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  • 02.06.2025 · IWW-Abrufnummer 248419

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 15.05.2025 – 12 U 141/24

    1. Zur hinreichenden Erfolgsaussicht einer beabsichtigten, auf § 84 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AMG gestützten Schadensersatzklage wegen behaupteter Impfschäden gegen den Hersteller eines mRNA-Impfstoffes gegen COVID-19.

    2. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Wird die Rechtslage später zum Nachteil des Versicherungsnehmers geklärt, kann sich der Versicherer darauf nicht berufen. 3. Jedenfalls zum hier gegebenen Zeitpunkt der Bewilligungsreife im August 2022 bestand auf Grundlage des Sachvortrags des Versicherten hinreichende Erfolgsaussicht bezüglich der Anspruchsvoraussetzung des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG (Nutzen-Risiko-Abwägung).

    3. Jedenfalls zum hier gegebenen Zeitpunkt der Bewilligungsreife im August 2022 bestand auf Grundlage des Sachvortrags des Versicherten hinreichende Erfolgsaussicht bezüglich der Anspruchsvoraussetzung des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG (Nutzen-Risiko-Abwägung).


    Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2025, Az. 12 U 141/24

    Tenor:

    1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach - 1. Zivilkammer - vom 26.09.2024, Az. 1 O 39/24, wird zurückgewiesen.

    2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe
    I.

    Der Kläger nimmt als Mitversicherter in der Rechtsschutzversicherung seiner Ehefrau die Beklagte - ein Schadensabwicklungsunternehmen des Rechtsschutzversicherers - auf Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Arzneimittelhersteller in Anspruch. Der Rechtsschutzversicherung liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung ... für Nichtselbständige (ARB 2009)" in der Fassung 04/2011 zugrunde, die u.a. folgende Bestimmungen enthalten:

    "23.1 Wir können den Rechtsschutz ablehnen, wenn unserer Auffassung nach

    23.1.1 [...] die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder

    23.1.2 die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mutwillig ist.

    [...]

    23.2 Haben wir unsere Leistungspflicht gemäß Ziff. 23.1 verneint und stimmen Sie unserer Auffassung nicht zu, können Sie den für Sie tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf unsere Kosten veranlassen, uns gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Entscheidung ist für Sie und uns bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht."

    Am 10.06.2021 und am 23.07.2021 ließ sich der damals 57 Jahre alte Kläger mit dem Mittel X der Y GmbH (im Folgenden: die Herstellerin) gegen COVID-19 impfen. Diese hatte zuvor nach Prüfung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) von der Europäischen Kommission am 21.12.2020 für diesen Impfstoff eine bedingte Zulassung zur Inverkehrbringung in der Gemeinschaft erhalten. Die unbedingte Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte am 10.10.2022.

    Am 13.08.2021 diagnostizierte eine Ärztin ein "Fatigue-Syndrom" beim Kläger, der in der Folge beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine unerwünschte Impfreaktion online meldete. Dabei gab er als Beschwerden "absolute Kraftlosigkeit" und "extreme Müdigkeit" an. Unter dem 24.01.2022 erstattete ein den Kläger behandelnder Arzt an das PEI überdies schriftlichen Bericht über den Verdacht einer Impfkomplikation in Form eines Müdigkeitssyndroms. Im Februar 2022 infizierte sich der Kläger mit dem Coronavirus SARS-Cov2.

    Per eMail vom 22.08.2022 stellten die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem Rechtsschutzversicherer Deckungsanfrage für die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Herstellerin wegen impfbedinger Gesundheitsschäden in Höhe von "nicht unter 150.000 €". Nach ihrer Beauftragung durch den Versicherer wies die Beklagte durch Schreiben vom 24.08.2022 die Anfrage mit der Begründung zurück, für die Rechtsverfolgung bestünden keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Das Schreiben endete mit dem Hinweis, dass der Versicherungsnehmer die Möglichkeit habe, einen Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers zu veranlassen, eine begründete Stellungnahme dazu abzugeben, weshalb doch hinreichende Erfolgsaussichten bestünden, und dass diese Stellungnahme bindend sei, wenn sie nicht offensichtlich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage abweiche. In dem als Stichentscheid bezeichneten Schriftsatz vom 25.10.2022 führten die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus, die Deckungsablehnung lasse sich nicht mit mangelnden Erfolgsaussichten begründen und die begehrte Deckungszusage sei zu erteilen. Die Beklagte wies den Schriftsatz als Stichentscheid zurück und blieb bei ihrer ablehnenden Haltung.

    Zuvor hatte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 20.10.2022 wegen eines Impfschadens, der sich in Müdigkeit und Kraftlosigkeit nach der zweiten Impfung äußere, von der Herstellerin u.a. die Zahlung eines Schmerzensgelds von 150.000 € und das Anerkenntnis ihrer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach verlangt. Die Herstellerin kündigte hierauf eine Prüfung an. Vom 14.03.2023 bis zum 04.04.2023 befand sich der Kläger mit den Diagnosen "Restbeschwerden nach COVID-19 02/22", "COPD Stadium I/B nach GOLD", fortgesetzter Nikotinabusus bei ca. 40 pack years und Hypercholesterinämie zur stationären Behandlung im Reha-Zentrum Schömberg, Abteilung für Pulmologie (Entlassungsbericht vom 10.10.2023). Im Folgejahr wurde er vom 28.01.2024 bis zum 04.03.2024 in den Neckar-Odenwald-Kliniken Mosbach wegen Influenza mit partieller respiratorischer Insuffizienz und Lungenemphysem sowie wegen schwerem kontrollbedürftigen Natriummangel stationär behandelt.

    Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht,

    die Beklagte sei zur Deckungszusage verpflichtet. Sie könne sich nach § 128 Satz 3 VVG nicht auf mangelnde Erfolgsaussichten berufen, nachdem der Hinweis auf das Stichentscheidverfahren im Ablehnungsschreiben vom 24.08.2022 nur schwer zu finden sei. Zudem komme dem Stichentscheid vom 25.10.2022 Bindungswirkung zu. Die Beklagte könne sich nicht auf Nr. 23.2 Satz 2 Halbs. 2 ARB 2009 berufen, weil diese Klausel nach § 129 VVG unwirksam sei. Im Übrigen bestünden für die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten. Er habe gegen die Herstellerin mit hinreichender Sicherheit einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 150.000 € aus § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 2 AMG, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 3a, § 96 Nr. 3 AMG.

    Die Impfungen mit X hätten bei ihm gesundheitliche Beeinträchtigungen in Form von Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Konzentrationsproblemen, Schlaflosigkeit und einem Restless Legs-Syndrom hervorgerufen. Seit der letzten Impfung fühle er sich um Jahre gealtert. Überdies sei sein Immunsystem durch den Impfstoff geschädigt worden, weshalb er seither immer wieder mit Infekten - zuletzt mit Lungenentzündung und Beeinträchtigungen der Nierenfunktion bis hin zu drohendem Nierenversagen - kämpfe. Laut wissenschaftlichen Veröffentlichungen werde das Kommunikationssystem des Immunsystems durch die Impfung ausgeschaltet. Körpereigene Interferone würden unterdrückt und die Funktion der natürlichen Killerzellen außer Kraft gesetzt. Ein immunologisches Blutbild vom 08.08.2022 bestätige eine schwerwiegende Störung seiner - des Klägers - Immunabwehr, die mit dem Status eines HIV-Infizierten vergleichbar sei. Sowohl das PEI als auch die EMA erfassten die dargestellten Beschwerden als anerkannte Impfnebenwirkungen.

    Vor den Impfungen sei er gesund gewesen. 2020 habe er sich nur zweimal wegen Erkältungssymptomen und Anfang 2021 wegen berufsbedingtem Stress in ärztliche Behandlung begeben. Er habe damals eine Vollzeittätigkeit als technischer Angestellter im Telefonsupport für komplexe Alarmsysteme ausgeübt. Daneben habe er ein regelmäßiges Krafttraining absolviert, handwerkliche Arbeiten an seinem Eigenheim verrichtet und sich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden sei es ihm inzwischen nur noch möglich, seiner Berufstätigkeit unter großen Anstrengungen an vier Tagen in der Woche nachzugehen. In Haus und Garten könne er kaum noch etwas selbst erledigen; an Sport und ehrenamtliche Tätigkeit sei nicht mehr zu denken.

    Der Impfstoff weise erhebliche Mängel in Entwicklung und Herstellung auf, die jeweils für sich genommen geeignet seien, einen Gesundheitsschaden wie den seinen zu verursachen. Die Herstellerin habe im Impfstoff schadensträchtige Bestandteile verbaut. Außerdem sei der an die Bevölkerung verabreichte Impfstoff mit dem zuvor getesteten nicht identisch und zudem nicht in dem Verfahren produziert worden, das von den Behörden genehmigt worden sei. Für die Ausnahme gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG trage die Herstellerin die Darlegungs- und Beweislast. Die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses folge nicht bereits aus der Zulassung des Impfstoffs. Überdies sei zu seinen Gunsten die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG zu berücksichtigen. Die Haftungsbeschränkung gemäß § 3 Abs. 4 MedBVSV sei nicht einschlägig und verfassungsrechtlich zweifelhaft.

    Die Herstellerin sei überdies nicht ihrer Pflicht nachgekommen, für eine den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende Kennzeichnung, Fach- und Gebrauchsinformation i.S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG zu sorgen. Die eingetretenen Schäden gingen auch auf die fehlerhaften Instruktionen zurück. Wäre er über die Mängel der Entwicklung und Herstellung des Impfstoffs informiert worden, hätte er sich nicht impfen lassen. Die Herstellerin habe ihn vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt, indem sie die Impfstoffzulassung erschlichen und ein bedenkliches Arzneimittel in den Verkehr gebracht habe. Sie habe spätestens seit dem 30.04.2021 den Umfang der eintretenden Impfschäden aus der klinischen Studie Phase 3 und das erhebliche Schadenspotential des Impfstoffs, vor allem in Bezug auf Gefäßentzündungen (Vasculitis) und das Post-Vac-Syndrom gekannt. Sie habe toxikologische Gutachten für die als Transportstoffe verwendeten Lipide nicht vorgelegt, weil sie gewusst habe, dass die Lipidnanopartikel-Hersteller diese als toxisch für Mensch und Tier auswiesen. Die Herstellerin habe eine irreführende, öffentliche Verlautbarung veranlasst, laut der es um eine "Schutzimpfung" gehe, obgleich der Impfstoff nicht zum Schutz vor Übertragung zugelassen worden sei, und die Wirksamkeit des Impfstoffs 95% betrage, ohne darauf hinzuweisen, dass der Wert lediglich die Relative Risikoreduktion (RRR), nicht aber die tatsächlich bedeutsame Absolute Risikoreduk tion (ARR) betreffe, die in einer Studie der Herstellerin mit nur 0,86% angegeben worden sei.

    Der Kläger hat, nachdem er zunächst Klage gegen den Versicherer erhoben und diese später auf die Beklagte als Schadensabwicklungsunternehmen umgestellt hatte, zuletzt beantragt festzustellen,

    1.
    dass die Beklagte aus dem mit der Klagepartei geschlossenen Versicherungsvertrag verpflichtet ist, im Rahmen des Schadensvorgangs Nr. ... für die außergerichtliche und die erstinstanzliche gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen i.H.v. 100.000 € gegenüber der Y GmbH aus den Impfungen vom 10.06.2021 und 23.07.2021 bedingungsgemäß Deckungsschutz zu gewähren, und

    2.
    dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klagepartei von den Kosten i.H.v. 1.980,16 € freizustellen, die durch die Fertigung des Stichentscheids im Rahmen des Schadensvorgangs Nr. ... durch die Z Rechtsanwälte mbB entstanden sind.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat eingewandt,

    die Deckungsablehnung sei zu Recht erfolgt. Die Deckungsfiktion nach § 128 Satz 3 VVG komme dem Kläger nicht zugute, weil die im Ablehnungsschreiben verwendete Belehrung über das Stichentscheidverfahren den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der vorgelegte Stichentscheid sei nicht bindend, nachdem sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers darin nur oberflächlich mit dem Sachverhalt ohne hinreichenden Bezug zum Rechtsschutzfall und ihren Einwendungen auseinandergesetzt hätten. Der Sachvortrag des Klägers zur Haftung der Herstellerin sei unzureichend. Er habe keine medizinischen Unterlagen vorgelegt, die einen Zusammenhang zwischen seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der erhaltenen Impfung belegten. Medizinisch nicht haltbar sei seine Behauptung, der Impfstoff habe zur Umprogrammierung seines Immunsystems geführt. Die angeblichen Beweise und Untersuchungen seien wissenschaftlich unbrauchbar und stellten bloße Behauptungen ins Blaue hinein dar. Eine Beweisführung sei dem Kläger aufgrund der bereits feststehenden Tatsachen unmöglich. Vielmehr hätten Studien belegt, dass die Impfung kein erhöhtes gesundheitliches Risiko begründe. Die geschilderten Erkrankungen und Einschränkungen des Klägers seien "alltäglich". Der Kläger könne sich nicht auf die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG berufen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG habe er nichts vorgetragen. Für einen Anspruch nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG fehle es am Vortrag, dass die Produktinformation nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprochen hätte. Die angegebene Anspruchshöhe entbehre jeglicher Grundlage.

    Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 1 stattgegeben, die Klage im Übrigen abgewiesen und dem Kläger durch gesonderten Beschluss die Kosten der vormaligen Beklagten auferlegt. Zur Begründung der Teilstattgabe der Klage hat es - soweit für das Berufungsverfahren von Belang - ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Gewährung des begehrten Rechtsschutzes nach Nr. 23.1 ARB 2009 abzulehnen. Zwar gelte zugunsten des Klägers weder die Deckungsfiktion gemäß § 128 Satz 3 VVG, weil der Hinweis auf das Stichentscheidverfahren im Ablehnungsschreiben vom 24.08.2022 hinreichend gewesen sei, noch sei der spätere Stichentscheid bindend, in dem sich die Prozessbevollmächtigten auf plakativen, stichpunktartigen Vortrag zu Beschwerden des Klägers beschränkt hätten. Eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den Ablehnungsgründen fehle ebenso wie eine vollständige Darstellung der Sach- und Rechtslage. Auch enthalte Nr. 23.2 ARB 2009 weder eine nachteilige Abweichung i.S. von § 129 VVG noch benachteilige die Klausel den Versicherungsnehmer unangemessen i.S. von § 307 BGB.

    Der beabsichtigten Rechtsverfolgung könne aber eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Es sei jedenfalls denkbar, dass der Kläger Schadensersatzansprüche aus § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 AMG gegen die Herstellerin verfolgen könne. Der Kläger habe hinreichend zu den allgemeinen Haftungsvoraussetzungen nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AMG vorgetragen. Er habe auch geltend gemacht, dass die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch des Arzneimittels auftretenden schädlichen Wirkungen aus medizinischer Sicht unvertretbar seien. Er habe die erheblichen Beschwerden geschildert, weswegen er sich in ärztliche Behandlung begeben habe und die er auf die Impfungen zurückführe. Weiterer Vortrag zum nicht mehr vertretbaren Missverhältnis zwischen Nutzen und Schaden sei nicht zu fordern. Der Kläger habe auch zur Schadensneigung des Impfstoffs vorgetragen, so dass er sich auf die Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 AMG berufen könne. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass der Kläger den Nachweis der von ihm zu beweisenden Tatsachen mithilfe eines Sachverständigengutachtens führen könne. Im Übrigen handele es sich bei den Wirkzusammenhängen um schwierige Tatsachen, die nicht im Deckungsprozess zu klären seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass an die Darlegungslast des Anspruchstellers im Bereich der Arzneimittelhaftung keine überhöhten Anforderungen zu stellen seien. Ob eine Haftung nach § 5 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a IfSG i.V.m. § 3 Abs. 4 MedBVSV ausgeschlossen werde, sei gleichfalls im Deckungsprozess nicht zu entscheiden. Die Anwendung der Ausnahmeregelung, an deren Rechtmäßigkeit erhebliche Zweifel bestünden, hänge vom Vortrag des Arzneimittelherstellers im Einzelfall ab. Unter Berücksichtigung von Art und Ausmaß der vom Kläger geschilderten Beschwerden und Beeinträchtigungen erscheine die Verfolgung von Ersatzansprüchen für immaterielle und materielle Schäden in Höhe von bis zu 100.000 € hinreichend erfolgreich.

    Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage begehrt. Sie rügt die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten durch das Landgericht als fehlerhaft, das zu Unrecht eine antizipierte Beweiswürdigung als unzulässig angesehen habe. Auf Basis der bereits feststehenden Umstände habe die beabsichtigte Rechtsverfo lgung keine Aussicht auf Erfolg: Der Kläger habe gegenüber dem PEI, das keinen Impfschaden anerkannt habe, angegeben, seine Blutwerte seien vorbildlich. Ausweislich des Entlassungsberichts des Reha-Zentrums Schömberg vom 10.10.2023 bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen. Die überdies dort erwähnte COPD-Erkrankung gehe typischerweise mit Symptomen einher, die der Kläger als Impffolgen darstelle. Aus dem Bericht gehe auch hervor, dass der Kläger gegenüber den Ärzten angegeben habe, erst seit der Corona-Infektion im Februar 2022 unter Atembeschwerden und Kraftlosigkeit zu leiden. Das Fatigue-Syndrom bestehe erst seit Januar 2023. Der Kläger habe keine medizinischen Unterlagen beigebracht, aus denen sich der von ihm behauptete Kausalzusammenhang ergeben könne, und nicht bestritten, vor den Impfungen unter einer Depression gelitten zu haben, die typischerweise mit Zuständen einhergehe, die der Kläger der Impfung zuschreibe. Seine Behauptung, vor der Impfung vollständig gesund gewesen zu sein, werde durch seine Angaben gegenüber den Reha-Ärzten widerlegt.

    Die haftungsbegründende Kausalität könne zudem nur vermutet werden, wenn dem Kläger der Nachweis der konkreten Schadensneigung des Impfstoffs gelinge. Hierfür genüge sein Vortrag nicht. Dieser lasse zudem nicht erkennen, dass die Voraussetzungen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 AMG vorlägen. Ein Anspruch nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG scheide aus, wenn die geltend gemachte schädliche Wirkung bereits bei Zulassung des Arzneimittels bekannt gewesen sei und der Zulassung nicht entgegengestanden habe. Die Zulassungsentscheidungen basierten auf Empfehlungen der EMA, die Gutachten zum Nutzen-Risiko-Verhältnis eingeholt habe. Mit der Zulassungsentscheidung zu einer angepassten Variante des Impfstoffs vom 31.08.2023 und der vorausgegangenen Prüfung durch die EMA sei explizit das grundsätzlich positive Nutzen-Risiko-Verhältnis bestätigt worden. Relevante Anhaltspunkte dafür, dass sich bei den Zulassungsentscheidungen bereits bekannte schädliche Wirkungen später in Bezug auf Schwere und Häufigkeit geändert hätten oder dass neue schädliche Wirkungen bekannt geworden wären, mache der Kläger nicht geltend. Hinsichtlich eines Anspruchs nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG sei zu berücksichtigen, dass die Herstellerin die Fach- und Gebrauchsinformationen in Abstimmung mit der Zulassungsbehörde erstellt und geändert habe. Dies indiziere, dass die Informationen den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprächen.

    Aufgrund der offensichtlichen Mängel im Vortrag des Klägers und der eindeutigen Rechtslage könne es bei einem Rechtsstreit gegen die Herstellerin nicht zu einer Beweisaufnahme kommen. Zwischenzeitlich hätten sich zahlreiche Gerichte mit Ansprüchen im Zusammenhang mit X-Impfungen beschäftigt, ohne dass bislang ein klagezusprechendes Urteil ergangen sei oder auch nur eine Beweisaufnahme stattgefunden hätte. Überdies habe der Kläger keine Anknüpfungspunkte vorgetragen, die einen Anspruch i.H.v. 100.000 € rechtfertigen könnten. Ein Anspruch auf Kostenschutz für die außergerichtliche Tätigkeit bestehe ohnehin nicht, weil eine solche zwecklos und überflüssig wäre. Die Herstellerin habe bislang in keinem Fall auf ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben hin die geltend gemachten Ansprüche reguliert.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt die erstinstanzliche Teilstattgabe der Klage unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags, wobei er die Ablehnung der Bindungswirkung des anwaltlichen Stichentscheids durch das Landgericht hinnimmt, indes weiterhin die Auffassung vertritt, zu seinen Gunsten streite die Deckungsfiktion des § 128 Satz 3 VVG. Im Übrigen sei dem Landgericht kein Fehler in tatsächlicher Hinsicht unterlaufen. Seine Vorerkrankungen seien den behandelnden Ärzten bekannt gewesen und irrelevant. Die COPD-Erkrankung habe nie das eigentliche Problem dargestellt. Die Corona-Erkrankung und die spätere Influenza seien gerade auf die durch die Impfung hervorgerufene Immunschwächung zurückzuführen. Inzwischen sei er zu 100% arbeitsunfähig und erwerbslos. Ein im Februar 2023 gefertigtes immunologisches Blutbild belege, dass selbst 1 1/2 Jahre nach Verabreichung der letzten Impfdosis noch Impfstoffrückstände in seinem Körper nachweisbar seien. Die Diagnose des chronischen Erschöpfungssyndroms sei unmittelbar nach der Impfung nicht möglich gewesen, auch wenn die dargestellten Symptome bereits damals vorgelegen hätten.

    Bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Impfung für den Kläger keine Gefahr bestanden habe, an COVID-19 zu erkranken oder zu versterben. Die Sterblichkeitsrate habe unterhalb einer saisonalen Influenza gelegen, weshalb eine Impfung mit dem völlig neuartigen Impfstoff außerhalb der regulären Zulassung nicht angezeigt gewesen wäre. Das Infektionsgeschehen bei geimpften und ungeimpften Personen sei annährend gleich gewesen. Überdies habe es bereits damals eine Vielzahl hochwirksamer Medikamente zur COVID-19-Prävention gegeben. Der Impfstoff habe zu keiner Zeit eine Wirksamkeit von 95% besessen. Es seien Probanden aus einer Studie des Herstellers entfernt worden, die als Geimpfte an COVID-19 erkrankt seien. Nehme man diese hinzu, ergebe sich eine relative Risikoreduktion von lediglich 12% bis 19%. Auch ein nachweisbarer therapeutischer Nutzen sei nicht ersichtlich. Ausweislich eines Aufsatzes vom 29.06.2024 in der Fachzeitschrift "International Journal of Vaccine Theory, Practice, and Research" stünden die Risiken des Impfstoffs einem kaum wahrnehmbaren Nutzen gegenüber. Ein außergerichtliches Tätigwerden habe sich hier nicht erübrigt, weil nicht per se davon auszugehen sei, dass die Herstellerin zu einer Regulierung nicht bereit sei. Dies zeigten auch öffentliche Verlautbarungen einer anderen Anwaltskanzlei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat dem Deckungsbegehren des Klägers zu Recht Folge gegeben.

    Der Rechtsschutzfall ist im Schadenersatz-Rechtsschutz nach Nr. 7.1.1, 4.1 ARB 2009 unstreitig eingetreten, der vom Umfang des vereinbarten Privat-, Berufs- und Familien-Verkehrs-Rechtsschutzes erfasst wird (Nr. 6.1.3 ARB 2009). Der Kläger ist nach § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG aktivlegitimiert und auch als klagebefugt anzusehen. Zwar sieht § 44 Abs. 2 VVG vor, dass der Versicherte seine Ansprüche grundsätzlich nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers gerichtlich geltend machen kann. Ob eine solche hier erteilt wurde, kann aber gleichwohl dahinstehen, weil die Beklagte vorgerichtlich bereits mit den anwaltlichen Vertretern des Klägers korrespondierte und den Anspruch zurückwies, ohne sich auf die fehlende Verfügungsbefugnis des Klägers berufen. Dieser durfte danach davon ausgehen, dass die Beklagte nichts dagegen einzuwenden hatte, auch im Klageverfahren mit ihm anstelle der Versicherungsnehmerin zu tun zu haben. Die Berufung der Beklagten auf das Fehlen der Klagebefugnis wäre insoweit rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG Hamm, VersR 2005, 934 [juris Rn. 27]; dass., VersR 1997, 1098 [juris Rn. 12-15]; Beckmann/Koch in Bruck/Möller, VVG 10. Aufl. § 44 Rn. 40).

    Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg gemäß Nr. 23.1.1 ARB 2009 auf das Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten der vom Kläger beabsichtigten Rechtsverfolgung berufen.

    1. Dies folgt entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung allerdings nicht schon aus § 128 Satz 3 VVG. Danach gilt das Rechtsschutzbedürfnis u.a. dann als anerkannt, wenn es der Versicherer bei Verneinung seiner Leistungspflicht unterlässt, den Versicherungsnehmer gemäß § 128 Satz 2 VVG auf ein im Versicherungsvertrag vorgesehenes Gutachter- oder ein anderes Verfahren mit vergleichbarer Unparteilichkeitsgewähr hinzuweisen, das in § 128 Satz 1 VVG vorgesehen ist und in dem die Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien über die Erfolgsaussicht entschieden werden. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Voraussetzungen der gesetzlichen Anerkenntnisfiktion nicht vorliegen.

    In formeller Hinsicht muss der Hinweis, um seiner Funktion gerecht zu werden, so gestaltet sein, dass er dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht entgeht, wenn er das Ablehnungsschreiben des Versicherers durchliest. Hierfür bedarf es - mangels gesetzlicher Vorgabe - keiner drucktechnischen Hervorhebung. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Hinweis an markanter Stelle im Ablehnungsschreiben erfolgt (OLG Düsseldorf, VersR 2019, 1550 [juris Rn. 107]; OLG Hamburg, Beschluss vom 30.01.2020 - 9 U 187/19, juris Rn. 4; Piontek in Prölss/Martin, VVG 32. Auflage § 128 Rn. 5). Inhaltlich muss die Information klar und deutlich sowie aus sich heraus verständlich sein, so dass ein bloßer Verweis auf die maßgeblichen Vertragsbestimmungen nicht genügt (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 30.01.2020 aaO; Bruns in Bruck/Möller, VVG 10. Aufl. § 128 VVG Rn. 34; a.A. OLG Düsseldorf aaO). Einer Erläuterung des Gutachter- oder vergleichbaren Verfahrens im Einzelnen bedarf es dabei nicht (OLG Düsseldorf aaO; PK-VVG/Hillmer-Möbius, 4. Aufl. § 128 Rn. 16).

    Diesen Anforderungen wird das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 24.08.2022 (Anl. K10) gerecht. Der Hinweis auf die Möglichkeit des Stichentscheidverfahrens findet sich unmittelbar vor der Schlussformel und damit entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung nicht versteckt, sondern an einer markanten Stelle (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2019, 1550 [juris Rn. 107]; LG Mönchengladbach, Urteil vom 28.09.2023 - 1 O 25/23, juris Rn. 60). Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der das Schreiben sorgfältig liest, entgeht die Information an dieser Stelle nicht. Auch inhaltlich ist der Hinweis nicht zu beanstanden, der knapp und klar auf die Möglichkeit des Stichentscheidverfahrens hinweist, ohne sich mit einem bloßen Verweis auf die vertraglichen Bestimmungen zu begnügen.

    2. Zu Recht beruft sich der Kläger in der Berufungsinstanz nicht weiter auf den als Stichentscheid bezeichneten Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2022 (Anl. K11). Denn dieser entfaltet zu Lasten der Beklagten keine Bindungswirkung.

    a) Dem Rechtsanwalt, der gemäß Nr. 23.2 ARB 2009 tätig wird, obliegt in der Funktion eines Schiedsgutachters die Aufgabe, die Frage, ob die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, dem Streit der Vertragsparteien zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.1990 - IV ZR 214/88, r+s 1990, 124 [juris Rn. 5]). Um diese Frage zu beantworten, hat er nach Nr. 23.2 Satz 1 ARB 2009 eine begründete Stellungnahme abzugeben, die gemeinhin als Stichentscheid bezeichnet wird. Fehlt es an der erforderlichen Begründung, bindet die anwaltliche Stellungnahme den Versicherer nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.1990 aaO Rn. 4).

    Danach ist der Rechtsanwalt gehalten, im Stichentscheid die Grundlagen seiner gutachterlichen Entscheidung und den Weg, auf dem er zu ihr gelangt ist, aufzuzeigen; er hat deshalb grundsätzlich den entscheidungserheblichen Streitstoff darzustellen, bei bestrittenem Vorbringen Beweismöglichkeiten anzugeben, maßgebliche Rechtsfragen unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Rechtslehre herauszuarbeiten und das nach seiner Ansicht bestehende Prozessrisiko aufzuzeigen. Dies bedeutet, dass er sich auch mit etwa vorhandenen Argumenten auseinandersetzen muss, die gegen eine Erfolgsaussicht sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.1990 - IV ZR 214/88, r+s 1990, 124 [juris Rn. 6]; Senatsurteil vom 07.11.2023 - 12 U 81/23, VersR 2024, 158 [juris Rn. 43]; OLG Frankfurt, VersR 2016, 246 [juris Rn. 23]). Welche Anforderungen an den Inhalt des Stichentscheids im Einzelfall zu stellen sind, richtet sich maßgeblich nach der Begründung, auf die der Versicherer die Ablehnung seiner Eintrittspflicht gestützt hat. Sind die Ablehnungsgründe auf bestimmte Punkte beschränkt, so genügt es, wenn sich auch die Stellungnahme des Rechtsanwalts nur bezüglich dieser Punkte verhält (Senatsurteil vom 07.11.2023 - 12 U 81/23, VersR 2024, 158 [juris Rn. 44]; OLG Düsseldorf, VersR 2018, 92 [juris Rn. 100]).

    b) Wie das Landgericht richtig erkannt hat, wird der als Stichentscheid bezeichnete Schriftsatz der Klägervertreter vom 25.10.2022 diesen Anforderungen nicht gerecht. Zwar werden dort die einzelnen Gesichtspunkte, auf welche die Beklagte ihre Ablehnung gestützt hat, enumerativ abgehandelt. Indes fehlt es dabei an der Herausarbeitung der maßgeblichen Rechtsfragen, der Darstellung von Beweismöglichkeiten bei den streitigen Tatsachenbehauptungen und dem Aufzeigen bestehender Prozessrisiken. Vielmehr ist der Schriftsatz von zahlreichen Angriffen auf die Beklagte (z.B. "einseitige Fantasien der Rechtsschutzversicherung" [S. 11], "Rechtliche Absurditäten" [S. 17] oder "Da [...] unbelegt und ins Blaue hinein zur Abschreckung und Irreführung des eigenen Versicherungsnehmers vorgetragen hat, liegt der Verdacht e ines Betruges zugunsten der Versicherung nahe." [S. 18]) und Sarkasmus ("[...] kann sich doch von Ihrer Risikobewertung her freuen, wenn die Wahrscheinlichkeit von Post-Vac [...] nur 0,02% betrage." [S. 16]) geprägt, ohne zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen der vorgebrachten Anspruchsgrundlagen in nachvollziehbarer Weise Stellung zu nehmen, obgleich die Beklagte dies in ihrem Ablehnungsschreiben vom 24.08.2022 zuvor bemängelt hatte. Eine Auseinandersetzung mit Aspekten, die gegen den Erfolg des beabsichtigten Vorgehens gegen die Herstellerin sprächen, fehlt gänzlich. Das als Streitschrift gehaltene Anwaltschreiben erfüllt insofern nicht die Erfordernisse einer gutachterlichen Stellungnahme, sondern stellt eine bloße Replik auf das ablehnende Schreiben der Beklagten dar.

    c) Die vom Kläger in erster Instanz geltend gemachte Unwirksamkeit von Nr. 23.2 Satz 2 Halbs. 2 ARB MPM 2009 ist insofern ohne Belang, als sich die mangelnde Bindungswirkung nicht hieraus ergibt. Dessen ungeachtet folgt aus § 129 VVG nicht die Unwirksamkeit d ieser Bestimmung, die nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 126-128 VVG abweicht. Auf die Rechtsschutzversicherung als Schadensversicherung findet § 84 VVG Anwendung. Zwar handelt es sich bei dem Stichentscheid- um kein Sachverständigenverfahren i.S. des § 84 VVG; dem beauftragten Rechtsanwalt kommt hier aber eine Aufgabe zu, die der eines Schiedsgutachters sehr ähnlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.1994 - IV ZR 209/92, r+s 1994, 342 [juris Rn. 14]), weshalb eine entsprechende Anwendung der Normgrundsätze gerechtfertigt ist. Danach sind Feststellungen des Sachverständigen nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der Wirklichkeit erheblich abweichen (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG). Diesen Vorgaben entspricht die in Rede stehende Klausel (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2019, 291 [juris Rn. 36]; Piontek in Prölss/Martin, VVG 32. Aufl. § 128 Rn. 3).

    3. Dessen ungeachtet hat die Beklagte den begehrten Deckungsschutz zu gewähren, weil die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

    a) Die aus § 114 Abs. 1 ZPO übernommene Formulierung in Nr. 23.1.1 ARB 2009 bringt zum Ausdruck, dass der Versicherer Versicherungsschutz unter den sachlichen Vora ussetzungen gewährt, unter denen eine Partei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (vgl. BGH, Urteile vom 19.02.2003 - IV ZR 318/02, r+s 2003, 194 [juris Rn. 16]; vom 16.09.1987-IVa ZR 76/86, VersR 1988, 174 [juris Rn. 7]). Danach genügt es, wenn der von einem Kläger angenommene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Urteil vom 05.06.2024 - IV ZR 140/23, BGHZ 241, 63 Rn. 18 m.w.N.). An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 81, 347 [BVerfG 13.03.1990 - 2 BvR 94/88] [juris Rn. 27 ]).

    Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung in den Deckungsprozess vorzuverlagern (vgl. BVerfGE 81, 347 [juris Rn. 26, 28]). Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht vielmehr schon dann, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich erscheint wie ein Unterliegen, der Prozessausgang mithin offen ist. Hat sich noch keine herrschende Meinung gebildet, ist großzügig zu verfahren (BGH, Urteil vom 05.06.2024 aaO). Dementsprechend sind hinreichende Erfolgsaussichten in aller Regel gegeben, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (vgl. BGH, Beschluss vom 07.07.2007- IV ZB 37/06, VersR 2007, 966 Rn. 7; Senatsurteil vom 07.04.2022 - 12 U 285/21, VersR 2022, 760 [juris Rn. 47]; Schmitt in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 9. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn. 17). Eine vorweggenommene Beweiswürdigung darf bei der Prüfung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht stattfinden und ist nur ausnahmsweise zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1987 - IVa ZR 76/86, VersR 1987 1186 [juris Rn. 13 f.]; Bruns/Rapp in Bruck/Möller, VVG 10. Aufl. § 3a ARB Rn. 8).

    b) Nach dieser Maßgabe hat das Landgericht - entgegen der Ansicht der Berufung - zutreffend angenommen, dass hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen i.H.v. 100.000 € gegen die Herstellerin aus § 84 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AMG vorlagen.

    aa) Die Haftungsnorm setzt in Abs. 1 Satz 1 zunächst voraus, dass infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt wird. Die Beklagte bezweifelt nicht, dass es sich bei dem Impfstoff X um ein Arzneimittel in diesem Sinne handelt, das dem Kläger im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verabreicht wurde. Auch stellt sie nicht in Abrede, dass der Kläger an den von ihm vorgebrachten Gesundheitsbeschwerden in Form von dauerhafter Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Konzentrationsproblemen, Schlaflosigkeit und einem Restless-Legs-Syndrom sowie unter einer erhöhten Infektanfälligkeit leide. Das Vorliegen dieser Beeinträchtigungen, die nicht als unerheblich zu bewerten sind, findet in den vorgelegten ärztlichen und Krankenkassenunterlagen weitgehenden Niederschlag (vgl. Ärztlicher Bericht an das PEI vom 24.01.2022; Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Schömberg vom 10.10.2023; Entlassbrief der Neckar-Odenwald-Kliniken vom 04.03.2024; Leistungszeitenbescheinigung der Technikerkrankenkasse vom 21.05.2024).

    Die Beklagte wendet vielmehr ein, dem Kläger sei es nicht möglich, den erforderlichen Kausalitätsnachweis zu führen. In diesem Zusammenhang ist die komplexe Vermutungsregelung in § 84 Abs. 2 AMG zu berücksichtigen. Danach wird die Verursachung des Schadens durch das angewendete Arzneimittel angenommen, wenn es nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen (Satz 1). Die Eignung im Einzelfall beurte ilt sich dabei nach Zusammensetzung und Dosierung des Arzneimittels, nach Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen (Satz 2). Die Vermutung gilt hingegen nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen (Satz 3). Damit sind bereits für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung alle Gegebenheiten zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen (BGH, Urteil vom 26.03.2013 - VI ZR 109/12, VersR 2013, 1000 Rn. 13).

    Nach dieser Maßgabe erscheint es zwar unwahrscheinlich, dass sich der Kläger in der Hauptsache hinsichtlich einer erhöhten Infektanfälligkeit oder eines Restless-Legs-Syndrom mit Erfolg auf die Kausalitätsvermutung berufen kann. Etwas Anderes gilt aber hinsichtlich seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung in Form des sog. Fatigue-Syndroms, weil es sich bei der Frage, ob die Voraussetzungen von § 84 Abs. 2 AMG insoweit gegeben sind, um eine schwierige Tatfrage handelt, deren Beantwortung im Deckungsprozess der Rechtsschutzversicherung ausscheidet.

    (1) Die vom Kläger behauptete erhöhte Infektanfälligkeit lässt sich nur schwerlich mit den Impfungen in zeitlichen Zusammenhang bringen. So weist die von ihm vorgelegte Übersicht seiner Krankheitstage schon vor der Impfung mit X für die Jahre 2013 (23 Tage), 2014 (21 Tage), 2015 (28 Tage), 2018 (17 Tage) und 2020 (37 Tage) zahlreiche, auch längerfristige Arbeitsunfähigkeitszeiten aus. Dabei räumt der Kläger ein, bereits 2020 zweimal einen grippalen Infekt erlitten zu haben und dabei jeweils zwei Wochen krankgeschrieben gewesen zu sein. Die schwere Grippeerkrankung mit stationärer Behandlung Anfang 2024 erfolgte überdies nicht in zeitlichem Zusammenhang mit der fraglichen Impfung und zudem nach der zwischenzeitlichen COVID 19-Erkrankung Anfang 2022, der gleichfalls ein langfristiger Einfluss auf den Gesundheitszustand des Klägers zuzuschreiben sein könnte. Für einen Zusammenhang des Restless-Legs-Syndroms mit den Impfungen findet sich in der vorgelegten ärztlichen Dokumentation gleichfalls kein Anhalt.

    Demgegenüber hat der Kläger in Bezug auf das Fatigue-Syndrom einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Arzneimittelgabe und Schadenseintritt insoweit behauptet, als er vorgetragen hat, bereits ab dem dritten Tag nach der Impfung vom 23.07.2021 an zunehmender Müdigkeit und Kraftlosigkeit sowie leichten Grippesymptomen gelitten zu haben. Hierfür hat er sich auf das Zeugnis seines Hausarzts Dr. S. berufen. Dem entspricht ein Eintrag des genannten Arztes in der vorgelegten Leistungsübersicht der Krankenkasse, laut dem eine "sonstige Komplikation nach Impfung (Immunisierung)" eingetreten sei. Weiter hat der Kläger vorgebracht, dieser Zustand habe trotz zwischenzeitlicher leichter Besserung angedauert, weshalb er sich u.a. zur Vertretungsärztin seines Hausarzts, einer Frau Dr. H., begeben habe, die das Vorliegen eines Fatigue-Syndroms festgestellt habe. Zum Beweis beruft er sich auf das Zeugnis der Ärztin. Auch wenn in der Leistungsübersicht der Krankenkasse für den fraglichen Zeitraum nur der Eintrag einer depressiven Episode sowie eines nicht weiter spezifizierten Unwohlseins nebst Ermüdung wiederfindet, ist offen, ob die benannte Zeugin diese Diagnose gleichwohl bestätigt, zumal es insoweit in erster Linie um die Verifizierung der Symptomatik geht, die sich weitgehend mit dem Vortrag des Klägers decken dürfte.

    Dass der Kläger bereits vor der Impfung an Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Schlaflosigkeit gelitten hätte, ist nicht ersichtlich. Soweit die Berufung demgegenüber einwendet, der Kläger habe nicht bestritten, vor den Impfungen an einer Depression gelitten zu haben, geht dies insoweit am Parteivortrag vorbei, als weder eine solche Behauptung gemacht worden ist noch sich ein entsprechender Anhalt aus den vorgelegten Unterlagen ergibt. Vielmehr hat der Kläger lediglich vorgebracht, bei einer Untersuchung nach den Impfungen von dem Arzt Dr. G. nach Schilderung der Symptome die Diagnose erhalten zu haben, an einer Depression zu leiden. Dem entspricht der Eintrag einer depressiven Episode für den Zeitraum August bis Dezember 2021 in der Leistungszeitbescheinigung der Krankenkasse. Soweit die Berufung überdies rügt, der Kläger habe ausweislich des Reha-Berichts gegenüber seinen Ärzten angegeben, seine Beschwerden seien erst nach der Corona-Infektion im Februar 2022 eingetreten, gibt sie den Entlassungsbericht vom 10.10.2023 nur unvollständig wieder. So ist in ihm zwar vermerkt, dass "seit der COVID-19 auch ständige Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Muskel- und Gelenkschmerzen, Vergesslichkeit" vorliege. Dies bedeutet aber nicht, dass der Kläger zuvor beschwerdefrei gewesen wäre. Denn auf derselben Seite des Berichts findet sich unter Punkt 1.2 der Anamnese die Angabe, dass "[s]eit Juli 2021 nach der zweiten Impfung gegen Covid zunehmende, persistierende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Schmerzen in der Muskulatur und den Gelenken" bestehe. Der Bericht steht mit der Schilderung des Klägers insofern in Einklang. Auch findet sich entgegen dem Berufungsvorbringen in dem Bericht keine Feststellung, das Fatigue-Syndrom liege erst seit Januar 2023 vor. Vielmehr ist dort lediglich vermerkt, dass seit 01.01.2023 wegen Post-Covid-Syndrom und Fatigue-Syndrom Arbeitsunfähigkeit bestanden habe.

    (2) Ob der eingesetzte Impfstoff X aufgrund seiner Zusammensetzung, Dosierung und zweifachen Anwendung im Abstand von ca. 6 Wochen eine dauerhafte Symptomatik i.S. eines Fatigue-Syndroms zu begründen vermag, ist eine schwierige Tatfrage, die im Deckungsprozess nicht zu klären ist. So hat der Kläger vorgetragen, seine Beschwerden entsprächen denen, die durch das PEI bzw. die EMA als bekannte Impfnebenwirkungen beschrieben und anerkannt würden. Darüber hinaus hat er behauptet, dass der Impfstoff erhebliche Mängel aufweise, die einzeln geeignet seien, den geltend gemachten Schaden zu verursachen. So habe die Herstellerin u.a. N1-Methylpseudouridin (m1Ψ) im Wirkstoff verbaut, was zur Folge habe, dass die Energieversorgung menschlicher Zellen zerstört und das Chronische Ermüdungssyndrom ausgelöst werde. Dabei beruft er sich auf die fachwissenschaftlichen Beiträge "The Critical Contribution of Pseudouridine to mRNA Covid19 Vaccines" (DOI-Nr. 10.3389) sowie "Huaier Effects on Functional Compensation with Destructive Ribosomal RNA Structure after Anti-SARSCoV-2 mRNA Vaccination" in den Archives of Clinical and Biomedical Research des Verlags Fortune Journals. Die Beklagte hält dem lediglich pauschal entgegen, dass der Impfstoff grundsätzlich nicht geeignet sei, die vom Kläger behaupteten Schaden zu verursachen. Ob die vom Kläger benannten Beiträge als belastbare wissenschaftliche Quellen anzusehen sind, ob sich der behauptete Inhalt aus diesen ergibt und ob die vom Kläger geltend gemachten Schlussfolgerungen zulässig sowie überzeugend sind, ist ohne sachverständige Hilfe schwerlich zu beantworten, deren Einholung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist.

    (3) Hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands des Klägers im Zeitpunkt der Arzneimittelanwendung ist laut dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Schömberg vom 10.10.2023 lediglich bekannt, dass schon vor der Impfung ein Nikotinabusus und eine Fettstoffwechselstörung bestanden. Überdies dürfte die in dem Entlassungsbericht genannte COPD-Erkrankung im Stadium I/B nach GOLD bereits bestanden haben. Ob diese besonderen Lebensgewohnheiten (vgl. zum starken Zigarettenkonsum: BGH, Urteil vom 26.03.2013 - VI ZR 109/12, VersR 2013, 1000 Rn. 19) und gesundheitlichen Beeinträchtigungen dazu führen, die konkrete Eignung der Impfung mit X zur Verursachung des Fatigue-Syndroms als weniger wahrscheinlich zu bewerten, ist gleichfalls ohne sachverständige Hilfe nicht zu beantworten. Entsprechendes gilt für die Frage, ob diese Umstände nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Gesundheitsschaden des Klägers zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG). Soweit die Beklagte meint, der Versicherungsnehmer habe darzulegen oder durch eine medizinische Stellungnahme zu belegen, dass die anderen Erkrankungen nicht schadensursächlich seien bzw. ein medizinischer Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden im konkreten Fall höchstwahrscheinlich bestehe, verlangt sie ihm einen Vortrag ab, dessen es zur Schlüssigkeit einer Klage in der Hauptsache nicht bedarf (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 01.07.2008 - VI ZR 287/07, VersR 2008, 1264 Rn. 3). Überdies verkennt sie, dass es zur Annahme hinreichender Erfolgsaussichten in tatsächlicher Hinsicht genügt, dass die Möglichkeit einer Beweisführung besteht. Hierfür bedarf es keines entsprechenden "Anbeweises" seitens des Versicherungsnehmers.

    (4) Auch die weiteren von der Berufung eingewandten Umstände lassen es nicht als fernliegend erscheinen, dass sich der Kläger mit Erfolg auf die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG berufen kann. Dass er seine Blutwerte in der Online-Meldung an das PEI vom 14.09.2021 als vorbildlich beschrieb, ist insofern ohne Belang, als nicht vorgetragen oder allgemein bekannt wäre, inwiefern aus den Blutwerten auf Vorliegen und/oder Ursache eines Fatigue-Syndroms geschlossen werden könnte. Im Übrigen handelte es sich laut dem unstreitigen Vorbringen des Klägers in der Berufungserwiderung bei dem damals erhobenen um kein immunologisches Blutbild mit entsprechend geringerer Aussagekraft. Nicht nachzuvollziehen ist der weitere Vortrag der Berufung, nach der Reha-Behandlung im Jahr 2023 hätte ein vollschichtiges Leistungsvermögen beim Kläger bestanden. Vielmehr bestätigt der Entlassungsbericht vom 10.10.2023 nur "ein ausreichendes Leistungsvermögen [...] für eine Tätigkeit über 6 Stunden/Tag".

    bb) Nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 besteht eine Ersatzpflicht allerdings nur, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Ob dies der Fall ist, hängt wiederum von schwierigen Rechts- und Tatfragen ab, die der Annahme hinreichender Erfolgsaussichten nicht entgegenstehen.

    (1) Die Vertretbarkeitsprüfung im Rahmen des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG setzt eine Nutzen - Risiko-Abwägung voraus, ob der therapeutische Wert die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels überwiegt (BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270 Rn. 29 m.w.N.). Dabei sind sämtliche schädlichen Wirkungen für die gesamte durch die Indikationsangabe des pharmazeutischen Unternehmers anvisierte Patientengruppe zu berücksichtigen; eine Beschränkung auf den individuell Geschädigten oder Untergruppen innerhalb der durch die Indikation angesprochenen Patientengruppe findet nicht statt (OLG Frankfurt, Urteil vom 19.02.2025 - 23 U 13/24, juris Rn. 238; OLG Koblenz, PharmR 2024, 535 [juris Rn. 24]; Brock in Kügel/Müller/Hofmann/Brock, AMG 3. Aufl. § 84 Rn. 82; Koyuncu in: Stöhr/Katzenmeier/Voigt, Produzentenhaftung Teil Produkthaftpflicht in Deutschland D.2.D.I.3.a S. 30 [Stand: 2024]).

    Die Haftungseinschränkung steht in engem Zusammenhang mit der Definition bedenklicher Arzneimittel (§ 5 Abs. 2 AMG), die dem Verbot des § 5 Abs. 1 AMG unterfallen. Danach sind solche Wirkungen als wissenschaftlich unvertretbar anzusehen, die eine Versagung der Zulassung nach § 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG begründen oder begründet hätten, wenn sie bereits im Zulassungsverfahren bekannt gewesen wären (OLG Karlsruhe, VersR 2009, 544 [juris Rn. 5, 9]). Umgekehrt können schädliche Arzneimittelwirkungen, die im Rahmen der Arzneimittelzulassung als vertretbar eingestuft wurden, keine Haftung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG begründen, soweit sie sich in Schwere oder Häufigkeit nicht anders darstellen als bei der Zulassung (BeckOGK-AMG/Franzki, § 84 Rn. 67 [Stand: 01.02.2025]). Dabei ist nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die schädlichen Wirkungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, wobei die Meinungen darüber auseinandergehen, ob diese auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens oder der konkreten Anwendung des Arzneimittels zurück zu projizieren sind (OLG Karlsruhe, aaO Rn. 11; OLG Koblenz, PharmR 2024, 535 Rn. 27-31; Franzki aaO Rn. 92 f.; Brock in Kügel/Müller/Hofmann/Brock, AMG 3. Aufl. § 84 Rn. 87 f.; Spickhoff in Spickhoff, MedizinR 4. Aufl. § 84 AMG Rn. 19).

    (2) Dass das vom Kläger beklagte Fatigue-Syndrom als Folge einer schädlichen Arzneimittelwirkung bei der Arzneimittelzulassung erkannt und als vertretbar eingestuft worden wäre, ist weder vorgebracht worden noch senatsbekannt. Danach kommt das eventuelle Risik o, durch die Impfung eine entsprechende Gesundheitsschädigung zu erleiden, grundsätzlich als beachtlicher Abwägungsgesichtspunkt in Betracht.

    Demgegenüber spielen bei der Bewertung des Nutzens die vom Kläger behaupteten geringen persönlichen Risiken im Zeitpunkt der Impfung, an COVID-19 zu erkranken und zu versterben, keine Rolle. Daneben erhebt der Kläger jedoch auch u.a. den generellen Vorwurf, der mit dem Impfstoff verfolgte therapeutische Nutzen, zur Vorbeugung von COVID-19 Personen ab einem Alter von zwölf Jahren aktiv zu immunisieren, habe zu keiner Zeit die angenommene Wirksamkeit erreicht. So sei eine Wirksamkeitsstudie der Herstellerin mangelbehaftet, weil zahlreiche Probanden aus nicht offengelegten Gründen unberücksichtigt geblieben seien, bei deren Einbeziehung sich anstelle der angegebenen relativen Risikoreduktion von 95% nur eine solche von 12%-19% ergebe. Überdies stützt er sich für die Behauptung eines unzureichenden Nutzens auf einen Aufsatz vom 29.06.2024 im "International Journal of Vaccine Theory, Practice, and Research". Wenngleich die Wissenschaftlichkeit des Beitrags im Hinblick auf seine Publikation in einer Zeitschrift, die sich durch eine generelle Impfgegnerschaft auszuzeichnen scheint (vgl. en.wikipedia.org/wiki/International_Journal_of_Vaccine_Theory,_Practice,_and_Research; OLG Oldenburg, Urteil vom 18.12.2024 - 5 U 53/24, juris Rn. 87), Zweifeln unterliegt, erscheint der Vortrag des Klägers dennoch hinreichend bestimmt und nachvollziehbar, dass er zum Gegenstand einer sachverständigen Klärung gemacht werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die Substantiierungslast des Anspruchstellers - soll ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden vermieden werden - keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt auch und gerade in Bezug auf die notwendige Nutzen-Risiko-Abwägung (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.1991 - VI ZR 248/90, VersR 1991, 780 [juris Rn. 15] zu § 84 AMG a.F.).

    Hiergegen spricht auch nicht grundsätzlich, dass Obergerichte - soweit dies durch veröffentlichte Entscheidungen bekannt geworden ist - von einer entsprechenden Beweisaufnahme bislang abgesehen haben, weil sie aufgrund der Tatbestandswirkung des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 zur unbedingten Zulassung des Impfstoffes ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis als bindend festgestellt (vgl. OLG Koblenz, PharmR 2024, 535 [juris Rn. 33, 35]; OLG Frankfurt, Urteil vom 19.02.2025 - 23 U 13/24, juris Rn. 245-253]) oder als indiziert erachteten (OLG Oldenburg, Urteil vom 18.12.2024 - 5 U 52/24, juris Rn. 84) bzw. weil sie die durchgängig positiven Entscheidungen der mit der Impfstoffzulassung befassten Expertengremien als hinreichende Erkenntnisquelle ansahen (OLG Celle, Beschluss vom 11.10.2024 - 5 U 323/23, juris Rn. 21; OLG Koblenz aaO Rn. 44 ff.; OLG Frankfurt aaO Rn. 255 ff.; OLG München, Beschluss vom 05.11.2024 - 14 U 2313/24e, BeckRS 2024, 31623 Rn. 338, 361; OLG Oldenburg aaO Rn. 84). Denn ob das vom Kläger angerufene Gericht die schwierigen Rechtsfragen, ob dem genannten Kommissionsbeschluss eine solche Bindungswirkung zukommt bzw. ob der Vortrag des Klägers Anlass gibt, einzelnen seiner Einwendungen trotz der Entscheidungen der Expertengremien mit sachverständiger Hilfe nachzugehen, in gleicher Weise beurteilen wird, ist vor ihrer höchstrichterlichen Klärung unklar. Eine solche erscheint hier auch nicht fernliegend, nachdem das OLG Koblenz in seiner genannten Entscheidung die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen hat.

    Überdies ist zu berücksichtigen, dass alle vorgenannten obergerichtlichen Entscheidungen deutlich nach der Deckungsanfrage des Klägers im August 2022 ergingen. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Erfolgsaussichten ist indes der der Bewilligungsreife. Wird die Rechtslage später - etwa im Wege höchstrichterlicher Entscheidung - geklärt, kann sich der Versicherer darauf nicht berufen (vgl. Senatsurteile vom 07.11.2023 - 12 U 81/23, VersR 2024, 158 [juris Rn. 49]; vom 06.12.2016 - 12 U 106/16, r+s 2019, 263 [juris Rn. 40] jew. m.w.N.). Für die Etablierung einer einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung gilt nichts Anderes. Ob ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgrund der seinerzeit nur bedingten Zulassungsentscheidung der Europäischen Kommission als bindend festgestellt oder zumindest als indiziert anzusehen war bzw. ob sich eine Beweisaufnahme von vornherein erübrigte, weil sich die mit der Impfstoffzulassung befassten Expertengremien durchweg positiv zur Impfstoffzulassung geäußert hatten, war bei Bewilligungsreife eine ungeklärte und schwierige Rechtsfrage, die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht die Erfolgsaussicht nahm (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2025 - 4 U 172/23, juris Rn. 161 f.).

    cc) Ob Anspruchsausschlussgründe vorliegen, ist gleichfalls offen.

    So ist nach § 84 Abs. 3 AMG die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben. Entsprechender Vortrag ist vom Anspruchsgegner zu halten, dem insoweit auch die Beweislast obliegt (Spickhoff in Spickhoff, MedR 4. Aufl. § 84 AMG Rn. 34). Ob die Herstellerin hier einen solchen Nachweis führen können wird, ist offen.

    Auch eine Haftungsbeschränkung nach § 3 Abs. 4 MedBVSV dürfte hier ausscheiden. Danach unterliegen pharmazeutische Unternehmer abweichend von § 84 AMG nicht der Haftung, wenn ihre Produkte durch das Bundesministerium als Reaktion auf die vermutete oder bestätigte Verbreitung des SARS-CoV-2-Erregers in den Verkehr gebracht wurden und nach den Gegebenheiten des Einzelfalls die auf § 3 Abs. 1 MedBVSV gestützten Abweichungen vom Arzneimittelgesetz geeignet sind, den Schaden zu verursachen. Dass der in Rede stehende Gesundheitsschaden durch eine auf § 3 Abs. 1 MedBVSV gestützte Abweichung der Herstellerin vom Arzneimittelgesetz verursacht worden sein könnte, ist weder von der Beklagten eingewandt worden noch aus den Umständen ersichtlich (vgl. auch: OLG Bamberg, r+s 2023, 778 [juris Rn. 9-11]).

    dd) Auch die Zubilligung von Erfolgsaussichten hinsichtlich einer Gesamtanspruchshöhe von 100.000 € ist nicht zu beanstanden.

    Gemäß § 87 Satz 1 AMG sind vom Arzneimittelhersteller bei Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Heilungskosten und der Vermögensnachteil zu ersetzen, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Überdies kann nach § 87 Satz 2 AMG i.V.m. § 253 Abs. 3 BGB der Ersatz des immateriellen Schadens verlangt werden. Der Kläger hat geltend gemacht, durch das Fatigue-Syndrom erheblich in seiner privaten Lebensgestaltung eingeschränkt zu sein. Sein ehrenamtliches Engagement und seine sportliche Betätigung habe er aufgeben müssen. Handwerkliche Aufgaben im häuslichen Bereich seien ihm nicht mehr möglich. Seine Berufstätigkeit habe er zunächst nur noch in Teilzeit ausüben können. Inzwischen sei er gänzlich arbeitsunfähig und erwerbslos. Geht man bei einem in Vollzeit tätigen technischen Kundendienstbetreuer im Telefonsupport mangels weitergehender Spezifikation von einem Bruttojahresgehalt in einer Größenordnung um die 40.000 € bis 60.000 € aus, erscheint auch unter Berücksichtigung einer fehlenden Berechnung seitens des Klägers und der Dürftigkeit der übrigen Angaben zum Schadensumfang die Annahme eines Gesamtschadens von 100.000 € nicht übersetzt.

    4. Der von der Beklagten geschuldete Deckungsschutz umfasst auch die außergerichtliche Interessenwahrnehmung. Auf eine fehlende Erfolgsaussicht kann sie sich nicht mit dem Argument berufen, im Hinblick auf das bisherige Regulierungsverhalten der Herstellerin und die bislang veröffentlichten Urteile sei ein solches Vorgehen von vornherein zwecklos.

    So lässt die Veröffentlichung allein klageabweisender Entscheidungen keine Aussage darüber zu, ob sich die Herstellerin in der Vergangenheit vorgerichtlich oder gerichtlich in erfolgsversprechenden Fällen verglichen hätte oder nicht. Aufgrund langjähriger Erfahrungen mit Streitigkeiten im Zusammenhang mit Widersprüchen gegen bzw. Rücktritten von Lebensversicherungen nach §§ 5a, 8 VVG a.F. oder mit der Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung ist senatsbekannt, dass eine gütliche Einigung im Bereich von Serienverfahren - wie dem hier in Rede stehenden - mit der Vereinbarung von Verschwiegenheitspflichten einhergehen kann, aufgrund deren ein (Teil-)Erfolg von Klägern dann nicht allgemein bekannt wird.

    Überdies ist bei der Beurteilung des Bestehens hinreichender Erfolgsaussichten eine ex ante - Betrachtung anzustellen (BGH, Urteil vom 18.03.1992 - IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 [juris Rn. 21]; Senatsurteil vom 07.04.2022 - 12 U 285/21, VersR 2022, 760 [juris Rn. 85]). Der Kläger hat bei der Beklagten erstmals mit anwaltlicher eMail vom 22.08.2022 um Deckungsschutz nachgesucht. Dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt jegliche Ansprüche von der Herstellerin zurückgewiesen worden wären oder schon klageabweisende Entscheidungen zu ihren Gunsten vorgelegen hätten, ist weder bekannt noch vorgetragen. Vielmehr zeigt die Reaktion der Herstellerin auf die außergerichtliche Inanspruchnahme durch den Kläger umgekehrt, dass sie zum damaligen Zeitpunkt zu einer Anspruchsprüfung im Einzelfall bereit war. Damit war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht klar vorauszusehen, wie die Herstellerin letzten Endes reagieren würde.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

    Dies gilt auch im Hinblick auf die abweichende Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht durch das OLG Düsseldorf in dessen Urteil vom 29.04.2025 (4 U 172/23, juris Rn. 161 f.). Sofern die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht Fragen aufwirft, welche der höchstrichterlichen Klärung bedürfen, ist nicht die Revision zuzulassen, sondern vielmehr der Anspruch auf Rechtsschutzdeckung schon deshalb zuzuerkennen (vgl. zur gleichgelagerten Frage im Rahmen der PKH-Bewilligung: BGH, Beschluss vom 13.12.2005 - VI ZB 76/04, VersR 2006, 718 [juris Rn. 6]).

    Vorschriften§ 125 VVG, § 84 AMG