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  • 11.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231713

    Amtsgericht Lahr: Urteil vom 16.09.2021 – 2 C 114/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    2 C 114/21
             
    Amtsgericht Lahr

    Im Namen des Volkes    

    Urteil

    In dem Rechtsstreit

    xxx
    - Kläger -

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte xxx

    gegen

    xxx

    - Beklagte -

    wegen Forderung

    hat das Amtsgericht Lahr durch die Richterin xxx am 16.09.2021 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2021 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 2.975,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Der Kläger begehrt von der Beklagten ein Entgelt für die Erstellung einer Website und Bekanntmachungen im Internet.

    Der Kläger befasst sich mit Firmenverzeichnisverträgen und zusätzlichen Dienstleistungen zur Steigerung der Werbepräsenz in Suchmaschinen. Hierzu werden Werbeseiten auf dem Portal des Klägers www.allgemeine-seoauskunft.com erstellt sowie über Sitemaps in Suchmaschinen bekannt gemacht. Am 04.03.2021 fand ein Telefongespräch zwischen dem Mitarbeiter des Klägers, den Zeugen xxx sowie dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen xxx, statt. Hierbei wurden Teile des Gesprächs auf Band aufgezeichnet.

    Der Kläger hat beantragt:
    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.975,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2021 sowie weitere 40,00 € zu bezahlen.

    Die Beklagte beantragt:
    Klageabweisung.

    Die Beklagte trägt vor, dass der Zeuge xxx am Telefon den Eindruck erweckt habe, er würde sich im Namen von Google um Unternehmensbewertungen kümmern und dass dringender Handlungsbedarf bestünde, da anderenfalls die Bewertungen in Gefahr seien. Zudem sei der Zeuge xxx nicht befugt gewesen im Namen der Beklagten Geschäfte zu schließen, weil er keinerlei Vertretungsmacht habe. Zudem sei auf dem Tonband nicht der gesamte Gesprächsinhalt erfasst und die Aufnahme sei gezielt manipuliert worden. Der Zeuge xxx sei beim Gespräch getäuscht worden. Bei ihm sei der Eindruck erweckt worden, dass er einen bestehenden Auftrag bestätige und keinen neuen Auftrag erteile. Es sei im Gespräch auch nie etwas von einem Preis in Höhe von 2.500,00 € gesprochen worden. Ferner hat die Beklagte am 15.03.2021 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und Irrtums erklärt. Zudem stelle das Handeln des Klägers einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb der Beklagten dar.

    Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen xxx. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.08.2021 (As. 165ff.) verwiesen. Der ordnungsgemäß zum Termin geladene Zeuge xxx ist nicht erschienen. Ferner hat das Gericht den als Vertreter der Geschäftsführerin aufgetretenen xxx im Termin vom 19.08.2021 angehört. Auch insoweit wird auf die vorgenannte Sitzungsniederschrift verwiesen.

    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I.

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    1.
    Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.975,00 € aus einem Dienstvertrag, vgl. § 611 Abs. 1 BGB.

    Der beweisbelastete Kläger konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen, dass es zu einem wirksamen Vertragsschluss zwischen den Parteien gekommen ist.

    Ein Vertragsschluss nach den §§ 145ff. BGB erfordert zwei mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme. Da es sich bei der Beklagten um eine GmbH handelt, kann sie nur durch einen Vertreter handeln.

    Zwar ergibt sich aus dem vorgelegten Telefongespräch zunächst einmal, dass der Zeuge xxx einen Auftrag an die Firma xxx erteilt hat. Das Gericht geht aber nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Überzeugung davon aus, dass der für die Beklagte handelnde Zeuge xxx die Beklagte wirksam beim Vertragsschluss vertreten hat. Auf die in diesem Rechtsstreit weiter aufgeworfenen Rechtsfragen zu Irrtümern oder Verstößen gegen § 242 BGB oder das UWG kam es daher letztlich in vorliegendem Fall nicht an.

    Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Weniger als die subjektive Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit genügt demnach für das Bewiesensein nicht, insbesondere nicht ein bloßes Glauben, Wähnen oder Fürwahrscheinlichhalten (Zöller/Greger, ZPO, 32. A., § 286 Rn. 18 m.w.N.). Mehr als diese subjektive Überzeugung ist aber nicht gefordert. Es ist daher rechtsfehlerhaft, einen Beweis als nicht erbracht anzusehen, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werden konnte (Zöller/Greger, aaO, Rn. 19). Das Gericht kann und muss sich vielmehr mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, welche den Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; BGHZ 61, 169).

    Eine wirksame Vertretung nach den §§ 164ff. BGB setzt voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung im fremden Namen mit Vertretungsmacht abgibt. Eine Vertretungsmacht kann sich entweder aus einer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertretungsmacht oder aus Rechtsscheinsgrundsätzen in Form einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht ergeben.

    Der Kläger konnte vorliegend weder beweisen, dass eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt wurde, noch das nach Rechtsscheinsgrundsätzen von einer Vertretungsmacht auszugehen ist.

    Die Beklagte hat bestritten, dass der Zeuge xxx überhaupt für sie handeln durfte. Insofern geht das Gericht auch nicht davon aus, dass das Bestreiten der Beklagten aufgrund der Angaben des Zeugen im aufgezeichneten Telefonat widersprüchlich ist. Zwar hat der Zeuge dort gesagt, dass er berechtigt sei, für die Beklagte Aufträge zu erteilen. Solche Behauptungen werden aber von Vertretern ohne Vertretungsmacht naturgemäß aufgestellt und können daher vom Vertretenen entsprechend bestritten werden. Zudem hat der Zeuge xxx später Angaben dazu gemacht, weshalb er entsprechende Äußerungen getätigt hat. Der Kläger ist auf die Frage der bestrittenen Vertretungsmacht in keiner Weise eingegangen und hat sich schriftsätzlich nur mit etwaigen Täuschungen und Ausführungen zum UWG befasst, was beim Gericht den Eindruck erweckt hat, dass es sich um vorformulierte Textbausteine gehandelt hat, die keinen Bezug zu vorliegendem Sach- und Streitstand aufweisen. Die Befassung mit einer Vertretungsmacht des Zeugen xxx folgt allenfalls konkludent aus der vorgelegten Gesprächsaufzeichnung im ersten Schriftsatz und aus Nachfragen des in Untervollmacht im Termin erschienenen Rechtsanwalts.

    Der vom Kläger für den Vertragsschluss und zum Vertragsinhalt benannte Zeuge xxx ist trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Verhandlungstermin erschienen. Der Kläger hat zwar auf den Zeugen nicht gemäß § 399 ZPO verzichtet; das Gericht geht jedoch nicht davon aus, dass eine Vernehmung des Zeugen xxx, auch unterstellt, dieser würde den klägerischen Vortrag umfassend bestätigen, zu einem anderen Ergebnis führen würde. Denn der Zeuge war nur für den Inhalt des Telefonates benannt. Dieser Inhalt geht aber gleichermaßen aus der beigelegten Audioaufnahme hervor. Dass zuvor Gespräche über die Vertretungsbefugnis des Zeugen xxx geführt worden sind, hat der Kläger nicht vorgetragen. Deswegen hat das Gericht auch auf die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den ausgebliebenen Zeugen verzichtet (vgl. auch Musielak/Voit/Huber, 18. Aufl. 2021, ZPO § 380 Rn. 4). Andere Beweisanträge wurden nicht gestellt.

    Das Gericht vermochte sich indes im Termin einen umfassenden Eindruck vom Zeugen xxx zu machen. Aus dieser Aussage hat das Gericht bereits die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung gewonnen, dass der Zeuge nicht befugt war, die Beklagte zu vertreten. Der Zeuge hat sehr detailliert den Gesprächsablauf und seine Tätigkeit bei der Beklagten geschildert. Nach seinem eigenen Vortrag sei er zu 70 % im Büro tätig, wo er die Buchhaltung führe und die Termine ausmache. Dabei hat er auf mehrfache eindringliche Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass er nicht berechtigt sei, Verträge abzuschließen und dass dies auch in der Vergangenheit noch nicht vorgekommen sei, dass er dies getan habe. Vielmehr habe er sich bei Verträgen an die Geschäftsführerin zu wenden. Dass er sich in diesem Fall nicht an seine Vorgesetzten gewendet hat, hat er für das Gericht schlüssig damit begründet, dass er davon ausgegangen sei, nur einen Vertrag zu bestätigen und dass er deswegen den im Urlaub befindlichen Vorgesetzten nicht habe befragen wollen. Dass der Zeuge nur Bürofachkraft ist, hat er zudem auch im aufgezeichneten Gespräch bestätigt. Insgesamt hatte das Gericht zwar den Eindruck, dass der Zeuge sich gut auf seine Aussage vorbereitet hatte. Dies führt aber nicht dazu, dass das Gericht davon ausgeht, der Zeuge habe etwas einstudiert oder die Tatsachen falsch dargestellt. Denn letztlich geht das Gericht davon aus, dass es sich für den Zeugen um einen eindrücklichen Vorgang gehandelt hat. Zudem konnte er den Gesprächsinhalt auch deswegen gut darlegen, weil die Tonbandaufzeichnung an die Beklagte übermittelt worden ist.

    Auch die Grundsätze der Anscheinsvollmacht können zugunsten des Klägers nicht zur Anwendung kommen. Auch insofern trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des objektiven Rechtsscheintatbestands, für seine Kenntnis davon und für die Kausalität des Rechtsscheins (MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018 Rn. 125, BGB § 167 Rn. 125).

    Hierzu hat der Kläger bereits keinerlei Vortrag erbracht. Zudem liegt eine Anscheinsvollmacht nur dann vor, wenn jemand wiederholt und über einen längeren Zeitraum als Vertreter aufgetreten ist, der Vertretene das Verhalten nicht kannte, bei der Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt aber hätte erkennen müssen und verhindern können. Ferner muss der Geschäftsgegner das Verhalten des Vertreters kennen, gutgläubig sein und im Vertrauen auf die vermeintliche Vollmacht das Vertretergeschäft vorgenommen haben. Für ein solches berechtigtes Vertrauen in die Vertretungsmacht genügen Behauptungen hinsichtlich der Vollmacht oder eine familiäre Beziehung zwischen Vertreter und Vertretenem nicht (vgl.MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 167 Rn. 111, 112). Auch erfordert eine Anscheinsvollmacht einen individuellen Vertrauenstatbestand; was grundsätzlich voraussetzt, dass das Verhalten aus dem der Geschäftsgegner auf eine Bevollmächtigung zu schließen können glaubt, von einer gewissen Dauer und Häufigkeit ihm gegenüber ist (vgl. NJW 2006, 1971 Rn. 17 m.w.N.; Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, BGB § 167 Rn. 83). Anders kann es allenfalls dann sein, wenn das Auftreten des vermeintlichen Vertreters besonders vertrauenserweckend ist (vgl. NZM 2010, 130 m.w.N.).

    Gemessen an diesen Vorgaben sind auch die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht nicht gegeben. Denn unstreitig sind das Unternehmen des Klägers und der Zeuge xxx zum ersten Mal in Kontakt mit der Beklagten und dem Zeugen xxx  gestanden. Zudem kann die bloße Angabe des Zeugen am Telefon, er sei der Sohn der Geschäftsführerin und zu Aufträgen ermächtigt, einen Rechtsschein nicht begründen. Jedenfalls ist diese einmalige Erklärung aber nicht vertrauenserweckend genug, dass der Zeuge Wendler davon hätte ausgehen dürfen, tatsächlich mit einer vertretungsbefugten Person im Unternehmen zu telefonieren. Denn letztlich kann nicht nachvollziehbar davon ausgegangen werden, dass eine Bürofachkraft zu Vertragsschlüssen für ein Unternehmen stets berechtigt ist. Eine Vergleichbarkeit zu den Fällen, in denen die Rechtsprechung bereits das erstmalige Auftreten ausreichen lässt, besteht daher nicht.

    2.
    Mangels bestehender Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, Verzugszinsen und pauschale Mahnkosten.

    II.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.     

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

    Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht Offenburg
    Hindenburgstraße 5
    77654 Offenburg

    einzulegen.

    Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

    Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

    Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
     
    Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

    Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

    Amtsgericht Lahr
    Turmstraße 15
    77933 Lahr

    einzulegen.

    Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

    Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

    Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriftenNr. 3403 VV RVG; § 91 ZPO; § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 RVG