Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 16.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220553

    Arbeitsgericht Berlin: Urteil vom 15.10.2020 – 42 Ga 13034/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Arbeitsgericht Berlin
     
    42 Ga 13034/20

    Verkündet  am 15.10.2020

    Im Namen des Volkes
     
    Urteil

    In Sachen
     
    hat das Arbeitsgericht Berlin, 42. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 15.10.2020
    durch die Richterin Dr. zum K. als Vorsitzende
    sowie die ehrenamtliche Richterin Frau K. und den ehrenamtlichen Richter Herrn  Z.
    für Recht erkannt:
     
    I. Die Verfügungsklage wird abgewiesen.

    II. Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

    III. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 2.500,00 €.
     
    Tatbestand
     
    Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Verfügungsklägerin, einen Mundnasenschutz bei der Arbeit zu tragen.

    Die Verfügungsbeklagte erbringt Sicherheitsdienstleistungen an den Berliner Flughäfen. Die Verfügungsklägerin ist seit dem 12.10.2006 bei der Verfügungsbeklagten zuletzt am Flughafen Schönefeld als Flugsicherheitsassistenten zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von durchschnittlich 2.988,13 EUR beschäftigt. Die Verfügungsklägerin hat einen Grad der Behinderung von 30 und ist gemäß Bescheid vom 18.10.2017 seit dem 27.07.2017 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

    In der Betriebsanweisung „Corona Virus“ der Verfügungsbeklagten vom 01.04.2020 heißt es unter dem Punkt „Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln“:

    „Um das Risiko einer Infektion zu verringern, sind grundsätzlich Hygienemaßnahmen einzuhalten, die auch zur Prävention von Grippe empfohlen werden:

    •    […]
    •    Bereitgestellten Mund-Nasen-Schutz (MNS) verwenden“

    Die Verfügungsklägerin trug zunächst ein durchsichtiges Gesichtsvisier. Einen Mundnasenschutz trug sie zunächst nicht. Anfang September 2020 verlangte die Verfügungsbeklagte von der Verfügungsklägerin das Tragen eines von ihr bereitgestellten Mundnasenschutzes. Bei dem zur Verfügung gestellten Mundnasenschutz handelt es sich um medizinische Gesichtsmasken gemäß der DIN-Norm 14683: 2019-10, deren Verwendungszweck der Fremdschutz ist.

    Mit Schreiben vom 18.09.2020 mahnte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin wegen Verletzung der Pflicht zum Tragen des bereitgestellten Mundnasenschutzes am 10.09, 11.09., 13.09., 16.09. und 18.09.2020 ab.

    Am 23.09.2020 versuchte die Klägerin ihren Dienst mit dem von der Verfügungsbeklagten zur Verfügung gestellten Mundnasenschutz durchzuführen. Trotz Lockerung der Halterung der Maske bekam sie kaum Luft und sofortige Beklemmungen. Kurz darauf bekam sie auch Kopfschmerzen, Halstrockenheit und Juckreiz. Auch nach Ende des Dienstes linderten sich diese Symptome nicht.

    Die Fachärztin für Allgemeinmedizin der Verfügungsklägerin teilt mit Schreiben vom 03.06.2020 mit, dass die Verfügungsklägerin aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht zu befreien sei. Die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Verfügungsklägerin empfiehlt im Kurzbefund vom 01.09.2020 aufgrund der Diagnose „Septumdeviation Nasenmuschel mit deutlich eingeschränkter Nasenatmung“, ein Vollvisier anstelle eines Mundnasenschutzes zu tragen.

    Der Arbeitssicherheitsbeauftragte der Verfügungsbeklagten sprach sich gegen die Verwendung eines Gesichtsvisiers aus, da dieser kein vergleichbares Schutzniveau zu dem von der Verfügungsbeklagten zur Verfügung gestellten medizinischen Mundnasenschutz habe.

    Die Verfügungsklägerin meint, das Tragen eines Mundnasenschutzes sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Sie habe Probleme der Luftzufuhr in den oberen Atemwegen, sodass eine Verringerung der Luftzufuhr tatsächlich und psychologisch nicht erträglich sei. Sie ist ferner der Auffassung, dass sie aus diesem Grund nach § 2 Absatz 3 der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) vom Tragen einer Mundnasenbedeckung ausgenommen sei.

    Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, bei dem Gesichtsvollvisier handele es sich um eine zulässige Mundnasenbedeckung. Dies ergebe sich aus der amtlichen Begründung der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg). Dort heißt es zu § 2 (Mundnasenbedeckung), dass als ausreichende Mundnasenbedeckung auch ein Gesichtsvisier angesehen werden kann, wenn es aufgrund seiner Bauart und Tragweise geeignet ist, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln zu verringern. Dies treffe auf das von ihr verwendete Visier zu.

    Die Verfügungsklägerin meint außerdem, in Bereichen ohne Publikumsverkehr wie der Reisegepäckkontrolle, Sperrgepäckkontrolle oder Nachkontrolle eingesetzt werden zu können.

    Die Verfügungsklägerin beantragt unter Rücknahme der Anträge im Übrigen:

    die Antragstellerin ist bis zur Entscheidung in der Hauptsache berechtigt, bei ihrer Arbeit

    a.    am Steig
    b.    in der Reisegepäckkontrolle
    c.    in der Nachkontrolle
    d.    in der Sperrgepäckkontrolle

    statt des von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Mund-Nasen-Schutzes über den Mund und Nase den Gesichtsschutzschirm der Firma Engbert Strauss, Artikelnummer 7576310 zu tragen, hilfsweise den Gesichtsschutzschirm der Firma Engbert Strauss, Artikelnummer 7576310 + über den Mund die „Grimaske“ HeiQ Virenblock der Feld Textil GmbH in einer neutralen Farbe zu tragen.

    Die Verfügungsbeklagte beantragt,

    den Antrag zurückzuweisen.

    Die Verfügungsbeklagte meint, es bestehe kein Verfügungsanspruch.  Aus § 2 Absatz 1 Nr. 6 der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) vom 12.06.2020 in der Fassung vom 08.10.2020 ergebe sich die unumgängliche Pflicht, in den für Publikumsverkehr zugänglichen Gebäuden von Verkehrsflughäfen eine Mundnasenbedeckung zu tragen. Eine Reduzierung des Ermessens des Arbeitgebers zur Tragung eines Gesichtsvisiers könne vor dem Hintergrund nicht angenommen werden.

    Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.
     
    Entscheidungsgründe
     
    Die gemäß der §§ 62 Absatz 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), §§ 935,940 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Verfügungsklage ist unbegründet.

    I.
    Über die Verfügungsklage ist grundsätzlich im Urteilsverfahren nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 a) ArbGG zu entscheiden. Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die einstweilige Verfügung Anwendung (§ 62 Absatz 1 Satz 1 ArbGG).

    II.
    Eine einstweilige Verfügung zur vorläufigen Sicherung eines Anspruchs kann gemäß §§ 936, 920 ZPO nur bei Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und Verfügungsgrundes ergehen. Die Verfügungsklägerin hat weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, §§ 936, 920, 935, 940 ZPO.

    1.
    Ein Verfügungsanspruch, der mit einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO zu sichern wäre, ist nicht erkennbar. Die Verfügungsbeklagte kann die Verfügungsklägerin zum Tragen des von ihr zur Verfügung gestellten Mundnasenschutzes während der Arbeit verpflichten.

    a)
    Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nach billigem Ermessen näher bestimmen. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, BGB § 611a Rn. 932). Zu berücksichtigen sind hier die Interessen der Verfügungsklägerin, ihrer Arbeit weiterhin ohne Mundnasenschutz und den damit einhergehenden ‒ teilweise streitigen ‒ gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzugehen einerseits. Dem gegenüber stehen die Interessen der Verfügungsbeklagten am höchstmöglichen Infektionsschutz ihrer Mitarbeiter sowie des Publikums an den Berliner Flughäfen sowie die Einhaltung gesetzlicher und arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften dazu, auch vor dem Hintergrund möglicher Haftungsrisiken, andererseits.

    Nach § 2 Absatz 1 Nr. 6 der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) vom 12.06.2020 in der Fassung vom 08.10.2020 sind alle Personen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr in den für den Publikumsverkehr zugänglichen Gebäuden von Verkehrsflughäfen verpflichtet, eine Mundnasenbedeckung zu tragen. Nach § 2 Absatz 2 der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) muss die Mundnasenbedeckung aufgrund ihrer Beschaffenheit geeignet sein, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln beim Husten, Nießen, Sprechen oder Atmen zu verringern, unabhängig von einer Bezeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie. Da die Verfügungsbeklagte Sicherheitsdienstleistungen an den Berliner Flughäfen erbringt, findet dies auf sie Anwendung.

    Die Verfügungsbeklagte trifft auch in arbeitsschutzrechtlicher Hinsicht die Pflicht, ihre Mitarbeiter sowie das Publikum am Flughafen vor Infektionen zu schützen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 16.04.2020 zusammen mit dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung den so genannten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard veröffentlicht. Der Arbeitsschutzstandard enthält Handlungsempfehlungen zur für Unternehmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus am Arbeitsplatz. Die Empfehlungen des Arbeitsschutzstandards sind für Unternehmen zwar nicht unmittelbar verbindlich. Der Arbeitsschutzstandard ist jedoch bei der Ermittlung der „erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes“ zu berücksichtigen, die jeder Arbeitgeber zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten zu treffen hat (vgl. § 3 I 1 und § 4 Nr. 1 ArbSchG).(Müller-Bonanni/Bertke: Einhaltung von Arbeitsschutzstandards durch Arbeitgeber, NJW 2020, 1617). Dort heißt es unter Ziffer 4.1:

    „Soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen nicht umsetzbar sind, müssen die Beschäftigten mindestens MNB zum gegenseitigen Schutz tragen. Entsprechend der Höhe des Infektionsrisikos, das sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergibt, sind filtrierende Halbmasken (mindestens FFP2 oder vergleichbar [6]) als persönliche Schutzausrüstung erforderlich.“

    (Seite 8 der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales in der Fassung vom 20.8.2020).

    Arbeitgeber sind mithin berechtigt ‒ im Falle der Verfügungsbeklagten besteht sogar eine grundsätzliche gesetzliche Verpflichtung ‒, zum Schutz vor dem Corona-Virus Mund-Nasen-Bedeckungen an Arbeitnehmer, die unvermeidbare Kontakte haben bzw. Schutzabstände nicht einhalten können, verpflichtend zur Verfügung zu stellen (so auch Sander/Hilberg/Bings: Arbeitsschutzrechtliche Fürsorge- und Schutzpflichten sowie Haftungsrisiken für Arbeitgeber im Zusammenhang mit COVID-19, COVuR 2020, 347, 349). Das ist nach Auskunft der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung aufgrund der Prüfung ihres Arbeitssicherheitsbeauftragten der Fall.

    b)
    Ein Gesichtsvisier ist nicht geeignet, die Ausbreitung von Übertragung von Tröpfchenpartikeln in gleichwertiger Weise zu verringern. Es handelt sich dabei schon begrifflich nicht um eine Mundnasenbedeckung. Bei Mund-Nase-Bedeckungen (MNB) handelt es sich um textile Bekleidungsgegenstände, die mindestens Nase und Mund bedecken und die geeignet sind, die Geschwindigkeit des Atemstroms oder des Speichel-/Schleim-/Tröpfchenauswurfs deutlich zu reduzieren. Sie dienen dem Fremdschutz und sind weder Medizinprodukte noch Persönliche Schutzausrüstung (PSA) (Ziffer 2.3 auf Seite 5 der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales in der Fassung vom 20.8.2020, NZA-Beilage 2020, 27).

    Sofern in der amtlichen Begründung der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) Gesichtsvisiere als zulässig erachtet werden, wenn sie aufgrund der Bauart und Tragweise geeignet sind, eine Ausbreitung von Übertragungswegen Tröpfchenpartikeln zu verringern, so hat die Verfügungsklägerin bereits nicht dargetan, dass dies bei dem von ihr verwendeten Visier der Fall ist. Es ist nach Auffassung der Kammer aber davon auszugehen, dass sich Gesichtsvisiere von Mundnasenbedeckungen strukturell unterscheiden. Dazu heißt es in der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales:

    „Bei Gesichtsschutzschilden (Gesichtsschilden/-visieren) handelt es sich um eine Persönliche Schutzausrüstung. Sie bestehen üblicherweise aus einem geeigneten Kopfband, Stirnschutz, Helm/Kopfschutz, einer Schutzhaube oder einer anderen geeigneten Haltevorrichtung. Träger/-innen eines Gesichtsschutzschildes sollen gegen Gefahren von außen, wie zum Beispiel Tropfen und Spritzer, geschützt werden. Gesichtsschutzschilde müssen einem Zulassungsverfahren unterzogen worden sein.“

    (Ziffer 2.7 auf Seite 6 der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales in der Fassung vom 20.8.2020).

    Weiter heißt es auf in Ziffer 4.2.13 der Arbeitsschutzregel:

    „Aufgabe eines Gesichtsschutzschildes ist, den Träger/die Trägerin gegen Gefahren von außen zu schützen (Eigenschutz). Ein Nachweis des Schutzes für andere Personen (Fremdschutz) ist nicht Bestandteil des Zulassungsverfahrens. Eine Filterwirkung ist nicht gegeben. Gesichtsschutzschilde können aber bestimmungsgemäß als PSA zum Spritzschutz eingesetzt werden, insbesondere in Verbindung mit filtrierenden Halbmasken (mindestens FFP2 oder vergleichbar) bei aerosolproduzierenden Tätigkeiten. Sie können so den persönlichen Schutz des Trägers/der Trägerin ergänzen.“

    (Ziffer 4.2.13 auf Seite 15 der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales in der Fassung vom 20.8.2020).

    Aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht handelt es sich bei einem Gesichtsvisier mithin um eine dem Selbstschutz dienende persönliche Schutzausrüstung, nicht um eine dem Fremdschutz dienende Maßnahme. Die Verfügungsbeklagte kann daher zu Recht nicht davon ausgehen, mit der Verwendung eines Gesichtsvisiers den Vorschriften der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) gerecht zu werden.

    c)
    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Absatz 3 Nr. 2 der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg). Danach sind von der Pflicht zum Tragen eines Mundnasenschutzes Personen ausgenommen, denen die Verwendung einer Mundnasenbedeckung wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, und sie dies durch ein ärztliches Zeugnis nachweisen. 

    aa)
    Die Verfügungsklägerin hat nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ihr die das Tragen eines Mundnasenschutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist. Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich lediglich, dass das Tragen eines Mutmaßungsschutzes nicht zu empfehlen sei bzw. sie aus gesundheitlichen Gründen davon zu befreien sei. Dem Schreiben lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht der Erklärungswert entnehmen, dass ihr das Tragen eines Mundnasenschutzes aus gesundheitlichen Gründen gänzlich unmöglich oder unzumutbar ist.

    bb)
    Selbst wenn das jedoch der Fall sein sollte und die Verfügungsklägerin mithin nach § 2 Absatz 3 Nr. 2 der SARS CoV 2 Umgangsverordnung (Brandenburg) von der Verpflichtung zum Tragen einer Mundnasenbedeckung ausgenommen wäre, ist die Weisung der Verfügungsbeklagten, den von ihr zur Verfügung gestellten Mundnasenschutz zu tragen, nicht unbillig mit der Folge, dass sich die Verfügungsklägerin nicht daran zu halten hat.

    Es entspricht billigem Ermessen derzeit keine Ausnahme zugunsten der Verfügungsklägerin zuzulassen. Dies gilt jedenfalls solange, bis diese nicht in einer für die Verfügungsbeklagte nachvollziehbaren und überprüfbaren Form nachgewiesen hat, dass ihr das Tragen der zur Verfügung gestellten Mundnasenbedeckung unmöglich ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Haftungsrisiken, die mit möglichen Infektionen für die Verfügungsbeklagte einhergehen (vgl. dazu Winkelmüller/Neuhöfer: Haftung für Corona-Schäden bei Arbeitsschutzverstößen, ARP 2020, 249; Brand/Becker: Deliktische Haftung bei einer Ansteckung mit SARS-CoV-2, NJW 2020, 2665). Die Verfügungsbeklagte hat nicht nur den Infektionsschutz unter ihren Mitarbeitern sicherzustellen, sondern auch den des Publikumsverkehrs. Zwar bestehen auch Arbeitsplätze bei der Verfügungsbeklagten ohne Publikumsverkehr. Auch an diesen hat die Verfügungsbeklagte aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen jedoch das Tragen des Mundnasenschutzes verpflichtend angewiesen, so dass eine Beschäftigung der Verfügungsklägerin dort ebenfalls unmöglich ist.

    Ein Zusammenhang zwischen dem Tragen des Mundnasenschutzes und der Behinderung der Verfügungsklägerin ist nicht ersichtlich.

    2.
    Auch der Hilfsantrag war zurückzuweisen, da ein Verfügungsanspruch nicht besteht. Die Bedeckung nur des Mundes in Verbindung mit einem Gesichtsvisier entspricht ebenfalls keinem gleichwertigen Infektionsschutz, da die Nase nicht bedeckt ist und daher keine Mundnasenbedeckung getragen wird.  

    3.
    Darüber hinaus ist auch ein für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlicher Verfügungsgrund zweifelhaft, § 940 ZPO.

    Ein solcher ist immer dann gegeben, wenn zu befürchten ist, dass durch eine bevorstehende Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine Dringlichkeit in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn für den Antragsteller im Falle seiner Verweisung auf das Hauptsacheverfahren keine Nachteile ersichtlich werden.

    a)
    Ein Verfügungsgrund ist hier schon unter dem Gesichtspunkt der selbst verschuldeten Eilbedürftigkeit fraglich. Der den einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmende Arbeitnehmer kann durch langes Zuwarten die nach § 940 ZPO erforderliche Dringlichkeit selbst widerlegen (LAG Hessen, 05.07.2006 ‒ 2 SaGa 632/06; LAG Rheinland-Pfalz, 25.5.2007 ‒ 6 TaBVGa 6/07). Ein langes Zuwarten liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der Rechtsbeeinträchtigung längere Zeit untätig bleibt und seinen Anspruch nicht (gerichtlich) geltend macht (LAG Hessen, 10. Mai 2010 ‒ 16 SaGa 341/10).

    b)
    Dafür spricht hier, dass die Verpflichtung zum Tragen das bereitgestellten Mundnasenschutzes aufgrund der Betriebsanweisung bereits seit April 2020 bestand. Gemäß des vorgelegten Attests der Verfügungsklägerin aus Juni 2020 war der Klägerin bereits seit Juni 2020 bewusst, dass ihr das Tragen eines Mundnasenschutzes aus ihrer Sicht nicht möglich ist. Spätestens seit Anfang September 2020 war ihr auch bewusst, dass ihr das Tragen das von der Verfügungsbeklagten bereitgestellten Mundnasenschutzes nicht möglich ist. Dennoch machte sie ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst am 06.10.2020 anhängig. Die Verfügungsklägerin hat mithin längere Zeit zugewartet und ihren Anspruch nicht geltend gemacht.

    III.
    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 46 Absatz 2 ArbGG, 91 Absatz 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 ArbGG, 3 ZPO.
     
    Rechtsmittelbelehrung

    xxx