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  • 22.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130993

    Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 08.11.2012 – 8 W 419/12

    Kostenfestsetzung: Bei der im Wege der isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten erhobenen negativen Feststellungsklage entstehen die Anwaltsgebühren auf Seiten des Klägers und des Drittwiderbeklagten jeweils in voller Höhe und sind auch erstattungsfähig.


    OLG Stuttgart, 08.11.2012

    8 W 419/12

    In Sachen
    wegen Forderung aus Versicherungsvertrag; hier: Kostenfestsetzung
    hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch
    Richterin am Oberlandesgericht Tschersich
    als Einzelrichterin gemäß § 568 Satz 1 ZPO
    beschlossen:
    Tenor:

    1.

    Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart vom 25. September 2012, Az. 18 O 129/11, wird

    zurückgewiesen.
    2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Beschwerdewert: 4.700,26 EUR
    Gründe

    I.

    Im Hauptsacheverfahren hat die Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag nach Abtretung i.H.v. 126.380,75 EUR geltend gemacht. Die Beklagte hat gegen den Drittwiderbeklagten eine negative Feststellungsklage dahin erhoben, dass diesem aus dem Versicherungsvertrag keine Ansprüche in Höhe der Klageforderung zustehen. Durch Teilurteil vom 27. Juni 2012 wurde die Drittwiderklage abgewiesen, weil die Beklagte kein Feststellungsinteresse habe, nachdem sich der Drittwiderbeklagte nach der Abtretung keiner eigenen Ansprüche aus der Lebensversicherung mehr berühmt habe. Der Beklagten wurden die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten auferlegt und der Streitwert wurde auf 126.380,75 EUR festgesetzt. Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte wurden durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten. Bezüglich der Klage ist Verkündungstermin auf den 5. Dezember 2012 anberaumt.

    Dem Kostenfestsetzungsantrag des Drittwiderbeklagten vom 13. Juli 2012, mit dem er die Anwaltsgebühren aus dem Gegenstandswert von 126.380,75 EUR in voller Höhe von der Beklagten erstattet verlangt, hat die Rechtspflegerin mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. September 2012 bezüglich des geltend gemachten Betrags von 4.700,26 EUR entsprochen.

    Gegen die am 1. Oktober 2012 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 8./9. Oktober 2012 sofortige Beschwerde eingelegt, deren Zurückweisung der Drittwiderbeklagte beantragt hat. Die Parteien streiten darüber, ob zwischen der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten eine Streitgenossenschaft besteht mit der kostenrechtlichen Folge, dass der einzelne Streitgenosse nur in Höhe eines Bruchteils, der seiner wertmäßigen Beteiligung entspricht, mit den gemeinsamen Anwaltskosten belastet und demgemäß die Beklagte auch nur in diesem Umfang erstattungspflichtig ist.

    Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 2. November 2012, auf dessen Begründung verwiesen wird, nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG), in der Sache jedoch unbegründet.

    Die Kostenfestsetzung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten bestand zwischen der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten keine Streitgenossenschaft.

    Bei der von der Beklagten erhobenen negativen Feststellungsklage handelte es sich nicht um eine streitgenössische Drittwiderklage, die gegen die Klägerin und den als Partei bislang nicht beteiligten Drittwiderbeklagten hätte gerichtet werden müssen, sondern um eine isolierte Drittwiderklage, die ausschließlich gegen eine außenstehende Person erhoben wurde und diese in den Rechtsstreit einbezog.

    Die isolierte Drittwiderklage ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger und der Drittwiderbeklagte keine Streitgenossen sind. Denn es fehlt gerade an einer gegen mehrere Streitgenossen gerichteten Widerklage, da diese nur den bislang am Verfahren nicht beteiligten Außenstehenden betrifft (BGH, Beschluss vom 30. September 2010, Az. Xa ARZ 129/10, in [...]; BGH, Beschluss vom 30. September 2010, Az. Xa ARZ 208/10, in [...]; BGH NJW 2011, 460 [BGH 30.09.2010 - Xa ARZ 191/10]; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Mai 2010, Az. 32 Sbd 128/09, in [...]; OLGR Braunschweig 2009, 790; OLG München NJW 2009, 2609; OLGR München 2009, 448; je m.w.N.).

    Grundsätzlich setzt eine Widerklage nach § 33 ZPO aber begrifflich eine anhängige Klage voraus. Der Widerkläger muss ein Beklagter und der Widerbeklagte ein Kläger sein. Daher ist eine Widerklage gegen einen bisher am Prozess nicht beteiligten Dritten nur zulässig, wenn sie zugleich gegenüber dem Kläger erhoben wird (BGH NJW 1975, 1228, [BGH 21.02.1975 - V ZR 148/73] m.w.N.). Eine negative Feststellungswiderklage gegenüber der Klägerin wäre aber nicht zulässig gewesen, weil das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten bereits durch den mit der Klage verfolgten Zahlungsantrag vollständig geklärt wird.

    Der BGH hat deshalb unter Berücksichtigung des prozessökonomischen Zweckes der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt zu vermeiden und eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über zusammengehörende Ansprüche zu ermöglichen, Ausnahmen von dem vorstehenden Grundsatz zugelassen, dass eine Widerklage auch gegen den Kläger erhoben sein muss.

    Drittwiderklagen als negative Feststellungsklagen gegen den Zedenten sind danach als zulässig angesehen worden. Ausschlaggebend dafür war, dass unabhängig von der Parteistellung des Zessionars eine nur gegen den Zedenten erhobene (sog. isolierte) Widerklage möglich sein sollte, wenn die zu erwartenden Gegenstände der Klage und der Widerklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Widerbeklagten durch dessen Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden (BGH NJW 2008, 2852 [BGH 13.06.2008 - V ZR 114/07]; BGH NJW 2007, 1753 [BGH 13.03.2007 - VI ZR 129/06]; je m.w.N.).

    Vorliegend handelte es sich damit grundsätzlich um eine zulässige isolierte Drittwiderklage, deren Besonderheit aber darin besteht, dass ihre Abwehr durch den Drittwiderbeklagten eine zur Anspruchsverfolgung der Klägerin entgegengesetzte Zielrichtung hat. Letztere kann ihren Zahlungsantrag gegenüber der Beklagten nur durchsetzen, wenn die Ansprüche aus der Lebensversicherung wirksam an sie abgetreten sind. Der Drittwiderbeklagte, gegen den die negative Feststellungsklage dahin erhoben wurde, dass ihm die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche infolge der Abtretung nicht mehr zustehen, kann sich gegen diese nur wehren mit dem Argument, dass er wegen der Unwirksamkeit der Abtretung nach wie vor Anspruchsinhaber ist. Die Zielrichtung von Klägerin und Drittwiderbeklagten ist damit konträr, so dass sie an sich nicht durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden können, sondern jeder von ihnen einen eigenen Rechtsanwalt beauftragen müsste mit der kostenrechtlichen Folge, dass die Beklagte und Drittwiderklägerin im Falle ihrer Erstattungspflicht gegenüber der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten die bei zwei Rechtsanwälten angefallenen vollen Gebühren zu tragen hätte.

    Dass hier ausnahmsweise eine gemeinsame Vertretung von Klägerin und Drittwiderbeklagten möglich war, ist allein darin begründet, dass sich Letzterer nach der Abtretung des mit der Klage geltend gemachten Zahlungsanspruchs nicht mehr berühmt hat und damit sowohl die Klägerin als auch der Drittwiderbeklagte von der Wirksamkeit der Abtretung ausgegangen sind, also dieselbe Zielrichtung verfolgt haben mit dem Ergebnis, dass die isolierte Drittwiderklage wegen des fehlenden Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen wurde. Diese Fallkonstellation kann aber nicht bewirken, dass nunmehr von einer streitgenössischen Verbundenheit von Klägerin und Drittwiderbeklagten auszugehen ist und eine Kostenhaftung der Beklagten gegenüber dem Drittwiderbeklagten aufgrund der Kostenentscheidung in dem Teilurteil nach den für die Streitgenossenschaft entwickelten Grundsätzen zu behandeln ist, d.h. für den einzelnen Streitgenossen auf den Bruchteil der Anwaltskosten zu beschränken ist, den seine Beteiligung an der Streitgenossenschaft ausmacht (vgl. hierzu: Schnapp in Schneider/Wolf, Anwaltkommentar, RVG, 5. Auflage 2010, § 7 RVG Rn. 46 ff.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage 2012, Nr. 1008 RVG-VV Rn. 283 ff.; BGH NJW-RR 2006, 1508 und 215; BGH NJW-RR 2003, 1507 und 1217; je m.w.N.).

    Abgesehen davon handelt es sich bei der Verfolgung des Klaganspruches für die Klägerin und bei der Abwehr der negativen Feststellungsklage für den Drittwiderbeklagten nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 1 RVG mit der Folge, dass der Rechtsanwalt die Gebühren insgesamt nur einmal fordern kann.

    Denn auftragsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen nur dann dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl. im Einzelnen zur Definition der Angelegenheit, die mehrere Gegenstände umfassen kann: BGH NJW 2011, 782 [BGH 05.10.2010 - VI ZR 152/09] und 155; und speziell bezogen auf die streitgenössische Drittwiderklage: OLGR München 1995, 12; je m.w.N.).

    Es fehlt, wie oben bereits dargelegt, an der übereinstimmenden Zielsetzung der anwaltlichen Tätigkeit sowohl für die Klägerin als auch für den Drittwiderbeklagten. Die Zielrichtung der Klage und der Abwehr der Drittwiderklage ist vielmehr konträr, so dass an sich die Klägerin und der Drittwiderbeklagte jeweils einen eigenen Anwalt beauftragen müssten, was hier nur deshalb nicht erforderlich war, weil die Beklagte eine - mangels Feststellungsinteresse - unzulässige isolierte Drittwiderklage erhoben hatte.

    Hierdurch wird aber weder eine Streitgenossenschaft zwischen Klägerin und Drittwiderbeklagten begründet, die eine Widerklage sowohl gegen die Klägerin als auch gegen den Drittwiderbeklagten erfordern würde, noch das Vorliegen derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 1 RVG).

    Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die durch den angefochtenen Beschluss vom 25. September 2012 vorgenommene, nicht zu beanstandende Kostenfestsetzung der Rechtspflegerin war demgemäß mit der Kostenfolge von § 97 Abs. 1 ZPO und Nr. 1812 GKG-KV als unbegründet zurückzuweisen.

    RechtsgebietKostenfestsetzungVorschriften§ 33 ZPO