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  • 07.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226781

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 24.11.2021 – 17 U 111/20

    Der von einem Prozessvergleich erfasste und im Wege der Hilfswiderklage geltend gemachte Anspruch der Darlehensgeberin auf Wertersatz wegen der Rückabwicklung eines zur Finanzierung der Anschaffung eines Fahrzeugs geschlossenen Darlehensvertrages führt zu einer Erhöhung des Gebührenstreitwerts, weil keine wirtschaftliche Identität zwischen den Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrages nach dessen Widerruf und dem mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Wertersatzanspruch besteht.


    OLG Frankfurt 17. Zivilsenat

    24.11.2021


    Tenor

    In dem Rechtsstreit



    wird der Streitwertbeschluss vom 26. April 2021 unter Zurückweisung der weitergehenden Gegenvorstellung des Klägervertreters vom 22. Oktober 2021 abgeändert.

    Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis 40.000,00 € (Klage: 19.400,80 €; Hilfswiderklage: 16.299,00 €) festgesetzt.

    Der Gegenstandswert des Vergleichs übersteigt diesen Streitwert nicht.

    Gründe

    I.

    Die Parteien haben über die Wirksamkeit eines - nach Klageerhebung vorzeitig beendeten - Fahrzeugfinanzierungsvertrags mit einem Nettodarlehensbetrag in Höhe von 22.500,- € nach Widerruf der Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung durch den Kläger gestritten.

    In erster Instanz hat der Kläger zunächst Feststellung begehrt, dass nach Widerruf der auf Abschluss des Fahrzeugfinanzierungsvertrags gerichteten Willenserklärung kein Anspruch der Beklagten auf Zins- und Tilgungsleistungen bestehe. Darüber hinaus hat er die Beklagte auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 10.850,70 € nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs in Anspruch genommen. Nach Veräußerung des Fahrzeugs zu einem Kaufpreis von 8.082,15 € und vorzeitiger Ablösung des Darlehens gegen Zahlung von 14.082,15 € hat der Kläger Zahlung in Höhe von 18.400,80 € (Zins- und Tilgungsraten zzgl. Ablösezahlung abzgl. Kaufpreis) nebst Verzugszinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt und die Klage im Übrigen für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen und den Kläger hilfsweise widerklagend auf Zahlung von Wertersatz und Feststellung der weiteren Wertersatzpflicht in Anspruch genommen.

    Nach Klageabweisung durch das Landgericht hat der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt und beantragt, unter Abänderung des am 6. November 2020 verkündeten Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 18.400,80 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 633,32 € freizustellen und festzustellen, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt hat.

    Die Parteien haben sich vergleichsweise geeinigt. Der Senat hat das Zustandekommen des Vergleichs mit Beschluss vom 26. April 2021 festgestellt und zugleich den Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz auf 19.400,80 € (Zahlungsantrag; 18.400,80 €; Feststellungsantrag: 1.000,00 €) festgesetzt.

    Dagegen wendet sich der Klägervertreter im eigenem Namen mit der Gegenvorstellung vom 22. Oktober 2021 und beantragt, den Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz und den Gegenstandswert des Vergleichs auf bis 45.000,- € festzusetzen. Er macht geltend, der Streitwert der Klage entspreche dem Nettodarlehensbetrag in Höhe von 22.500,- €. Die Teilerledigungserklärung habe nach Rechtsprechung des Kammergerichts auf den Streitwert keine Auswirkung. Zu berücksichtigen sei zudem der Wert der Hilfswiderklage, auch wenn über die Hilfswiderklage nicht durch das Gericht entschieden worden sei. Die Erledigungswirkung des Vergleichs stehe gem. § 45 Abs. 4 GKG der nach § 45 Abs. 1 u. 3 GKG maßgeblichen Rechtskraftwirkung gleich. Der Streitwert des Hilfswiderklageantrags zu 1) sei mit 15.299,00 € und der des Hilfswiderklageantrags zu 2) mit 5.760,80 € (7.201,00 € [22.500,00 € - 15.299,00 €] abzgl. 20%) zu bemessen.

    Die Beklagte hat zum Antrag des Klägervertreters nicht Stellung genommen.

    II.

    Die Gegenvorstellung des Klägervertreters vom 22. Oktober 2021 ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß (§ 32 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 3 GKG analog, vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 170/18 -, Rn. 3, juris) erhoben worden. Die Frist hat mit Feststellung des Vergleichs durch Beschluss des Senats vom 26. April 2021 begonnen, da die Parteien einen übereinstimmenden Vergleichsvorschlag unterbreitet und nicht einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag angenommen haben (vgl. Jäckel in: BeckOK Kostenrecht, Stand: 1. Oktober 2021, § 63 GKG Rn. 31 beck-online; Schneider, NJW 2017, 3764, 3766, beck-online).

    In der Sache führt die Gegenvorstellung zu einer Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 26. April 2021.

    Der Klägervertreter weist zunächst zutreffend darauf hin, dass der von der Beklagten mit der Hilfswiderklage erhobene Anspruch auf Zahlung von Wertersatz Gegenstand der Abgeltungsklausel in Ziff. 3 des Vergleichs vom 26. April 2021 ist. Insoweit unterscheidet sich der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Senats vom 24. Februar 2020 zugrunde lag. In jenem Verfahren hatten sich die Parteien dahin verglichen, dass der zur Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises geschlossene Darlehensvertrag fortbesteht und sich die Parteien darüber einig sind, dass die Widerrufsfrist abgelaufen ist und der Kläger nicht erneut widerrufen wird. Darüber hinaus haben sie den Darlehensvertrag von Beginn an zinsfrei gestellt und den Gesamtbetrag des Kredits um einen bestimmten Betrag reduziert (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Februar 2020 - 17 W 37/19 -, Rn. 6, juris). Hier haben sich die Parteien hingegen darauf geeinigt, dass mit Abschluss der Vereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien aus und im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag abgegolten sind, unabhängig davon, ob es sich um gegenwärtige oder künftige, bekannte oder unbekannte Ansprüche handelt mit Ausnahme der Regelung über die Zahlung eines Betrages in Ziffer 1 des Vergleichs, wobei dies insbesondere für etwaige Rückabwicklungsansprüche im Zusammenhang mit dem Widerruf der auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers gilt.

    Der Wertersatzanspruch, den die Beklagte mit der Hilfswiderklage geltend gemacht hat, führt zur Erhöhung des Gebührenstreitwerts für die Berufungsinstanz.

    Nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet. Dies gilt gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nicht, wenn die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. In diesem Fall ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

    Für Fälle wie dem vorliegenden ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen und der mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Wertersatz wegen der Nutzung des Fahrzeugs durch den Darlehensnehmer denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG betreffen. Während das Oberlandesgericht Düsseldorf davon ausgeht, dass wegen wirtschaftlicher Überschneidung derselbe Gegenstand vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 - 6 U 418/20 -, Rn. 10, juris; anders noch Beschluss vom 31. März 2020 - I-6 W 37/19 -, Anlage 7 - Bl. 617 ff. d.A.), nehmen andere Oberlandesgerichte - allerdings ohne eingehende Begründung - an, dass keine wirtschaftliche (Teil-)Identität besteht (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 6. Oktober 2021 - 4 U 247/21 -, Anlage 4 - Bl. 610 d.A.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. September 2021 - 5 U 1172/20 -, Anlage 6 - Bl. 614 ff. d.A.; OLG Köln, Beschluss vom 7. September 2021 - 13 W 27/21 -, Anlage 5 - Bl. 612 f. d.A.; OLG Celle, Beschluss vom 19. April 2021 - 3 U 149/20 -, Anlage 3 - Bl. 606 ff. d.A.; Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 1. April 2020 - 6 U 316/18 -, Anlage 2 - Bl. 601 ff. d.A.).

    Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem Begriff des „Gegenstands“ in § 45 Abs. 1 S. 3 GKG um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2019 - I ZR 205/18 -, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - I ZR 61/11 -, Rn. 6, juris). Eine Zusammenrechnung hat nicht zu erfolgen, wenn ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (BGH, Beschluss vom 11. April 2019 - I ZR 205/18 -, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 12. April 2010 - II ZR 34/07 -, Rn. 4, juris). Wirtschaftliche Identität in diesem Sinne liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass - die vom (Wider-)Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht - allen stattgegeben werden könnte, sondern die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (BGH, Beschluss vom 11. April 2019 - I ZR 205/18 -, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - VIII ZR 261/12 -, Rn. 4, juris; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - I ZR 61/11 -, Rn. 6, juris; BGH, Beschluss vom 12. April 2010 - II ZR 34/07 -, Rn. 4, juris; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - I ZR 172/19 -, Rn. 60, juris). Der genannte Identitätsgrundsatz greift jedoch dann nicht ein, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen. Dementsprechend nimmt der Bundesgerichtshof eine Werteaddition nach Maßgabe von § 45 Abs. 1 S. 1 GKG in Fällen vor, in denen der Kläger aus einem streitigen Rechtsverhältnis einen über geleistete Zahlungen hinausgehenden Rest- oder Mehrbetrag beansprucht, während der Beklagte widerklagend die geleisteten Zahlungen als nicht geschuldet zurückverlangt, da hierbei wirtschaftlich die aus dem Rechtsverhältnis geschuldete Gesamtvergütung den Gegenstand des Streits der Parteien bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - VIII ZR 261/12 -, Rn. 5, juris). Ebenso findet nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eine Wertaddition statt, wenn der Leasinggeber mit seiner Klage die Rückzahlung geleisteter Leasingraten verlangt und der Leasinggeber widerklagende die Zahlung weiterer Leasingraten und Schadensersatz nach Kündigung des Leasingvertrages fordert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - VIII ZR 261/12 -, Rn. 6, juris).

    Gleiches muss gelten, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die vollständige Rückabwicklung eines auf den wechselseitigen Austausch von Leistungen gerichteten Vertragsverhältnisses ist und die Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis mit Klage und (Hilfs-)Widerklage geltend gemacht werden. Auch in einem solchen Fall besteht zwischen den zurückverlangten Leistungen keine wirtschaftliche Überschneidung. Jede Partei begehrt die Rückgewähr des Vermögensgegenstands, den sie durch den vertraglichen Leistungsaustausch verloren hat, bzw. verlangt Wertersatz, wenn der Vermögensgegenstand von der anderen Partei nicht herausgegeben werden kann. Wirtschaftlich betrachtet ergänzen sich die Gegenstände von Klage und (Hilfs-)Widerklage zur vollständigen Rückabwicklung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses. So liegt der Fall hier. Während der Kläger in der Berufungsinstanz die Rückzahlung seiner Zins- und Tilgungsleistungen abzüglich des Wertes des veräußerten Fahrzeugs gefordert hat, war die Hilfswiderklage der Beklagten auf Ersatz des Wertes der Fahrzeugnutzung gerichtet. Die jeweils geforderten Leistungen überschneiden sich damit wirtschaftlich nicht, sondern betreffen unterschiedliche Vermögenspositionen eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses. Hinzu kommt, dass sich die mit Klage und Hilfswiderklage geltend gemachten Ansprüche nicht ausschließen. Die Hilfswiderklage hat - die Bedingung hinweggedacht - vielmehr Erfolg, wenn die Klageforderung dem Grunde nach besteht.

    Der Wert der Hilfswiderklage ist mit 16.299,00 € zu bemessen. Er setzt sich zusammen aus dem Wert des Zahlungsantrags in Höhe von 15.299,00 € und dem Wert des Feststellungsantrags, den der Senat auf 1.000,00 € schätzt. Der Feststellungsantrag hat keinen höheren Wert, da die Beklagte zunächst von der vom Kläger im Klageantrag vorausgesetzten Herausgabe des Fahrzeugs und später von der vom Kläger vorgenommenen Kaufpreisanrechnung ausgegangen ist.

    Soweit der Senat den Streitwert für den mit der Berufung weiterverfolgten Klageantrag im Streitwertbeschluss vom 26. April 2021 mit 19.400,80 € (Zahlungsantrag: 18.400,80; Feststellung der Teilerledigung: bis 1.000,- € [Gebührendifferenz nach GKG aF und RVG aF bei 16 % USt: 689,60 €]) festgesetzt hat, ist daran festzuhalten.

    Anders als der Klägervertreter meint, besteht kein Anlass, den Wert der Klage ungeachtet der Teilerledigungserklärung insgesamt nach dem Nettodarlehensbetrag von 22.500,00 € zu bemessen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass hat, beläuft sich bei einer einseitigen Teilerledigungserklärung das für die Wertfestsetzung maßgebliche Kosteninteresse auf die Mehrkosten, die im Vergleich zu den Kosten entstanden sind, die angefallen wären, wenn der Rechtstreit von Anfang an nur über den nicht für erledigt erklärten Teil geführt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2021 - V ZR 112/20 -, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 30. Juli 2020 - III ZR 106/19 -, Rn. 7, 12 f., juris; BGH, Beschluss vom 18. September 2018 - VI ZB 26/17 -, Rn. 7, juris). Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz nicht geboten. Ein Sonderfall ist anzunehmen, wenn aus der angegriffenen Entscheidung rechtskräftige Feststellungen zu Ansprüchen hergeleitet werden können, die noch zwischen den Parteien streitig sind (BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - II ZR 149/17 -, Rn. 4, juris), oder wenn das Interesse der Parteien an einer mittelbaren Rechtfertigung ihrer Standpunkte deutlich im Vordergrund steht (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2017 - III ZR 540/16 -, Rn. 8, juris). Letzteres hat der Bundesgerichtshof ausnahmsweise bei einer einseitig für erledigt erklärten Ehrenschutzsache angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1981 - VI ZR 161/80 -, 2. LS, juris). Eine damit vergleichbare Sachverhaltskonstellation liegt hier nicht vor.

    RechtsgebietDarlehensrechtVorschriften§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG