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  • 07.07.2025 · IWW-Abrufnummer 248950

    Landgericht Karlsruhe: Beschluss vom 08.04.2025 – 6 O 19/25

    Wer nach vorangegangenem Mahnbescheid im Mahnverfahren die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt, ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG Kostenschuldner; dies gilt auch für den Beklagten.


    Landgericht Karlsruhe, Beschluss vom 08.04.2025, Az. 6 O 19/25

    Tenor:

    Die Erinnerung der Beklagten vom 03.02.2025 gegen den Kostenansatz vom 23.01.2025 (Kassenzeichen XXX) wird zurückgewiesen.

    Gründe
    I.

    Das von der Klägerin über einen Hauptsachebetrag von 217.531,85 Euro eingeleitete Mahnverfahren beim Amtsgericht Stuttgart - zentrales Mahngericht - mit der Geschäftsnummer XXX wurde wegen eines von der Beklagten am 07.01.2025 gestellten Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens an das hiesige Gericht abgegeben.

    Mit dem im Tenor näher bezeichneten Kostenansatz wurde die Beklagte unter Anrechnung der von der Klägerin bereits im Mahnverfahren eingezahlten Gerichtskosten von 1.059,50 Euro zur Zahlung der am hiesigen Gericht weiter angefallenen Gerichtskosten von weiteren 5.297,50 Euro aufgefordert.

    Mit Schriftsatz vom 03.02.2025 hat die Beklagte den Kostenansatz beanstandet und um dessen Aufhebung gebeten. Diesem als Erinnerung ausgelegten Rechtsbehelf ist nicht abgeholfen worden. Die Bezirksrevisorin hat beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Auf gerichtliche Hinweise vom 19.03.2025 hat die Beklagte an ihrem Rechtsbehelf mit Schriftsatz vom 19.03.2025 festgehalten.

    II.

    Der als Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG auszulegende Rechtsbehelf der Beklagten, über den nach § 66 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 GKG der Einzelrichter zu entscheiden hatte, ist zulässig, aber unbegründet.

    Der Kostenansatz ist sachlich und rechnerisch richtig. Der Höhe nach ist der Kostenenansatz nicht angegriffen und ein Berechnungsfehler ist auch nicht ersichtlich. Soweit sich die Beklagte dagegen wendet, dass sie selbst und nicht die Klägerin für die Kostentragung herangezogen wird, bleibt dieser Einwand erfolglos.

    Kostenschuldnerin für die weiteren Kosten, die mit dem Übergang ins streitige Verfahren angefallen sind, ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG die Beklagte.

    Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte "das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat". Dass mit Rechtszug i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG das streitige Verfahren nach Übergang vom Mahnverfahren gemeint ist, ergibt sich aus systematischen und teleologischen Erwägungen (im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.04.1994 - 3 W 25/94).

    Zuzugeben ist der Beklagten insoweit, dass der Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG an sich zunächst nahe legt, dass die 1. Instanz, also Mahnverfahren einschließlich streitiges Verfahren zusammengehören und daher Kostenschuldner sein müsste, wer das Mahnverfahren angestrengt hat.

    Indes ließe eine solche Auslegung die unmittelbar folgende Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG außer Acht. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG schuldet im Verfahren, das gemäß § 700 Abs. 3 ZPO dem Mahnverfahren folgt, die Kosten, wer den Vollstreckungsbescheid beantragt hat. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber in systematischer Hinsicht voraussetzt, dass nach einem Mahnverfahren beide Seiten Kostenschuldner nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG sein können, sodass "Rechtszug" auch das Streitverfahren isoliert meint. Denn nur für diesen Fall erscheint eine gesetzliche Regelung notwendig, wonach derjenige, der den Vollstreckungsbescheid beantragt hat, Kostenschuldner sein soll. Andernfalls wäre diese Regelung überflüssig (ebenso: OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.04.2016 - 6 W 37/16 -, NJOZ 2017, 79, 80).

    Soweit die Beklagte meint, es könne keinen Unterschied machen, ob Widerspruch erhoben und Antrag auf Einleitung des Streitverfahrens gestellt oder Einspruch eingelegt werde, lässt sie außer Acht, dass das Gesetz hier folgerichtig differenziert. Denn im Fall des Einspruchs liegt mit dem Vollstreckungsbescheid ein vollstreckungsfähiger Titel vor, über dessen Berechtigung zwingend zu entscheiden ist, sodass es auch gerechtfertigt ist, der Klägerseite die Kostenschuldnerschaft aufzuerlegen. Anders liegt es dagegen im Fall des Widerspruchs, weil in diesem Fall kein vollstreckungsfähiger Titel vorliegt. Insoweit kann der Antragsgegnerseite zugemutet werden, zuzuwarten, wenn sie keine Gerichtskosten tragen möchte. Der Gesetzgeber sieht dies bei Untätigkeit der Klägerseite ebenso, da in Fällen ohne Vollstreckungsbescheid und ohne Terminsbestimmungsantrag der Beklagtenseite nach § 697 Abs. 3 Satz 1 ZPO das Verfahren nicht weiter zu betreiben ist, während beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid unabhängig vom weiteren Betreiben der Parteien eine gerichtliche Terminsbestimmung nach § 700 Abs. 5 Hs. 1 ZPO vorzunehmen ist.

    Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung teils vertreten wird, es obliege dem Antragsteller, das Verfahren zu Ende zu bringen, um eine prozessuale Kostengrundentscheidung herbeizuführen (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.03.2015 - 14 W 162/15 -), lässt dies außer Acht, dass es eine solche Obliegenheit nach dem oben Ausgeführten nicht gibt. Denn selbst wenn die Beklagtenseite die Abgabe an das Streitgericht beantragt, ist das Verfahren ohne Terminsbestimmungsantrag der Beklagtenseite nicht weiterzuführen. Damit hätte es die Beklagtenseite in der Hand, Gerichtskosten auf Klägerseite auszulösen, ohne dass im Anschluss hieran das Verfahren von einer Seite weiter betrieben werden müsste.

    Auch die weitere obergerichtliche Auffassung, dass insbesondere die Anrechnung der im Mahnverfahren bereits gezahlten Gerichtskosten auf die im Streitverfahren anfallenden Gerichtskosten für einen einheitlichen Rechtszug spreche (OLG München, Beschluss vom 06.06.1995 - 11 W 1260/95 -), vermag nicht zu überzeugen. Es ist selbstverständlich, dass nur die weiter anfallenden Gerichtsgebühren eingefordert werden. Dies ist technisch nur durch eine Anrechnung zu erreichen. Ohne Anrechnung würden zu viele Gerichtskosten vereinnahmt werden. Für die Frage der Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG ist hiermit nichts gewonnen.

    Soweit eine weitere obergerichtliche Auffassung in § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung lediglich eine klarstellende Funktion sehen will (KG, Beschluss vom 20.10.2017 - 5 AR 13/17 -, NJOZ 2019, 238), kann dem nicht gefolgt werden. Die Gesetzesbegründung nimmt gerade selbst an, dass es sich beim Streitverfahren um eine "kostenrechtlich neue Instanz" (BT-Drs. 12/6962, S. 65) handelt (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.04.2016 - 6 W 37/16 -, NJOZ 2017, 79, 80). Auch soweit das Kammergericht meint, Nachlässigkeit dürfe nicht privilegiert werden, wenn der Beklagte, der den Widerspruch versäumt und dann Einspruch einlegt, kostenrechtlich besser behandelt werde (KG, Beschluss vom 20.10.2017 - 5 AR 13/17 -, NJOZ 2019, 238, 239), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn der Beklagte, der den Widerspruch versäumt, wehrt sich mit dem Einspruch gegen einen vollstreckbaren Titel, der bisher nicht auf Schlüssigkeit geprüft worden ist, sodass es der Klägerseite zuzumuten ist, die hierfür anfallenden Gerichtskosten zu bezahlen. Dagegen hat der Beklagte, gegen den kein vollstreckbarer Titel vorliegt, ein weit weniger schützenswertes Interesse, ohne Anfall von Gebühren das Streitverfahren in Gang setzen zu können.

    Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.

    RechtsgebieteKostenschuldner, Gerichtsgebühr, MahnverfahrenVorschriften§ 22 Abs 1 S 1 GKG, § 697 Abs 3 ZPO, § 700 Abs 3 ZPO