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  • 12.03.2025 · IWW-Abrufnummer 247024

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 11.07.2024 – 6 W 46/24

    Der Streitwert bei Verfahren in dem wegen des Deezer-Datenlecks auf Grundlage der DSGVO Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung geltend gemacht werden, beträgt im Regelfall 3.000 €.


    OLG Frankfurt 6. Zivilsenat, Beschluss vom 11.07.2024, Az. 6 W 46/24

    Tenor

    1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe
    I.

    Die Beklagte betreibt eine Musik-Streaming-Plattform unter der Internetadresse „www.(...).com“. Der Kläger ist ein Kunde der Beklagten.

    Am 6.11.2022 boten Kriminelle Daten von Nutzern der Beklagten im Darknet an. Am 23.12.2023 wurden sie frei zugänglich zur Verfügung gestellt. Darunter befanden sich die folgenden Daten des Klägers:

    (Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen - die Red.)

    Der von dem Beschwerdeführer vertretene Kläger beantragte in dem Rechtstreit, wie eine Vielzahl von Mandanten der Beschwerdeführerin, wie folgt zu erkennen (Bl. 527 ff der Akten):

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger immateriellen Schadenersatz in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.000 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden.

    3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, die Klägerseite betreffende personenbezogene Daten, welche die Beklagte im Rahmen der Account-Erstellung sowie im Rahmen der Nutzung des Musikstreaming-Dienstes Deezer verarbeitete, selbst und/oder durch Dritte und/oder Auftragsverarbeiter zu verarbeiten, ohne geeignete technische und organisatorische Maßnahmen im Sinne von Art. 32 DSGVO zu ergreifen und/oder ergreifen zu lassen, welche die unbefugte Offenlegung von bzw. den unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten betreffend die Klägerseite verhindern, wie jedoch geschehen mit Datenvorfall 2019.

    4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die Klägerseite betreffende personenbezogene Daten, welche die Beklagte verarbeitet, zu erteilen, namentlich welche Daten von welchem Empfänger gestohlen wurden und/oder durch welche Empfänger zu welchem Zeitpunkt durch den Datenvorfall aus dem Jahre 2019 erlangt werden konnten.

    5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.054,10 € zu zahlen zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

    Das Landgericht hat den Streitwert im Anschluss an das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 15.8.2023 - 7 U 19/23, GRU-RS 2023, 22505, Rn.254 ff.) auf bis 3.000 € festgesetzt (Bl. 525 ff. der Akten).

    Der hiergegen eingelegten Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der er die Festsetzung auf mindestens 5.001,00 € begehrt, hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht den Streitwert auf 3.000 € festgesetzt. Auch der Senat teilt die Grundsätze zur Streitwertfestsetzung, die das OLG Hamm (Urteil vom 15.8.2023 - 7 U 19/23, GRU-RS 2023, 22505, Rn.254 ff.) entwickelt hat:

    1. Der Streitwert für den Antrag zu 1 (Entschädigung) ist gemäß § 3 ZPO, da insoweit keine offensichtlich übertriebene Einschätzung des Streitwerts seitens der Klägerin vorliegt (vgl. dazu BGH Beschluss vom 12.6.2012 - X ZR 104/09, MDR 2012, 875 Rn. 5; siehe auch BGH Beschl. v. 8.10.2012 - X ZR 110/11, GRUR 2012, 1288 Rn. 4), auf 1.000,00 EUR festzusetzen.

    2. Der Streitwert für den Antrag zu 2 (Feststellung Schadensersatz) ist gemäß § 3 ZPO auf 500,00 EUR festzusetzen.

    3. Der Streitwert für den Antrag zu 3 (Unterlassung) ist gemäß § 3 ZPO und § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG unter Berücksichtigung von § 23 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 RVG in Abweichung von der Streitwertangabe des Klägers (€ 3.001,--) auf 1000,00 EUR festzusetzen.

    a) Der Streitwert für nichtvermögensrechtliche Ansprüche wird gemäß § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien - nach Ermessen bestimmt; es kann dann im konkreten Einzelfall von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 RVG vorgesehenen Regelstreitwert erheblich abzuweichen sein (vgl. zu einer Herabsetzung auf 500,00 EUR jeweils nur BGH Beschluss vom 17.1.2023, NJW-RR 2023, 959 Rn. 11; BGH Beschluss vom 28.1.2021, GRUR-RS 2021, 2286 Rn. 9).

    b) Dabei ist insbesondere das Interesse des Klägers und damit seine aufgrund des zu beanstandenden / gewünschten Verhaltens zu besorgende wirtschaftliche / persönliche Beeinträchtigung zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2014, 894). Zu berücksichtigen ist zudem die Stellung der Beteiligten sowie Art, Umfang und Gefährlichkeit der zu unterlassenden / begehrten Handlung (vgl. BGH GRUR 2023, 1143 Rn. 13 m. w. N.). Das Gericht ist bei der Streitwertbemessung nicht an die subjektiven Wertangaben in der Klageschrift gebunden (so explizit BGH Beschl. v. 8.10.2012 - X ZR 110/11, GRUR 2012, 1288 Rn. 4, sogar für übereinstimmende Angaben der Parteien; siehe auch BGH Beschluss vom 12.6.2012 - X ZR 104/09, MDR 2012, 875 Rn. 5). Insbesondere kommt ihnen keine indizielle Bedeutung zu, wenn sie - wie hier - das tatsächliche Interesse offensichtlich nicht zutreffend widerspiegelt (so auch OLG München Beschluss vom 5.2.2018 - 29 W 1855/17, NJW-RR 2018, 575 = juris Rn. 16).

    c) Außer Betracht zu lassen ist insbesondere die über die konkret-individuellen Interessen hinausgehende gesamtgesellschaftliche oder general-präventive sowie die abstrakt-generelle Bedeutung für andere potentiell betroffene Personen (vgl. BGH Beschluss vom 30.11.2004 - VI ZR 65/04, BeckRS 2004, 12785 = juris Rn. 2; BGH MDR 2016, 1344 Rn. 42). Die Verfolgung der insoweit bestehenden Interessen obliegt gemäß Art. 83, 84 DSGVO allein der zuständigen Datenschutzbehörde.

    d) Gemessen daran gilt im vorliegenden Fall:

    Der Senat hält, da mit den Anträgen letztlich auch nur nicht vollstreckbare gesetzlichen Vorgaben der DSGVO aufgegriffen werden und die Daten der Klägerin bereits ohnehin abgegriffen und veröffentlicht worden sind, einen Streitwert von 1.000,00 EUR für ausreichend, aber auch erforderlich, um das Klagebegehren der Klägerin individuell zu bemessen. Der Datensatz enthält als einziges relevantes persönliches Datum die E-Mail-Adresse des Klägers.

    e) Den Antrag zu 4) (Auskunft) hat das Landgericht zu Recht auf 500 € festgesetzt. Der Auskunftssantrag beträgt regelmäßig ein Bruchteil des Schadensersatzanspruchs, den er vorbereiten soll.

    f) Der Antrag zu 5 (Ersatz der Abmahnkosten) ist nach § 4 ZPO als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

    4. Der Senat sich hieraus ergebenen Gesamtstreitwert von 3.000 € nimmt der Senat nicht nur in diesem Verfahren an; er wird eine derartige Festsetzung nunmehr - sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände eine andere Entscheidung bedingen - in Verfahren der vorliegenden Art betreffend Deezer-Datenlecks regelmäßig praktizieren, unabhängig davon, ob bei identischem Rechtsschutzziel eine Aufspaltung der Anträge den Anschein eines umfangreicheren Prozessstoffs suggerieren soll.

    RechtsgebieteStreitwert, Datenschutz, DatenleckVorschriften§ 63 S 1 Nr 2 GKG, § 68 GKG