31.07.2025 · IWW-Abrufnummer 249396
Oberlandesgericht Jena: Beschluss vom 27.06.2025 – 3 WF 178/25
Zu den Folgen für die Kostenfestsetzung, wenn die Pflicht zur Tragung der außergerichtlichen Kosten des Gegners in der Kostengrundentscheidung nicht ausdrücklich bezeichnet ist.
Oberlandesgericht Jena, Beschluss vom 27.06.2025, Az. 3 WF 178/25
1. Auf sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gotha vom 29.01.2025, Az. 17 F 414/24, abgeändert:
Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin vom 06.08.2024 in der Fassung vom 07.11.2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers) zu tragen.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde ist angesichts ihres 200 € übersteigenden Mindestbeschwerdewerts von 850,85 € statthaft (§§ 85 FamFG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 ZPO) und auch sonst zulässig, vor allem form- wie auch fristgerecht binnen zwei Wochen ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§ 569 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 ZPO) erhoben worden.
Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur beschlossenen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Der Antragsteller rügt zu Recht, dass ihm der Beschluss vom 01.08.2024 (Ziffer 1.), ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO (§§ 86 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamFG), über die Gerichtskosten der ersten Instanz hinaus nicht auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin, vor allem nicht die am 06.08.2024/07.11.2024 beantragten Anwaltskosten auferlegt.
1.
Das Kostenfestsetzungsverfahren erlaubt zwar grundsätzlich keine inhaltliche Überprüfung der Kostengrundentscheidung.
Die Feststellung zwischen den Beteiligten streitiger Tatsachen und die Entscheidung komplizierter Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Nur soweit keine Tatsachenaufklärung erforderlich ist, ist die materiell-rechtliche Einwendung des Kostenschuldners im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise beachtlich, weil der Verweis auf den aufwändigeren Vollstreckungsgegenantrag nicht verfahrensökonomisch wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - V ZB 102/13 -, juris Rz. 14).
2.
Die vorliegende Kostengrundentscheidung, wonach der Antragsteller die Kosten des Verfahrens trägt, erfasst jedoch schon dem Grunde nach nicht die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.
a)
Eine Übernahmepflicht folgt nicht schon aus dem gesetzlich definierten Umfang der Kostenpflicht, der neben Gerichtskosten auch zur Durchführung des Verfahrens notwendige Aufwendungen der Beteiligten umfasst, § 80 Satz 1 FamFG.
In § 80 Satz 2 FamFG fehlt eine Bezugnahme auf § 91 Abs._2 Satz 1 ZPO, der bestimmt, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind.
Die im Zivilprozessrecht bestehende starre Kostenregelung des § 91 ZPO soll, abgesehen von der ausdrücklich geregelten entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO für notwendige Reisen und Zeitversäumnis des Beteiligten selbst (§ 80 Satz 2 FamFG), in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerade nicht gelten (BeckOK FamFG/Weber, 54. Edition -Stand: 01.06.2025-, § 80 Rn. 15).
Stattdessen ermöglicht und gebietet § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine flexible Kostenverteilung nach billigem Ermessen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 - XII ZB 15/13 -, juris Rz. 11).
b)
Eine ausdrückliche Anordnung, dass der Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen muss, ist weder der Beschlussziffer 1. noch den Gründen der Entscheidung vom 01.08.2024 zu entnehmen.
c)
Eine - so auszulegende - Pflicht des Antragstellers zur Erstattung außergerichtlicher Kosten folgt weder aus besonderen Umständen des vorliegenden Verfahrens noch sonst.
Ist - wie hier - keine ausdrückliche Pflicht zur Übernahme der Gegnerkosten angeordnet, deutet die Art des verfahrensgegenständlichen Sorgerechtsverfahrens zur Gesundheitssorge in aller Regel und so auch hier darauf hin, dass diese Pflicht nicht besteht.
Unabhängig vom konkreten Erfolg etwaiger Anträge bzw. Anregungen lässt die besondere Emotionalität sorge- und auch umgangsrechtlicher Streitigkeiten in der Regel nur schwerwiegendes Beteiligten(fehl)verhalten die alleinige Kostenübernahme durch einen Beteiligten als geboten erscheinen. Häufig ist es auch so, dass die verfahrensauslösenden Umstände nebst ihrer Zurechnung an einen beteiligten Elternteil nicht mehr mit Gewissheit aufgeklärt werden können und das - nicht zuletzt im Interesse des betroffenen Kindes - auch nicht müssen. Danach ist es in aller Regel recht und billig, in diesen Verfahren keine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Denn dabei geht im Kern immer um das Kindeswohl und jeder Elternteil meint - aus seiner Sicht - mit seinem Vorgehen dem Kindeswohl zu dienen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Mai 2020 - 2 WF 90/20 -, juris Rz. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. November 2020 - II-3 WF 50/20 -, juris Rz. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 4 WF 162/19 -, juris Rz. 15; Prütting/Helms-Feskorn, FamFG, 6. Auflage 2023, § 81 Rn. 14a; Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 81 Rn. 35; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 81 FamFG Rn. 6).
Erschöpft sich eine erstinstanzliche Kostenentscheidung nach § 81 FamFG darin, dass ein Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird oder dass der antragstellende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, ist regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen, sofern eine - so hier - Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt. Fehlt es an einer hinreichend klaren Ermessensentscheidung des Familiengerichts zur Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen auf einen anderen Beteiligten, verbleibt es dabei, dass diese von demjenigen zu tragen sind, bei dem sie angefallen sind (vgl. zum Nachlassverfahren: BGH, Beschluss vom 29. Januar 2025 - IV ZB 2/24 -, juris Rz. 12 Beschluss vom 23. April 2025 - IV ZB 18/24 -, juris Rz. 9).
Danach kann die Antragsgegnerin schon dem Grunde keine Kostenübernahmepflicht aus der vorliegenden Kostenentscheidung vom 01.08.2024 ableiten. Auf die streitige Frage, ob der Höhe nach am 16.07.2024 (auch) eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG) wegen (Mit-) Erörterung im parallelen Umgangsverfahren (Az. 17 F 751/22) entstanden ist, kommt es nicht an.
II.
Die Kostenentscheidung für die erfolgreiche Beschwerde folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Auflage 2024, § 572 Rn. 36).
Von einer Wertfestsetzung wird abgesehen, da für das vorliegende Beschwerdeverfahren eine Festgebühr (Nr. 1912 KV-FamGKG) anfällt, kein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG gestellt ist und zudem der Wert ohne Weiteres feststellbar ist (850,85 €, §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 35 FamGKG).
Anlass zur Vorlage an den Senat in voller Besetzung (§ 568 Satz 2 ZPO) für die Prüfung, ob die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist (§ 574 Abs. 2 ZPO), besteht nicht (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2022 - VI ZB 13/20 -, juris Rz. 5).
Tenor:
Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin vom 06.08.2024 in der Fassung vom 07.11.2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers) zu tragen.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde ist angesichts ihres 200 € übersteigenden Mindestbeschwerdewerts von 850,85 € statthaft (§§ 85 FamFG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 ZPO) und auch sonst zulässig, vor allem form- wie auch fristgerecht binnen zwei Wochen ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§ 569 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 ZPO) erhoben worden.
Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur beschlossenen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Der Antragsteller rügt zu Recht, dass ihm der Beschluss vom 01.08.2024 (Ziffer 1.), ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO (§§ 86 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamFG), über die Gerichtskosten der ersten Instanz hinaus nicht auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin, vor allem nicht die am 06.08.2024/07.11.2024 beantragten Anwaltskosten auferlegt.
1.
Das Kostenfestsetzungsverfahren erlaubt zwar grundsätzlich keine inhaltliche Überprüfung der Kostengrundentscheidung.
Die Feststellung zwischen den Beteiligten streitiger Tatsachen und die Entscheidung komplizierter Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Nur soweit keine Tatsachenaufklärung erforderlich ist, ist die materiell-rechtliche Einwendung des Kostenschuldners im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise beachtlich, weil der Verweis auf den aufwändigeren Vollstreckungsgegenantrag nicht verfahrensökonomisch wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - V ZB 102/13 -, juris Rz. 14).
2.
Die vorliegende Kostengrundentscheidung, wonach der Antragsteller die Kosten des Verfahrens trägt, erfasst jedoch schon dem Grunde nach nicht die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.
a)
Eine Übernahmepflicht folgt nicht schon aus dem gesetzlich definierten Umfang der Kostenpflicht, der neben Gerichtskosten auch zur Durchführung des Verfahrens notwendige Aufwendungen der Beteiligten umfasst, § 80 Satz 1 FamFG.
In § 80 Satz 2 FamFG fehlt eine Bezugnahme auf § 91 Abs._2 Satz 1 ZPO, der bestimmt, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind.
Die im Zivilprozessrecht bestehende starre Kostenregelung des § 91 ZPO soll, abgesehen von der ausdrücklich geregelten entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO für notwendige Reisen und Zeitversäumnis des Beteiligten selbst (§ 80 Satz 2 FamFG), in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerade nicht gelten (BeckOK FamFG/Weber, 54. Edition -Stand: 01.06.2025-, § 80 Rn. 15).
Stattdessen ermöglicht und gebietet § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine flexible Kostenverteilung nach billigem Ermessen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 - XII ZB 15/13 -, juris Rz. 11).
b)
Eine ausdrückliche Anordnung, dass der Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen muss, ist weder der Beschlussziffer 1. noch den Gründen der Entscheidung vom 01.08.2024 zu entnehmen.
c)
Eine - so auszulegende - Pflicht des Antragstellers zur Erstattung außergerichtlicher Kosten folgt weder aus besonderen Umständen des vorliegenden Verfahrens noch sonst.
Ist - wie hier - keine ausdrückliche Pflicht zur Übernahme der Gegnerkosten angeordnet, deutet die Art des verfahrensgegenständlichen Sorgerechtsverfahrens zur Gesundheitssorge in aller Regel und so auch hier darauf hin, dass diese Pflicht nicht besteht.
Unabhängig vom konkreten Erfolg etwaiger Anträge bzw. Anregungen lässt die besondere Emotionalität sorge- und auch umgangsrechtlicher Streitigkeiten in der Regel nur schwerwiegendes Beteiligten(fehl)verhalten die alleinige Kostenübernahme durch einen Beteiligten als geboten erscheinen. Häufig ist es auch so, dass die verfahrensauslösenden Umstände nebst ihrer Zurechnung an einen beteiligten Elternteil nicht mehr mit Gewissheit aufgeklärt werden können und das - nicht zuletzt im Interesse des betroffenen Kindes - auch nicht müssen. Danach ist es in aller Regel recht und billig, in diesen Verfahren keine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Denn dabei geht im Kern immer um das Kindeswohl und jeder Elternteil meint - aus seiner Sicht - mit seinem Vorgehen dem Kindeswohl zu dienen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Mai 2020 - 2 WF 90/20 -, juris Rz. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. November 2020 - II-3 WF 50/20 -, juris Rz. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 4 WF 162/19 -, juris Rz. 15; Prütting/Helms-Feskorn, FamFG, 6. Auflage 2023, § 81 Rn. 14a; Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 81 Rn. 35; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 81 FamFG Rn. 6).
Erschöpft sich eine erstinstanzliche Kostenentscheidung nach § 81 FamFG darin, dass ein Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird oder dass der antragstellende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, ist regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen, sofern eine - so hier - Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt. Fehlt es an einer hinreichend klaren Ermessensentscheidung des Familiengerichts zur Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen auf einen anderen Beteiligten, verbleibt es dabei, dass diese von demjenigen zu tragen sind, bei dem sie angefallen sind (vgl. zum Nachlassverfahren: BGH, Beschluss vom 29. Januar 2025 - IV ZB 2/24 -, juris Rz. 12 Beschluss vom 23. April 2025 - IV ZB 18/24 -, juris Rz. 9).
Danach kann die Antragsgegnerin schon dem Grunde keine Kostenübernahmepflicht aus der vorliegenden Kostenentscheidung vom 01.08.2024 ableiten. Auf die streitige Frage, ob der Höhe nach am 16.07.2024 (auch) eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG) wegen (Mit-) Erörterung im parallelen Umgangsverfahren (Az. 17 F 751/22) entstanden ist, kommt es nicht an.
II.
Die Kostenentscheidung für die erfolgreiche Beschwerde folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Auflage 2024, § 572 Rn. 36).
Von einer Wertfestsetzung wird abgesehen, da für das vorliegende Beschwerdeverfahren eine Festgebühr (Nr. 1912 KV-FamGKG) anfällt, kein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG gestellt ist und zudem der Wert ohne Weiteres feststellbar ist (850,85 €, §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 35 FamGKG).
Anlass zur Vorlage an den Senat in voller Besetzung (§ 568 Satz 2 ZPO) für die Prüfung, ob die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist (§ 574 Abs. 2 ZPO), besteht nicht (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2022 - VI ZB 13/20 -, juris Rz. 5).