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  • 28.03.2025 · IWW-Abrufnummer 247321

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 16.05.2023 – 6 WF 55/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 16.05.2023, Az. 6 WF 55/23

    Tenor

    Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

    Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Gründe
    I.

    Das Jugendamt (im Folgenden Beschwerdeführerin) wendet sich gegen eine Kostenentscheidung des Amtsgerichts in einem einstweiligen Anordnungsverfahren.

    Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2022 regte das Jugendamt den Entzug der elterlichen Sorge für die 1Xjährige A sowie deren Halbgeschwister an. Für A, die aus der Beziehung der Beteiligten zu 4. (im Folgenden Kindesmutter) und des Beteiligten zu 5. (im Folgenden Kindesvater) hervorgegangen ist, ist die Kindesmutter alleine sorgeberechtigt. Zur Begründung verwies das Jugendamt darauf, dass die Eltern trotz vielfältiger Unterstützungsmaßnahmen in der Vergangenheit immer noch nicht in der Lage seien, die Bedürfnisse der Kinder zu sehen und diese angemessen zu unterstützen. In den Jahren 2011 bis 2022 sei es zu sechs Kindeswohlgefährdungsmeldungen gekommen. Im Dezember 2020 sei A für 9 Tage in Obhut genommen und sodann ein Erziehungsbeistand für sie bestellt worden. Die Kindesmutter überblicke die Fördernotwendigkeiten der Kinder nicht und zeige eine Überforderung bei der Versorgung.

    Der Träger der bis zum 15. Juni 2022 eingesetzten Sozialpädagogischen Familienhilfe sah zum Zeitpunkt der Beendigung der Maßnahme das Kindeswohl als gefährdet an. Auf den beigefügten Bericht wird Bezug genommen.

    Das Amtsgericht bestellte für das betroffene Kind am 25. Juli 2022 einen Verfahrensbeistand, bestimmte Termin und ordnete das persönliche Erscheinen von Kindesmutter und Kindesvater an. Das Verfahren betreffend die weiteren Kinder hat das Amtsgericht gesondert geführt.

    Nach wiederholter Verlegung fand der Termin schließlich am 25. November 2022 statt. Das Jugendamt erklärte, dass es den „Antrag auf Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge zurücknehme“. Weitere Ausführungen enthält das Protokoll nicht.

    Mit Beschluss vom 28. November 2022 hat das Amtsgericht von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten dem Jugendamt auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kostenentscheidung aus den §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG folge. Es entspreche billigem Ermessen, dem Jugendamt die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten aufzuerlegen, da der Antrag von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe und dieses hätte erkannt werden müssen. In der vom Amtsgericht erteilten Rechtsmittelbelehrung wird darauf verwiesen, dass die Beschwerde statthaft und binnen einem Monat einzulegen sei.

    Gegen die am 03. März 2023 zugestellte Entscheidung hat das Jugendamt am 21. März 2023 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist es darauf, dass bei Antragstellung nicht habe davon ausgegangen werden können, dass der Antrag keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Die Kindesmutter habe erst im Zuge des weiteren einstweiligen Anordnungsverfahrens einer Hilfe zur Erziehung für die Halbgeschwister zugestimmt, die auch das hier betroffene Kind erfasse. Im Übrigen handele es sich nicht um einen Antrag, sondern um eine Anregung im Sinne des § 1666 BGB, so dass das Verfahren von Amts wegen eingeleitet worden sei.

    Die Kindesmutter und der Kindesvater hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht.

    Mit Verfügung vom 26. April 2023 wies der Senat die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Beschwerde verfristet sein dürfte. Hierauf erwiderte die Beschwerdeführerin, die Beschwerde innerhalb der in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Frist von einem Monat eingelegt zu haben.

    II.

    Die gemäß § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde war gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist eingelegt wurde.

    Das Amtsgericht hat in dem vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren in einer Katalogsache des § 57 Satz 2 FamFG sowohl in der Sache als auch über die Kosten entschieden, so dass die getroffene Endentscheidung nach § 57 Satz 2 FamFG anfechtbar ist. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung richtet sich die Anfechtbarkeit von Entscheidungen nach § 57 FamFG als lex specialis (Dürbeck, in: Prütting/Helms, FamFG, § 57 Rn. 18). Entscheidungen in einstweiligen Anordnungsverfahren in Familiensachen sind nach § 57 S. 1 FamFG grundsätzlich unanfechtbar, was auch für Kostenbeschwerden gilt. Eine Ausnahme besteht nur in den in § 57 Satz 2 FamFG genannten Fällen, nach Nr. 1 u.a. dann, wenn das Familiengericht aufgrund mündlicher Erörterung über die elterliche Sorge für ein Kind entschieden hat. Beschränkt sich der Beschwerdeführer in einem solchen Fall auf die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung, so gilt auch in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung der Grundsatz aus dem Hauptsacheverfahren, wonach in FamFG-Verfahren die isolierte Anfechtung der in einer Endentscheidung getroffenen Kostenentscheidung im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit für zulässig erachtet wird (OLG Dresden vom 30. Juli 2015 - 20 WF 859/15, FamRZ 2016, 318; OLG Frankfurt vom 26. Juni 2014 - 1 WF 48/14, BeckRS 2014, 17019; Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, § 57 Rn. 22). Nach überwiegender Auffassung (vgl. zum Streitstand OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 25.5.2022 - 5 WF 27/22 -, NZFam 2022, 885) ist ein Rechtsmittel hingegen nicht gegeben, wenn nach Rücknahme oder anderweitiger Erledigung in den in § 57 S. 2 FamFG aufgezählten Antragsverfahren nicht eine Entscheidung in der Sache getroffen worden ist, sondern über die Kosten des Verfahrens entschieden wurde (OLG Brandenburg 20.1.2021 - 13 WF 215/20, juris; OLG Bamberg FamRZ 2019, 1943; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 593).

    Gemessen daran ist die Beschwerde in der vorliegenden Konstellation gleichwohl statthaft, da es sich bei der angefochtenen Entscheidung ihrem wesentlichen Inhalt nach um einen aufgrund mündlicher Erörterung ergangenen Endbeschluss handelt.

    Das Familiengericht ist hier nach der im Termin erklärten „Antragsrücknahme“ verfahrensfehlerhaft gemäß § 22 Abs. 1, 2 FamFG vorgegangen. Danach kann ein Antrag zurückgenommen werden mit der Folge, dass das Verfahren endet und nur noch über Kosten und Verfahrenswert zu entscheiden ist. Dabei hat das Familiengericht nicht die Vorschrift des § 22 Abs. 4 FamFG beachtet, wonach dies nicht in Verfahren gilt, die von Amts wegen eingeleitet werden können. Ein solches Verfahren ist vielmehr von Amts wegen einzustellen, wenn die Voraussetzungen, die zu seiner Einleitung geführt haben, nachträglich wegfallen oder sonst kein Regelungsbedürfnis mehr besteht (BeckOK FamFG/Burschel/Perleberg-Kölbel, 45. Ed. 1.1.2023, FamFG § 22 Rn. 20). Bei dem hier geführten Sorgerechtsverfahren handelt es sich um ein solches nach den §§ 1666 ff. BGB, das nach § 24 FamFG nur von Amts wegen eingeleitet werden kann. Damit fehlte es den Beteiligten an der Dispositionsbefugnis, so dass das Verfahren durch Beendigungserklärung oder „Antragsrücknahme“ nicht wirksam beendet werden konnte. Die zu Protokoll aufgenommene „Antragsrücknahme“ stellt daher keine Entscheidung in der Sache dar. Eine solche stellt vielmehr erst die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts dar. Diese lässt zweifellos erkennen, dass das Amtsgericht familiengerichtliche Maßnahmen nicht für erforderlich erachtete. Dies ergibt sich bereits aus der Argumentation in den Beschlussgründen, die zur Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten auf die Beschwerdeführerin führte. Die Ausführungen, wonach der Antrag von Beginn an aussichtslos gewesen sei, enthalten zugleich die Feststellung, dass familiengerichtliche Maßnahmen nicht zu ergreifen sind. Mit seiner Kostenentscheidung hat das Amtsgericht zudem unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Verfahrensgegenstand (aus seiner Sicht) vollständig erledigt ist. Die Entscheidung lässt nämlich erkennen, dass das Amtsgericht nach seiner durchgeführten Prüfung einer möglichen Kindeswohlgefährdung zu der Auffassung gelangt ist, dass kinderschutzrechtliche Maßnahmen gerade nicht zu ergreifen waren. Auch in Ansehung der Tatsache, dass der Tenor die gebotene instanzabschließende Entscheidungsformel nicht enthält, schließt die Entscheidung damit den Verfahrensgegenstand ab.

    Nachdem die Entscheidung im Übrigen aufgrund mündlicher Erörterung ergangen ist, kann die Kostenentscheidung vorliegend isoliert angefochten werden.

    Die Beschwerde war dennoch gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist eingelegt wurde und der Beschwerdeführerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist. Gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG galt im hiesigen einstweiligen Anordnungsverfahren eine zweiwöchige Beschwerdefrist. Die Beschwerdefrist, deren Lauf mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses am 03. März 2023 begann, lief am 17. März 2023 ab. Die Beschwerde ging jedoch erst am 21. März 2023 und damit erst nach Fristablauf beim Amtsgericht ein. Soweit die Entscheidung eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung enthält, indem diese auf eine Beschwerdefrist von einem Monat hinweist, bewirkt dies weder eine Verlängerung der zweiwöchigen Beschwerdefrist (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03, NJW-RR 2004, 408, beck-online), noch hat es Auswirkungen auf den Bestand des Beschlusses. Die fehlerhafte Belehrung kann nach § 17 Abs. 2 FamFG allenfalls zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigen, wenn nämlich die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten des Beteiligten hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht (vgl. dazu nur BGH FamRZ 2012, 1287; 2010, 1425). An der notwendigen Kausalität zwischen der fehlenden oder unzureichenden Rechtsbehelfsbelehrung und der Fristversäumnis mangelt es in der Regel bei einer sach- und rechtskundigen Behörde (BGH ebd.). Auf die Kenntnisse des konkreten Sachbearbeiters kommt es hierbei nicht an, da die Behörde in Ausübung ihrer Organisationszuständigkeit geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen hat, dass die entsprechende Rechtskenntnis bei den Mitarbeitern vorhanden ist (BGH ebd., Rn. 13).

    Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die das Beschwerdegericht gemäß § 18 Abs. 3 FamFG auch von Amts wegen gewähren kann, wenn - wie im vorliegenden Fall geschehen - die versäumte Handlung nachgeholt worden ist, liegen damit nicht vor. Auch vom Jugendamt als der zuständigen Fachbehörde im hiesigen Kindschaftsverfahren ist zu verlangen, dass dieses über die erforderlichen Kenntnisse von den maßgeblichen Fristen für die Verfahren, die allgemein in den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde fallen, verfügt (OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 10. Oktober 2016 - 4 UF 208/16, BeckRS 2016, 112724 Rn. 9; Prütting/Helms/Ahn-Roth § 17 FamFG Rn. 26).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, weil für die erfolglose Kostenbeschwerde eine Festgebühr anfällt.

    RechtsgebieteFamilienrecht, Widereinsetzung, fehlerhafte RechtsmittelbelehrungVorschriften§ 17 Abs. 2 FamFG