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  • 11.04.2023 · IWW-Abrufnummer 234624

    Oberverwaltungsgericht Bremen: Beschluss vom 13.10.2022 – 2 S 1/22

    Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV-RVG wird nicht allein dadurch verdient, dass der Rechtsanwalt vor Erhebung der Untätigkeitsklage erfolglos versucht, die Beklagte zu der begehrten Leistung zu bewegen.


    Oberverwaltungsgericht Bremen

    Beschluss vom 13.10.2022


    In der Verwaltungsrechtssache
    1.
    2.
    - Antragsteller und Beschwerdeführer -
    Prozessbevollmächtigte:
    zu 1-2:
    gegen
    die Stadtgemeinde Bremen, vertreten durch die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport,
    Bahnhofsplatz 29, 28195 Bremen,
    - Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
    Prozessbevollmächtigte:

    hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. xxx, den Richter am Oberverwaltungsgericht xxx und die Richterin am Oberverwaltungsgericht xxx am 13. Oktober 2022 beschlossen:

    Tenor:

    Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 3. Kammer - vom 17. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

    Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.

    Gründe

    Über die Beschwerde entscheidet der Senat in seiner Besetzung mit drei Berufsrichtern. Eine Einzelrichterzuständigkeit ist für den Fall der Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 164 VwGO - anders als bei Beschwerden gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 6 Satz 1 GKG) oder gegen Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG) - nicht gegeben.

    Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Antragsteller begehren mit ihrer Beschwerde die Festsetzung weiterer 822 Euro (Erledigungsgebühr) zuzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent). Ein solcher Festsetzungsanspruch besteht nicht.

    Zutreffend ist der Urkundsbeamte im Ergebnis davon ausgegangen, dass die Erledigungsgebühr in Abzug zu bringen ist. Die Gebühr nach Nr. 1002 VV-RVG setzt voraus, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Die Gebühr entsteht nicht bereits durch die Mitwirkung eines Rechtsanwalts, die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet ist. Vielmehr bedarf es einer darüber hinausgehenden qualifizierten, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichteten Tätigkeit des Rechtsanwalts (st. Rspr., vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 22.04.2015 - 1 S 250/14, juris Rn. 7). Es kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob diese maßgebliche Tätigkeit zwingend erst nach Einlegung des Rechtsbehelfs entfaltet worden sein muss (vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.01.2007 - 24 C 06.2426 -, Rn. 38, juris). Die Tätigkeit muss ursächlich dafür sein, dass sich der Rechtsstreit erledigt. Eine rechtliche Vermutung für die Ursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist in Nr. 1002 Satz 1 VV RVG nicht enthalten. Hat der Rechtsanwalt eine auf die Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts gerichtete Tätigkeit entfaltet und erfolgt anschließend die Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts, so kann eine tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit seines Handelns sprechen. Gibt aber der Sachverhalt Anhalt dafür, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Aufhebungs- oder Abänderungsentscheidung der Behörde nicht ursächlich war, ist die Kausalität zu verneinen (OVG NW, Beschl. v. 09.08.2022 - 6 E 324/22 -, Rn. 10, juris). So liegt es hier. Die Rechtssache hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung" erledigt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die vor Erhebung der Klage angestellten Bemühungen der Rechtsanwältin der Antragsteller, die Antragsgegnerin zur Zahlung von Pflegegeld zu bewegen - auf die sich diese auch in der Beschwerde berufen haben - erfolglos waren und deshalb Klage erhoben wurde. Die Antragsteller haben in der Klageschrift vom 09.06.2021 selbst angegeben, dass die Antragsgegnerin auf diverse E-Mails und Schreiben zur Fortsetzung der Zahlungen, zuletzt am 18.05.2021 mit Fristsetzung zum 31.05.2021, nicht reagiert habe, so dass Klage geboten sei. Es gibt deshalb keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die darauffolgende Abhilfeentscheidung der Antragsgegnerin auf den außergerichtlichen Bemühungen der Rechtsanwältin beruhte. Entgegen der Auffassung der Antragsteller wird die Erledigungsgebühr, bei der es sich um eine Erfolgsgebühr handelt (vgl. HK-RVG/Hans-Jochem Mayer, 8. Aufl. 2021, RVG VV 1002 Rn. 20), nicht schon mit der Entfaltung auf die Erledigung des Rechtsstreits abzielender anwaltlicher Tätigkeiten verdient, sondern erst dann, wenn feststeht, dass diese ursächlich für die unstreitige Erledigung waren. Auf die Frage, welche Personen auf Seiten der Behörde die Abhilfe veranlasst haben, kommt es nicht an.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

    RechtsgebietGebührenrechtVorschriftenNr. 1002 VV RVG