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  • 24.11.2011 · IWW-Abrufnummer 113856

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 18.04.2011 – 10 W 129/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Kammergericht
    Beschluss
    Geschäftsnummer: 10 W 129/10
    27 O 691/10 Landgericht Berlin
    In dem Beschwerdeverfahren XXX
    hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin am 18. April 2011 durch XXX
    b e s c h l o s s e n:
    Die Streitwertbeschwerde der Antragstellervertreter gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 2. September 2010 – 27 O 691/10 – wird zurückgewiesen.
    Gründe:
    I. Die Antragsgegnerin veröffentlichte im August 2010 auf dem Online-Portal „Ba .de“ unter der Überschrift „Rxxx -Äxxx mit dem Kxxx -Mxxx“ einen Beitrag, der sich mit gegen die Antragstellerin erhobenen Vorwürfen befasst. Deren Kindermädchen klage, dass sie bis zu 14 Stunden ohne Pause am Tag im Einsatz gewesen sei und der effektive Stundenlohn teilweise nur 3,60 Euro betragen habe. Das Kindermädchen habe eine Anwaltskanzlei beauftragt, Klage gegen die Antragstellerin einzureichen. Die Forderung betrage 30.000 Euro. Außerdem, so der Beitrag, soll die Antragstellerin keine Sozialabgaben für ihr Kindermädchen abgeführt haben.
    Die Antragstellerin erwirkte am 2. September 2010 eine auf Untersagung erneuter Berichterstattung gerichtete einstweilige Verfügung. Das Landgericht setzte den Verfahrenswert auf 13.333,33 € fest. Dagegen richtet sich die Streitwertbeschwerde der Antragstellervertreter. Sie beanstanden die Festsetzung auf nur 1/3 des Wertes der in dem Verfahren gegen die Printveröffentlichung festgesetzten Wertes. .
    II. Die nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG statthafte und zulässig eingelegte Streitwertbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Streitwert zutreffend auf 13.333,33 € festgesetzt (§ 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).
    1. Nach der Rechtsprechung des 9. Zivilsenates des Kammergerichts und des angerufenen Senates ist bei einem presserechtlichen Vorgehen gegen eine Verbreitung in Online-Medien im Verhältnis zu einer inhaltsgleichen Printveröffentlichung regelmäßig ein Streitwert von etwa 1/3 angemessen. Der Senat verweist auf die Beschlüsse vom 19. Januar 2010 (9 W 211/09) und vom 17. Mai 2010 (10 W 13/10). Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, davon allgemein oder im konkreten Fall abzuweichen.
    2. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 ist der Streitwert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Als Kriterien sind u.a. die Größe des Empfängerkreises der beanstandeten Äußerung, die Stellung des Betroffenen soweit die Erheblichkeit des zu unterlassenden Eingriffs in den persönlichen und wirtschaftlichen Ruf zu berücksichtigen (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., „Unterlassung“ RNrn. 5522 ff.).
    a) Der Umfang der Sache ist gering. Die Antragsschrift besteht aus vier Seiten, der Sachverhalt ist übersichtlich. Die Antragstellerin stützt den Unterlassungsanspruch auf das Vorliegen überwiegender Anonymitätsinteressen. Dass die Antragsgegnerin unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, ist nicht vorgetragen. Der Eingriff ist nicht schwerwiegend.
    b) Für die Wertbestimmung kommt es entgegen der Ansicht der Antragstellervertreter allerdings nicht darauf an, welche Preise von Anzeigenkunden bezahlt werden. Die Antragstellerin beanstandet eine Verletzung der ideellen Teile ihres Persönlichkeitsrechts.
    c) Dass der Verbreitungsgrad der Online-Veröffentlichung dem der Printveröffentlichung auch nur annähernd entspricht, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Der Vergleich der Auflage der Printausgabe der Bxx -Zxxx mit der Zahl der täglichen Besucher des Online-Portals „www.bxx.de“ („vxxx“) oder der Zahl der Seitenaufrufe (page impressions) ist insoweit nicht aussagekräftig, da die beanstandeten Äußerungen nur von denjenigen Lesern zur Kenntnis genommen worden sein können, die auf die konkrete Webseite zugegriffen haben. Die Antragstellervertreter zeigen nicht auf, warum die von der Antragsgegnerin dazu vorgetragenen, von der Fa. Wxxx ermittelten Zugriffszahlen falsch und als Schätzgrundlage ungeeignet sein sollten. Sie beschränken sich darauf, die Angaben mit Nichtwissen zu bestreiten, ohne selbst verlässlicheres Zahlenmaterial zu liefern. Zur Einholung eines Gutachtens ist der Senat nicht verpflichtet (vgl. Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 3 ZPO RNr. 10).
    Die Zahl der Zugriffe lässt einen Rückschluss auf die Zahl der Leser der Online-Veröffentlichung zu. Das gemeinsame Lesen vor dem Computer oder das Ausdrucken und Weiterverteilen entspricht nicht dem typischen Nutzerverhalten. Davon abgesehen wird auch die Printausgabe an andere Leser weitergegeben. Die auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2010 aufgemachte Rechnung der Antragstellervertreter (Zugriff in 10 Tagen: 232.000 Mal; Zugriff in 30 Jahren: 2,3 Mrd.) unterstellt ein über Jahre hinweg gleichbleibendes Interesse der Nutzer an der Veröffentlichung. Für diese Annahme fehlt jede Grundlage.
    Der Vortrag der Antragstellervertreter zu einer „massiven digitalen Verbreitung“ via Txxx, Wxxx /Gxxx usw. (Seite 4 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2010) ist unkonkret. Die dazu vorgelegten Anlagen BF 8 ff. betreffen nicht den fraglichen Artikel. Die Übernahme des Beitrags durch Dritte (Anlage BF 11) rechtfertigt eine Erhöhung des Streitwerts nicht. Für die Verbreitung durch Dritte ist die Antragsgegnerin äußerungsrechtlich nicht verantwortlich.
    d) Die Angabe des Verfahrenswertes in der Antragsschrift kann ein Indiz für die Schätzung des Interesses an der Abwehr der Persönlichkeitsrechtsverletzung sein. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht aber nicht von der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (KG, KG-Report 1998, 170, 171). Den auf presserechtliche Streitigkeiten spezialisierten Vertretern der Antragstellerin ist die Rechtsprechung zur Bemessung des Wertes bei Online-Veröffentlichungen bekannt. Sie waren in den unter Ziffer 1 aufgeführten Verfahren Beteiligte. Die mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang stehende Streitwertangabe (40.000,00 €) entfaltet daher keine Indizwirkung.
    e) Die Bewertung des Streitgegenstandes für die Gebührenberechnung richtet sich in zeitlicher Hinsicht nach der den Rechtszug einleitenden Antragstellung, § 40 GKG. Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist das Interesse des Betroffenen an der Untersagung erneuter Veröffentlichung zu bewerten. Dafür kommt es darauf an, in welchem Medium die beanstandete Veröffentlichung erfolgt ist, da nach einer rechtswidrigen Berichterstattung die Gefahr einer Wiederholung auf demselben Verbreitungsweg besteht. Im Rahmen der Überprüfung der Streitwertangabe hält es der Senat für zulässig, die tatsächlichen, erst nachträglich bekannten Zugriffszahlen mit zu berücksichtigen. Denn sie geben Aufschluss darüber, ob der Bewertung des Interesses reale Annahmen zugrunde gelegen haben.
    f) Der Möglichkeit des über Suchfunktionen einfachen Auffindens vorgehaltener Online-Veröffentlichungen wird mit dem Ansatz eines Bruchteils von einem Drittel hinreichend Rechnung getragen.
    Die Streitwertbeschwerde war daher zurückzuweisen.

    RechtsgebietGKGVorschriften§ 48 GKG