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  • 09.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223416

    Landessozialgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 14.04.2021 – L 5 SF 1/18 B E

    1. Bei der Festsetzung der Vergütung eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts sind nur vom erstattungspflichtigen Dritten tatsächlich auf die Geschäftsgebühr geleistete Zahlungen auf die Verfahrensgebühr Nr 3102 VV RVG anzurechnen.

    2. Eine Anrechnung findet auch nach dem bis zum 31.12.2020 geltenden Vergütungsrecht nicht statt, wenn der Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr in Ausübung seines Wahlrechts nach § 15a Abs. 1 RVG in voller Höhe fordert und die auf die Geschäftsgebühr tatsächlich geleisteten Zahlungen den um den Anrechnungsbetrag nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG bereinigten Betrag der entstandenen Geschäftsgebühr nicht übersteigen.

    3. Bei Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind Synergieeffekte zu berücksichtigen, die daraus resultieren, dass der Rechtsanwalt für denselben Auftraggeber in mehreren Angelegenheiten tätig wird, die ähnlich gelagerte Gegenstände betreffen. Diese Synergieeffekte wirken sich umso eher aus, je ähnlicher die für den Auftraggeber erledigten Angelegenheiten sind und je mehr der Rechtsanwalt auf Arbeitsergebnisse aus den anderen Mandaten dieses Auftraggebers zurückgreifen kann.


    Landessozialgericht Schleswig-Holstein

    Beschluss vom 14.04.2021


    Tenor:

    Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

    Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Die Beteiligten streiten wegen der Bewertung von Synergieeffekten bei mehrfacher Vertretung und wegen der Anrechnung für das Widerspruchsverfahren erstatteter Rechtsanwaltskosten über die Höhe der der Erinnerungsführerin aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung.

    Die Erinnerungsführerin war den Klägern des Ausgangsverfahrens, einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern, die eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bildeten, im Klageverfahren zum Az. S 9 AS 529/13 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Die Klage hatte die Erinnerungsführerin für die Kläger mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2013 erhoben. Gegenstand des Verfahrens war die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für die Heizung aufgrund der Heizkostenabrechnung des Vermieters vom 18. April 2013 für das Abrechnungsjahr 2012. Außerdem war die Erinnerungsführerin den Klägerinnen in weiteren Klageverfahren als Prozessbevollmächtigte beigeordnet, nämlich in den Verfahren S 9 AS 309/12 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Aufwendungen für die Heizung im Zeitraum März bis August 2012), S 9 AS 539/13 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Bedarfe für die Heizung im Zeitraum Mai bis August 2013) und S 9 AS 679/13 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Bedarfe für die Heizung im Zeitraum September 2013 bis Februar 2014). Die Klage zum Az. S 9 AS 309/12 nahm die Erinnerungsführerin für die Kläger auf gerichtlichen Hinweis "wegen doppelter Rechtshängigkeit" zurück. In dem Verfahren zum Az. S 9 AS 529/13 wurde ein schriftlicher Vergleich, in den verbleibenden zwei Verfahren in einem späteren Termin zur mündlichen Verhandlung ein Vergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossen.

    Im Verfahren zum Az. S 9 AS 529/13 beantragte die Erinnerungsführerin nach Abschluss des Verfahrens am 13. Oktober 2016 die Festsetzung ihrer Vergütung aus der Landeskasse in Höhe von 1.273,30 EUR. Sie bestimmte die Verfahrensgebühr inklusive der Gebührenerhöhungen für zwei weitere Auftraggeber in Höhe von 480,00 EUR (Mittelgebühr), eine Terminsgebühr (fiktiv) in Höhe von 270,00 EUR (90 Prozent der Mittelgebühr), sowie eine Einigungsgebühr in Höhe von 300,00 EUR (Verfahrensgebühr ohne Gebührenerhöhungen) und berechnete zusätzlich die Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Umsatzsteuer.

    Mit Festsetzungsbeschluss vom 17. November 2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung zunächst antragsgemäß fest. Nachdem die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 angezeigt hatte, dass der Beklagte des Ausgangsverfahrens Kosten des Widerspruchsverfahren in Höhe von 96,15 EUR (20 Prozent der bestimmten Vergütung in Höhe von 480,76 EUR gemäß Kostenquote aus dem gerichtlichen Vergleich) erstattet habe, änderte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Festsetzungsbeschluss vom 17. November 2016 mit Beschluss vom 22. Juni 2017 ab und setzte die Vergütung der Erinnerungsführerin auf 1.227,60 EUR neu fest und rechnete dabei die gezahlte Geschäftsgebühr (netto 76,80 EUR) zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr an.

    Gegen diesen Beschluss hat zunächst die Erinnerungsführerin am 27. Juni 2017 Erinnerung eingelegt und die hälftige Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr beanstandet. Sie hat geltend gemacht, dass die Anrechnung der Vorschrift des § 15a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) widerspreche. Sie dürfe beide Gebühren (Geschäfts- und Verfahrensgebühr) fordern, jedoch insgesamt nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag (maximal 175,00 EUR) verminderten Betrag beider Gebühren. Im vorliegenden Falle ergebe sich ein Betrag von 689,00 EUR, der bei Addition von 480,00 EUR Verfahrens- und 76,80 EUR Geschäftsgebühr noch nicht erreicht sei.

    Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017 hat der Erinnerungsgegner ebenfalls Erinnerung eingelegt und beantragt, die anwaltliche Vergütung auf 811,10 EUR festzusetzen. Er ist der Erinnerung der Erinnerungsführerin entgegengetreten und hat zusätzlich geltend gemacht, dass die Verfahrensgebühr seitens der Erinnerungsführerin unbillig hoch bestimmt worden sei. Angesichts der Synergieeffekte wegen der weiteren drei Klageverfahren, bei denen es auch um Kosten der Unterkunft für lediglich unterschiedliche Zeiträume gegangen sei, seien Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit als unterdurchschnittlich zu bewerten. Es erscheine daher nur eine Verfahrensgebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr gerechtfertigt.

    Mit Beschluss vom 18. Dezember 2017 hat das Sozialgericht Schleswig den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 17. November 2016 auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wiederhergestellt und die Erinnerung des Erinnerungsgegners zurückgewiesen.

    Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorliegend nicht stattfinde. Nach § 15a Abs. 1 RVG i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 4 Vergütungsverzeichnis (VV) in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (a.F.) könne der Rechtsanwalt eine oder beide der genannten Gebühren in der Höhe ihrer Wahl geltend machen, solange der durch die vorgeschriebene Anrechnung bestimmte Maximalbetrag nicht überschritten werde. Dies sei hier nicht der Fall. Im Übrigen sei auch die Bestimmung der Verfahrensgebühr nicht unbillig. Es sei insgesamt von einem Durchschnittsfall auszugehen, auch wenn die Bedeutung der Angelegenheit unterdurchschnittlich gewesen sei. Umfang und Schwierigkeit seien angesichts 15 gefertigter Schriftsätze - wenngleich teilweise kurz und redaktioneller Art - insgesamt überdurchschnittlich gewesen. Wenn der Erinnerungsgegner im Hinblick auf die Kostenrechtsprechung des Senats die Auffassung vertrete, in allen KdU-Verfahren der gleichen Bedarfsgemeinschaft die gleiche Wohnung betreffend seien von vornherein Synergieeffekte zu berücksichtigen, schließe sich die Kammer dem angesichts der Vielfältigkeit der Fallgestaltungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht an. Der vorliegende Gesamtfall sei von Einzelfallbesonderheiten in den jeweiligen Klageverfahren geprägt gewesen, auch wenn die Aufwendungen für die Heizung das Generalthema gewesen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe (Bl. 31 ff. der Akte) Bezug genommen.

    Gegen den ihm am 20. Dezember 2017 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsgegner am 22. Dezember 2017 Beschwerde erhoben.

    Er hat zur Begründung im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Erinnerungsverfahren Bezug genommen. Die Frage der Anrechnung werde von den Sozialgerichten im Land unterschiedlich beantwortet und habe deshalb grundsätzliche Bedeutung. In der Sache sei der Auslegung des Sozialgerichts nicht zu folgen. Zwar liege die von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Forderung unter dem ihr maximal zustehenden Betrag. Dies resultiere jedoch daraus, dass sie den von den Klägern geschuldeten Anteil von diesen nicht gefordert habe. Dies führe im Ergebnis dazu, dass sowohl die Landeskasse als auch der Verfahrensgegner beschwert sei, erstere durch die Nichtanrechnung und letzterer durch den höheren Forderungsübergang. Auch bei der Berücksichtigung von Synergieeffekten stellten sich grundsätzlich bedeutsame Fragestellungen. So sei insbesondere zu klären, wie weit sich die verschiedenen Klageverfahren, die ein Rechtsanwalt für eine Bedarfsgemeinschaft führe, ähneln müssten, damit ein Synergieeffekt gebührenmindernd zum Tragen komme.

    Er beantragt,

    den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Dezember 2017 sowie die Festsetzungsbeschlüsse vom 17. November 2016 und 22. Juni 2016 zu ändern und die Vergütung der Erinnerungsführerin auf 811,10 EUR festzusetzen.

    Die Erinnerungsführerin beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Ergänzend weist sie darauf hin, dass ihre Rechtsauffassung inzwischen durch den zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG bestätigt werde. Der Gesetzgeber habe diese Änderung ausweislich der Gesetzesbegründung als klarstellend begriffen.

    Beide Beteiligten haben zur Verteidigung ihrer jeweiligen Rechtsauffassung auf zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen hingewiesen.

    Dem Senat haben die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie die Gerichtsakten zu den Az. S 9 AS 309/12, S 9 AS 529/13, S 9 AS 539/13 und S 9 AS 679/13 vorgelegen. Auch diese Akten wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

    II.

    Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

    Die Beschwerde des Erinnerungsgegners hat keinen Erfolg.

    Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands für den Erinnerungsgegner 200,00 EUR übersteigt (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG).

    Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Sozialgericht den ursprünglichen Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 17. November 2016 auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wiederhergestellt und die Erinnerung des Erinnerungsgegners zurückgewiesen. Das Gericht weist die Beschwerde nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung aus den wesentlichen Gründen der angegriffenen Entscheidung zurück, soweit sich nicht aus den folgenden Ausführungen anderes ergibt, und sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Gründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG], § 1 Abs. 3 RVG).

    Auch der Senat geht im Ergebnis davon aus, dass die Bestimmung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG a.F. durch die Erinnerungsführerin in Höhe der Mittelgebühr der Billigkeit entspricht. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Zumindest diese vier Kriterien sind bei der Überprüfung der anwaltlichen Bestimmung der Gebühr regelhaft zu berücksichtigen.

    Vorliegend geht der Senat - anders als das Sozialgericht - nur von einem durchschnittlichen Umfang und einer durchschnittlichen Schwierigkeit der Angelegenheit aus.

    Dem Sozialgericht ist zwar im Ausgangspunkt beizupflichten, dass die Anzahl der Schriftsätze zunächst für einen überdurchschnittlichen Umfang der Tätigkeit zu sprechen geeignet ist.

    Es entspricht jedoch ständiger Senatsrechtsprechung, sowohl beim Umfang als auch bei der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit Synergieeffekte zu berücksichtigen, die daraus resultieren, dass der Rechtsanwalt für denselben Auftraggeber in mehreren ähnlich gelagerten Angelegenheiten tätig wird. So geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Parallelverfahren mit den gleichen Beteiligten und weitgehend identischen Sach- und Rechtslagen, erhebliche Arbeitserleichterungen beinhalten (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - L 5 SF 12/13 E - juris Rn. 22), und dass ein Synergieeffekt, der sich gebührenmindernd auswirkt, dann eintritt, wenn der Rechtsanwalt in weiteren Verfahren der gleichen Beteiligten zum gleichen Streitstoff identisch vorgetragen hat (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 15. Februar 2018 - L 5 SF 271/17 B E - juris Rn. 12). Daran hält der Senat weiterhin fest. Ganz generell ist festzustellen, dass allein schon der Umstand, dass der Rechtsanwalt denselben Mandanten schon einmal vertreten hat, zu Arbeitserleichterungen führen sollte: Der Rechtsanwalt kennt bei Übernahme des neuen Mandats bereits die Rahmendaten des Mandanten, seine Lebensumstände, seine Persönlichkeit und seine Befindlichkeiten und muss sich dieses Wissen nicht erst aneignen. Diese Arbeitserleichterungen wirken sich umso eher aus, je ähnlicher die für den Auftraggeber erledigten Angelegenheiten sind und je mehr der Rechtsanwalt auf Arbeitsergebnisse aus früheren Mandaten desselben Auftraggebers zurückgreifen kann.

    Ob sich daraus ergebende Synergieeffekte indes auch gebührentechnisch auswirken, ist eine Frage, die kaum abstrakt und losgelöst vom konkreten Einzelfall beantwortet werden kann. Eine rein schematische Betrachtung etwa dergestalt, dass in KdU-Verfahren regelhaft beim Folgezeiträumen nur noch eine Gebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr verlangt werden könnte, lässt sich schon angesichts der Notwendigkeit, grundsätzlich zumindest alle vier Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG in die Betrachtung einzubeziehen, nicht begründen.

    Im vorliegenden Fall führen die Synergieeffekte dazu, den bei isolierter Betrachtung überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der in den Parallelverfahren entfalteten Bemühungen als insgesamt lediglich durchschnittlich zu bewerten. Denn die Erinnerungsführerin konnte wegen der durchaus bestehenden Variationen des Generalthemas Heizkosten zwar nicht in vollem Umfang auf inhalts- und wortgleiche Schriftsätze aus Parallelverfahren zurückgreifen. Sie war aber in der Lage, Arbeitsprozesse effizienter zu strukturieren, als dies bei Einzelverfahren möglich gewesen wäre, und hat diese Möglichkeiten auch genutzt. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass jeweils unter bestimmten Daten Serien von Schriftsätzen in mehreren der insgesamt vier Verfahren gefertigt wurden, so unter dem 1. Oktober 2013, 14. Oktober 2014, 27. November 2014, 16. Februar 2015, 26. Mai 2015, 23. Juli 2015, 3. August 2015, 7. September 2015 und 18. Juli 2016.

    Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend durchschnittlich. Die Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten und die der Bestimmung der Angemessenheit gehören zu den Standardproblemen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, weisen aber durchaus tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten im Einzelfall auf, so dass für ein allgemein im Sozialrecht tätigen Rechtsanwalt (zu diesem Maßstab vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, juris Rn. 35) tendenziell von einer leicht überdurchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen ist. Dies gilt umso mehr, als es speziell in diesem Verfahren nicht um die Berücksichtigung des laufenden Bedarfs, sondern um die Berücksichtigung einer Heizkostennachzahlung im Fälligkeitsmonat gegangen ist.

    Die Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeber ist als insgesamt durchschnittlich bis allenfalls leicht überdurchschnittlich anzusehen. Zwar geht die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Angelegenheiten, die Ansprüche auf existenzsichernde Leistungen betreffen, tendenziell von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Sache aus (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, juris Rn. 37). Dies gilt jedoch nicht unumschränkt für jede Streitigkeit in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, sondern die Bedeutung ist auch hier unter Berücksichtigung der Einzelumstände zu ermitteln, die Differenzierungen zulässt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019 - B 14 AS 48/18 R - SozR 4-1935 § 14 Nr 4, juris Rn. 23). Vorliegend ging es um die Berücksichtigung einer einmaligen Bedarfsspitze durch eine Heizkostennachforderung in Höhe von 400,00 EUR. Bezieht man diesen Betrag auf den monatlichen Leistungsanspruch jedes einzelnen Auftraggebers, errechnet sich ein Betrag im ein- bis unteren zweistelligen Bereich. Dies rechtfertigt auch bei existenzsichernden Leistungen nicht die Annahme einer deutlich überdurchschnittlichen Bedeutung; die Bewertung als leicht überdurchschnittlich erscheint bei vergleichender Betrachtung mit den den höchstrichterlichen Entscheidungen zugrundeliegenden Fällen allerdings durchaus vertretbar.

    Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, die das Sozialgericht in seine Bewertung nicht mit einbezogen hat, die aber auch in Angelegenheiten, die existenzsichernde Leistungen betreffen, mit einzubeziehen sind, sind im vorliegenden Fall deutlich unterdurchschnittlich. Die Kläger bezogen Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld; dabei wurde bei der Leistungsberechnung außer dem Kindergeld für die Kläger zu 2. und 3. kein weiteres Einkommen berücksichtigt. Die Kläger verfügten insbesondere nicht über Erwerbseinkommen, das das verfügbar Gesamteinkommen wegen der darauf gewähren Freiträge (§ 11b Abs. 2 und 3 SGB II) über das unmittelbar existenzsichernde Niveau gehoben hätte (vgl. § 3 Abs. 2 Regelbedarfsermittlungsgesetz [RBEG]).

    Insgesamt entspricht bei Zugrundelegung zweier durchschnittlicher Kriterien, eines (leicht) überdurchschnittlichen und eines (deutlich) unterdurchschnittlichen Kriteriums die Bestimmung der Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr zumal unter Berücksichtigung des dem Rechtsanwalt eingeräumten Toleranzrahmens der Billigkeit. Dies gilt umso mehr, als die Erinnerungsführerin bei ihrer Abrechnung im Verfahren zum Az. S 9 AS 309/12 die Gebühr mit Rücksicht auf die vermeintliche - aber tatsächlich nicht vorliegende (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45, juris Rn. 15) - doppelte Rechtshängigkeit selbst mit 400,00 EUR unterhalb der Mittelgebühr bestimmt und damit gewisse Synergien bereits in einem Parallelverfahren berücksichtigt hat.

    Zu Recht ist das Sozialgericht ferner davon ausgegangen, dass eine (anteilige) Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorliegend nicht in Betracht kommt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind. Zwar bestimmt Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG a.F., dass eine wegen desselben Gegenstands entstehende Geschäftsgebühr nach Teil 2 bis zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird, wobei der Anrechnungsbetrag bei Betragsrahmengebühren maximal 175,00 EUR beträgt. Diese Regelung ist jedoch im Kontext mit der allgemeinen Anrechnungsvorschrift des § 15a Abs. 1 RVG zu verstehen, wonach der Rechtsanwalt, sofern das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, beide Gebühren fordern kann, insgesamt jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Rechtsfehlerfrei hat das Sozialgericht aus diesen Regelungen abgeleitet, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG a.F. solange nicht zu einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr führt, wie tatsächlich auf die Geschäftsgebühr geleistete Zahlungen den um den Anrechnungsbetrag bereinigten Betrag der entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG a.F. nicht übersteigen und der Rechtsanwalt sein Wahlrecht dahingehend ausübt, dass er die Verfahrensgebühr in voller Höhe geltend machen wolle.

    Daran gemessen scheidet vorliegend eine Anrechnung der Zahlung von netto 76,80 EUR, die die Erinnerungsführerin auf die in Höhe von 384,00 EUR bestimmte Geschäftsgebühr (Schwellengebühr nach Nr. 2400 VV RVG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung zzgl. zwei Gebührenerhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG) erhalten hat, aus, weil der sich aus der geltend gemachten Verfahrensgebühr (480,00 EUR) und der auf die Geschäftsgebühr erhaltenen Zahlung (76,80 EUR) ergebende Gesamtbetrag (556,80 EUR) unterhalb des sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Höchstbetrags (hier: 384,00 EUR + 480,00 EUR - 175,00 EUR = 689,00 EUR) bleibt.

    Soweit bisher eine Anzahl von Obergerichten eine hälftige Anrechnung der auf die Geschäftsgebühr geleisteten Zahlungen generell, also auch bei Unterschreitung des Höchstbetrags nach § 15a Abs. 1 RVG befürwortet hat (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Dezember 2018 - L 7 AS 4/17 B - juris Rn. 26; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - L 39 SF 41/18 B E - Rn. 32 ff.; LSG Thüringen, Beschluss vom 1. November 2018 - L 1 SF 1358/17 B - juris Rn. 16; wohl auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 26. Juli 2017 - L 8 AS 640/15 B KO - juris Rn. 22; a.A. aber Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - L 15 SF 133/15 - juris Rn. 49; vgl. auch Hessisches LSG, Beschluss vom 3. Februar 2015 - L 2 AS 605/14 B - juris Rn. 21), vermag sich der Senat dem schon unter bloßer Beachtung der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Rechtslage nicht anzuschließen. Die tatsächliche Entgegenahme von Zahlungen auf die Geschäftsgebühr ist danach zwar eine notwendige (statt vieler zuletzt LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - L 39 SF 41/18 B E - juris Rn. 29 m.w.N.; a.A. aber zuletzt noch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Januar 2020 -L 19 AS 773/19 B - juris Rn. 24), aber keine hinreichende Bedingung für die Anrechnung. Bereits die Regelung des § 58 Abs. 2 RVG a.F., wonach Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Beiordnung für seine Tätigkeit erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen sind, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht, deutet auf den gesetzgeberischen Willen hin, dem Rechtsanwalt auch im Falle der der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe sein aus § 15a Abs. 1 RVG folgendes Wahlrecht zu erhalten (so auch Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Juni 2019 - L 2 AS 241/18 B - juris Rn. 36). Dagegen spricht auch nicht die Vorschrift des § 55 Abs. 5 Satz 3 und 4 RVG a.F., nach der der Rechtsanwalt bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr diese Zahlungen sowie den Betrag der Gebühr mit dem Festsetzungsantrag anzugeben und nach Antragstellung zugeflossene Zahlungen unverzüglich anzuzeigen hat. Diese spricht nicht für eine generelle (hälftige) Anrechnungspflicht geleisteter Zahlungen. Die Informationen benötigt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle vielmehr, um prüfen zu können, ob die Summe aus den auf die Geschäftsgebühr geleisteten Zahlung und der mit dem Festsetzungsantrag geforderten Verfahrensgebühr den sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Maximalbetrag überschreitet (vgl. auch BT-Drucks. 19/23484 S. 81).

    Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses streitet nunmehr zusätzlich auch noch die Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG in der seit 1. Januar 2021 geltenden Fassung des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3229). Ist danach eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde. Zwar gilt diese Vorschrift, die den bisherigen Meinungsstreit im Sinne der hier vertretenen Auffassung für die Zukunft beenden dürfte, für den hier streitigen Anspruch noch nicht. Die Erinnerungsführerin weist in ihrem Schriftsatz vom 4. Januar 2021 allerdings zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber der Einfügung des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG lediglich klarstellende Bedeutung beigemessen hat (BT-Drucks. 19/23484 S. 81).

    Wegen der klarstellenden Regelung des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG kommt der Rechtssache inzwischen keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, so dass eine Übertragung auf den Senat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG) nicht angezeigt gewesen ist.

    Auf die ggf. weiterhin streitige Frage, ob im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach § 55 RVG die Billigkeit der vom Rechtsanwalt bestimmten anzurechnenden Geschäftsgebühr überprüft und eine anteilige Anrechnung der auf eine überhöhte, vom Dritten aber unbeanstandete Geschäftsgebühr geleisteten Zahlungen auch insoweit erfolgen kann, als der Höchstbetrag des § 15a Abs. 1 RVG bei Zugrundelegung lediglich der angemessenen Geschäftsgebühr überschritten wäre (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Juni 2019 - L 2 AS 241/18 B - juris Rn. 39 f., das einen "abstrakten Gesamtbetrag gemäß § 15a Abs. 1 RVG" unter Berücksichtigung der "hälftigen angemessenen Geschäftsgebühr" bildet), kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Allerdings wird der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle durch die ihm nach § 55 Abs. 5 Satz 3 und 4 RVG zu gewährenden Informationen schon tatsächlich nicht in die Lage versetzt, die Angemessenheit der bestimmten Geschäftsgebühr überhaupt eigenständig prüfen zu können.

    Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 177 SGG).

    RechtsgebietSozialrechtVorschriften§ 15a Abs. 1, § 58 Abs. 2 RVG, Nr. 2302, Nr. 3102, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG