines Behandlungsvertrags, ein Vorteil sein. Voraussetzung ist aber stets, dass der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine zumindest intendierte Bevorzugung im Wettbewerb fordern, sich versprechen lassen oder annimmt. Die inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung, die sog. Unrechtsvereinbarung, ist sämtlichen Korruptionstatbeständen des Strafgesetzbuches immanent.

     

    Soweit Verdienstmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit eingeräumt werden, ist zu berücksichtigen, dass die berufliche Zusammenarbeit gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt ist und auch im Interesse des Patienten liegt. So auch etwa bei Kooperationsverträgen zwischen den unterschiedlichen Akteuren des Gesundheitswesens. Die Gewährung angemessener Entgelte für die in diesem Rahmen erbrachten heilberuflichen Leistungen und dementsprechend die Verschaffung entsprechender Verdienstmöglichkeiten sind bei zulässiger beruflicher Zusammenarbeit nicht strafbewährt.

     

    Etwas anderes gilt allerdings, wenn festgestellt wird, dass das Entgelt nicht entsprechend dem Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung in wirtschaftlich angemessener Höhe nachvollziehbar festgelegt worden ist und es beispielsweise eine verdeckte „Zuweiserprämie“ enthält.

     

    Es ist daher den betroffenen Unternehmen, auch Stiftungen, anzuraten, die Bedeutung dieser Regelungen im Rahmen ihrer Korruptionsprävention zu prüfen und ggf. geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Anpassung bestehender Kooperationsvereinbarungen, zu ergreifen.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 94 | ID 44021215