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  • 06.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228510

    Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 30.12.2021 – 4 U 643/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Braunschweig

    Beschluss

    4 U 643/21
    5 O 3896/19 Landgericht Braunschweig    

    In dem Rechtsstreit

    des Herrn M. G., …..,

    Kläger und Berufungskläger,

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwalt A. H. P., …………..,
    Geschäftszeichen: …..

    gegen

    die V. Bank GmbH, vertreten durch die Geschäftsführung, ………,

    Beklagte und Berufungsbeklagte,

    Prozessbevollmächtigte:
    Sch., M.-D., H. & Partner Rechtsanwälte mbH, ……….,
    Geschäftszeichen:…..

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Y und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Z

    am 30. Dezember 2021 beschlossen:

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf eine Wertstufe bis 35.000,00 Euro festgesetzt.

    Gründe:

    1.
    Der Streitwert des gesamten Berufungsverfahrens bestimmt sich zunächst nach dem Wert der Leistungsanträge in der Hauptsache. Begehrt der Darlehensnehmer ‒ wie vorliegend der Kläger ‒ so gestellt zu werden, als hätte er den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen, bemisst sich der Gesamtstreitwert bei verbundenen Geschäften nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 ‒ XI ZR 335/13 -, juris Rn. 3; Beschluss vom 7. April 2015 ‒ XI ZR 121/14 -, juris Rn. 3). Hinzu kommt ggf. ein aus Eigenmitteln aufgebrachter Betrag (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015, a. a. O.). Zinsen bleiben als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2020 ‒ XI ZR 108/20 -, juris).

    Der Nettodarlehensbetrag beläuft sich im vorliegenden Fall auf 24.400,- Euro. Ferner ist eine Anzahlung in Höhe von 3.500,- Euro geleistet worden, so dass der Gesamtstreitwert insoweit 27.900,- Euro beträgt.

    Dem ebenfalls verfolgten Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu (vgl. BGH, Beschluss vom 19. De-zember 2016 ‒ XI ZR 539/15 -, juris Rn. 4). Der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betrifft eine Nebenforderung und erhöht daher den Streitwert der Anträge in der Hauptsache nicht (§ 43 Abs. 1 GKG).

    2.
    Der genannte Betrag erhöht sich gemäß § 45 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG um den Wert der von der Beklagten erhobenen Hilfswiderklage. Mit diesem Gegenrecht hat die Beklagte Wertersatz für den an dem finanzierten Fahrzeug entstandenen Wertverlust begehrt.

    Dieser Wert ist mit 5.000,- Euro zu bemessen.

    a)
    Die von der Beklagten geltend gemachte Hilfswiderklage hat in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich eine Regelung erfahren.

    Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG erhöht sich der Streitwert im Falle einer Hilfswiderklage, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Gemäß § 45 Abs. 4 GKG gilt diese Regelung bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich entsprechend. Diese Analogie führt zu einer Erhöhung des Streitwerts, wenn die Parteien in ihrer materiellrechtlichen Einigung des Vergleichs zugleich Regelungen über die zur Hilfswiderklage gestellten Forderungen getroffen haben. Die Wirkung des § 45 Abs. 4 GKG erstreckt sich dabei auf die Wertfestsetzung für das gesamte Berufungsverfahren und beschränkt sich nicht auf einen Mehrwert nur des Vergleichs (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juli 2018 ‒ 15 W 87/18, BeckRS 2018, 35195, Rn. 14, beck-online). Denn § 45 Abs. 4 GKG ordnet die „entsprechende“ Anwendung des § 45 Abs. 1 GKG an, was im Falle des Vergleichs bedeutet, dass die vergleichsweise Regelung das Ergehen einer der Rechtskraft fähigen gerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ersetzt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 24. Mai 2018 ‒ 4 W 17/18 ‒, Rn. 14, juris). Eine durch die Hilfswiderklage vermittelte Erhöhung des Gebührenstreitwerts gemäß § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GKG kommt mithin dann in Betracht, wenn eine Entscheidung über diese ergeht oder die Hilfswiderklage gleichbedeutend Eingang in einen verfahrensbeendenden Vergleich der Parteien gefunden hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Feb-ruar 2020 ‒ 17 W 37/19 ‒, Rn. 13, juris).

    Dies ist geschehen.

    Während die Klagepartei die Rückzahlung geleisteter Zins- und Tilgungsraten einschließlich der Anzahlung nach dem von ihr erklärten Widerruf des Finanzierungsgeschäfts begehrt hat, hat die Beklagte im Wege der Hilfswiderklage die Feststellung beantragt, dass die Klagepartei im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs zum Wertersatz verpflichtet ist. Über beide Ansprüche haben sich die Parteien verglichen, denn das Schicksal beider Ansprüche ist in dem Vergleich geregelt.

    Danach soll ‒ bezogen auf die Klageforderung ‒ der Darlehensvertrag nicht rückabgewickelt, sondern ordnungsgemäß bedient werden, wofür die Klagepartei wiederum eine Zahlung von der Beklagten erhalten soll. Dass sich die Parteien entgegen dem ursprünglichen Begehren der Klagepartei gegen eine Rückabwicklung entschieden haben, stellt eine Regelung des geltend gemachten Anspruchs dar. Denn eine begehrte Rückabwicklung erfährt nicht nur dann eine Regelung, wenn sich die Parteien für eine Rückabwicklung entscheiden und deren Modalitäten festlegen, sondern auch dann, wenn sie das Recht auf eine Rückabwicklung ausschließen.

    Mit Abschluss des Vergleichs sollen ausdrücklich „sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aufgrund des streitgegenständlichen Darlehensvertrages“ sowie „der Rückabwicklung des Widerrufs des Darlehensvertrages“ und „der Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts abgegolten und vollständig erledigt“ sein.

    Hierin ist eine Regelung des von der Beklagten im Wege der Hilfswiderklage geltend gemachten Wertersatzanspruches zu erblicken. Die Parteien haben ausdrücklich auf die „wechselseitigen“ Ansprüche „aufgrund der Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts“ Bezug genommen. Die Wahl der Formulierung „wechselseitige Ansprüche“ macht deutlich, dass nicht nur die Ansprüche der Klagepartei, sondern auch die Ansprüche der Beklagten im Vergleich eine Regelung erfahren sollten. Mit dem Vergleich sollte auch die Gegenforderung der Beklagten abgegolten und insoweit vollständig erledigt werden, als die Parteien auch den Streit um die Frage einer Haftung des Klägers für den an dem finanzierten Fahrzeug eingetretenen Wertverlust beigelegt haben.

    Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass sich die Parteien gegen eine Rückabwicklung des Darlehensvertrages entschieden haben, es insoweit bei dem verbundenen Vertrag bleibt und deshalb keine Regelung über den Wertersatzanspruch der Beklagten getroffen worden ist, weil solche Ansprüche bei der Fortsetzung des Vertrages nicht in Rede stehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Februar 2020 ‒ 17 W 37/19 ‒, Rn. 15, juris; offengelassen: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‒ 6 U 418/20 ‒, Rn. 7, juris; offengelassen: OLG Bamberg, Beschluss vom 9. November 2021 ‒ 8 W 55/21 ‒, Anlagenband Beklagte).

    Die Parteien haben eine umfassende Abgeltungsklausel bezüglich aller wechselseitigen Ansprüche vorgesehen, damit deren Schicksal geregelt und das hinter den Anträgen stehende wirtschaftliche Interesse der Beklagten bewusst in den Vergleich einbezogen (so auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2021 ‒ 4 W 25/21 ‒, Rn. 4, juris, OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Oktober 2021 ‒ 6 U 646/20 ‒, juris). Bei der Frage, über was sich Parteien vergleichsweise einigen, kommt es regelmäßig nur auf das Begehren der Parteien und ausgehend davon auf das gegenseitige Nachgeben an. Regelmäßig keine Rolle spielt es, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt besteht. Es wäre systemfremd, eine vergleichsweise Regelung betreffend das Begehren einer Partei mit der Begründung zu verneinen, es bestünde kein Anspruch auf das Begehrte, weshalb auf diesen Anspruch im Rahmen des Vergleichs auch nicht hätte verzichtet werden müssen.

    b)
    Einer Wertaddition steht auch nicht die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entgegen. Die mit der Klage und der Hilfswiderklage geltend gemachten Ansprüche betreffen nicht denselben Gegenstand.

    Zweck der Vorschrift ist es, den Gebührenstreitwert niedrig zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung von Klage und Widerklage die Arbeit des Gerichts vereinfacht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 ‒ IV ZR 287/03 ‒, Rn. 8, juris). Der Gegenstandsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht gleichbedeutend mit dem zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 ‒ IV ZR 287/03 ‒, Rn. 8, juris). Es handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2019 ‒ I ZR 205/18 ‒, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 ‒ IV ZR 287/03 ‒, Rn. 8, juris; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 ‒ I ZR 61/11 ‒, Rn. 6, juris). Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein einheitliches wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2013 ‒ I ZR 61/11 ‒, Rn. 6, juris).

    Wirtschaftliche Identität in diesem Sinne liegt vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinanderstehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2019 ‒ I ZR 205/18 ‒, Rn. 7, juris; Toussaint/Elzer, 51. Aufl. 2021, GKG, § 45 Rn. 14). Wirtschaftliche Identität ist mithin immer dann anzunehmen, wenn sich die Anträge der Klage und der Widerklage gegenseitig ausschließen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2008 ‒ I-10 W 114/08 ‒, Rn. 2, juris; OLG Köln, Beschluss vom 12. Januar 2012 ‒ I-18 W 76/11 ‒, Rn. 7, juris; Toussaint/Elzer, 51. Aufl. 2021, GKG, § 45 Rn. 14). Kostenrechtlich liegen indes dann verschiedene Gegenstände vor, wenn die mit der Klage und der Widerklage geltend gemachten Ansprüche einander nicht ausschließen, sodass die Zuerkennung des einen Anspruchs nicht notwendigerweise die Aberkennung des anderen Anspruchs zur Folge hat. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise soll gewährleisten, dass verschiedene Ansprüche, die denselben Streitgegenstand betreffen, einen unterschiedlichen Wert haben können (vgl. BT-Drucks 12/6962, S. 63). Selbst wenn sich die Ansprüche indes ausschließen und grundsätzlich von einer Identität auszugehen ist, erfährt der Nämlichkeitsgrundsatz wiederum dann eine Ausnahme, wenn mit der Klage und Widerklage Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 ‒ VIII ZR 261/12 ‒, Rn. 5, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2008 ‒ I-10 W 114/08 ‒, Rn. 2, juris)

    Dies zugrunde gelegt, besteht vorliegend keine wirtschaftliche Identität der mit der Klage und der Widerklage geltend gemachten Ansprüche.
    Die Anträge von Klage und Widerklage schließen sich nicht aus, sondern bilden vielmehr einen Gleichlauf dergestalt, dass bei stattzugebener Klage gleichermaßen der Raum eröffnet wird, auch der Widerklage zum Erfolg zu verhelfen.

    Ob mit der Klage und der Widerklage Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis geltend gemacht werden, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

    Mag dem Bestreben des Klägers um Rückabwicklung des mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages und dem Wunsch der Beklagten, im Falle der Rückabwicklung Wertersatz zu erlangen, ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegen, so sind die hinter den einzelnen Begehren stehenden wirtschaftlichen Interessen der Parteien keineswegs identisch. Wenn der Kläger so gestellt werden möchte, als hätte er den Darlehensvertrag nicht geschlossen, so ist seine Pflicht, Wertersatz zu leisten, von seinem wirtschaftlichen Interesse nicht erfasst. Während es dem Kläger nämlich um die Rückzahlung der von ihm gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen einschließlich der Anzahlung gegen die Herausgabe des Kraftfahrzeuges geht, geht das Interesse der Beklagten deutlich darüber hinaus, indem sie ‒ wenn sie schon das Begehren des Klägers zu erfüllen hat ‒ Wertersatz für sich beansprucht.

    Dass die von den Parteien geltend gemachten Ansprüche entweder beide bestehen oder beide nicht bestehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‒ 6 U 418/20 ‒, Rn. 11, juris), sagt über die wirtschaftliche Identität der Ansprüche nichts aus. Die mit der Klage und Widerklage verfolgten Teilansprüche überschneiden sich wirtschaftlich nicht, sondern betreffen unterschiedliche Vermögensdispositionen eines Rückabwicklungsverhältnisses, die sich nicht ausschließen (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24. November 2021 ‒ 17 U 111/20 ‒ Rn. 15, juris).

    Die Wertaddition muss auch nicht deshalb unterbleiben, weil ein Gleichlauf von der primären und der sekundären Verteidigung besteht, so dass wirtschaftlich gesehen die Hilfswiderklage und die primäre Verteidigung als einheitliche Verteidigung gegen den Klageanspruch gewertet werden kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. November 2010 ‒ 10 W 54/10 ‒, Rn. 23, juris; OLG Branden-burg, Beschluss vom 05. Februar 2014 ‒ 11 W 52/13 ‒, BeckRS 2014, 3328, beck-online; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, I. Streitwerte im gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen, Rn. 45, beck-online; Toussaint/Elzer, 51. Aufl. 2021, GKG, § 45 Rn. 47).

    Die Primärverteidigung der Beklagten zielte auf die Verfristung der Widerrufserklärung, mithin die Verneinung einer Rückabwicklungspflicht, während die Sekundärverteidigung der Hilfswiderklage auf diejenigen Ansprüche gerichtet war, die der Beklagten im Falle einer ‒ entgegen der Primärverteidigung ‒ berechtigten Rückabwicklung zustehen.

    Entgegen der Ansicht der Beklagten verbietet sich die Wertaddition auch nicht deshalb, weil bei einer Bezifferung des Wertersatzes durch die Beklagte dieser Anspruch lediglich als Abzugsposten von der Klageforderung abzuziehen gewesen wäre (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. September 1991 ‒ VII ZR 125/91 ‒, Rn. 10, juris).

    Der Gebührenstreitwert wird bei der ‒ von der Aufrechnung abzugrenzenden ‒ Anrechnung nicht nach § 45 Abs. 3 GKG erhöht (vgl. BeckOGK/Skamel, BGB, 01.10.2021, § 387 Rn. 15; BeckOK/Dennhardt, BGB, 60. Ed. 01.11.2021, § 387 Rn. 6). Es kann aber dahinstehen, wie es sich auswirkt, dass die Beklagte den Wertersatzanspruch nicht beziffert und sich gegen eine Aufrechnung entschieden, sondern vielmehr eine auf Feststellung gerichtete Hilfswiderklage erhoben hat. Denn die von den Parteien vorliegend geltend gemachten und aus dem Rückabwicklungsverhältnis resultierenden Ansprüche können nicht angerechnet oder verrechnet werden. Die aus einem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche werden auch dann nicht automatisch saldiert, wenn sie gleichartige Leistungen betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 ‒ XI ZR 366/15 ‒, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 25. April 2017 ‒ XI ZR 108/16 ‒, Rn. 19 - 20, juris).

    Insoweit vermag auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 09. November 2021 (Az.: 8 W 55/21, Anlagenband Beklagte) die Argumentation der Beklagten nicht zu stützen.

    Die Wertaddition muss ‒ entgegen der Ansicht der Beklagten ‒ auch nicht deshalb unterbleiben, weil der Inhalt des Vergleichs bei wirtschaftlicher Betrachtung hinter dem durch die Berufungseinlegung beschriebenen Streitgegenstand deutlich zurückbleibt (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. Oktober 2021 ‒ 19 U 135/21 ‒, Anlagenband Beklagte). Ob die Parteien einen für sich günstigen oder ungünstigen Vergleich schließen und wie weit sie sich dabei von ihrem ursprünglichen Begehr entfernen, spielt für die Frage einer „wirtschaftlichen Werthäufung“ von Klage und Widerklage ebenso wenig eine Rolle, wie für die Frage, welches Interesse die Klage und die Widerklage überhaupt betreffen.

    c)
    Der Wert der auf Feststellung gerichteten Hilfswiderklage beträgt 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 ‒ VII ZR 134/11 ‒, Rn. 5, juris). Deren Wert wiederum ist gem. § 3 ZPO nach freien Ermessen zu schätzen, wobei es maßgeblich auf die Interessen desjenigen ankommt, der den Anspruch geltend macht.

    Im Sachvortrag der Parteien finden sich keine Anhaltspunkte, die es möglich machen, den von der Beklagten mit der Feststellungsklage begehrten Wertersatz zu schätzen. Vielmehr betonen beide Parteien im Verlauf des Rechtsstreits, dass eine Bezifferung des Wertverlustes nicht möglich ist und einem Folgeprozess vorbehalten bleiben muss.

    Entgegen der Ansicht der Klagepartei bietet der maximal denkbare Wertverlust unter Zugrundelegung des Kaufpreises keinen tauglichen Anhaltspunkt für eine Wertermittlung.

    Zum einen hat der Kläger selbst ausgeführt, dass der Kaufpreis selbst nicht der Ermittlung des Wertverlustes zu Grunde gelegt werden darf, sondern es vielmehr auf den objektiven Fahrzeugwert ankommt, von dem diverse Positionen (Gewinnanteil des Verkäufers, Mehrwertsteuer, bestehende Sachmängel, wie Die-sel-Manipulationen) abgezogen werden müssten (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 20. Juli 2021).

    Unabhängig davon kommt es für die Wertermittlung auf die tatsächlich bestehenden Interessen und nicht die maximal denkbaren Interessen der Beklagten an (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Oktober 2021 ‒ 6 U 646/20 ‒, Rn. 14, juris).

    Insoweit finden sich im Sachvortrag der Parteien keine Anhaltspunkte dazu, welchen Wertverlust das streitgegenständliche Fahrzeug erlitten hat. Aus diesem Grund ist das Interesse der Beklagten an der begehrten Feststellung in Anlehnung an die Bestimmungen in § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 1 RVG, § 52 Abs. 2 GKG, § 36 Abs. 3 GNotKG mit 5.000,- Euro zu bewerten (vgl. allgemein etwa BGH, Beschluss vom 24. August 2021 - VI ZR 1265/20 -, Rn. 10 f., juris; so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Oktober 2021 ‒ 6 U 646/20 ‒, Rn. 13, juris).


    3.
    Soweit beide Parteien Ausführungen dazu machen, ob und inwieweit eine von der Beklagten vorgenommene Hilfsaufrechnung den Wert ebenfalls gemäß § 45 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG erhöht, sind diese offensichtlich nicht auf den vorliegenden Fall bezogen. Vorliegend stand keine Hilfsaufrechnung im Raum.

    RechtsgebietKostenrecht Vorschriften§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG