Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 18.03.2019 · IWW-Abrufnummer 207792

    Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 05.09.2018 – 2 Ta 165/18

    Auslegung einer Ratenzahlungsvereinbarung im Abfindungsvergleich.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Köln vom 27.07.2018 - Az. 2 Ga 83/18, vom 02.08.2018- Az. 10 Ga 89/18 und vom 09.08.2018 - Az. 12 Ga 91/18, verbunden im Beschwerdeverfahren zum Az. 2 Ta 165/18 wird zurückgewiesen.



    Gründe



    I. Die Beschwerdeführerin war die Arbeitgeberin des Beschwerdegegners. Dieser war ihr Arbeitnehmer. Diese Bezeichnungen werden im Folgenden beibehalten, da die Prozessrollen in den Vorverfahren sowie in dem Hauptsacheverfahren erster Instanz 14 Ca 4854/18 abweichend sind.



    Am 12.04.2018 vereinbarten die Parteien in den vor dem Arbeitsgericht Köln geführten Verfahren 14 Ca 3184/17 und 14 Ca 1532/17 die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, die Abwicklung streitiger Lohnzahlungen sowie eine Abfindung.



    Der Text lautet insoweit:



    Die Arbeitgeberin zahlte am 03.05.2018 einen Betrag von 484,75 EUR an den Kläger. Am 18.05.2018 fertigte sie eine Lohnabrechnung. Danach entfielen auf den Abfindungsbetrag von 9.000 EUR insgesamt 4.637,25 EUR an Steuern. Der an den Arbeitnehmer auszuzahlende Nettobetrag belief sich nach dieser Abrechnung auf 4.362,75 EUR. Dies ergibt geteilt durch neun den Betrag von 484,75 EUR, der am 3. Mai an den Arbeitnehmer gezahlt wurde.



    Gemäß eidesstattlicher Versicherung des Geschäftsführers der Arbeitgeberin vom 21.08.2018 hat dieser den Betrag von 4.637,25 EUR am 15.06.2018 per Überweisung an das Finanzamt geleistet. Im Schriftsatz vom 29.08.2018 ist auf Seite 7 ebenfalls die Rede davon, dass die Überweisung erst am 15.06.2018 getätigt wurde. Auf Seite 3 dieses Schriftsatzes gibt die Arbeitgeberin an, die Zahlung sei am "15.05.2018 (vier Tage zu spät)" erfolgt. Die erkennende Kammer geht davon aus dass es sich hierbei um einen Schreibfehler handelt, da an gleicher Stelle davon die Rede ist, dass die Zahlung an das Finanzamt am 11.06.2018 fällig gewesen sei, was wiederum die Erläuterung" vier Tage zu spät" erklärt.



    Am 11.06.2018 beantragte der Arbeitnehmer über seinen Prozessbevollmächtigten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Am 29.06.2018 erfolgte die Kontenpfändung bei der Arbeitgeberin. Mit Klageschrift vom 06.07.2018 begehrte die Arbeitgeberin die Rückzahlung von 8.344,89 EUR zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2018.



    Mit Schriftsatz vom 23.07.2018 beantragte die Arbeitgeberin den ersten dinglichen Arrest i. H. v. 7.860,14 EUR nebst Zinsen. Der Antrag wurde aus der Hauptsache abgetrennt und durch Beschluss vom 27.07.2018 abgewiesen. Mit Antrag vom 31.07.2018, ebenfalls aus dem Hauptsacheverfahren 14 Ca 4854/18 abgetrennt, beantragte die Arbeitgeberin auch den Arrest in das gesamte Vermögen der Streitverkündeten, der Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers, ebenfalls wegen einer Rückzahlungsforderung i. H. v. 7.860,14 EUR nebst Zinsen. Dieser Antrag wurde ebenfalls zurückgewiesen



    Mit Schriftsatz vom 07.08.2018 beantragte die Arbeitgeberin erneut gegen den Arbeitnehmer und die ihn vertretenden Prozessbevollmächtigten als Schuldner zu eins und Schuldnerin zu zwei die Anordnung des dinglichen Arrestes wegen einer Rückzahlungsforderung von 7.860,14 EUR nebst Zinsen (wobei der Zinsantrag im Schriftsatz vom 07.08.2018 nicht vollständig wiedergegeben ist). Auch dieser Antrag wurde abgewiesen.



    Gegen alle drei Beschlüsse legte die Arbeitgeberin sofortige Beschwerde ein. Die jeweiligen Kammern des Arbeitsgerichts haben der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beschwerdeeinlegung erfolgte jeweils fristgerecht nach Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Arbeitnehmer und seine Prozessbevollmächtigten wurden in dem Arrestverfahren ebenso wie im Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Dies ist in Arrestverfahren der Regelfall, damit dem bzw. den Schuldnern durch Gewährung rechtlichen Gehörs keine Gelegenheit gegeben wird, die Vollziehung eines eventuell zu erlassenden Arrestes zu vereiteln.



    Der Nachweis, dass die Steuern auf den Abfindungsbetrag an das Finanzamt geflossen sind, erfolgte erst am 21.08.2018. Danach hat der Arbeitnehmer den Steuerbetrag an die Arbeitgeberin durch seine Prozessbevollmächtigten zurücküberwiesen. Der restliche vollstreckte Betrag liegt auf Anderkonto der Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers. Die Arbeitgeberin hat mit Schriftsatz vom 03.09.2018 das Verfahren in der Hauptsache i. H. v. 4.637,25 EUR sowie in Höhe von weiteren 484,25 EUR für erledigt erklärt.



    Von der Darstellung der mit der sofortigen Beschwerde vorgetragenen Beschwerdegründe wird im Rahmen des Tatbestandes abgesehen, da die Darstellung im Rahmen der Entscheidungsgründe erfolgt, soweit es für die Entscheidung maßgeblich ist.



    Mit Beschwerdeschriftsatz vom 15.08.2018 hat die Arbeitgeberin zunächst beantragt,



    Die weiteren angekündigten Anträge beziehen sich auf die Vollziehung des nach a) zu erlassenden Arrestes. Nach der teilweisen Erledigungserklärung beläuft sich der zurück zu zahlende Betrag im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht nach dem Antrag der Arbeitgeberin somit auf 2.253,89 EUR. Nach ihrer Rechtsansicht sind noch vier Raten (die letzte fällig zum 01.01.2019) in Höhe von insgesamt 1.939 EUR offen. Soweit das Arbeitsgericht in der Hauptsache nicht vor dem 2. Januar 2019 entscheidet wird zum Zeitpunkt der Entscheidung die Erledigung der Hauptsache eingetreten sein.



    II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde ist nicht begründet.



    Die zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts ist zur Entscheidung nach Übernahme der in der vierten und fünften Kammer des Landesarbeitsgerichts anhängigen Beschwerdeverfahren gemäß Geschäftsverteilungsplan zuständig. Die Verfahren wurden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.



    Das Landesarbeitsgericht kann auch in der Sache selbst entscheiden. Zwar hat die Arbeitgeberin gerügt, bei den erstinstanzlichen Beschlüssen sei der gesetzliche Richter nicht gewahrt worden. Eine nähere Aufklärung dieses Sachverhalts kann dahinstehen, da das Landesarbeitsgericht nicht gezwungen ist, die Entscheidungen aufzuheben und die Rechtsstreitigkeiten zurückzuverweisen, sondern auch eine Sachentscheidung treffen kann. Im Übrigen teil die erkennende Kammer die Rechtsansicht der Arbeitgeberin insoweit nicht.



    Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund in Sinne der §§ 916, 917 ZPO sind gegeben.



    Die Arbeitgeberin hat keinen Arrestanspruch gegen den Arbeitnehmer, denn sie war am 11.06.2018 unabhängig davon, wie der Vergleich vom 12.04.2018 ausgelegt wird, mit mehr als 1.000 EUR in Verzug. Deshalb war am 11.06.2018 der gesamte Abfindungsbetrag fällig.



    Die Ratenzahlungsvereinbarung im Vergleich lässt drei mögliche Auslegungen zu.



    Zum einen ist denkbar, dass die Parteien vereinbart haben, dass jeden Monat erneut aus einem Betrag von 1.000 EUR brutto Lohnsteuer abgeführt und der sich ergebende Restbetrag an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Dies setzt voraus, dass jedenfalls bis längstens eine Woche nach dem Monatsersten sowohl der Nettobetrag beim Arbeitnehmer als auch der Steuerbetrag beim Finanzamt eingegangen ist. Am 11.06.2018 waren jedoch die nach dieser Auslegung bis dahin fälligen Steuerbeträge für die Monate Mai und Juni nicht beim Finanzamt eingegangen, so dass eine Erfüllung des Vergleichs nicht vorlag.



    Der Vergleich kann ferner so ausgelegt werden, dass die Vergleichssumme zum Erhalt der steuerlichen Begünstigung (Fünftelungsprinzip) in einer Summe abzurechnen und ans Finanzamt abzuführen war, sowie an den Arbeitnehmer die errechnete Nettosumme in neun gleichen Beträgen zu zahlen war. Dieser Ansicht ist die Arbeitgeberin. Allerdings hatte sie die Steuerforderung bis zum 11.06.2018 nicht beglichen, so dass auch bei dieser Auslegung ein Rückstand von jedenfalls mehr als 1.000 EUR am 11.06.2018 bestand. Die Ratenhöhe war ausdrücklich mit 1.000 EUR angegeben. Geleistet waren am 11.06.2018 weniger als 1.000 EUR.



    Der Vergleich kann aber auch so ausgelegt werden, dass die Steuern in einem Betrag zu zahlen waren und die an den Arbeitnehmer netto fließende Summe in Beträgen von jeweils 1.000 EUR zu begleichen war. In diesem Fall wären fünf Raten an den Arbeitnehmer auszuzahlen gewesen, die letzte dann i. H. v. 362,75 EUR. Hierfür spricht, dass die Parteien nicht die Anzahl der Raten genannt haben und bei dem an den Arbeitnehmer zu zahlenden Betrag nicht die Bezeichnung "brutto" enthalten ist. Auch nach dieser Lesart war die Arbeitgeberin am 11.06.2018 mit mehr als 1.000 EUR in Rückstand. Die Bedingung des Vergleichs, wonach im Falle eines Verzuges von mehr als einer Woche die gesamte Forderung fällig wird, ist damit auf jeden Fall am 11.06.2018 eingetreten. Damit war die Ratenzahlungsvereinbarung ab dem 11.06.2018 hinfällig. Der Arbeitnehmer konnte die aus seiner Sicht noch nicht nachgewiesenen Zahlungen im Wege der Zwangsvollstreckung beitreiben. Es wäre Sache der Arbeitgeberin gewesen eine eventuell erfolgte Erfüllung oder Teilerfüllung des Anspruchs durch Nachweis der Überweisung an das Finanzamt einzuwenden.



    Forderungen auf Vergütungszahlung, die auf einen Bruttobetrag lauten und der Lohn- oder Einkommenssteuer unterfallen, können in Höhe des nominellen Zahlungsbetrages vollstreckt werden. In diesem Fall verlagert sich die Abführungspflicht auf den vollstreckenden Arbeitnehmer. Das Finanzamt erhält durch den Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht Kenntnis von der Zwangsvollstreckung einer Lohnforderung.



    Sollte ein Arbeitgeber vor der Vollstreckung Lohnsteuern an das Finanzamt abgeführt haben, handelt es sich um eine Einwendung, die geltend gemacht werden muss und durch Urkunden nachgewiesen werden muss. Solange ein solcher Nachweis nicht erfolgt ist, ist die Vollstreckung nicht eingeschränkt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der Arbeitnehmer Steuerschuldner ist, der Arbeitgeber lediglich Zahlstelle. Deshalb ist auch nicht ersichtlich, dass die an das Finanzamt abzuführenden Anteile der BruttoForderung anderen Fälligkeitsregelungen unterfallen als die an den Arbeitnehmer auszuzahlende NettoForderung. Solange der Arbeitgeber keine Abführung an das Finanzamt bewirkt hat, bleibt es bei der Fälligkeit der BruttoForderung zum Fälligkeitstag zu Gunsten des Arbeitnehmers. Selbst wenn man die Ansicht zu Grunde gelegt, durch eine Lohnabrechnung mit Ausweis der Steueranteile erlasse der Arbeitgeber für das Finanzamt als Beliehener einen vorläufigen Haftungsbescheid gegenüber dem Arbeitnehmer als Steuerschuldner, führt dies allenfalls dazu, dass die Erfüllung nicht mehr an den Arbeitnehmer bewirkt werden kann, sondern an das Finanzamt zu leisten ist. Ob zum Zeitpunkt der Abrechnung bereits Verzug eingetreten ist und insbesondere ob die Forderung tatsächlich bereits erfüllt ist oder nicht, hängt von den Abreden zur Fälligkeit der Bruttoforderung und dem Zahlungseingang beim Berechtigten ab. Der Arbeitnehmer durfte deshalb auch den auf die Steuern entfallenden Teil der Bruttoforderung vollstrecken, da ihm die Zahlung an das Finanzamt nicht bekannt war und die Arbeitgeberin auch insoweit im Verzug der Leistung war..



    Damit steht für die erkennende Kammer fest, dass zum Entscheidungszeitpunkt über die Beschwerde kein durch den Arrest zu sichernder Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer mehr besteht, da die Ratenzahlungsvereinbarung aufgrund Verzugs der Arbeitgeberin hinfällig geworden ist und der Steueranteil zurückerstattet wurde.



    Darüber hinaus besteht aber auch kein Arrestgrund. Denn die Arbeitgeberin bedarf nicht der Sicherung der Forderung.



    Sinn des Arrestverfahrens ist es, Vermögensverschiebungen eines Schuldners zu verhindern, damit nach durchgeführtem Rechtsstreit über den Bestand einer Forderung in der Hauptsache die Zwangsvollstreckung nicht deshalb ins Leere läuft, weil es dem Schuldner gelungen ist, zwischenzeitlich sein Vermögen beiseite zu schaffen. Dieser typische Arrestfall ist vorliegend deshalb nicht gegeben, weil bei einer Entscheidung in der Hauptsache ab dem 02.01.2019 dem Arbeitnehmer die gesamte Abfindung egal bei welcher Auslegung und unabhängig davon, ob die Ratenzahlungsvereinbarung hinfällig geworden ist, zusteht. Der Arbeitgeberin droht also nicht, dass ihre Rückzahlungsforderung wegen eines Vermögensverfalls oder des Beiseiteschaffens von Vermögens durch den Arbeitnehmer nicht mehr vollstreckbar ist. Es gibt also kein aktuelles Sicherungsbedürfnis, dass den Erlass eines Arrestes rechtfertigen könnte.



    Die eigene wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin ist bei der Prüfung, ob ein Arrestgrund gegeben ist, nicht zu berücksichtigen. Auch ein Millionär kann einen Arrest gegen einen Schuldner erwirken. Soweit die Arbeitgeberin durch eidesstattliche Versicherungen ihre eigene finanzielle Lage glaubhaft macht, ist dies deshalb für den Arrestgrund nicht erheblich. Dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Entscheidung in Vermögensverfall geraten wäre oder die Zwangsvollstreckung wegen drohendem Beiseiteschaffen von Vermögenswerten leerlaufen würde, ist nicht glaubhaft gemacht. Zudem ist aber überhaupt nicht ersichtlich, dass ab Januar 2019 überhaupt noch nennenswerte Rückzahlungsforderungen bestehen würden. Selbst zum heutigen Zeitpunkt belaufen sich die nach Ansicht der Arbeitgeberin offenen Raten nur auf 1.939 EUR.



    Die Arbeitgeberin trägt die Kosten des Arrestverfahrens. Dies gilt auch für die zwischenzeitlich erledigten Forderungsteile. Wie oben dargestellt ist die Ratenzahlungsvereinbarung wegen Verzugs der Arbeitgeberin ab 11.06.2018 entfallen. Die Erfüllung gegenüber dem Finanzamt war nicht nachgewiesen. Die Zwangsvollstreckung war in vollem Umfang zulässig.



    Die weiteren Anträge auf Pfändung sind nicht zur Entscheidung angefallen. Diese setzen voraus, dass ein Arrest angeordnet wurde.



    Die Rechtsbeschwerde kann nicht zugelassen werden, da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, also auch im Arrestverfahren der Rechtszug mit der zweiten Instanz endet.

    Vorschriften§§ 9, 10 KSchG, §§ 916, 917 ZPO